Verfahrensgang
Hessisches LSG (Urteil vom 23.02.1994) |
SG Frankfurt am Main (Urteil vom 12.05.1992) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Februar 1994 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Mai 1992 wird zurückgewiesen.
Kosten für das Berufungs- und Revisionsverfahren sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Entschädigung eines Unfallereignisses vom 10. Februar 1989 als Arbeitsunfall.
Die im Jahre 1951 geborene Klägerin war vom 1. Januar bis 31. Dezember 1989 bei der M. …, K., als Pharmareferentin in der Abteilung Ressortvertrieb Inland tätig. Sie nahm von Donnerstag, 9. Februar, bis Sonntag, 12. Februar 1989, zusammen mit neun Arbeitskollegen und zwei Vorgesetzten an einer nach Mallorca führenden sog Incentive-Reise teil. Diese Flugreise sollte eine Belohnung für die guten Arbeitsergebnisse der Vertriebslinie im abgelaufenen Jahre 1988 und ein Anreiz dafür sein, die Umsatzziele des Jahres 1989 in gleicher Weise zu erfüllen. Die Reisekosten wurden von der Firma M. … maßgeblich getragen.
Dem Reiseprogramm entsprechend besichtigte die Reisegruppe am Donnerstagnachmittag zunächst das spanische Tochterunternehmen der Firma in Barcelona. Für Freitagvormittag war von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr eine „Tagung der Mitarbeiter” im Hotel von Palma de Mallorca und für den Nachmittag eine Stadtrundfahrt in Palma vorgesehen. Am Sonnabend sollte ganztägig eine Fahrt über die Insel erfolgen. Der Sonntagvormittag stand zur freien Verfügung; der Rückflug war für den späten Nachmittag vorgesehen.
Nach einer Mitteilung der Firma vom 12. Dezember 1989 wurde der Programmablauf am Morgen des 10. Februar 1989 im Einverständnis aller Beteiligten geändert und beschlossen, für diesen Tag einen Urlaubstag anzusetzen, um privat eine Rundfahrt und Stadtbesichtigung zu ermöglichen. Auf dieser Fahrt ereignete sich der Unfall, als die Klägerin beim Aussteigen aus dem Bus mit dem Fuß umknickte und sich einen rechtsseitigen Sprunggelenkverrenkungsbruch mit Innenbandruptur zuzog.
Die Beklagte lehnte Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil es sich bei dem Ausflug um eine Freizeitveranstaltung ohne Zusammenhang mit einer betrieblichen Tätigkeit gehandelt habe. Auch die Voraussetzungen für eine versicherungsrechtlich geschützte Gemeinschaftsveranstaltung lägen nicht vor, da die Organisation der Rundfahrt von den Teilnehmern selbst durchgeführt worden sei (Bescheid vom 27. Dezember 1989 idF des Widerspruchsbescheides vom 18. April 1990).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Mai 1992). Es habe es sich um eine private Freizeitveranstaltung während eines Urlaubstages gehandelt. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Unfall vom 10. Februar 1989 als Arbeitsunfall zu entschädigen (Urteil vom 23. Februar 1994). Die Frage eines gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes für die „Tagung” im Hotel am Unfalltag könne offenbleiben, denn der Unfall der Klägerin habe sich im Anschluß daran auf der Stadtrundfahrt in Palma de Mallorca ereignet, für die ebenso wie für das Programm der Reise am Sonnabend und Sonntag ein wesentlicher innerer Zusammenhang mit betrieblichen Belangen der Beschäftigungsfirma nicht mehr herzustellen sei. Im Vordergrund der mit der Stadtrundfahrt beginnenden Programmpunkte hätten rein touristische Vorhaben gestanden, die sich von denen anderer Mallorca-Urlauber nicht unterschieden. Auch der Umstand, daß die Reise als Incentive-Reise die Teilnehmer einerseits habe belohnen, andererseits habe anspornen sollen, mache einen zu diesem Zweck veranstalteten Kurzurlaub auf Mallorca nicht zu einer wesentlich unternehmensbezogenen Veranstaltung.
