Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Heilmittelversorgung. Anspruch auf neue Heilmittel grds nur, wenn therapeutischer Nutzen vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) anerkannt. gesetzes- und verfassungskonforme Prüfung eines neuen Heilmittels durch G-BA als hinreichender Sachgrund zur Verweigerung der Versorgung bis zum Prüfende. hier: podologische Behandlung der Füße bei schwerer sensomotorischer Polyneuropathie mit ausgeprägten trophischen Störungen und Wundheilungsstörungen
Leitsatz (amtlich)
1. Versicherte haben verfassungskonform grundsätzlich nur Anspruch auf verordnete neue Heilmittel, deren therapeutischen Nutzen der Gemeinsame Bundesausschuss mit Empfehlungen für die Sicherung der Qualität der Leistungserbringung anerkannt hat.
2. Die gesetzes- und verfassungskonforme Prüfung eines neuen Heilmittels durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ist ein hinreichender Sachgrund, Versicherten bis zum Prüfende Versorgung mit dem geprüften Heilmittel zu verweigern.
Orientierungssatz
Zum Streit über Kostenerstattung und künftige Versorgung mit podologischen Behandlungen der Füße bei schwerer sensomotorischer Polyneuropathie mit ausgeprägten trophischen Störungen und Wundheilungsstörungen.
Normenkette
SGB V § 2 Abs. 1 S. 3, Abs. 1a, 2, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 1, 3 S. 1 Alt. 2, § 27 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 3, § 32 Abs. 1 S. 2, § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 6, Abs. 6, § 138; HeilMRL § 2 Abs. 1 Sätze 1-2, § 27 Abs. 1 S. 1, § 28 Abs. 4; GG Art 2 Abs. 1, 2 S. 1; GG Art 3 Abs. 1; GG Art 12 Abs. 1; GG Art 20 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. März 2019 und des Sozialgerichts Münster vom 28. Februar 2018 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Kostenerstattung und künftige Versorgung mit podologischen Behandlungen.
Die 1970 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin ist körperlich behindert (insbesondere genetisch bedingte Ataxie mit okulomotorischer Apraxie Typ II). Sie leidet an einer schweren sensomotorischen Polyneuropathie mit ausgeprägten trophischen Störungen und Wundheilungsstörungen im Bereich der Füße und einer chronischen Wunde im Bereich der zweiten und dritte Zehe links mit rezidivierenden Wundrosen und Wundinfektionen. Wegen ihrer körperlichen Einschränkungen kann sie die Pflege der Fußnägel nicht selbst vornehmen. Sie beantragte, gestützt auf eine vertragsärztliche Verordnung, sie mit drei podologischen Komplexbehandlungen zu versorgen (1.10.2015). Ihre behandelnde Internistin hielt dies zur Vermeidung von drohenden Nagelwall- und Nagelbettschädigungen sowie Hautschädigungen wie Fissuren, Ulzera und Entzündungen für notwendig. Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheid vom 1.10.2015; Widerspruchsbescheid vom 3.5.2015). Die Klägerin ließ auf eigene Kosten podologische Fußbehandlungen durchführen (25.2.2016 bis 15.8.2018). Das SG hat die Beklagte verurteilt, "der Klägerin aufgrund der ärztlichen Verordnung die Kosten für eine podologische Komplexbehandlung iHv insgesamt 120 Euro (…) zu zahlen, sowie künftig die Kosten für notwendige und verordnete podologische Komplexbehandlungen der aktuell gültigen Vertragssätze entsprechend zu übernehmen" (Urteil vom 28.2.2018). Das LSG hat das SG-Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, ihr 285 Euro abzüglich gesetzlich zu leistender Zuzahlungen zu erstatten. Es hat festgestellt, "dass die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für ärztlich verordnete podologische Behandlungen der Klägerin zu übernehmen": Die Beschränkung der podologischen Behandlungen auf das diabetische Fußsyndrom sei wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) unwirksam (Urteil vom 28.3.2019).
