Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Ausgleichsrente nach PrVG BE 1991
Leitsatz (amtlich)
Die Ausgleichsrente des Gesetzes über die Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus (PrVG; juris: PrVG BE 1991) des Landes Berlin ist nicht von der Berücksichtigung als Einkommen nach dem SGB II ausgenommen.
Normenkette
SGB 2 § 11 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2003-12-24, Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a Fassung: 2003-12-24; PrVG BE § 2 Abs. 1 Nr. 1; PrVG BE 1991 § 2 Abs. 1 Nr. 1; PrVG BE § 13a; PrVG BE 1991 § 13a; BSHG § 76 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Oktober 2015 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des den Klägern zu zahlenden Alg II bzw Sozialgelds nur noch für den Mai 2009.
Die 1964 geborene Klägerin zu 1 und ihr 1940 geborener Ehemann sind die Eltern der 1996 geborenen Klägerin zu 2 und des 2004 geborenen Klägers zu 3. Die Kläger beziehen seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Seit 1.5.2006 bewohnen sie eine 112,88 qm große Vier-Zimmer-Wohnung, für die laut Mietvertrag 931,26 Euro zu zahlen waren. Das beklagte Jobcenter berücksichtigte ab diesem Zeitpunkt nur eine aus seiner Sicht angemessene Gesamtmiete von 619 Euro für einen Vier-Personen-Haushalt. Ab dem 1.5.2008 belief sich die monatliche Gesamtmiete auf 874,82 Euro, wobei der Beklagte weiterhin die als angemessen angesehenen 619 Euro für die Familie zugrunde legte, sodass für jeden der Kläger und den Ehemann jeweils Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 154,75 Euro berücksichtigt wurden.
Der Ehemann ist als Verfolgter gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 des Gesetzes über die Anerkennung und Versorgung der politisch, rassisch oder religiös Verfolgten des Nationalsozialismus (PrVG) des Landes Berlin vom 13.4.1956 in der Fassung vom 21.1.1991 (GVBl 1991 S 38) anerkannt. Seit der Vollendung des 65. Lebensjahres erhält er eine Rente nach diesem Gesetz mit einem monatlichen Auszahlungsbetrag ab dem 1.4.2008 in Höhe von 1131,06 Euro (305,24 Euro Grundrente und 825,82 Euro Ausgleichsrente; Bescheid vom 14.7.2008). Darüber hinaus bezog er rückwirkend ab dem 1.7.2008 Wohngeld in Höhe von 113 Euro monatlich (Bescheid vom 18.9.2009).
Der Beklagte bewilligte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.12.2008 bis zum 31.5.2009 in Höhe von monatlich 489,18 Euro, wobei er als Kosten der Unterkunft und Heizung 619 Euro ansetzte. Weiterhin wurde die dem Ehemann gewährte Ausgleichsrente von 825,82 Euro monatlich nach Abzug der allgemeinen Versicherungspauschale von 30 Euro und seines von dem Beklagten zugrunde gelegten Bedarfs (316 Euro Regelleistung ≪jetzt Regelbedarf≫ zzgl 154,75 Euro für Unterkunft und Heizung) im Umfang von 325,07 Euro bei den Klägern berücksichtigt, außerdem als Einkommen der Kläger zu 2 und zu 3 jeweils das Kindergeld von 154 Euro (Bescheid vom 9.12.2008; Widerspruchsbescheid vom 8.4.2009).
Für den Bewilligungszeitraum von Dezember 2008 bis Mai 2009 erließ der Beklagte am 15.1.2010 zum einen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid wegen des dem Ehemann rückwirkend bewilligten Wohngelds und zum anderen ebenfalls am 15.1.2010 einen Bewilligungsbescheid mit niedrigeren monatlichen Leistungen. Die nur gegen den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15.1.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.4.2010 gerichtete Klage hat das SG mit Urteil vom 5.9.2014 abgewiesen. Die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat das LSG mit Beschluss vom 13.8.2015 zurückgewiesen.