Dennoch habe die Klägerin unter Versicherungsschutz gestanden. Sie habe sich hinsichtlich ihrer Teilnahme an der Stadtrundfahrt einer deutlichen Erwartungshaltung ihrer Vorgesetzten und Kollegen ausgesetzt gesehen. Sie hätte sich durch eine Nichtteilnahme in eine schwierige für sie nicht annehmbare Situation gebracht, den Eindruck mangelnder Betriebsverbundenheit erweckt und einen nachhaltig schlechten für ihre Position im Unternehmen schädlichen Eindruck hinterlassen. Auf die Frage schließlich, ob die Stadtrundfahrt am Unfalltag als Gemeinschaftsveranstaltung unter Versicherungsschutz gestanden habe, komme es danach nicht mehr an. Dem hätte schon der Zweck des als Incentive-Reise geplanten und durchgeführten Ausflugs entgegengestanden, der nicht maßgeblich darauf gezielt habe, die Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Belegschaft zu fördern. Auch als Betriebsausflug der Vertriebsabteilung sei die Reise nicht einzuordnen. Da mit Beginn der Stadtrundfahrt die Freizeitgestaltung im Vordergrund gestanden habe, hätte es an dem auch für Gemeinschaftsveranstaltungen erforderlichen wesentlichen Betriebszusammenhang gefehlt.
Mit der – vom LSG zugelassenen – Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 548 Abs 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm § 539 Abs 1 Nr 1 RVO. Der Unfall, den die Klägerin anläßlich der Incentive-Reise während einer Stadtrundfahrt auf Mallorca erlitten habe, stehe allenfalls in einem losen Zusammenhang mit betrieblichen Belangen. Dem LSG sei zwar zuzustimmen, daß die Stadtrundfahrt als private Freizeitgestaltung anzusehen sei und daher vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erfaßt werde, weder unter dem Gesichtspunkt einer Dienstreise noch unter dem einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung. Entgegen der Auffassung des LSG lasse sich jedoch ein innerer Bezug der Stadtrundfahrt zu betrieblichen Belangen auch nicht unter dem Gesichtspunkt „Erwartungshaltung der Vorgesetzten” annehmen. Die Feststellungen des LSG böten keine überzeugenden Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin einer gesteigerten Erwartungshaltung der mitgereisten Vorgesetzten ausgesetzt gewesen sei und deshalb über ihre Teilnahme bzw Nichtteilnahme an der Stadtrundfahrt nicht nach eigenem Ermessen hätte entscheiden können. Eine „Teilnahmepflicht” an den einzelnen Programmpunkten hätten die Zeugen nicht bestätigt. Im übrigen habe das LSG die Frage der möglichen Nichtteilnahme an der Stadtrundfahrt nur rein hypothetisch behandelt. Die Klägerin selbst habe bisher nicht zum Ausdruck gebracht, daß sie an der Stadtrundfahrt tatsächlich nicht habe teilnehmen wollen. Davon abgesehen sei aber auch eine Erwartungshaltung des Arbeitgebers hinsichtlich der Teilnahme an reinen Freizeit-/Urlaubsveranstaltungen kein entscheidendes Kriterium, den im Vordergrund stehenden eigenwirtschaftlichen Aspekt von Freizeit, Unterhaltung und Erholung in den Hintergrund zu drängen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Februar 1994 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 12. Mai 1992 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie betont, daß mit Rücksicht auf das gerade erst begonnene Beschäftigungsverhältnis es ihr nicht zumutbar gewesen sei, sich der Teilnahme der von ihren Vorgesetzten geplanten und angeordneten Stadtrundfahrt zu entziehen. Aufgrund der faktischen Teilnahmepflicht sei ihr Entschluß, an der Stadtrundfahrt teilzunehmen, einer ernstlichen, dem Unternehmen dienenden Tätigkeit entsprungen, die im übrigen allein dem wirklichen Willen ihrer Vorgesetzten entsprochen habe.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Entgegen der Auffassung des LSG stand die Klägerin nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, als sie bei der Stadtrundfahrt in Palma de Mallorca beim Aussteigen aus dem Bus verunglückte und sich dabei Verletzungen am rechten Fuß zuzog. Sie erlitt am 10. Februar 1989 keinen Arbeitsunfall (§ 548 Abs 1 Satz 1 RVO).
