Entscheidungsstichwort (Thema)
Bundesagentur für Arbeit. Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung durch Rentenversicherungsträger bei rückwirkender Aufhebung der Leistungsbewilligung und Rückzahlung des Arbeitslosengeldes wegen Rentengewährung
Leitsatz (amtlich)
Zahlte die Bundesagentur für Arbeit für einen Bezieher von Arbeitslosengeld Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und wurde die Leistungsbewilligung wegen dann gewährter Rente rückwirkend aufgehoben und das Arbeitslosengeld zurückgezahlt, kann sie diese Beiträge nicht von der Krankenkasse, sondern allenfalls vom Rentenversicherungsträger ersetzt verlangen.
Normenkette
SGB 3 § 335 Abs. 1 S. 2 Fassung: 2003-12-24, Abs. 2 S. 1 Fassung: 2003-12-24; SGB 5 § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 251 Abs. 5 S. 1 Fassung: 2007-03-26, S. 2 Fassung: 2007-03-26; SGB 10 §§ 31, 107
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2011 und des Sozialgerichts Nürnberg vom 21. Juli 2010 sowie der Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2009 aufgehoben, soweit sie die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung nebst die darauf entfallenden Säumniszuschläge hinsichtlich des Versicherten H.-J. F. betreffen.
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt 9/10, die Beklagte 1/10 der Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.
Tatbestand
Die beteiligten Versicherungsträger streiten über die Erstattung gezahlter Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und zur sozialen Pflegeversicherung (sPV).
Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte H.-J. F. (im Folgenden: Versicherter) bezog von dieser bis 21.2.2006 Krankengeld. Anschließend erhielt er von der klagenden Bundesagentur für Arbeit vom 22.2.2006 bis 31.8.2006 Arbeitslosengeld (Alg). Nachdem ihm die Deutsche Rentenversicherung Westfalen im August 2006 rückwirkend vom 1.7.2005 bis 31.12.2006 Rente wegen Erwerbsminderung bewilligt hatte, hob die Klägerin die Alg-Bewilligung gegenüber dem Versicherten auf und begehrte von ihm die Rückzahlung des Alg; dem kam der Versicherte nach. Die auf das Alg gezahlten Beiträge zur GKV und sPV verlangte die Klägerin nicht von dem Versicherten, sondern setzte die auf ihn entfallenden Beitragsteile gemäß einer Vereinbarung zwischen der Klägerin und den Spitzenverbänden der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung (Rundschreiben vom 14.12.2004 betreffend "Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung der Leistungsbezieher nach dem SGB III ab 1.1.2005") im maschinellen Datenverarbeitungsverfahren gegenüber der Beklagten ab (= Aufrechnung gegen eine der Beklagten gegen die Klägerin zustehenden Forderung); an den Rentenversicherungsträger wandte sich die Klägerin wegen der Beitragserstattung nicht.
Die Beklagte trat der Absetzung der Beiträge entgegen und setzte - nach vorheriger Anhörung - mit Bescheid vom 5.6.2009 gegen die Klägerin im Rahmen der "Beitragsüberwachung nach § 251 Abs 5 SGB V" - bezogen auf den Versicherten - eine Beitragsforderung zur GKV und zur sPV in Höhe von 2520,80 Euro fest, ferner - bezogen auf insgesamt vier Versicherte - Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 1705,50 Euro: Nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V iVm § 20 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB XI blieben Alg-Bezieher auch im Falle der - hier erfolgten - späteren Rückforderung oder Rückzahlung von Alg kranken- bzw pflegeversichert. Wegen der Rentengewährung an den Versicherten stehe der Klägerin hinsichtlich der Beiträge zu den genannten Versicherungszweigen nur ein Erstattungsanspruch gegen den Rentenversicherungsträger nach § 335 Abs 2 SGB III zu. Eine "Verrechnung" ihr (der Beklagten) gegenüber komme dagegen nicht in Betracht.
Auf den Bescheid der Beklagten vom 5.6.2009 hin zahlte die Klägerin dieser den geforderten Betrag zunächst ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und erhob anschließend wegen des Vorgehens der Beklagten Klage. Die Klage ist beim SG ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 21.7.2010).