Die Klagen gegen den Bewilligungsbescheid vom 9.12.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.4.2009 hat das SG abgewiesen (Urteil vom 14.1.2013) und das LSG die Berufungen zurückgewiesen (Urteil vom 15.10.2015). Die dem Ehemann gezahlte, sich aus einer Grund- sowie einer Ausgleichsrente zusammensetzende Rente nach dem PrVG sei gemäß § 11 Abs 1 SGB II als Einkommen anzusehen, von dem nur die Grundrente ausgenommen sei. Die Ausgleichsrente sei dagegen mit dem den Bedarf des Ehemanns übersteigenden Teil als Einkommen bei den Klägern zu berücksichtigen. Etwas anderes ergebe sich weder durch eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), noch durch eine Analogie zu § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF. Die Ausgleichsrente sei auch keine zweckbestimmte Einnahme gemäß § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II aF, denn sie diene demselben Zweck wie die Leistungen des SGB II und des SGB XII.
Dagegen wenden sich die Kläger mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen. Sie rügen eine Verletzung des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II in der im Bewilligungszeitraum vom 1.12.2008 bis zum 31.5.2009 geltenden Fassung. Dass die Ausgleichsrente der Existenzsicherung und damit dem gleichen Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II diene, lasse sich nicht aus dem PrVG herleiten. Alle Leistungen nach dem PrVG stellten eine besondere Betreuung des Landes Berlin für die Verfolgten des Nationalsozialismus dar. Zwischen den einzelnen Leistungen, insbesondere zwischen der Grund- und der Ausgleichsrente, werde nicht unterschieden. Das PrVG sei ein soziales Betreuungsgesetz mit Ehrungscharakter, das nach dem Willen des Gesetzgebers für eine relativ kleine Gruppe Verfolgter geschaffen worden sei, die sich nach Art und Schwere der erlittenen Verfolgung aus dem Kreis der NS-Verfolgten heraushebe und im Land Berlin lebe, und sehe neben der Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) eine besondere Anerkennung und zusätzliche Betreuung und Versorgung vor. Nach ihrem Zweck und nach dem Willen des Gesetzgebers seien die Leistungen allenfalls dazu bestimmt, die Existenz des Verfolgten selbst und nicht auch der mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen zu sichern.
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Nach einem Teilvergleich, mit dem sich die Beteiligten für die Zeit vom 1.12.2008 bis zum 30.4.2009 dem Ausgang des Rechtsstreits für den Mai 2009 unterworfen haben, beantragen die Kläger, |
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die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 15. Oktober 2015 und des Sozialgerichts Berlin vom 14. Januar 2013 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 9. Dezember 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. April 2009 und den Bescheid vom 15. Januar 2010 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen höhere Leistungen nach dem SGB II für Mai 2009 zu zahlen. |
Der Beklagte verteidigt das Urteil des LSG und beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen der Kläger sind im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung des angefochtenen Urteils des LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die Kläger haben zwar keinen Anspruch auf Alg II bzw Sozialgeld ohne Berücksichtigung der von dem Ehemann bezogenen Ausgleichsrente nach PrVG als Einkommen nach dem SGB II. Eine abschließende Entscheidung über die Höhe der ihnen für Mai 2009 zu gewährenden Leistungen war jedoch mangels Feststellungen zu der Angemessenheit der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht möglich.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile des SG vom 14.1.2013 und des LSG vom 15.10.2015, mit welchen das Begehren der Kläger auf höhere Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.12.2008 bis zum 31.5.2009 abgewiesen bzw zurückgewiesen wurde, sowie der Bescheid des beklagten Jobcenters vom 9.12.2008, mit dem der Klägerin zu 1 Alg II bzw den Klägern zu 2 und 3 Sozialgeld für den genannten Zeitraum unter Berücksichtigung der dem Ehemann gezahlten Ausgleichsrente bewilligt wurde, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.4.2009 (§ 95 SGG) und des Bewilligungsbescheids vom 15.1.2010, mit dem niedrigere Leistungen als zuvor festgesetzt wurden (§ 96 Abs 1 SGG).