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V: Danach seien Maßnahmen der podologischen Therapie nur zur Behandlung des diabetischen Fußsyndroms verordnungsfähig.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. März 2019 und des Sozialgerichts Münster vom 28. Februar 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG). Die angefochtenen Urteile der Vorinstanzen sind aufzuheben und die Klage ist abzuweisen. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die beklagte KK auf künftige Kostenübernahme podologischer Behandlungen ihrer Füße (dazu 1.). Gleiches gilt im Ergebnis für den Anspruch auf Erstattung der in der Vergangenheit aufgewendeten Kosten (dazu 2.).
1. Im Ergebnis zutreffend gehen die Vorinstanzen davon aus, dass für das Begehren der Klägerin auf künftige Leistungen nur ein Anspruch auf Kostenübernahme in Betracht kommt, nicht aber ein Naturalleistungsanspruch. Die KK darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V oder das SGB IX vorsieht (vgl § 13 Abs 1 SGB V). Die Kostenübernahme umfasst die bloße Kostentragung in Form der Kostenfreistellung oder Kostenerstattung (vgl BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 7 RdNr 19). Rechtsgrundlage des Kostenerstattungs- und -freistellungsanspruchs ist § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V (hier anzuwenden in der seit 1.7.2001 geltenden Fassung des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Die Rechtsnorm bestimmt: Hat die KK "eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Die Rspr des erkennenden Senats erstreckt den Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V über den ausdrücklich geregelten Kostenerstattungsanspruch hinaus auch auf Fälle der Kostenfreistellung (stRspr, vgl zB BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 10), wenn aufgrund Systemversagens eine Lücke im Naturalleistungssystem besteht, die verhindert, dass Versicherte sich die begehrte Leistung im üblichen Weg der Naturalleistung verschaffen können (vgl BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 § 28 Nr 8, RdNr 11 mwN). Der Kostenerstattungs- und Übernahmeanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN - LITT; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13; BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, RdNr 15; vgl zum Ganzen: E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand: 1.1.2019, § 13 SGB V RdNr 233 ff). Hierfür genügt es auch, dass der Versicherte zwar keinen Natural- oder Sachleistungsanspruch nach Maßgabe des Leistungserbringungsrechts hat, wohl aber einen sachleistungsersetzenden Kostenerstattungs- oder -freistellungsanspruch wegen Systemversagens (vgl BSGE 117, 10 = SozR 4-2500 § 13 Nr 32, RdNr 8). Daran fehlt es.
a) Welche Leistungen die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben, bemisst sich grundsätzlich nach dem Zusammenspiel von Leistungs- und Leistungserbringungsrecht. Versicherte haben aus § 27 SGB V nicht lediglich ein bloßes subjektiv-öffentlich-rechtliches Rahmenrecht oder einen bloßen Anspruch dem Grunde nach (so noch BSGE 73, 271 = SozR 3-2500 § 13 Nr 4 S 18), sondern einen konkreten Individualanspruch, dessen Reichweite und Gestalt sich aus dem Zusammenspiel mit weiteren gesetzlichen und untergesetzlichen Rechtsnormen ergibt (zum Individualanspruch Versicherter vgl BSG Beschluss vom 7.11.2006 - B 1 KR 32/04 R - juris RdNr 54 = GesR 2007, 276; BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 11 mwN; BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 § 28 Nr 8, RdNr 14 mwN; E. Hauck in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Bd 1, 19. Aufl, Stand 1.1.2019, § 13 SGB V RdNr 53 f).
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V (idF durch Art 1 Nr 14 Buchst a Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung - Gesundheitsstrukturgesetz ≪GSG≫ vom 21.12.1992, BGBl I 2266 mWv 1.1.1993) haben Versicherte - wie die Klägerin - Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua die Versorgung mit verordnungsfähigen Heilmitteln (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V). Welche Heilmittel verordnungsfähig sind, regelt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V (§ 32 Abs 1 Satz 2 SGB V). Die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte dürfen neue Heilmittel nur verordnen, wenn der GBA zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat (vgl § 138 SGB V).