Das LSG hat die - zugelassene - Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen: Die in der GKV und sPV bestehende Beitragspflicht des von ihr an den Versicherten gezahlten Alg sei nicht rückwirkend durch die Gewährung der Erwerbsminderungsrente entfallen. § 335 Abs 1 SGB III eröffne keinen Anspruch auf Erstattung der Beiträge zur GKV und sPV, vielmehr sei § 335 Abs 2 SGB III eine Spezialregelung für Fälle der rückwirkenden Rentengewährung an einen nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V pflichtversicherten Alg-Bezieher. Nach der Gesetzessystematik bestehe über die Möglichkeit der Rückforderung von Beiträgen nach § 335 Abs 2 und Abs 5 SGB III hinaus keine Handhabe, die Krankenkasse auf Erstattung der auf das Alg entfallenden Beiträge nach § 335 Abs 1 S 2 SGB III in Anspruch zu nehmen. Die Versicherungspflicht des § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V stelle kein "weiteres Krankenversicherungsverhältnis" iS von § 335 Abs 1 S 2 SGB III dar, weil anderenfalls die in dessen Abs 2 getroffene Regelung entbehrlich wäre; "weiteres" Krankenversicherungsverhältnis könne nur ein gleichzeitig bestehendes anderes Versicherungsverhältnis in der GKV sein, zB infolge Aufnahme einer Beschäftigung. § 335 Abs 1 S 2 SGB III finde dagegen keine Anwendung, wenn - wie hier - ein Arbeitsloser ohne eigene Beitragsleistung zweitversichert sei. Die Festsetzung der Säumniszuschläge sei ebenfalls nicht zu beanstanden (Urteil vom 15.12.2011).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 335 Abs 1 SGB III, § 5 Abs 1 Nr 2, Abs 1 Nr 11 und Abs 8 S 1 SGB V sowie von § 20 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB XI durch das LSG. Sie meint, die Anwendung des § 335 Abs 1 SGB III sei nicht ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht hinsichtlich der Beiträge nach dessen Abs 2 nicht vorlägen. Die Abgrenzung des Abs 1 von Abs 2 erfolge danach, ob und wem gegenüber die Alg-Bewilligung aufgehoben werde. Demzufolge lasse sich ein "exklusiver" Anwendungsbereich des Abs 2 nicht allein nach der Zuerkennung einer bestimmten Leistung (hier: Rente wegen Erwerbsminderung) bestimmen. Erst wenn feststehe, dass die Rückabwicklung der Alg-Gewährung nicht im Verhältnis zum Leistungsbezieher stattfinde, sei die Zuerkennung von Rente für die nachfolgende Abgrenzung zwischen § 335 Abs 2 und Abs 3 SGB III von Bedeutung. Der Anwendungsbereich dieser beiden Absätze sei jedoch nicht eröffnet, wenn die Alg-Gewährung gegenüber dem Leistungsempfänger rückabgewickelt werde. Dementsprechend habe es der Regelung in § 335 Abs 2 SGB III bedurft, da dessen Abs 1 andere Fälle als die Aufhebung der Alg-Bewilligung nicht erfasse. Für diese Abgrenzung spreche auch, dass Abs 2 auf die Regelungen zur Erstattungspflicht des Alg-Beziehers bei befreiender Zahlung des Rehabilitations- bzw Rentenversicherungsträgers (§ 145 Abs 3 S 2 SGB III) bzw bei befreiender Zahlung durch den Arbeitgeber im Fall der Gleichwohlgewährung (§ 157 Abs 3 S 2 SGB III) Bezug nehme. Das Verhältnis, in dem die Alg-Gewährung rückabgewickelt werde, entspreche grundsätzlich auch dem Verhältnis, in welchem ebenfalls die Rückabwicklung der Beiträge zu erfolgen habe. Die Rechtsauffassung des LSG lasse sich nicht damit begründen, dass für die Beiträge eine ausdrückliche Regelung fehle, wie sie für das Alg in § 145 Abs 3 S 2 SGB III getroffen worden sei. Eine solche Regelung sei hier nicht erforderlich, weil der Fall ohnehin bereits von § 335 Abs 1 SGB III erfasst werde. Mit der Rentengewährung sei ein "weiteres" Krankenversicherungsverhältnis nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V begründet worden. Aus § 5 Abs 8 SGB V lasse sich nichts Gegenteiliges ableiten, da er nur den Vor- und Nachrang von mehreren gleichzeitig bestehenden Versicherungspflichttatbeständen regele. Es fehle bereits am Eingreifen der Konkurrenzregel des § 5 Abs 8 SGB V, weil nach § 335 Abs 1 S 2 SGB III die Krankenversicherungspflicht bei rückwirkender Aufhebung der Alg-Bewilligung ausnahmsweise entfalle und deswegen im Zeitraum der Aufhebung der Alg-Bewilligung ohnehin nur das Krankenversicherungsverhältnis aufgrund des Rentenbezugs bestanden habe. Da Rente mit befreiender Wirkung an den Versicherten gezahlt worden sei, habe kein Anspruch auf Erstattung des Alg gegen den Rentenversicherungsträger bestanden; demnach habe das Alg vom Versicherten zurückgefordert werden müssen. In Bezug auf die Beiträge sei dagegen der Anwendungsbereich des § 335 Abs 1 S 2 SGB III eröffnet und sie (die Klägerin) berechtigt gewesen, die von der Beklagten zu erstattenden Beiträge vereinbarungskonform im Wege der Beitragsabsetzung aufzurechnen. Gleiches gelte für die Beiträge zur sPV.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Dezember 2011 und des Sozialgerichts Nürnberg vom 21. Juli 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 2009 aufzuheben und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die für den Versicherten H.-J. F. gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von 2520,80 Euro nebst Säumniszuschlägen zu erstatten und diesen Betrag mit 4 % ab Klageerhebung zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der klagenden Bundesagentur für Arbeit, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden konnte (§ 124 Abs 2 SGG), ist im Wesentlichen unbegründet und zurückzuweisen.