Diese Vorschrift setzt voraus, daß sich ein Arbeitsunfall „bei” der versicherten Tätigkeit ereignet hat. Dazu ist in der Regel erforderlich, daß das Verhalten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits zur versicherten Tätigkeit zu rechnen ist und daß diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muß also eine sachliche Verbindung mit der Betriebstätigkeit und dem Beschäftigungsverhältnis bestehen, die es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274; BSG SozR 2200 § 548 Nr 95 und zuletzt Urteil des Senats vom 19. Januar 1995 – 2 RU 3/94 –).
Im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen auch Geschäfts-und Dienstreisen, die dazu bestimmt sind, den betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen (s ua BSGE 45, 254, 256; 51, 257, 259; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19 und zuletzt Urteil des Senats vom 25. August 1994 – 2 RU 23/93 – BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 21; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 481 q ff und 481 t). Nach den hierfür entwickelten Grundsätzen kann ein Unfallversicherungsschutz der Klägerin bei der Stadtrundfahrt in Palma de Mallorca jedoch nicht angenommen werden.
Schon zweifelhaft ist der gesetzliche Unfallversicherungsschutz für den – nach der Betriebsbesichtigung in Barcelona am Nachmittag des 9. Februar 1989 – durchgeführten Aufenthalt auf Mallorca. Der Ablauf der gesamten Reiseveranstaltung zeigt nach den Feststellungen des LSG ein deutliches Übergewicht von rein touristischen Vorhaben und Besichtigungsfahrten zu der betriebsbezogenen Tagung, die zudem „als kurze Aussprache auf der Terrasse” verlief und – wie das LSG ferner festgestellt hat – von der Klägerin sinngemäß als „Alibiveranstaltung” bezeichnet wurde. Dies spricht dagegen, den Aufenthalt auf Mallorca als dazu bestimmt anzusehen, wesentlich den Interessen des Betriebes zu dienen (BSG SozR 2200 § 548 Nr 90). Die Frage des Versicherungsschutzes während des gesamten Reiseverlaufs auf Mallorca, insbesondere bei der An- und Abreise und der „Tagung” am 10. Februar 1989 kann aber letztlich hier offenbleiben. Denn auf einer Dienstreise besteht nicht während der gesamten Dauer der Reise schlechthin bei jeder Betätigung Versicherungsschutz. Vielmehr ist hier zu unterscheiden zwischen Betätigungen, die mit dem Beschäftigungsverhältnis in einem rechtlich-wesentlichen – inneren – Zusammenhang stehen und deshalb versichert sind, und solchen Verrichtungen, die der privaten Sphäre des Dienstreisenden angehören. Letztere sind grundsätzlich unversichert (BSG SozR 2200 § 548 Nrn 21 und 95, jeweils mwN). Diese Abgrenzung zwischen dienstlichen und privaten Belangen gilt erst recht bei den „Incentive- oder „Motivationsreisen” (BSG Urteil vom 25. August 1994 – aaO –).
Nach den Feststellungen des LSG standen im Vordergrund der sich der „Tagung” anschließenden Programmpunkte mit der Stadtrundfahrt rein touristische Vorhaben, die sich von denen anderer Mallorca-Urlauber nicht unterschieden. Die Stadtrundfahrt führte die Reiseteilnehmer zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Palma. Am Folgetag lernten sie „auf reizvolle Art” bei einer „Rallye” – so der Text des schriftlichen Programms – mit jeweils drei bis vier Personen in einem Mietwagen mit den Stationen Soller, Puerto de Soller, Deya und Valdemosa besondere touristische Höhepunkte der Insel kennen. Nach den weiteren Feststellungen des LSG waren die Gestaltung und die Diktion des Programms sowie der Reiseverlauf typisch für einen überall und von jedermann zu buchenden Kurzurlaub auf Mallorca. Die Programmpunkte einschließlich der Stadtrundfahrt zu ihrem Beginn hatten keinen Bezug zu betrieblichen Belangen, sind als private Freizeitgestaltung zu beurteilen und daher vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht erfaßt.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat auch bei Erholungsurlaub selbst dann keinen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit angenommen, wenn der Unternehmer die Kosten ganz oder teilweise übernimmt oder eigene Einrichtungen zur Verfügung stellt und hierfür zusätzlichen Urlaub gewährt (BSGE 9, 222, 226; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 5; Brackmann aaO S 484 f I).
