Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27. März 2002 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin während ihres Promotionsstudiums Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Halbwaisenrente hat.
Die am 10. April 1975 geborene Klägerin nahm im Jahre 1993 ein Studium der Politikwissenschaften an der Universität L.… auf. Ihre Mutter, die in der Rentenversicherung der Angestellten versichert war, starb am 10. Juli 1995. Die Beklagte erkannte der Klägerin daraufhin das Recht auf eine Halbwaisenrente und monatliche Zahlungsansprüche ab 1. August 1995 zu.
Mit “Schreiben” vom 10. Januar 2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die Rentenzahlung mit Ablauf des Monats Januar 2000 einstelle. Nachdem die Klägerin den Nachweis vorgelegt hatte, dass sie am 27. Januar 2000 ihre letzte Leistung im Rahmen der Magisterprüfung erbracht habe und die Magisterurkunde ihr bis Ende Februar 2000 ausgehändigt werde, teilte die Beklagte ihr im Bescheid vom 16. Februar 2000 mit, dass die Waisenrente über den Einstellungsmonat hinaus weitergezahlt werde, und zwar befristet bis zum 29. Februar 2000.
Im April 2000 nahm die Klägerin ein Promotionsstudium an der Universität L.… auf. Nachdem sie unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 9. Juni 1999 (VI R 92/98) beantragt hatte, ihr für die Dauer des Promotionsstudiums Halbwaisenrente zu zahlen, lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, ein Anspruch auf Waisenrente nach § 48 SGB VI bestehe nicht, weil für die Dauer des Promotionsstudiums keine Schul- oder Berufsausbildung vorliege (Bescheid vom 12. Mai 2000). Den Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 3. November 2000).
Das SG hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin “weiter” Halbwaisenrente zu gewähren (Urteil vom 28. September 2001). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. März 2002). Zur Begründung ist ausgeführt worden, dass die Klägerin nach der Studienordnung das Studium der Politikwissenschaften mit der Magister-Prüfung abgeschlossen habe. Das anschließende Promotionsstudium stelle nach der Rechtsprechung des BSG keine Berufsausbildung dar und begründe deshalb keinen Waisenrentenanspruch. Die von der Klägerin angeführte Rechtsprechung des BFH zum (steuerrechtlichen) Kindergeld sei im Rahmen des § 48 SGB VI nicht anzuwenden. Die Zielrichtung des Kindergeldes stimme nicht mit der Zielrichtung der Halbwaisenrente überein. Diese habe den Zweck, die durch den Tod des Elternteils ausgefallene Unterhaltsleistung zu ersetzen. Für die Zeit der Promotionsvorbereitung könne aber nur unter besonderen Umständen zivilrechtlich Unterhalt verlangt werden.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 48 SGB VI. Sie trägt vor, der Begriff der Berufsausbildung im Sinne dieser Norm sei weit zu fassen. Hierunter falle auch die Durchführung eines Promotionsstudiums. Dieses sei unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung bestimmter Berufe, insbesondere wenn eine wissenschaftliche Laufbahn eingeschlagen werde. Damit seien die Kriterien erfüllt, die der erkennende Senat in seinem Urteil vom 31. August 2000 (B 4 RA 5/00 R) aufgezeigt habe. Zwar habe der 10. Senat des BSG (Urteil vom 27. September 1994, 10 RKg 1/93; Urteil vom 9. Mai 1995, 10 RKg 15/94) die Auffassung vertreten, ein Promotionsstudium sei grundsätzlich keine Ausbildung. Diese Entscheidung habe jedoch Kindergeldansprüche betroffen und damit den Begriff der Ausbildung im Sinne des BKGG. Eine Übertragung auf das Rentenrecht sei nicht uneingeschränkt geboten. Im Übrigen habe sich die Zweckrichtung des Kindergeldes seit dem 1. Januar 1996, also nach Erlass der genannten Entscheidungen, geändert. Unter Zugrundelegung der zum neuen Kindergeldrecht ergangenen Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Juni 1999, VI R 92/98) hätte das LSG eine Berufsausbildung und damit den Rentenanspruch bejahen müssen. Soweit der erkennende Senat in dem Urteil vom 31. August 2000 die Rechtsprechung des BFH nicht für einschlägig gehalten habe, sei der Sachverhalt in der dortigen Entscheidung (Anerkennung eines Auslandsaufenthaltes als Ausbildung) mit dem vorliegenden nicht zu vergleichen. Darüber hinaus gebiete der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, das Promotionsstudium als Ausbildung anzusehen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27. März 2002 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 28. September 2001 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das angefochtene Berufungsurteil sei rechtlich nicht zu beanstanden.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Mit der Revision begehrt die Klägerin die monatliche Zahlung von Halbwaisenrente für die Dauer ihres Promotionsstudiums. Gegen den insoweit ablehnenden Verwaltungsakt im Bescheid vom 12. Mai 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 2000 wendet sie sich zulässig in einer Kombination von Anfechtungs- und (unechter) Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG). Das LSG hat zu Recht das klagestattgebende Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Entscheidung verletzt Bundesrecht nicht.