1. Die Revision ist lediglich insoweit teilweise begründet und die Urteile der Vorinstanzen sowie der angefochtene Bescheid der beklagten AOK aufzuheben, als das SG die Klage hinsichtlich der Anfechtung des Bescheides der Beklagten vom 5.6.2009 in vollem Umfang abgewiesen bzw das LSG die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen hat.
Die Beklagte war als Krankenkasse nicht befugt, auch über die Entrichtung von Beiträgen zur sPV zu entscheiden. Vielmehr hat die Pflegekasse insoweit ein eigenes Prüfrecht, da § 251 Abs 5 S 1 SGB V für den Bereich der sPV nicht durch § 60 SGB XI modifiziert wird. Aus dem Inhalt des Bescheides der Beklagten vom 5.6.2009 ergibt sich jedoch, dass diese hier als Krankenkasse nicht nur eine Entscheidung über die Entrichtung von Beiträgen zur GKV traf und treffen wollte, sondern auch über die Beiträge zur sPV. Für Entscheidungen im Rahmen der sPV ist die beklagte Krankenkasse indessen originär nicht sachlich zuständig (vgl § 21 Abs 2, § 21a Abs 2 SGB I). Da die insoweit zuständige Pflegekasse vorliegend weder selbst einen Bescheid erlassen noch die Beklagte als Vertreterin der Pflegekasse entschieden hat, führt dies zur Teilaufhebung des Bescheides der Beklagten (vgl allgemein zB zuletzt BSG Urteil vom 23.7.2014 - B 12 KR 25/12 R - Juris RdNr 9 und SozR 4-2500 § 229 Nr 3 RdNr 5 ≪Beitragserstattung≫; zu grundsätzlich nur für eine eng begrenzte Übergangszeit hinzunehmenden Entscheidungen der Krankenkassen für die Pflegekassen in Versicherungs- und Beitragsangelegenheiten vgl BSG SozR 4-3300 § 26 Nr 1 RdNr 15 mwN).
2. Im Übrigen ist die Revision der Klägerin jedoch unbegründet.
a) Die Klägerin verfolgt ihr Begehren in prozessualer Hinsicht zutreffend mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1, § 55 Abs 1 Nr 1 SGG). Hinsichtlich der Anfechtungsklage eines Sozialversicherungsträgers musste ein Vorverfahren nicht durchgeführt werden (§ 78 Abs 1 S 2 Nr 3 SGG). Die Klägerin erstrebt allerdings nicht nur die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 5.6.2009, sondern begehrt darüber hinaus die Feststellung, dass die von ihr wegen dieses Bescheides - vorläufig und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - bereits an die Beklagte gezahlten Beiträge nebst Säumniszuschlägen zu erstatten und zu verzinsen sind. Das unter dem Blickwinkel effektiver Rechtsschutzgewährung (Art 19 Abs 4 GG) auszulegende Begehren der Klägerin ist damit - anders als vom LSG angenommen - dahin zu würdigen, dass ihm im Kern auch ein Leistungsbegehren zu entnehmen ist, dem hier ergänzend durch die Annahme eines prozessualen Feststellungsbegehrens - wie von ihr auch bereits in den Vorinstanzen ausdrücklich beantragt - entsprochen werden muss. Einer auf Verurteilung der Beklagten zur Leistung gerichteten Klage bedurfte es insoweit nicht, weil der Klägerin im Falle ihres Obsiegens mit einer Feststellungsklage die Möglichkeit offen stünde, den nicht geschuldeten Betrag gegenüber der Beklagten (vereinfacht) im maschinellen Datenverarbeitungsverfahren abzusetzen (aufzurechnen). Daher ist im vorliegenden Fall zu erwarten, dass der Streit zwischen den Beteiligten schon mit der begehrten gerichtlichen Feststellung endgültig geklärt werden kann (zu diesem Gesichtspunkt allgemein zB BSG SozR 4-2700 § 136 Nr 3 RdNr 23; Castendiek in Lüdtke, SGG, 4. Aufl 2012, § 55 RdNr 21).