Die podologische Behandlung der Füße bei schwerer sensomotorischer Polyneuropathie mit ausgeprägten trophischen Störungen und Wundheilungsstörungen im Bereich der Füße und einer chronischen Wunde im Bereich der zweiten und dritte Zehe links mit rezidivierenden Wundrosen und Wundinfektionen ist ein neues Heilmittel. Nach § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 HeilM-RL sind Heilmittel persönlich zu erbringende medizinische Leistungen. Hierzu zählen auch die einzelnen Maßnahmen der podologischen Therapie nach § 28 Abs 4 Nr 1 bis 4 HeilM-RL als verordnungsfähige Heilmittel (vgl auch BSG Urteil vom 18.12.2018 - B 1 KR 34/17 R - juris RdNr 17 f, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 28 Nr 9 vorgesehen). Für die Frage, ob ein Heilmittel "neu" ist, kommt es grundsätzlich auf eine formelle Sichtweise an. Diese richtete sich ursprünglich nach dem Stand der Beschlüsse des Bundesausschusses bei Inkrafttreten des § 138 SGB V am 1.1.1989 (BSG SozR 3-2500 § 138 Nr 2 S 26, 28, 31; BSGE 94, 221 RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25). Schon Abschnitt A 2. Anlage 1 der Heil- und Hilfsmittel-RL idF vom 17.6.1992 (Beilage zu BAnz Nr 183) bestimmte im Übrigen, dass Maßnahmen dann "neu" sind, wenn sie zum Zeitpunkt der Prüfung durch den Bundesausschuss nach den Heilmittel-RL nicht verordnungsfähig sind oder zwar schon verordnet werden können, aber hinsichtlich ihres Indikationsbereiches wesentliche Änderungen oder Erweiterungen erfahren haben (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 10 RdNr 19). So liegt es hier. Maßnahmen der podologischen Therapie sind nach bisher geltender Regelung in den Heilmittel-RL nur dann verordnungsfähige Heilmittel, wenn sie zur Behandlung krankhafter Schädigungen am Fuß infolge Diabetes mellitus (diabetisches Fußsyndrom) dienen (vgl § 27 Abs 1 Satz 1 HeilM-RL). Die podologische Behandlung der Füße bei schwerer sensomotorischer Polyneuropathie mit ausgeprägten trophischen Störungen und Wundheilungsstörungen im Bereich der Füße ist nach den Heilmittel-RL nicht verordnungsfähig. Sie betrifft keine podologische Behandlung wegen eines diabetischen Fußsyndroms.
b) Eine Verordnungsfähigkeit der podologischen Behandlung der Füße bei schwerer sensomotorischer Polyneuropathie mit ausgeprägten trophischen Störungen und Wundheilungsstörungen ohne positive Empfehlung des GBA kommt nur wegen Systemversagens in Betracht, von den weiteren, hier nicht einschlägigen Ausnahmen des Seltenheitsfalles und der grundrechtsorientierten Auslegung abgesehen (stRspr, vgl zB BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 27 mwN; BSG Urteil vom 28.5.2019 - B 1 KR 32/18 R - juris RdNr 13, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen; BSG Urteil vom 27.8.2019 - B 1 KR 14/19 R - juris, zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen).
Für einen Seltenheitsfall darf das festgestellte Krankheitsbild aufgrund seiner Singularität medizinisch nicht erforschbar sein (stRspr, vgl zB BSGE 111, 168 = SozR 4-2500 § 31 Nr 22, RdNr 19 - Avastin; BSGE 109, 218 = SozR 4-2500 § 31 Nr 20, RdNr 14 - Leucinose). Allein geringe Patientenzahlen stehen einer wissenschaftlichen Erforschung nicht entgegen, wenn etwa die Ähnlichkeit zu weit verbreiteten Erkrankungen eine wissenschaftliche Erforschung ermöglicht (BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, RdNr 31 - Visudyne). Das gilt erst recht, wenn - trotz der Seltenheit der Erkrankung - die Krankheitsursache oder Wirkmechanismen der bei ihr auftretenden Symptomatik wissenschaftlich klärungsfähig sind, deren Kenntnis der Verwirklichung eines der in § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Ziele der Krankenbehandlung dienen kann. Anhaltspunkte dafür, dass die podologische Behandlung der Füße bei schwerer sensomotorischer Polyneuropathie mit ausgeprägten trophischen Störungen und Wundheilungsstörungen aufgrund der Singularität medizinisch nicht erforschbar sind, hat weder das LSG festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich.
Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus grundrechtsorientierter Auslegung des Leistungsrechts sind ebenfalls offensichtlich nicht erfüllt, weder unmittelbar nach der Rspr des BVerfG noch aus § 2 Abs 1a SGB V (eingefügt durch Art 1 Nr 1 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung ≪GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG≫ vom 22.12.2011, BGBl I 2983, in Kraft seit 1.1.2012 gemäß Art 15 Abs 1 GKV-VStG). Nach dem Beschluss des BVerfG vom 6.12.2005 geben die Grundrechte aus Art 2 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 GG einen Anspruch auf Krankenversorgung in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung, wenn für sie eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht (BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Nach der neueren Rspr des BVerfG ist es aufgrund der Verfassung nicht geboten, die Grundsätze auf Erkrankungen zu erstrecken, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar sind (vgl BVerfGE 140, 229, RdNr 18). Der Gesetzgeber hat demgegenüber im Anschluss an die Rspr des erkennenden Senats die grundrechtsorientierte Auslegung auch auf wertungsmäßig vergleichbare Erkrankungen erstreckt (vgl § 2 Abs 1a SGB V; vgl zum Ganzen zB BSGE 122, 170-181 = SozR 4-2500 § 31 Nr 28, RdNr 17 ff). Die podologische Behandlung der Füße bei schwerer sensomotorischer Polyneuropathie mit ausgeprägten trophischen Störungen und Wundheilungsstörungen betrifft weder eine lebensbedrohliche noch eine regelmäßig tödliche noch eine wertungsmäßig hiermit vergleichbare Erkrankung.
Eine Leistungspflicht der KK wegen Systemversagens kann nach der Rspr des erkennenden Senats ausnahmsweise ungeachtet des in § 138 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung eines neuen Heilmittels darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (vgl BSG Urteil vom 18.12.2018 - B 1 KR 34/17 R - juris RdNr 21, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 28 Nr 9 vorgesehen). Dafür, dass diese Voraussetzungen erfüllt waren, hat weder das LSG etwas festgestellt noch ist dies sonst ersichtlich. Der GBA hat vielmehr am 17.5.2018 auf Antrag der Patientenvertretung das Beratungsverfahren zur Überprüfung der HeilM-RL zur Verordnungsfähigkeit von "Maßnahmen der Podologischen Therapie für dem diabetischen Fußsyndrom vergleichbare funktionelle/strukturelle Schädigungen der Haut- und der Zehennägel bei entsprechend nachweisbaren Gefühls- und/oder Durchblutungsstörungen der Füße (Makro-, Mikroangiopathie, Neuropathie, Angioneuropathie) sowie den daraus resultierenden vergleichbaren Gefährdungen für unumkehrbare Folgeschäden der Füße (Wundheilungsstörungen, Entzündungen bis hin zu Amputationen)" eingeleitet (Beschluss vom 17.5.2018, abrufbar auf www.g-ba.de).
c) Die gesetzliche Grundlage zum Erlass der HeilM-RL - ausgehend von einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt - steht mit Verfassungsrecht in Einklang. Es ist verfassungsrechtlich zulässig, dass der Gesetzgeber den GBA in § 138 iVm § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und § 92 Abs 6 SGB V konkret ermächtigt, RL zu beschließen über die Verordnung von ua Heilmitteln. Das Gesetz sichert die notwendige Partizipation Betroffener. Der GBA hat vor seiner Entscheidung über die RL zur Verordnung von Heilmitteln den in § 125 Abs 1 Satz 1 SGB V genannten Organisationen der Leistungserbringer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen (vgl § 92 Abs 6 Satz 2 SGB V).