1. Die Beklagte ist nicht schon auf Grund eines bindend gewordenen Verwaltungsaktes verpflichtet, der Klägerin über den 29. Februar 2000 hinaus eine Halbwaisenrente zu zahlen.
Im Bescheid vom 16. Februar 2000 hat die Beklagte die Weiterzahlung “über den Einstellungsmonat hinaus” (also über den 31. Januar 2000 hinaus) verfügt, zugleich aber die Bewilligung bis zum 29. Februar 2000 befristet. Mit deren Ablauf bestand daher keine Weiterzahlungspflicht auf Grund eines bindend gewordenen Verwaltungsaktes.
2. Auch materiell begründet die Aufnahme des Promotionsstudiums im April 2000 keine neuen monatlichen Ansprüche auf Zahlung einer Halbwaisenrente.
Gemäß § 48 Abs 1 SGB VI haben Kinder nach dem Tode eines Elternteils “Anspruch” auf Halbwaisenrente, wenn sie noch einen Elternteil haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig ist (Nr 1), und wenn der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt hat (Nr 2). Trotz Erfüllung dieser Voraussetzungen konnte die Klägerin keine monatliche Zahlung der Halbwaisenrente während des Promotionsstudiums beanspruchen, weil sie nicht durch eine Berufsausbildung an der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gehindert war.
a) § 48 Abs 1 SGB VI umschreibt den Entstehenstatbestand des subjektiven Rechts auf Halbwaisenrente.
Wie in allen sozialrechtlichen (Dauer-)Schuldverhältnissen ist auch im Waisenrentenrecht des SGB VI zwischen dem Entstehen des subjektiven Rechts (Stamm- oder Quellrechts) und den sich daraus ergebenden Einzelansprüchen iS des § 194 BGB zu unterscheiden (stellvertretend: Urteil des Senats vom 23. Juni 1994, SozR 3-2600 § 300 Nr 3). Die letztgenannten Ansprüche sind bestimmungsgemäße “Rechtsfrüchte” iS des § 99 Abs 2 BGB. Das subjektive Recht auf (Halb-)Waisenrente besteht solange fort, wie aus ihm noch Einzel-(Zahlungs-)Ansprüche entstehen können. Es erlischt erst mit Erreichen der altersmäßigen Höchstbegrenzung, also mit Vollendung des 27. Lebensjahres (§ 48 Abs 4 Nr 2 SGB VI), sofern kein Verlängerungstatbestand iS des § 48 Abs 5 SGB VI gegeben ist (Urteile des Senats vom 31. März 1998, SozR 3-2600 § 311 Nr 1; vom 31. August 2000, SozR 3-2600 § 48 Nr 4).
b) Ob und wie lange das subjektive Recht auf Halbwaisenrente (Einzel-)Zahlungsansprüche hervorbringt, bestimmt das Gesetz in Abhängigkeit von Altersgrenzen unterschiedlich.
Ohne weitere Voraussetzungen entstehen monatliche Zahlungsansprüche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres (§ 48 Abs 4 Nr 1 SGB VI), für die Zeit danach nur, wenn die Waise wegen eines anerkannten Grundes gehindert war, ihren Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren (sog gesetzlicher Erwerbshinderungsgrund iS des § 48 Abs 4 Nr 2 SGB VI). Soweit dies nicht der Fall ist, können monatliche Zahlungsansprüche aus dem Stammrecht nicht entstehen (Urteil des Senats vom 31. August 2000, aaO).