b) Die - über den unter 1. abgehandelten Punkt hinausgehende - Revision bleibt indessen in der Sache ohne Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die für den Versicherten F. gezahlten Beiträge zur GKV zu erstatten und den Erstattungsbetrag zu verzinsen. Der Bescheid der Beklagten vom 5.6.2009 erweist sich als formell rechtmäßig (dazu im Folgenden aa). Er ist auch materiell rechtmäßig, weil die geltend gemachte Beitragsforderung der Beklagten gegenüber der Klägerin entstanden war (dazu bb). Der Beitragsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin entfiel dann auch nicht wegen der rückwirkenden Gewährung der Erwerbsminderungsrente an den Versicherten F. (dazu cc).
aa) Die Beklagte war gegenüber der Klägerin befugt, die Beitragsforderung bezüglich des Versicherten in der Form eines Beitragsüberwachungsbescheides nach § 251 Abs 5 S 1 SGB V (idF von Art 1 Nr 170 Buchst a des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung ≪GKV-WSG≫ vom 26.3.2007, BGBl I 378) geltend zu machen.
Hierfür war die Beklagte trotz der erst im Jahr 2009 erfolgten Geltendmachung der Beiträge sachlich zuständig. Dem steht die mit dem GKV-WSG im Zusammenhang mit der Schaffung des Gesundheitsfonds mit Wirkung zum 1.1.2009 (vgl Art 1 Nr 170 Buchst a GKV-WSG) in das Gesetz eingefügte Bestimmung des § 251 Abs 5 S 2 SGB V nicht entgegen, wonach ua in den Fällen von § 251 Abs 4a SGB V (= Beitragstragung durch die Bundesagentur für Arbeit) das Bundesversicherungsamt zur Prüfung der Beitragszahlung berechtigt ist. Entscheidend ist insoweit, dass im vorliegenden Rechtsstreit lediglich bereits vor dem 1.1.2009 liegende Beitragsüberwachungszeiträume aus dem Jahr 2006 betroffen sind, in denen der Gesundheitsfonds noch nicht existierte. Eine umfassende Funktionsnachfolge des Gesundheitsfonds in die Prüfungs- und Überwachungsaufgaben der Krankenkassen bezüglich ihnen vor Schaffung des Gesundheitsfonds zustehender Beitragsforderungen enthält das GKV-WSG nicht.
bb) Der Bescheid der Beklagten vom 5.6.2009, mit welchem sie von der Klägerin im Jahr 2006 angefallene Beiträge zur GKV für den Versicherten fordert, war auch unter dem Blickwinkel (materiell) rechtmäßig, dass die damit geltend gemachte Beitragsforderung gegenüber der Klägerin entstanden war.
Da der Versicherte im Zeitraum 22.2.2006 bis 31.8.2006 von der Klägerin Alg bezog, bewirkte dies seine Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V und führte zu einer damit verbundenen Beitragspflicht in der GKV. Die Klägerin hatte gemäß § 251 Abs 4a SGB V diese Beiträge zu tragen und war nach § 252 Abs 2 S 1 SGB V (idF von Art 5 Nr 13 AFRG vom 24.3.1997, BGBl I 594; vgl inzwischen: § 252 Abs 2 SGB V) zur Zahlung der Beiträge an die Beklagte verpflichtet.
cc) Der Beitragsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin entfiel nicht wegen der rückwirkenden Gewährung der Erwerbsminderungsrente an den Versicherten F. Deshalb war die Klägerin nicht berechtigt, der Beklagten geschuldete (andere) Beitragszahlungen um die auf den Versicherten F. entfallenden GKV-Beiträge im Wege der Aufrechnung zu kürzen. Ein entsprechender Erstattungsanspruch stand ihr nicht zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus dem hierfür allein in Betracht kommenden § 335 Abs 1 S 2 SGB III (idF von Art 3 Nr 29 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954), auf den sich die Klägerin beruft (dazu allgemein im Folgenden ≪1≫). Dabei kann offenbleiben, ob ein solcher Anspruch auch daran scheitert, dass nicht alle Voraussetzungen des § 335 Abs 1 S 1 SGB III oder - wie das LSG meint - kein weiteres Krankenversicherungsverhältnis iS von § 335 Abs 1 S 2 SGB III vorliegen (dazu ≪2≫). Jedenfalls wird der Anspruch aus § 335 Abs 1 S 2 SGB III gegen die Krankenkasse durch den spezielleren Anspruch gegen den Rentenversicherungs- bzw Rehabilitationsträger nach § 335 Abs 2 SGB III verdrängt (dazu ≪3≫).