aa) Die Regelung des § 138 SGB V iVm § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und § 92 Abs 6 SGB V greift in die Freiheit der Berufsausübung der Heilmittelerbringer ein, ohne Art 12 Abs 1 GG zu verletzen. Werden die Voraussetzungen dieser Regelungen zur Wahrung des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots nicht erfüllt, darf die Leistung gegenüber keinem Versicherten erbracht werden. Gesetzliche Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind nur dann mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar, wenn sie auf einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage beruhen (vgl zB BVerfGE 101, 312, 322 f) und durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind (vgl nur BVerfGE 106, 181, 191 f = SozR 3-2500 § 95 Nr 35 S 172). Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgänglichen Beschränkungen des Grundrechts stehen unter dem Gebot der Verhältnismäßigkeit (vgl BVerfGE 19, 330, 336 f; 54, 301, 313). Eingriffe in die Berufsfreiheit dürfen dementsprechend nicht weitergehen als es die sie rechtfertigenden Gemeinwohlbelange erfordern (vgl BVerfGE 101, 331, 347). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Die Regelung des § 138 SGB V iVm § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und § 92 Abs 6 SGB V ist eine hinreichende gesetzliche Grundlage, um den GBA zu Eingriffen in die Freiheit der Berufsausübung zu ermächtigen. Selbst gegen Berufsausübungsregelungen in Gestalt von Satzungen öffentlich-rechtlicher Berufsverbände bestehen grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl zB BVerfGE 94, 372, 390, stRspr). Allerdings reichen Ermächtigungsnormen, die einer mit Autonomie ausgestatteten Körperschaft Regelungsspielräume zur Bestimmung von Berufspflichten eröffnen, die sich über den Berufsstand hinaus auswirken, nur so weit, wie der Gesetzgeber erkennbar selbst zu einer solchen Gestaltung des Rechts den Weg bereitet (vgl BVerfGE 38, 373, 381 ff). Es ist verfassungsrechtlich ebenfalls hinzunehmen, dass der Gesetzgeber den GBA nach § 138 SGB V iVm § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und § 92 Abs 6 SGB V konkret ermächtigt hat, RL zu beschließen über die Verordnung von ua Heilmitteln. Der GBA verfügt über eine hinreichende demokratische Legitimation zum Erlass der betroffenen Heilmittel-RL. Im hier einschlägigen Bereich der funktionalen Selbstverwaltung fordert das demokratische Prinzip nicht, dass eine lückenlose personelle Legitimationskette vom Volk zum Entscheidungsträger vorliegen muss. Es ist vielmehr bei hinreichend normdichter gesetzlicher Ausgestaltung ausreichend, dass Aufgaben und Handlungsbefugnisse der Organe gesetzlich ausreichend vorherbestimmt sind, ihre Wahrnehmung der Aufsicht personell legitimierter Amtswalter unterliegt und die Wahrung der Interessen der Betroffenen rechtssicher gewährleistet ist. Der GBA droht die Grenzen hinreichender demokratischer Legitimation für eine RL erst zu überschreiten, wenn sie mit hoher Intensität Angelegenheiten Dritter regelt, die an deren Entstehung nicht haben mitwirken können. Maßgeblich ist hierfür insbesondere, inwieweit der GBA für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet ist (vgl BVerfG Beschluss vom 10.11.2015 - 1 BvR 2056/12 - juris RdNr 22). Diesen Anforderungen wird die Ermächtigung des GBA zum Erlass der betroffenen Heilmittel-RL gerecht.