3. Für die Zeit des Promotionsstudiums standen der Klägerin wegen eines fehlenden Erwerbshinderungsgrundes keine monatlichen Einzelansprüche auf Halbwaisenrente zu.
Die im Zeitpunkt der Aufnahme dieses Studiums über 18 Jahre alte Klägerin konnte sich nicht auf einen Erwerbshinderungsgrund iS des § 48 Abs 4 Nr 2 SGB VI berufen. In diesem Zusammenhang ist allein zu prüfen, ob sie durch eine Berufsausbildung iS des § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert war. Dies haben LSG und Beklagte zutreffend verneint.
a) Die Bedeutung des Wortes “Berufsausbildung” ist weder in § 48 SGB VI noch in einer anderen Vorschrift des Rentenversicherungsrechts umschrieben. Sie erschließt sich allein aus dem Zweck, der mit der Zuerkennung des Rechts auf Halbwaisenrente verfolgt wird (Urteil vom 31. August 2000, SozR 3-2600 § 48 Nr 4).
Die Zahlung dieser Rente soll monatlich anteilig den Ausfall eines – typisierend unterstellten – gesetzlichen Unterhaltsanspruchs gegen den Versicherten (§§ 1601 ff BGB) ausgleichen, solange das Kind ua aus Ausbildungsgründen daran gehindert ist, sich seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit zu finanzieren. Hiervon ist stets bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres auszugehen, danach nur in den Monaten, in denen ein anerkannter Erwerbshinderungsgrund vorliegt.
Demzufolge ist nicht jede Aus-, Fort- oder Weiterbildung, die ein Kind nach Vollendung des 18. Lebensjahres betreibt, “Berufsausbildung” iS von § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI. Eine solche liegt ua nur vor, soweit im jeweiligen Monat für den gewählten Beruf notwendige (nicht nur nützliche, wünschenswerte oder förderliche) Kenntnisse oder praktische Fertigkeiten von einer hierfür anerkannten qualifizierten Ausbildungsinstitution oder Ausbildungsperson vermittelt werden (Urteil des Senats vom 31. August 2000, aaO, mwN).
Vor diesem Hintergrund wird der enge Zusammenhang zwischen gesetzlichem Erwerbshinderungsgrund und Zweck dieser Rentengewährung deutlich; die Waisenrente soll den durch den Tod des Elternteils “weggefallenen” Unterhaltsanspruch ersetzen. Der Erwerbshinderungsgrund der Berufsausbildung entfällt, wenn in der Ausbildung die notwendigen beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt worden sind, sodass die Waise nach deren Abschluss ohne weitere Zusatz- oder Ergänzungsausbildung den gewählten Beruf ausüben kann. Eine Berufsausbildung ist daher immer dann beendet, wenn der erste auf dem Arbeitsmarkt verwertbare Abschluss erreicht ist (vgl hierzu: BSG, Urteil vom 4. Februar 1999, SozR 3-4100 § 42 Nr 4). In einem solchen Fall besteht grundsätzlich auch kein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch, ohne dass hier im Einzelnen auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit des volljährigen Kindes nach erfolgreichem Abschluss einer Ausbildung einzugehen ist (vgl dazu: BGH, Urteil vom 6. Dezember 1984, BGHZ 93, 123; Urteil vom 3. April 1985, FamRZ 1985, 1245; OLG Hamm, Urteil vom 20. April 1990, FamRZ 1990, 1385; OLG Frankfurt, Urteil vom 21. Dezember 1989, NJW 1990, 1798; OLG für das Land Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18. September 1996, 8 WF 61/96 ≪Leitsatz abgedruckt in FamRZ 1997, 311≫; AG Mannheim, Urteil vom 7. Februar 1989, FamRZ 1989, 1217). Wäre aber zivilrechtlich kein Unterhalt von dem verstorbenen Elternteil zu leisten, besteht auch kein Anlass, einen nicht bestehenden Unterhaltsanspruch durch Zahlung einer Waisenrente zu “kompensieren”.