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(1) § 335 Abs 1 S 1 und S 2 SGB III lauteten im Jahr 2006, in dem der hier streitige Beitragsanspruch ursprünglich entstanden ist, wie folgt: |
"Wurden von der Bundesagentur für einen Bezieher von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt, so hat der Bezieher dieser Leistungen der Bundesagentur die Beiträge zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist. Hat für den Zeitraum, für den die Leistung zurückgefordert worden ist, ein weiteres Krankenversicherungsverhältnis bestanden, so erstattet die Krankenkasse, bei der der Bezieher nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 des Fünften Buches versicherungspflichtig war, der Bundesagentur die für diesen Zeitraum entrichteten Beiträge; der Bezieher wird insoweit von der Ersatzpflicht nach Satz 1 befreit; § 5 Abs. 1 Nr.2 zweiter Halbsatz des Fünften Buches gilt nicht." |
Die derart umschriebenen Voraussetzungen des § 335 Abs 1 S 2 SGB III für den von der Klägerin gegen die Beklagte geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der auf das Alg des Versicherten entrichteten Beiträge liegen nicht vor. Zwar hat die Klägerin keinen Anspruch auf Erstattung der Beiträge gegen den Versicherten selbst nach § 335 Abs 1 S 1 der Regelung (dazu im Folgenden ≪2≫). Dem insoweit (stattdessen) gegen die Beklagte geltend gemachten Erstattungsanspruch steht indessen die Spezialregelung des § 335 Abs 2 SGB III entgegen, die zugleich eine Sperrwirkung gegenüber dem Anspruch nach § 335 Abs 1 S 2 SGB III entfaltet (dazu ≪3≫).
(2) Es kann offenbleiben, ob ein Anspruch der Klägerin gegen die beklagte Krankenkasse nach § 335 Abs 1 S 2 SGB III bereits deshalb ausgeschlossen ist, weil nicht alle Voraussetzungen des § 335 Abs 1 S 1 SGB III vorliegen.
Allerdings waren die Voraussetzungen für eine Rückforderung der GKV-Beiträge gegenüber dem Versicherten entgegen der anscheinend eindeutigen Formulierung im Gesetzestext des § 335 Abs 1 S 1 SGB III hier nicht gegeben, obwohl dem Versicherten gegenüber wegen der rückwirkend gewährten Erwerbsminderungsrente eine rückwirkende Aufhebung der Alg-Bewilligung vorgenommen wurde und er die bewilligten Leistungen auch an die Klägerin zurückzahlte. Nach dem Wortlaut der Norm kommt es für die Ersatzpflicht des Beziehers von Alg, für den (auch) Beiträge zur GKV gezahlt wurden, gegenüber der Bundesagentur zwar scheinbar nur darauf an, dass die Entscheidung über die Alg-Bewilligung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert wurde. In Literatur und Rechtsprechung - der auch die klagende Bundesagentur für Arbeit in ihrer Verwaltungspraxis folgt - besteht demgegenüber Einigkeit darüber, dass die Erstattungspflicht gegenüber dem Versicherten in Bezug auf die GKV-Beiträge - als quasi ungeschriebenes Merkmal - erfordert, dass der Versicherte sich selbst nicht pflichtgemäß verhalten hat (BSG SozR 3-4300 § 335 Nr 2 S 11; BSG SozR 4-4300 § 335 Nr 1 RdNr 15 mwN; aus der Literatur zB: Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 335 SGB III RdNr 19, Stand Einzelkommentierung Dezember 2012; Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III, § 335 RdNr 42 f mwN, Stand Einzelkommentierung Juli 2010; Düe in Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 335 RdNr 8 f; Hengelhaupt in Hauck/Noftz/Voelzke, SGB III, Aktualisierungsstand März 2014, K § 335 RdNr 126). Für einen solchen Sachverhalt sind weder vom LSG entsprechende Umstände festgestellt worden noch ist dafür sonst etwas ersichtlich.
Ob ein solches "nicht pflichtgemäßes Verhalten" des Versicherten auch Voraussetzung eines Anspruchs gegen die beklagte Krankenkasse nach § 335 Abs 1 S 2 SGB III ist (ablehnend zB Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 335 SGB III RdNr 23, Stand Einzelkommentierung Dezember 2012), braucht hier ebenso wenig entschieden zu werden, wie die Frage, ob der von der Klägerin gegen die beklagte Krankenkasse geltend gemachte Anspruch aus § 335 Abs 1 S 2 SGB III (auch) daran scheitert, dass - wie das LSG meint - kein "weiteres Krankenversicherungsverhältnis" iS des § 335 Abs 1 S 2 SGB III vorlag. Denn jedenfalls steht dem geltend gemachten Anspruch gegen die Krankenkasse die Spezialregelung des § 335 Abs 2 SGB III entgegen (dazu im Folgenden ≪3≫).