Die Klägerin war bei dem Aufenthalt insgesamt und speziell bei der Stadtrundfahrt auch nicht unter dem von ihr besonders betonten Gesichtspunkt der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung unfallversicherungsrechtlich geschützt. Dem stand schon der Zweck des als Incentive-Reise geplanten und durchgeführten Ausflugs nach Mallorca entgegen, der nicht maßgeblich darauf zielte, die Verbundenheit zwischen Unternehmensleitung und Belegschaft sowie der Betriebsangehörigen untereinander durch die Teilnahmemöglichkeit möglichst aller Betriebsangehörigen zu fördern (BSGE 1, 179, 182; 17, 280, 281; BSG SozR 2200 § 548 Nr 30; BSG Urteil vom 28. März 1985 – 2 RU 47/83 – USK 85201; BSG Urteil vom 25. August 1994 – aaO –; Brackmann aaO S 482 k ff mwN). Nach den Feststellungen des LSG nahmen an der Reise zwölf von damals etwa 1250 Mitarbeitern der Firma M. … teil. Bei den Reiseteilnehmern handelte es sich außerdem nur um einen kleinen Teil der Vertriebsabteilung, nämlich um eine (die kleinste) von insgesamt vier Vertriebslinien, so daß die Reise auch nicht als Betriebsausflug der Vertriebsabteilung einzuordnen wäre (zur Mindestbeteiligung s auch BSG SozR Nr 25 zu § 542 RVO aF; BSGE 17, 280, 282; Brackmann aaO S 482 m mwN).
Trotz des – vom Berufungsgericht nicht verkannten – im Vordergrund stehenden privaten Charakters der Stadtrundfahrt und des damit fehlenden wesentlichen Betriebszusammenhangs hat das LSG den Versicherungsschutz der Klägerin bejaht, weil sie sich bei einer Absage ihrer Teilnahme an der Stadtrundfahrt in eine schwierige, für sie nicht akzeptable Situation gebracht hätte; es sei ihr nach Auffassung des LSG nicht zumutbar gewesen, entgegen der deutlichen Erwartungshaltung ihrer Vorgesetzten wie auch ihrer Kollegen ihre Teilnahme an der geplanten Stadtrundfahrt abzusagen. Entgegen der Auffassung des LSG kann aber auch dieser Gesichtspunkt keinen Unfallversicherungsschutz für die Klägerin begründen.
Nach den Feststellungen des LSG haben die als Zeugen vernommenen Reiseteilnehmer eine „Teilnahmepflicht” an den einzelnen vorgesehenen Programmpunkten, insbesondere den mit rein touristischem Charakter nicht bestätigt. Der Zeuge Z. als damaliger Vorgesetzter der Klägerin hat nicht ausgeschlossen, daß er einem Sonderwunsch möglicherweise „gnädig” zugestimmt hätte. Die mitreisenden Vorgesetzten hatten am Morgen des 10. Februar 1989 ihre Flexibilität hinsichtlich evtl Programmänderungen und Sonderwünsche gezeigt, indem sie die für den Vormittag für die Zeit von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr angesetzte „Tagung” in eine „kurze Aussprache auf der Terrasse” umwandelten. Aus der Auskunft der Firma M. … vom 12. Dezember 1989 ergibt sich ferner, daß dabei der Programmablauf im Einverständnis aller Beteiligten, also auch der Klägerin, geändert und beschlossen wurde, für diesen Tag einen Urlaubstag anzusetzen, um privat eine Rundfahrt und Stadtbesichtigung zu ermöglichen. Daß die Klägerin an der Stadtrundfahrt tatsächlich nicht habe teilnehmen wollen, ist den Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen. Zudem besteht bei jeder organisierten Reise eine – mehr oder weniger deutliche – Erwartungshaltung der Reiseleitung, daß die vorgesehenen Programmpunkte bei den Reiseteilnehmern Interesse finden.