2. Die Revisionen sind zulässig, ihnen steht insbesondere nicht die Rechtskraft des Urteils des SG vom 5.9.2014 hinsichtlich des ursprünglich identischen streitigen Zeitraums in Bezug auf die Aufhebung von Leistungsbescheiden und eine Erstattungsforderung wegen nicht berücksichtigten Wohngelds entgegen, ohne dass es noch darauf ankommt, ob eine Trennung des im Grundsatz einheitlichen Streitgegenstands rechtlich zulässig war. Das SG hat in seinem nach der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das LSG rechtskräftig gewordenen Urteil nur eine Teilentscheidung in Bezug auf das Wohngeld durch den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 15.1.2010 getroffen, sodass der Senat nicht an einer Entscheidung über die vorliegend noch streitige Höhe der Leistungen insgesamt gehindert ist.
3. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Insbesondere war der 1940 geborene Ehemann, der gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB II nicht leistungsberechtigt war, in diesem Rechtsstreit nicht notwendig beizuladen (§ 75 Abs 2 Alt 1 SGG), denn er ist lediglich in seinen wirtschaftlichen Interessen betroffen (vgl BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, beides RdNr 13). Über eine einfache Beiladung nach § 75 Abs 1 SGG war vom Senat nicht zu befinden, da diese im Ermessen des Gerichts steht und eine Unterlassung keinen Verfahrensmangel begründen kann (vgl nur BSG vom 28.9.2005 - B 6 KA 71/04 R - BSGE 95, 141, 143 = SozR 4-2500 § 83 Nr 2, jeweils RdNr 6; BSG vom 12.12.2012 - B 6 KA 3/12 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 13 RdNr 11).
Die Kläger verfolgen ihr Begehren auf höheres Alg II bzw Sozialgeld zutreffend mit kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG). Soweit sie keinen bezifferten Klageantrag gestellt haben, begehren sie zulässig den Erlass eines Grundurteils im Höhenstreit (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG; vgl BSG vom 25.4.2018 - B 14 AS 21/17 R - vorgesehen für SozR, RdNr 9).
4. Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids vom 15.1.2010 ist § 40 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Nr 3 SGB II in der im Rücknahmezeitpunkt geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21.12.2008 (BGBl I 2917; zur Maßgeblichkeit des im Zeitpunkt der Aufhebung geltenden Rechts vgl letztens BSG vom 7.12.2017 - B 14 AS 7/17 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 7 Nr 55 RdNr 10) iVm § 45 SGB X und § 330 Abs 2 SGB III. Danach ist eine rechtswidrige begünstigende Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II auch nach Unanfechtbarkeit mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sie auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Maßstab hierfür in materieller Hinsicht ist § 7 iVm §§ 11 ff, §§ 19 ff SGB II in der Fassung, die das SGB II zuletzt vor dem streitbefangenen Zeitraum durch das Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 6.3.2009 (BGBl I 416) erhalten hat (Geltungszeitraumprinzip, vgl BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 14 f). Ob den Klägern danach mit Bescheid vom 9.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.4.2009 rechtswidrig begünstigend zu hohe Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Mai 2009 zuerkannt worden sind, vermag der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht zu entscheiden.
5. Die Klägerin zu 1 erfüllte nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen die Grundvoraussetzungen als leistungsberechtigte Person nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II und es lag für sie kein Ausschlusstatbestand vor. Entsprechendes gilt für die im Streitzeitraum unter 15 Jahre alten Kläger zu 2 und zu 3, die die Voraussetzungen des § 7 Abs 2 iVm § 28 SGB II aF erfüllten.