(3) Entgegen dem Revisionsvorbringen der Klägerin kann diese ihren Anspruch auf einen Ausgleich der zunächst von ihr getragenen Beiträge zur GKV durch andere beteiligte Versicherungsträger nicht gegenüber der Beklagten auf § 335 Abs 1 S 2 SGB III stützen, weil dieser Anspruch von der Spezialregelung des § 335 Abs 2 S 1 SGB III (dazu allgemein im Folgenden ≪a≫) verdrängt wird. Dies folgt aus Gesetzeswortlaut (dazu ≪b≫), gesetzessystematischen Gesichtspunkten (dazu ≪c≫) sowie den Gesetzesmaterialien (dazu ≪d≫), ohne dass die Argumentation der Klägerin überzeugen kann (dazu ≪e≫). Die Verdrängung tritt auch für Fälle ein, in denen es an einer tatbestandlichen Voraussetzung für den Ersatzanspruch nach § 335 Abs 2 S 1 SGB III fehlt oder der Anspruch nicht durchsetzbar sein sollte (ebenso Hengelhaupt, aaO, K § 335 RdNr 161; Kallert, aaO, § 335 SGB III RdNr 26a; Gerner, NZS 2014, 692, 693). Ein Erstattungsanspruch gegen die Krankenkasse nach § 335 Abs 1 S 2 SGB III ist also selbst dann ausgeschlossen, wenn sich der Anspruchsteller - wie die Klägerin hier - wegen eines Erstattungsanspruchs überhaupt nicht an den Rentenversicherungs- bzw Rehabilitationsträger wendet (Hengelhaupt, aaO, K § 335 SGB III RdNr 197).
(a) Gemäß § 335 Abs 2 S 1 SGB III sind Beiträge für Versicherungspflichtige nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V, denen - wie dem Versicherten - eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (oder - im vorliegenden Fall nicht einschlägig - Übergangsgeld von einem nach § 251 Abs 1 SGB V beitragspflichtigen Rehabilitationsträger) gewährt worden ist, der vorliegend klagenden Bundesagentur für Arbeit vom Träger der Rentenversicherung (oder vom Rehabilitationsträger) zu ersetzen, wenn und soweit wegen der Gewährung von Alg (oder Unterhaltsgeld) ein Erstattungsanspruch der Bundesagentur gegen den Träger der Rentenversicherung oder den Rehabilitationsträger besteht. Der in § 335 Abs 2 S 1 SGB III in Bezug genommene "Erstattungsanspruch" der Bundesagentur hinsichtlich des hier gewährten Alg als Hauptleistung, der sich aus §§ 103, 104 SGB X ergeben kann, wird in § 335 Abs 2 S 2 SGB III auf weitere Fallgestaltungen erweitert, namentlich diejenige des § 145 Abs 3 SGB III (bis 31.3.2012: § 125 SGB III aF). § 335 Abs 2 S 3 SGB III trifft sodann Regelungen zur Begrenzung des Umfangs der Ersatzpflicht des Rentenversicherungsträgers bzw des Rehabilitationsträgers in Bezug auf die jeweiligen Beitragsanteile. Nach § 335 Abs 2 S 4 SGB III sind der Rentenversicherungs- und der Rehabilitationsträger nicht verpflichtet, für dieselbe Zeit (wie für diejenige, in der dem Versicherten Alg oder Unterhaltsgeld gewährt wurde) Beiträge zur Krankenversicherung zu entrichten.
(b) Die fehlende Möglichkeit der Klägerin, die Beklagte unter Hinweis auf § 335 Abs 1 S 2 SGB III in Anspruch zu nehmen, folgt bereits aus dem Gesetzeswortlaut des § 335 Abs 2 S 1 SGB III. Die letztgenannte Regelung ordnet nämlich explizit an, dass Beiträge für nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V Versicherte im Falle einer Renten- bzw Übergangsgeldgewährung der Bundesagentur für Arbeit "vom Träger der Rentenversicherung oder vom Rehabilitationsträger" zu ersetzen "sind". Daraus kann im Umkehrschluss entnommen werden, dass andere als die genannten Träger (hier: eine Krankenkasse) zum Ersatz oder zur Erstattung grundsätzlich nicht verpflichtet sind.
(c) Diese Sichtweise wird bestätigt durch gesetzessystematische Gesichtspunkte. § 335 Abs 2 SGB III enthält ein in sich geschlossenes System der Beitragserstattung für den Fall, dass es bei nach § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V versicherungspflichtigen Personen nachträglich zu einer Gewährung von Rente oder Übergangsgeld kommt.
Wäre der Klägerin in den genannten Fällen ein Rückgriff auf § 335 Abs 1 S 2 SGB III auch dann erlaubt, wenn es an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 335 Abs 2 SGB III mangelt oder dieser Anspruch nicht durchsetzbar ist, so wäre die in § 335 Abs 2 SGB III getroffene Regelung letztlich überflüssig; denn die dort geregelten Voraussetzungen wären in den von § 335 Abs 2 SGB III erfassten Fällen - folgte man der Rechtsauffassung der Klägerin - stets auch von § 335 Abs 1 S 2 SGB III mitumfasst. § 335 Abs 1 S 2 SGB III stellt aber in systematischer Hinsicht lediglich eine Ausnahmeregelung zu der in Abs 1 S 1 getroffenen Regelung dar (vgl bereits BSG SozR 3-4100 § 157 Nr 2 S 12 zur Vorgängerregelung des § 157 Abs 3a S 2 Arbeitsförderungsgesetz ≪AFG≫). In § 335 Abs 2 S 1 SGB III wird dagegen die besondere Situation des Zusammentreffens von Alg mit bestimmten Sozialleistungen behandelt, namentlich den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl §§ 33 ff SGB VI) sowie dem Übergangsgeld durch einen gemäß § 251 Abs 1 SGB V beitragspflichtigen Träger (vgl Leitherer in Eicher/Schlegel, aaO, § 335 SGB III RdNr 10, Stand Einzelkommentierung November 2009).