Insbesondere ist der GBA inhaltlich hinreichend normdicht für seine zu treffenden Entscheidungen gesetzlich angeleitet, das Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot in den Heilmittel-RL zu konkretisieren. Die Bedeutung und Reichweite dieser Entscheidung ist von vornherein durch das gesetzliche Normprogramm begrenzt. § 138 SGB V iVm § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und § 92 Abs 6 SGB V gibt dem GBA ein rechtlich voll überprüfbares Programm vor: Er hat anhand der Kriterien für eine indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität insbesondere zu regeln den Katalog verordnungsfähiger Heilmittel, die Zuordnung der Heilmittel zu Indikationen, die indikationsbezogenen orientierenden Behandlungsmengen und die Zahl der Behandlungseinheiten je Verordnung, Inhalt und Umfang der Zusammenarbeit des verordnenden Vertragsarztes mit dem jeweiligen Heilmittelerbringer, auf welche Angaben bei Verordnungen nach § 73 Abs 11 Satz 1 SGB V verzichtet werden kann sowie die Dauer der Gültigkeit einer Verordnung nach § 73 Abs 11 Satz 1 SGB V auf der Grundlage des ermittelten allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse. Die Ermittlung der medizinischen Grundlagenkenntnisse sowie in rechtlicher Hinsicht die zutreffende Erfassung der Tatbestandsmerkmale durch den GBA ist vom Gericht uneingeschränkt zu überprüfen. Der Gesetzgeber belässt dem GBA bei der Auslegung dieser Regelungselemente des § 138 SGB V iVm § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und § 92 Abs 6 SGB V keinen Gestaltungsspielraum. Das gilt auch für die Vollständigkeit der vom GBA zu berücksichtigenden Studienlage (vgl entsprechend BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 15). Bei der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse zur Operationalisierung der Rechtsbegriffe unterliegt der GBA nämlich weitgehender gerichtlicher Kontrolle: So überprüft das Gericht bei entsprechendem Anlass auch die Vollständigkeit der vom GBA zu berücksichtigenden Studienlage (vgl zB BSGE 116, 153 = SozR 4-2500 § 137 Nr 4, RdNr 15) und - so diese Voraussetzung erfüllt ist - die Vertretbarkeit seiner Schlussfolgerung (vgl auch BSGE 114, 217 = SozR 4-2500 § 35 Nr 7, RdNr 28).
Der Gesetzgeber wählte diese Ausgestaltung der Regelungskonkretisierung durch den GBA, um die Qualität der Leistungserbringung zu sichern und hierbei eine Gleichbehandlung der versicherten Patienten zu erreichen. Dies gewährleistet, dass die betroffenen Qualitätsanforderungen nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden. Es vermeidet eine Schädigung der Patienten und damit mittelbar auch von Behandlern. Es sichert den effektiven Einsatz der Mittel der Beitragszahler. Die rechtliche Intensität, mit der die Heilmittel-RL die an der Regelsetzung umfassend beteiligten Leistungserbringer trifft, ist insgesamt begrenzt. Die RL konkretisieren durch die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgeformte Mindeststandards, basierend auf dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts.
Die Abwägung der Bedeutung des Interesses der Podologen, Füße Versicherter bei schwerer sensomotorischer Polyneuropathie mit ausgeprägten trophischen Störungen und Wundheilungsstörungen zu behandeln, mit dem Interesse an einer gesicherten Versorgungsqualität für Patienten und einem effektiven Einsatz der Mittel der Beitragszahler, ergibt unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung qualitätsgesicherter Versorgung und der Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) einen Vorrang der Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit der betroffenen Heilmittel zugunsten der hiervon betroffenen Individual- und Gemeinwohlbelange.
bb) Die dargelegte gesetzliche Ausgestaltung des Leistungsrechts für Heilmittel verletzt weder das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art 2 Abs 2 Satz 1 GG) Versicherter noch deren Grundrecht aus Art 2 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (vgl dazu BVerfGE 115, 25, 43 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 21, 24). Der Gesetzgeber hat lediglich in verhältnismäßiger Weise von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht, den Bereich der Überprüfung des Qualitäts- und des Wirtschaftlichkeitsgebots zu umreißen. Es ist dem Gesetzgeber nicht von Verfassungs wegen verwehrt, zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Anwendung dieser Methoden zu Lasten der KKn auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen (vgl BVerfGE 115, 25, 43 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 59). Gleiches gilt für die Verordnungsfähigkeit neuer Heilmittel. Grundsätzlich nimmt es das Verfassungsrecht hin, dass der Gesetzgeber den Leistungskatalog der GKV unter Abgrenzung der Leistungen ausgestaltet, die der Eigenverantwortung des Versicherten zugerechnet werden (vgl BVerfGE 115, 25, 43 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 26). Die gesetzlichen KKn sind nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (vgl BVerfGE 115, 25, 43 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 27). Verfassungsunmittelbare Leistungsansprüche erwachsen Versicherten lediglich als Ausnahme in Fällen einer notstandsähnlichen Situation aufgrund einer lebensbedrohlichen oder vorhersehbar tödlich verlaufenden Krankheit, in der ein erheblicher Zeitdruck für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist und für die eine dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechende Behandlungsmethode nicht existiert (vgl BVerfGE 115, 25, 43 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 24; BVerfGE 140, 229 = SozR 4-2500 § 92 Nr 18, RdNr 18; BVerfG SozR 4-2500 § 137c Nr 8 RdNr 22; BSGE 122, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 28, RdNr 17 ff). Dem trägt der Anspruch aus grundrechtsorientierter Leistungsauslegung Rechnung (vgl oben, unter II. 1. b).