Die Kläger bildeten eine Bedarfsgemeinschaft mit dem Ehemann der Klägerin zu 1 (§ 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a SGB II). Die Prüfung der Hilfebedürftigkeit der Kläger ist nach den Grundsätzen durchzuführen, die das BSG für sog gemischte Bedarfsgemeinschaften entwickelt hat (vgl grundlegend BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5). Danach sind zunächst die Bedarfe der Kläger zu bestimmen und anschließend ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang diesen Bedarfen eigenes Einkommen oder Einkommen des Ehemanns sowie verwertbares Vermögen entgegensteht.
6. Die Bedarfe der Kläger sowie des Ehemanns setzen sich zusammen aus den Regelbedarfen (früher Regelleistung) gemäß § 20 Abs 2 und Abs 3 SGB II für die beiden volljährigen Partner der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von jeweils 90 vH der Regelleistung nach Abs 2 und für die minderjährigen Kinder Sozialgeld nach § 28 Abs 1 Nr 1 in Höhe von 60 vH der nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II maßgebenden Regelleistung. Hinzu kommen die Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 SGB II in Höhe des Kopfteils (siehe dazu letztens BSG vom 14.2.2018 - B 14 AS 17/17 R - vorgesehen für BSGE und SozR 4, RdNr 14 ff) für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Die Gesamthöhe der Bedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts kann nicht abschließend ermittelt werden, weil Feststellungen des LSG dazu fehlen, ob die Begrenzung der Leistungen für Unterkunft und Heizung von tatsächlich zu zahlenden 874,82 Euro auf anerkannte 619 Euro (geteilt durch vier Personen, also 154,75 Euro pro Kopfteil) rechtmäßig ist. Diese Prüfung wird das LSG in dem wieder eröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.
7. Zur Ermittlung der Ansprüche der Kläger auf Alg II bzw Sozialgeld sind diesen Bedarfen zunächst ihre eigenen Einkommen gegenüberzustellen. Für den hier streitgegenständlichen Monat Mai 2009 ist als solches Einkommen lediglich das Kindergeld von je 154 Euro bei den Klägern zu 2 und zu 3 zu berücksichtigen (§ 11 Abs 1 Satz 3, 2 SGB II).
Des Weiteren ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang Einkommen des Ehemanns bei den Klägern zu berücksichtigen ist. Nach § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ua auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen, nach Satz 3 dieser Vorschrift gilt jede Person einer Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist.
Da nur das den Bedarf des nicht leistungsberechtigten Mitglieds übersteigende Einkommen auf die hilfebedürftigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu verteilen ist (BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 47 ff), ist eine abschließende Entscheidung aufgrund der fehlenden Feststellungen hinsichtlich der zu berücksichtigenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung (siehe 6.) nicht möglich.
8. Bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens des Ehemanns ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, dass die Ausgleichsrente zu berücksichtigen ist (§ 11 Abs 1 Satz 1 SGB II), wohingegen die Grundrente in Höhe von 305,24 Euro zu Recht von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen wurde (§ 11 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II).
a) Dass der Gesetzgeber zwischen Grundrente und Ausgleichsrente unterscheidet, wird bereits in der historischen Entwicklung seit Erlass des BSHG im Jahre 1961 deutlich. In § 76 Abs 1 BSHG (in der Neufassung vom 14.8.1969, BGBl I 1153) waren bereits "Leistungen nach diesem Gesetz" und die Grundrente nach dem BVG von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen. Eine weitere Änderung durch das Fünfte Gesetz zur Änderung des BSHG vom 28.10.1986 (BGBl I 1657) sollte sicherstellen, dass Leistungen, die Verfolgte und deren Hinterbliebene nach dem BEG erhalten, die wegen fehlender Zweckbestimmung iS von § 77 Abs 1 BSHG als Einkommen galten, ebenso wie die Grundrente nach dem BVG und Schmerzensgeld nach § 847 BGB zukünftig nicht als Einkommen berücksichtigt würden. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 10/4662 S 4) ist ausgeführt, dass eine Gleichstellung der durch den Nationalsozialismus Verfolgten mit den Kriegsopfern in der Sozialhilfe geboten sei, weshalb § 76 Abs 1 BSHG dahingehend neu gefasst werde, dass die gezahlte Entschädigung, soweit sie nach Art der Entschädigung und Personenkreis und nach ihrer Höhe mit der geltenden Ausnahmeregelung für die Grundrente nach dem BVG korrespondiere, nicht als Einkommen berücksichtigt werde. Dass eine Grundrente nach dem BVG oder vergleichbaren Gesetzen ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen sowie gesellschaftliche oder berufliche Stellung gezahlt wird (vgl dazu Dau in Knickrehm, HK - Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG RdNr 1), betont den immateriellen Gehalt, auch in Form der Genugtuung, der dieser Grundrente innewohnt.