§ 335 Abs 2 SGB III muss darüber hinaus rechtssystematisch im Kontext der Erfüllungswirkung des § 107 SGB X und als deren Folgeregelung verstanden werden (vgl Hengelhaupt, aaO, K § 335 RdNr 132, 197). Besteht hinsichtlich der Hauptleistung - hier: des Alg - ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Rentenversicherungsträger, so ist ein Anspruch auf Ersatz geleisteter Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge ebenfalls gegenüber dem Rentenversicherungsträger geltend zu machen, nicht aber gegenüber der Kranken- bzw Pflegekasse. Dies wird bestätigt durch § 335 Abs 2 S 4 SGB III, der die Pflicht zur Zahlung von Beiträgen seitens des Renten- bzw Rehabilitationsträgers ausschließt. Die von der Bundesagentur für Arbeit bereits gezahlten Beiträge gelten insoweit gegenüber dem Empfänger - hier: der zuständigen Krankenkasse - in Fortsetzung des § 107 SGB X als vom zuständigen Träger gezahlt. Die Krankenkasse hat die Beiträge bereits erhalten und es bedarf insoweit keiner Abwicklung der fehlerhaft gezahlten Beiträge unter ihrer Einbindung, da sie die Beiträge nach Rückzahlung an die Bundesagentur für Arbeit letztlich von einem anderen Träger zu erhalten hätte, was jedoch aufgrund des § 335 Abs 2 S 4 SGB III ebenso ausgeschlossen ist, wie eine mehrfache Beitragszahlung an die Krankenkasse.
Die (hier klagende) Bundesagentur für Arbeit hat sich davon ausgehend zwecks Geltendmachung eines Erstattungsbegehrens der von ihr gezahlten Beiträge an den "bereicherten" Träger zu halten. Dies kann in der von § 335 Abs 2 SGB III erfassten speziellen Konstellation - mit Ausnahme der in Abs 2 S 5 getroffenen Regelung - allein der Rentenversicherungs- bzw Rehabilitationsträger sein. Ausschließlich diese Träger können daher gegenüber der Bundesagentur für Arbeit zum Beitragsausgleich verpflichtet sein (so auch Düe, aaO, § 335 RdNr 23). Kommt es dennoch zu einem mehrfachen Erhalt von Beiträgen, findet der Ausgleich im fehlerhaften Rechtsverhältnis statt, dh die mehrfach gezahlten Beiträge sind im Verhältnis der Krankenkasse zum Rentenversicherungs- bzw Rehabilitationsträger auszugleichen.
Für eine Sperrwirkung des § 335 Abs 2 S 1 SGB III gegenüber § 335 Abs 1 S 2 SGB III spricht auch ein Vergleich der Rechtsfolgen beider Vorschriften. Die klagende Bundesagentur für Arbeit könnte nämlich gemäß § 335 Abs 1 S 2 SGB III von der Krankenkasse häufig mehr verlangen als nach § 335 Abs 2 S 1 SGB III vom Rentenversicherungs- bzw Rehabilitationsträger; denn dieser Anspruch ist hinsichtlich seiner Höhe gemäß § 335 Abs 2 S 3 SGB III auf den Beitrag begrenzt, den der Rentenversicherungsträger zu entrichten gehabt hätte. Der Anspruch nach § 335 Abs 1 S 2 SGB III findet dagegen eine Grenze nur darin, dass nicht mehr verlangt werden kann, als seitens der Klägerin für Beiträge tatsächlich und rechtmäßig aufgewandt wurde (vgl Leitherer, aaO, § 335 SGB III RdNr 47). Diese Beschränkung würde unterlaufen, wenn die Bundesagentur für Arbeit zwischen alternativen Ansprüchen gegen den Rentenversicherungsträger oder gegen die Krankenkasse wählen könnte.
(d) Die Spezialität des Tatbestandes des § 335 Abs 2 S 1 SGB III gegenüber demjenigen des § 335 Abs 1 S 2 SGB III und eine daraus folgende Sperrwirkung ergibt sich schließlich auch aus den Gesetzesmaterialien einschließlich des normhistorischen Kontextes, in welchem die Vorschrift erlassen wurde.