d) Auch die Anwendung der Regelung des § 138 SGB V iVm § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 und § 92 Abs 6 SGB V auf podologische Leistungen Versicherter bei schwerer sensomotorischer Polyneuropathie mit ausgeprägten trophischen Störungen und Wundheilungsstörungen durch den GBA ist verfassungskonform. Sie verstößt insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG). Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl zB BVerfGE 98, 365, 385). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl BVerfGE 79, 1, 17; BVerfGE 126, 400, 416; BVerfGE 129, 49, 68). Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Ausschluss (vgl BVerfGE 93, 386, 396 f; BVerfGE 105, 73, 110 ff = SozR 3-1100 Art 3 Nr 176), bei dem eine Begünstigung dem einen Personenkreis gewährt, dem anderen aber vorenthalten wird (vgl BVerfGE 110, 412, 431; BVerfGE 112, 164, 174 = SozR 4-7410 § 32 Nr 1; BVerfGE 126, 400, 416; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 12.12.2012 - 1 BvR 69/09 - Juris RdNr 9).
Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können (vgl BVerfGE 117, 1, 30; BVerfGE 122, 1, 23; BVerfGE 126, 400, 416 mwN; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 12.12.2012 - 1 BvR 69/09 - Juris RdNr 10). Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl BVerfGE 75, 108, 157 = SozR 5425 § 1 Nr 1; BVerfGE 93, 319, 348 f; BVerfGE 107, 27, 46; BVerfGE 126, 400, 416 mwN; BVerfGE 129, 49, 69). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers ist insbesondere anzunehmen, wenn die Differenzierung an Persönlichkeitsmerkmale anknüpft, wobei sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen umso mehr verschärfen, je weniger die Merkmale für den Einzelnen verfügbar sind (vgl BVerfGE 88, 87, 96) oder je mehr sie sich denen des Art 3 Abs 3 GG annähern (vgl BVerfGE 124, 199, 220). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich auch aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (vgl BVerfGE 88, 87, 96). Im Übrigen hängt das Maß der Bindung unter anderem davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Kriterien zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird (vgl BVerfGE 88, 87, 96; BVerfGE 127, 263, 280 = SozR 4-1300 § 116 Nr 2; BVerfGE 129, 49, 69; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 12.12.2012 - 1 BvR 69/09 - Juris RdNr 10). Das Grundrecht ist aber verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (stRspr, vgl zB BVerfGE 112, 50, 67 = SozR 4-3800 § 1 Nr 7 RdNr 55 mwN; BVerfGE 117, 316, 325 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 31). Daran fehlt es.
Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für neue Heilmittel begründet zwar eine Ungleichbehandlung in Fällen, in denen Versicherte an einer Krankheit iS von § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V leiden, zu deren Behandlung bestimmte Heilmittel - wie hier die von der Klägerin beanspruchte podologische Behandlung - mangels Empfehlung des GBA nicht oder noch nicht verordnungsfähig sind, während eine podologische Behandlung bei einer anderen Erkrankung nach Anerkennung des Nutzens und Empfehlungen des GBA verordnungsfähig ist.
Die Ungleichbehandlung ist jedoch sachlich gerechtfertigt. Das in § 138 SGB V geregelte grundsätzliche Verbot mit Erlaubnisvorbehalt durch Richtlinien des GBA nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V dient der Ausrichtung der Leistungsansprüche der Versicherten - wie dargelegt - am Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot. Deren Zweck ist es, im Interesse des Patientenschutzes und des effektiven Einsatzes der Mittel der Beitragszahler zu gewährleisten, dass ein nicht ausreichend erprobtes Heilmittel nicht zulasten der KKn verordnet werden darf (vgl entsprechend BSGE 125, 283 = SozR 4-2500 § 137c Nr 10, RdNr 19; BSG Urteil vom 27.3.2007 - B 1 KR 17/06 R - juris RdNr 21 = USK 2007-25 - Polyglobin, zustimmend BVerfG Beschluss vom 30.6.2008 - 1 BvR 1665/07 - SozR 4-2500 § 31 Nr 17 RdNr 10 und Gesetzesbegründung im Entwurf der Bundesregierung eines GKV-VStG, BR-Drucks 456/11 S 74, zum Off-Label-Use von Arzneimitteln; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 21 zur Reichweite der grundrechtsorientierten Auslegung; BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 22; zum effizienten Einsatz der der GKV zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel, indem nur wirksame Leistungen auf Kosten der GKV erbracht werden sollen, vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen ≪Gesundheits-Reformgesetz - GRG≫, BT-Drucks 11/2237 S 157 zu Artikel 1 ≪§ 2 Abs 1≫).
Ein Heilmittel ist dementsprechend grundsätzlich erst dann in der GKV verordnungsfähig, wenn über dessen Qualität und Wirkungsweise zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Das setzt einen Erfolg in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen voraus. Dabei muss sich der Erfolg aus wissenschaftlich einwandfrei geführten Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit des Heilmittels ablesen lassen (stRspr; vgl BSGE 76, 194 = SozR 3-2500 § 27 Nr 5 = Juris RdNr 22 ff; BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 21; BSGE 125, 76 = SozR 4-5562 § 6 Nr 1 RdNr 14). Diese Anforderung darf aber nicht als starrer Rahmen missverstanden werden, der unabhängig von den praktischen Möglichkeiten tatsächlich erzielbarer Evidenz gilt (vgl BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 21).
Das Gesetz garantiert zugleich mit der Sicherung des Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebots durch die Überprüfung des GBA die Gleichbehandlung der Versicherten, um den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) zu beachten. Der Gesetzgeber muss den Versicherten Rechtsanwendungsgleichheit im Leistungsrecht gewährleisten (vgl BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 7 RdNr 23 zur Auslandsbehandlung; BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 23; Hauck, Festschrift für Kohte, 2016, 577, 585, 587; vgl auch Udsching, VSSR 1996, 271). Es wäre vor dem allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu rechtfertigen, würde der Gesetzgeber natürliche Personen zwar in gleicher Weise dem Versicherungs- und Beitragszwang der GKV unterwerfen, ihnen aber trotz gleicher Erkrankung und gleichem Anspruch auf Krankenbehandlung rechtlich unterschiedliche Chancen eröffnen, ihren Anspruch zu verwirklichen (vgl zB BSGE 125, 283 = SozR 4-2500 § 137c Nr 10, RdNr 20 mwN).
Um das Ziel der Rechtsanwendungsgleichheit im Leistungsrecht der GKV zu erreichen, regelt das Gesetz das Prüfverfahren für neue Heilmittel durch den GBA. Es sichert die gleichen Rechtsansprüche der Versicherten auf Krankenbehandlung, indem die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte neue Heilmittel nur verordnen dürfen, wenn der GBA zuvor ihren therapeutischen Nutzen anerkannt und in den Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V Empfehlungen für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung abgegeben hat (vgl § 138 SGB V). An der gebotenen Anerkennung des therapeutischen Nutzens und Empfehlungen des GBA für die Sicherung der Qualität bei der Leistungserbringung fehlt es dagegen, wenn der GBA - wie vorliegend - die Überprüfung nicht abgeschlossen hat, ohne dass ein Systemversagen vorliegt.
2. Nach dem Dargelegten sind auch die Voraussetzungen des Anspruchs auf Kostenerstattung aus § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V für die selbst beschafften podologischen Behandlungen nicht erfüllt. Der Kostenerstattungsanspruch setzt voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Daran fehlt es, wie dargelegt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 13598058 |
BSGE 2020, 290 |
FEVS 2020, 538 |
KrV 2020, 74 |
NZS 2020, 299 |
SGb 2020, 225 |
GesR 2020, 372 |