Zudem ergibt sich aus der zitierten Fassung des § 76 Abs 1 BSHG, dass bereits zu dessen Geltungszeiten nur Grundrenten, nicht aber darüber hinausgehende Rentenzahlungen von der Einkommensberücksichtigung ausgenommen waren. Diese Regelung des BSHG wurde in § 11 Abs 1 SGB II bzw in § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII ausdrücklich vom Gesetzgeber übernommen (BT-Drucks 15/1516 S 53 Zu § 11). Der Wortlaut des § 11 Abs 1 SGB II stimmt mit dem Text des BSHG überein, hier wurde die Beschränkung der Einkommensprivilegierung auf Grundrenten übernommen. Dazu hat das BSG bereits ausgeführt, dass der Gesetzgeber des Sozialhilferechts ausdrücklich nur bestimmte Leistungen, nämlich die Grundrenten nach dem BVG sowie Renten und Beihilfen, die nach dem BEG gewährt werden, in Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG von der Einkommensanrechnung ausgenommen hat (BSG vom 3.12.2002 - B 2 U 12/02 R - BSGE 90, 172 = SozR 3-5910 § 76 Nr 4; vgl auch BSG vom 30.6.2016 - B 8 SO 3/15 R - BSGE 121, 283 = SozR 4-3500 § 82 Nr 11, RdNr 24, 27).
b) Da § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II auf das BVG Bezug nimmt, sind hinsichtlich der Berücksichtigung von Einkommen nicht nur die Vorschriften bzgl der Grundrente, sondern daraus folgend auch bzgl der Ausgleichsrente in den Blick zu nehmen. Nach § 32 BVG wird die Ausgleichsrente gezahlt, wenn eine zumutbare Erwerbstätigkeit nicht oder nur in beschränktem Umfang oder nur mit überdurchschnittlichem Kräfteaufwand ausgeübt werden kann. Das zeigt, dass eine Ausgleichsrente rein materiell ausgerichtet ist, sodass sie sich von der Grundrente mit ihrem immateriellen Gehalt unterscheidet (vgl BSG vom 5.9.2007 - B 11b AS 15/06 R - BSGE 99, 47 = SozR 4-4200 § 11 Nr 5, RdNr 33; BSG vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 62/06 R - RdNr 30). Die Ausgleichsrente wird bei fehlender Erwerbstätigkeit gezahlt und soll den allgemeinen Lebensunterhalt unabhängig von der Sozialhilfe auf einem Mindestniveau sichern (BSG vom 17.10.2013 - B 14 AS 58/12 R - BSGE 114, 249 = SozR 4-4200 § 11 Nr 65, RdNr 29).
c) Auch wenn sich das PrVG von seiner Zielrichtung her von dem BEG unterscheidet, weil es nur auf eine relativ kleine Gruppe Verfolgter gerichtet ist, die sich nach Art und Schwere der erlittenen Verfolgung aus dem Kreis der NS-Verfolgten heraushebt und im Land Berlin lebt, enthält es von seiner Anlage her ebenso wie das BVG und vergleichbare Gesetze einen immateriellen Teil, der der besonderen Anerkennung und Würdigung der Verfolgten dienen soll und der mit der Grundrente abgedeckt ist, sowie eine zusätzliche Betreuung und Versorgung, die rein materiell ausgerichtet ist und sich von der Grundrente mit ihrem immateriellen Gehalt unterscheidet (vgl insofern BVerfG vom 14.3.2000 - 1 BvR 284/96 und 1 BvR 1659/96 - BVerfGE 102, 41 = SozR 3-3100 § 84a Nr 3). Mit der für viele Gewaltopfer gleichermaßen geltenden Unterscheidung zwischen Grund- und Ausgleichsrente, die typisierend auf den immateriellen Gehalt der einen und den materiellen Gehalt der anderen abstellt, ist eine Bewertung der Schwere des einzelnen Verfolgungsschicksals ausdrücklich nicht verbunden.