§ 335 Abs 2 SGB III wurde eingeführt, um der speziellen Situation einer (rückwirkenden) Bewilligung von Rente oder Übergangsgeld durch einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Rechnung zu tragen. Dies ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien zu § 157 Abs 4 AFG, welcher die unmittelbare Vorläufervorschrift zu § 335 Abs 2 SGB III darstellt. In der Begründung der Entwurfsverfasser des § 335 SGB III heißt es zu dessen Abs 1 und 2 nämlich, beide "entsprechen inhaltlich § 157 Abs. 3a und 4 AFG" (so Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung, BT-Drucks 13/4941 S 213 zu § 336 des Entwurfs). Durch § 157 Abs 4 AFG wurde erstmals ein Anspruch auf Erstattung der zB auf das Alg entfallenden Beiträge bei nachträglicher Rentengewährung eingeführt. Dass sich dieser Anspruch bewusst nur gegen den Rentenversicherungsträger richtete, folgt aus den Materialien hierzu, wonach die neu geschaffene gesetzliche Grundlage für die Erstattung von Beiträgen für Versicherte, denen das Alg oder die Arbeitslosenhilfe wegen der Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung rückwirkend entzogen wurde, an die Stelle verwaltungsinterner Absprachen der Träger der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung trete (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung zum AFG, BT-Drucks V/2291 S 89, zu § 154 Abs 4 des Entwurfs). Mit der Einfügung von § 157 Abs 3a AFG (nun ua: § 335 Abs 1 S 2 SGB III) sollte dagegen an der zuvor bestehenden Regelung des § 157 Abs 4 AFG (nunmehr: § 335 Abs 2 SGB III) nichts geändert werden. Die Funktion dieser Regelung erschöpfte sich in der Schaffung eines neuen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gegen den Leistungsempfänger, wenn der Bescheid aufgehoben und die Hauptleistung zurückgefordert wurde. Mit ihr reagierte der Gesetzgeber ausschließlich auf die vom BSG (Urteile vom 30.1.1990 - 11 RAr 87/88 - BSGE 66, 176 = SozR 3-4100 § 155 Nr 1 und vom 26.9.1990 - 9b/7 RAr 30/89 - BSGE 67, 232 = SozR 3-4100 § 155 Nr 2) ausgesprochene Missbilligung der Praxis der damaligen Bundesanstalt für Arbeit, den Leistungsempfänger in dieser Situation bei Verschulden auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen (vgl Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Änderung von Fördervoraussetzungen im Arbeitsförderungsgesetz und in anderen Gesetzen, BT-Drucks 12/3211 S 28 zu Nummer 45 ≪§ 157≫).
(e) Der Klägerin kann demgegenüber nicht darin gefolgt werden, dass sich die Abgrenzung von § 335 Abs 1 SGB III zu dessen Abs 2 danach richte, ob und wem gegenüber die Hauptleistung aufgehoben wurde (in diesem Sinne auch Schaumberg in jurisPK-SGB III, 2014, § 335 RdNr 67). Vielmehr ist die gesetzliche Wertung der §§ 102 ff SGB X im Verhältnis zu den §§ 44 ff, 50 SGB X zu beachten. Denn insoweit besteht grundsätzlich ein Vorrang der Leistungsabwicklung im Verhältnis unter den Sozialleistungsträgern. Der Leistungsbezieher soll nicht in die Rückabwicklung der fehlgeschlagenen Leistungen einbezogen werden, sofern danach ein weiterer Sozialleistungsträger in den Vorgang involviert ist (vgl BSG SozR 3-1300 § 107 Nr 10 S 13). Für die Rückabwicklung fehlerhaft entrichteter Beiträge - auch nach § 335 SGB III - gilt grundsätzlich nichts anderes. Auch § 335 SGB III basiert nämlich auf dem Konzept der Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff SGB X (vgl erneut Gerner, NZS 2014, 692, 693).
(4) Dass sich ein Erstattungsanspruch der Klägerin hinsichtlich der von ihr an Krankenkassen geleisteten Beiträge nicht aus §§ 102 ff SGB X oder aus § 50 SGB X ergibt, ist durch die Rechtsprechung des BSG geklärt (vgl zB BSG SozR 3-4100 § 157 Nr 1 S 5 ff). Dem folgt der Senat.
dd) Durchgreifende Zweifel an der Berechtigung der Beklagten zur Ansetzung von - der Höhe nach von der Klägerin nicht beanstandeten - Säumniszuschlägen ergeben sich über den tenorierten Umfang hinaus nicht.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 155 Abs 1 VwGO. Sie trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die Beklagte - wie unter 1. ausgeführt - eine Entscheidung über die Entrichtung von Beiträgen zur sPV im Bescheid vom 5.6.2009 nicht treffen durfte und die Klage insoweit Erfolg hat.
4. Die Festsetzung des Streitwerts für das Revisionsverfahren bleibt einem gesonderten Beschluss des Senats vorbehalten.
Fundstellen