Bei diesem Sachverhalt im Sinne des LSG und ihm folgend der Klägerin zu entscheiden, würde dazu führen, den Versicherungsschutz entgegen dem Grundgedanken der gesetzlichen Unfallversicherung auf einen weiten Teil der privaten Lebenssphäre auszudehnen. Zumindest wenn es vor allem außerhalb der unmittelbaren betrieblichen Sphäre um eine Erwartungshaltung des Arbeitgebers/Vorgesetzten hinsichtlich der Teilnahme an reinen Freizeit- oder Urlaubsveranstaltungen geht, ist dieses Kriterium nicht geeignet, den im Vordergrund stehenden eigenwirtschaftlichen Aspekt von Freizeit, Unterhaltung und Erholung in den Hindergrund zu drängen. Es gibt viele sehr unterschiedliche aus dem Arbeitsleben abgeleitete gesellschaftliche Erwartungshaltungen, die für den Betroffenen oft einen nicht unerheblichen Druck bedeuten, sich an bestimmten Veranstaltungen, Zusammenkünften sowie Besuchen und Gegenbesuchen zu beteiligen, ohne daß allein deshalb bei einer Teilnahme Versicherungsschutz anzunehmen ist.
Die in diesem Zusammenhang vom LSG angeführten Entscheidungen betreffen im Kern mit dem hier zu entscheidenden Fall nicht vergleichbare Sachverhalte oder sind in dem hier zugrunde gelegten Sinn entschieden. In dem vom Senat entschiedenen Fall in BSG SozR Nr 71 zu § 542 RVO aF handelte es sich um private Verrichtungen eines Beschäftigten aufgrund einer Weisung seines unmittelbaren Vorgesetzten im Betrieb, eine private Angelegenheit während der Arbeitszeit zu erledigen. In seinem vom LSG gleichfalls zitierten Urteil vom 27. Oktober 1961 (BSGE 15, 193 = SozR Nr 48 zu § 542 RVO aF) hat der Senat Versicherungsschutz anläßlich der Teilnahme an einer Beerdigung verneint und es entscheidend darauf abgestellt, daß der Sohn des Unternehmers nicht eine Weisung seines Arbeitgebers befolgte. In BSGE 17, 280 = SozR Nr 56 zu § 542 RVO aF hat der Senat Unfallversicherungsschutz für eine betrieblich organisierte Fahrt zu den Ruhrfestspielen ebenfalls verneint. Das Unternehmen hatte nach den dieser Entscheidung zugrunde liegenden Feststellungen ausgewählten Belegschaftsmitgliedern lediglich eine Gelegenheit zum Besuch der Festspiele geboten. Damit war für den Fall der Ausnutzung dieser Gelegenheit ein rechtlich-wesentlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit nicht begründet worden.
Diesem Ergebnis steht auch nicht das Urteil des 8. Senats des BSG in BSGE 41, 58 = SozR 2200 § 548 Nr 11 entgegen. Nach dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt wurde der Versicherte im Pkw seines Vorgesetzten zum Ort eines Richtfestes und eines anschließenden – nicht mehr unter Versicherungsschutz stehenden – geselligen Beisammenseins gefahren, mit dem Angebot seines Vorgesetzten, ihn wieder nach Hause zu fahren. Der Versicherungsschutz auf dem Heimweg ist in dieser Entscheidung nach ganz konkreten Umständen mit der Begründung angenommen worden, daß ohne einen trifftigen Grund eine Ablehnung, auch wieder nach Hause gefahren zu werden, den Eindruck des Mißtrauens, einer Abneigung oder der Gleichgültigkeit gegenüber dem Vorgesetzten hervorgerufen hätte (BSGE aaO S 60). Unter diesen Umständen war es dem Versicherten nicht zuzumuten, das entsprechende Angebot abzulehnen, zumal sich bei Schluß des Zusammenseins der Betriebsangehörigen auch keine andere naheliegende Beförderungsmöglichkeit zu seinem Wohnort mehr anbot. Damit stand in diesem Fall die Heimfahrt mit dem Pkw des Vorgesetzten – ebenso wie die Hinfahrt – in einem wesentlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit.
Nach alledem war auf die Revision der Beklagten das Urteil des Hessischen LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
Haufe-Index 1173504 |
BB 1995, 1647 |
NJW 1995, 3340 |
SozSi 1997, 36 |