b) Nach den Feststellungen des LSG hatte die Klägerin das Studium der Politikwissenschaften erfolgreich mit einem berufsqualifizierenden Abschluss iS des § 10 Abs 1 Hochschulrahmengesetz (HRG), nämlich der Magister-Prüfung, beendet. Mit Abschluss des Studiums war ein bis dahin bestehender Erwerbshinderungsgrund weggefallen, denn die Klägerin hatte einen ersten auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Berufsabschluss erreicht.
c) Die Aufnahme des Promotionsstudiums im April 2000 bildete keinen neuen Erwerbshinderungsgrund, der zum 1. Mai 2000 einen monatlichen Anspruch auf Halbwaisenrente für die Dauer dieses Studiums hätte begründen können.
Dies folgt schon daraus, dass die Klägerin – wie ausgeführt – auf Grund des zuvor erfolgreich beendeten Studiums einen auf dem Arbeitsmarkt verwertbaren Berufsabschluss hatte. Im Übrigen konnte das Promotionsstudium als potenzieller Erwerbshinderungsgrund auch deshalb keinen Rentenanspruch begründen, weil dieses Studium in der Regel keine Berufsausbildung iS des § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI ist.
Ausbildungscharakter kommt der Promotion nur zu, wenn sie an Stelle eines anderen Abschlusses die erste Abschlussprüfung eines Hochschulstudiums darstellt; denn ein Studium ohne Abschluss ist gewöhnlich keine Berufsausbildung (Urteil des 4. Senats vom 15. März 1988, SozR 2200 § 1259 Nr 100; Urteil des 10. Senats vom 22. November 1994, 10 RKg 11/94, unter Hinweis auf das Urteil des 9b Senats vom 18. März 1987, SozR 2200 § 583 Nr 6). Die Klägerin hat den Studiengang der Politikwissenschaften mit der Magister-Prüfung, nicht aber mit einer Promotion abgeschlossen (diese strebt sie erst mittels des im April 2000 aufgenommenen Studiums an).
Selbst wenn im Übrigen mit der Promotion der Beruf eines Hochschullehrers angestrebt werden sollte, so würde dies keinen Anspruch auf Halbwaisenrente begründen. Für diesen Beruf sind zwar außer einem abgeschlossenen Hochschulstudium ua die Promotion und nachfolgend die Habilitation regelmäßig Einstellungsvoraussetzungen (§ 44 Abs 1 Nr 3 und 4 sowie Abs 2 HRG); dies rechtfertigt aber noch nicht, die Promotionszeit bzw das Promotionsstudium als Zeit der Berufsausbildung zu bewerten. Nicht jede Zugangsvoraussetzung zu einem Beruf ist notwendigerweise eine Berufsausbildung (Urteil des 10. Senats vom 27. September 1994, SozR 3-5870 § 2 Nr 28).
4. Die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 9. Juni 1999, VI R 92/98, BFHE 189, 103) zur Auslegung des Begriffs “Berufsausbildung” im Rahmen des EStG rechtfertigt es nicht, die vorstehend aufgezeigte Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des entsprechenden Begriffs im Waisenrentenrecht des SGB VI aufzugeben.
Die Entscheidung des BFH ist zu dem 1996 eingeführten und als Abschlag auf die Steuervergütung gezahlten Kindergeld ergangen. Wie der BFH (aaO) ausgeführt hat, ist durch die Verweisung in § 63 Abs 1 Satz 2 EStG auf § 32 Abs 4 EStG der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung auch im Kindergeldrecht (gemeint des EStG) anzuwenden und eine einheitliche steuerrechtliche Auslegung geboten. Auf die Rechtsprechung der Sozialgerichte zum BKGG könne nur eingeschränkt zurückgegriffen werden. Denn das Kindergeld (der §§ 62 ff EStG) ebenso wie der Kinderfreibetrag dienten in erster Linie der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei den Eltern (§ 31 Satz 1 EStG, Familienleistungsausgleich). Deshalb sei mit Blick auf die sächlichen Belastungen des Steuerpflichtigen das Promotionsstudium eines Kindes als Berufsausbildung im steuerrechtlichen Sinn zu werten.
Der BFH hat somit unter Hinweis auf eine geänderte Rechtslage eine Abgrenzung zur früheren Rechtsprechung des BSG zum sozialrechtlichen Kindergeld im Bereich des BKGG vorgenommen. Mit einer Auslegung des Begriffs “Berufsausbildung” in anderen Gebieten des Sozialrechts, hier des Waisenrentenrechts des SGB VI, hat er sich nicht befasst. Infolgedessen besteht schon deshalb kein Anlass, jene Rechtsprechung zur Auslegung unverändert fortbestehender sozialrechtlicher Vorschriften des SGB VI heranzuziehen. Darüber hinaus steht die Verschiedenartigkeit der Rechts- und Regelungsbereiche einer Übertragung der Rechtsprechung im Einkommensteuerrecht auf das Recht der Waisenrente iS des SGB VI entgegen.
Die Waisenrente des § 48 Abs 1 iVm Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI ist eine von der Solidargemeinschaft der Versicherten aufzubringende Unterhaltsersatzleistung. Dagegen ist das steuerrechtliche Kindergeld eine Steuervergütung (Abschlag auf die Steuererstattung) bzw Negativsteuer; es dient dem Zweck, das Existenzminimum des Kindes zu sichern. Normadressat im Waisenrentenrecht ist die Waise, dagegen im Einkommensteuerrecht nicht die Waise, sondern derjenige Steuerpflichtige (in der Regel ein Elternteil), dessen steuerliche Leistungsfähigkeit durch die Ausbildung des Kindes gemindert wird.
Die aufgezeigten Aspekte stehen der Übernahme der zitierten Rechtsprechung des BFH im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung entgegen. Deshalb hat der erkennende Senat bereits im Urteil vom 31. August 2000 (SozR 3-2600 § 48 Nr 4) darauf hingewiesen, dass jene Rechtsprechung des BFH für die Auslegung des Begriffs der Berufsausbildung iS des § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst a SGB VI nicht einschlägig ist. Hieran wird festgehalten.
5. Schließlich dringt die Klägerin nicht mit ihrem Einwand durch, der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz (Art 3 Abs 1 GG) gebiete es, den Begriff “Berufsausbildung” iS des Waisenrentenrechts des SGB VI und des Einkommensteuerrechts einheitlich auszulegen.
Die Klägerin ist sinngemäß der Auffassung, eine Waise – die keinen Anspruch auf sozialrechtliches Kindergeld nach dem BKGG hat und für die niemand kindergeldberechtigt nach dem EStG ist – werde ua gegenüber den Kindern ungerechtfertigt benachteiligt, deren unterhaltsverpflichtete Eltern (genauer: Elternteil) für die Dauer des Promotionsstudiums das “steuerrechtliche Kindergeld” beziehen; deren Eltern nämlich leiteten den “Kindergeldvorteil” an ihr Kind weiter, sodass dieses mittelbar begünstigt werde.
Es sind schon keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Klägerin zu dem von ihr angesprochenen benachteiligten Personenkreis gehört. Da sie eine Halbwaisenrente bezogen hat und weiterhin eine solche Rente begehrt, ist davon auszugehen, dass der lebende Elternteil unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich kindergeldberechtigt iS des EStG ist. Ein steuerrechtlicher Nachteil könnte danach für diesen Elternteil nicht eintreten, sodass – zu unterstellende – Aufwendungen in Höhe des Existenzminimums der Klägerin von der Besteuerung ausgenommen wären; insoweit würde die Leistungsfähigkeit der kindergeldberechtigten Person auch während des Promotionsstudiums der Klägerin steuerrechtlich “gefördert”. Die von ihr behauptete Ungleichbehandlung ist zumindest für die Personengruppe, zu der sie zählt, von vornherein nicht erkennbar. Damit kann der Senat offen lassen, ob in der von der Klägerin angesprochenen Fallkonstellation eine verfassungswidrige Lage (vgl hierzu: BVerfGE 82, 60, 84 f) bestehen könnte.
6. Nach alledem war die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 969635 |
NWB 2003, 2141 |