d) Angesichts dieser Ausgangslage bleibt kein Raum dafür, die Ausgleichsrente nach dem PrVG durch erweiternde Auslegung des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II in die Privilegierung der Grundrente miteinzubeziehen. Auch eine Analogie, die zu einer Privilegierung dieser Ausgleichsrente führen könnte, ist ausgeschlossen, weil - wie bereits ausgeführt - nach der historischen Entwicklung ausdrücklich nur die Grundrente von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen wurde und es ansonsten - abgesehen von den in § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II übernommenen Ausnahmen - bei dem allgemeinen Prinzip der Einbeziehung aller Einkünfte in die Einkommensberechnung bleibt. Es fehlt insofern an einer planwidrigen Lücke im PrVG, wie sich aus der Begründung zum 13. Änderungsgesetz des PrVG ergibt, mit dem ein neuer § 13a eingefügt wurde, nach dem (nur) die Grundrente als Einkommen bei der Gewährung von Sozialhilfe unberücksichtigt bleibt. Dadurch sollte die bisherige Verwaltungsregelung auf der Grundlage des § 77 BSHG, wonach bei der Gewährung von Sozialhilfe keine Anrechnung der Grundrente nach dem PrVG erfolgen sollte, zur Vermeidung von Streitigkeiten eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage im Berliner Landesrecht erhalten (Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucks 13/2648).
e) Aus dem Einwand der Kläger, es sei vorliegend eine andere Konstellation gegeben und der Gesetzgeber des PrVG sei ausschließlich von dem Rentenbezieher ausgegangen, der selbst Leistungen nach dem BSHG bezieht, ergibt sich nichts anderes. Zutreffend hat das LSG ausgeführt, dass auch nach § 11 Abs 1 Satz 2 BSHG das Einkommen des Ehegatten bei der Berechnung des Anspruchs des Hilfeempfängers bzw der Eltern bei der Berechnung des Anspruchs der Kinder zu berücksichtigen war (vgl Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 11 RdNr 17).
9. Als zweckbestimmte Einnahme iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II kann die Ausgleichsrente nach dem PrVG ebenfalls nicht von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen werden, weil sie nicht zu einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II gezahlt wird. Der Zweck der Ausgleichsrente besteht vielmehr ebenso wie die Leistungen nach dem SGB II in der Existenzsicherung des Leistungsempfängers. § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II fasste die Regelungen des § 77 Abs 1 Satz 1 BSHG und des § 78 BSHG zusammen. Damit sollte gewährleistet werden, dass Einkommen nur insoweit berücksichtigt wird, als es demselben Zweck wie die existenzsichernden Leistungen dient und zugleich sollte vermieden werden, dass eine besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch die Berücksichtigung im Rahmen des SGB II verfehlt wird. Auf der anderen Seite war es Ziel der Vorschrift zu verhindern, dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (vgl nur BSG vom 6.12.2007 - B 14/7b AS 16/06 R - BSGE 99, 240, 242 = SozR 4-4200 § 11 Nr 8; BSG vom 18.1.2011 - B 4 AS 90/10 R). Auch insofern ist nach der zuvor zitierten Begründung des Abgeordnetenhauses von Berlin, die zu § 13a PrVG führte, deutlich gemacht, dass nur bezüglich der Grundrente nach § 13 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 PrVG von einer anderen Zweckbestimmung iS des § 77 Abs 1 BSHG ausgegangen werden sollte.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen