Beteiligte
Kläger und Revisionsbeklagter |
Beklagter und Revisionskläger |
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt 4 vom Hundert (v. H.) Zinsen ab 1. Januar 1978 für den ihm mit Urteil des Landessozialgerichts (LSG) vom 13. Februar 1978 ab 1. Januar 1964 nach einem höheren Vergleichseinkommen zugestandenen Berufsschadensausgleich.
Dem Kläger, der Beschädigtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 60 v. H. bezog, bewilligte die Versorgungsbehörde mit Bescheid vom 4. Oktober 1973 ab 1. Januar 1914 Berufsschadensausgleich nach Leistungsgruppe III (technischer Angestellter) im Wirtschaftsbereich "Stahlverformung, EBM-Industrie". Der Widerspruch des Klägers, ihn in Leistungsgruppe II einzustufen, hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 11. April 1975). Das Sozialgericht (SG) wies die Klage ab (Urteil vom 13. August 1976). Das LSG verurteilte den Beklagten antragsgemäß. Es hat gemeint, Art. II § 23 Abs. 2 Satz 2 des Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - (SGB 1) schließe den Zinsanspruch für rückständige Geldleistungen nicht aus. Diese Vorschrift stehe zwar einer Verzinsung von Sozialansprüchen bei abgeschlossenen Verwaltungsverfahren entgegen. Das Verwaltungsverfahren sei jedoch ohne Rücksicht darauf, ob der Verwaltungsakt vor oder nach dem 1. Januar 1978 erlassen worden sei, im Streitfalle noch nicht beendet gewesen. Entscheidend komme es auf die Rechtsbindung an. Im Falle der Klageerhebung bleibe das Verwaltungsverfahren bis zum Ende des Verfahrens offen. Werde der angefochtene Verwaltungsakt aufgehoben - sei es durch Urteil, Vergleich oder Anerkenntnis -, schließe das Verwaltungsverfahren erst mit dem Urteil oder dem Ausführungsbescheid ab. Bei gegenteiliger Meinung sei es der Behörde möglich, sich zu ihrem Vorteil auf Entscheidungen zu berufen, die sich nachträglich als rechtswidrig erwiesen.
Der Beklagte hat die zugelassene Revision eingelegt mit der Begründung, die Übergangsregelung betreffe nicht die Fälle, in denen ein Bescheid oder Widerspruchsbescheid noch vor dem 1. Januar 1978 zugestellt worden sei. Sie sei als einschränkende Vorschrift gedacht und aus finanziellen Erwägungen als Kompromiß erst ab 1. Januar 1978 in Kraft getreten. Dabei dürften auch verwaltungstechnische Probleme eine Rolle gespielt haben. Das Hinausschieben des Inkrafttretens der Verzinsungsvorschrift zum 1. Januar 1978 habe es der Verwaltung ermöglicht, die Verzinsungsregelung technisch vorzubereiten und durch Maßnahmen im Geschäftsablauf Zinsleistungen in einem größeren Umfang zu vermeiden.
Der Beklagte beantragt,die Berufung des Klägers unter Abänderung des angefochtenen Urteils insoweit zurückzuweisen, als der Beklagte verurteilt wurde, die dem Kläger zugesprochene Versorgungsleistung für die Zeit vom 1. Januar 1978 bis zum Ende des der Zahlung vorangegangenen Monats mit 4 v. H. zu verzinsen.
Der Kläger beantragt,die Revision des Beklagten zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung Ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-)
II
Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet. Das LSG hat den Beklagten zu Recht verurteilt, die rückständigen Versorgungsleistungen, die vor dem 1. Januar 1978 fällig geworden waren, von diesem Stichtag an zu verzinsen.
Ansprüche auf Geldleistungen sind nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4 v. H. zu verzinsen (§ 44 Abs. 1 SGB 1). Diese gesetzliche Regelung trat am 1. Januar 1978 in Kraft (Art. II § 23 Abs. 2 Satz 1 SGB 1). Sie erfaßt alle am 1. Januar 1978 und später fällig werdenden Geldleistungen. Die vor dem 1. Januar 1978 fällig gewordenen, noch nicht verjährten Ansprüche auf Geldleistungen sind indessen nur zu verzinsen, "soweit das Verwaltungsverfahren hierüber zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist" (Art. II § 23 Abs. 2 Satz 2 SGB 1).
Ein einleuchtender Anhalt dafür, wie der Begriff "Abschluß des Verwaltungsverfahrens zu interpretieren ist, ist allein Sinn und Zweck des Gesetzes abzugewinnen. Sein Wortlaut erlaubt unterschiedliche Deutungen, und aus der Entstehungsgeschichte läßt sich ein klarer Gesetzeswille nicht ableiten. Nach Art. II § 15 des Regierungsentwurfes zum SGB 1 vom 26. Mai 1972 (BR-Drucks. 305/72) und zu Art. II § 17 des Regierungsentwurfes zum SGB 1 vom 27. Juni 1973 (BT-Drucks. 7/868) sollten nach Inkrafttreten des Gesetzes fällig werdende Geldleistungen mit 4 v. H. verzinst werden. Demgegenüber lehnte der Bundesrat eine Verzinsung wegen der finanziellen Belastung, des zusätzlichen Verwaltungsaufwands und der präjudiziellen Wirkung für andere Bereiche der öffentlichen Verwaltung überhaupt ab (Protokoll über die 394. Sitzung des Bundesrats vom 25. Mai 1973, BR-Drucks. 286/73 S. 14 und Protokoll über die 422. Sitzung des Bundesrats vom 11. Juli 1975, BR-Drucks. 395/75 S. 8).
Auf Anregung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages (BT-Drucks. 7/3738 und 7/3786) beschloß der Bundestag in seiner 181. Sitzung am 19. Juni 1975 - 7. Wahlperiode - S. 12697 C und D eine Anhebung des Zinssatzes auf 6 v. H. Die Verzinsung sollte ferner auf die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes fällig gewordenen, noch nicht verjährten Ansprüche auf Geldleistungen ausgedehnt werden, soweit das Verwaltungsverfahren hierüber bei Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht abgeschlossen ist. Dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses (BT-Drucks. 7/4067), den Zinssatz von 6 auf 4 v. H. herabzusetzen und das Inkrafttreten der Zinsbestimmungen auf den 1. Januar 1978 hinauszuschieben, stimmten schließlich Bundestag und Bundesrat zu (Niederschrift über die 191. Bundestagssitzung vom 3. Oktober 1975 - 7. Wahlperiode - S 13 290 A und C; Protokoll über die 424. Sitzung des Bundesrats vom 17. Oktober 1975 S. 287 A bis C; BR-Drucks. 600/75). Diesem Ablauf der Gesetzesberatungen ist eine nähere Erläuterung dessen, was mit dem Abschluß des Verwaltungsverfahrens gemeint war, nicht zu entnehmen. Ebensowenig ist aus der erklärten sozialpolitischen Zielsetzung, wie sie in der Begründung zum Regierungsentwurf eines Sozialgesetzbuches - Allgemeiner Teil - zum Ausdruck kommt (BT-Drucks. 7/868 S. 30), der Sinn der erwähnten übergangsrechtlichen Klausel erkennbar. Die Pflicht zur Verzinsung wurde eingeführt, um Nachteile der Berechtigten auszugleichen, die auf die Erfüllung ihrer Geldansprüche warten müssen., Mit der besonders hier in Rede stehenden Vorschrift war namentlich beabsichtigt, auf eine Beschleunigung des Verwaltungshandelns hinzuwirken. Damit ist aber die Vorstellung, die mit dem Abschluß des Verwaltungsverfahrens verbunden wurde, nicht hinreichend erläutert.
Ferner kann aus der in § 9 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 25. Mai 1976 (BGBl. I S. 1253 - VwVfG -) enthaltenen Begriffsbestimmung kein Aufschluß darüber gewonnen werden, was unter "Abschluß des Verwaltungsverfahrens" zu verstehen ist. Nach dieser Legaldefinition ist Verwaltungsverfahren die "nach außen wirkende Tätigkeit der Behörde, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung und den Erlaß eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist; es schließt den Erlaß des Verwaltungsaktes oder den Abschluß des öffentlich-rechtlichen Vertrages ein". § 9 VwVfG gilt nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG u.a. nicht für die in § 51 SGG bezeichneten Angelegenheiten. § 9 VwVfG ist mit § 8 des Entwurfes eines Sozialgesetzbuches - 10. Buch "Verwaltungsverfahren" - (BT-Drucks. 8/2034) inhaltsgleich. Jedoch ist nicht zu übersehen, daß diese Begriffsbestimmung lediglich den für das Verwaltungsverfahren im engeren Sinne - dazu § 1 VwVfG - umschriebenen Anwendungsbereich betrifft und auf bestimmte Formen des Verwaltungshandelns eingeschränkt ist. Dagegen ist jegliches Verwaltungshandeln, dem kein Regelungscharakter zukommt, wie aber auch das Verwaltungshandeln etwa durch Rechtsverordnung, Satzung oder allgemeine Verwaltungsvorschriften ausgenommen (vgl. Stelkens/Bonk/Leonhardt, Kommentar zum VwVfG Rdz. 2, 5 und 6 zu § 9). Zudem sind etwa Form und Bekanntmachung verwaltungsrechtlicher Entscheidungen sowie deren Vollzug, die ebenfalls dem Verwaltungsverfahrensrecht zuzuordnen sind (vgl. Bettermann VVDStRL 17, 123, 124), nicht erfaßt. Daraus erwachsen auch die grundsätzlichen Bedenken, die gegen die in § 9 VwVfG enthaltene Begriffsbestimmung des Verwaltungsverfahrens vorgebracht werden (W. Schmitt Glaeser, "Verwaltungsverfahren", Festschrift zum 50jährigen Bestehen des Richard Boorberg-Verlags, S. 29 ff.). Vorbehalte gegen die Legaldefinition äußerte selbst die Begründung zum Gesetzentwurf (Verhandlungen des Deutschen Bundestags, 7. Wahlperiode, Drucks. 7/910 S. 29), indem sie im Hinblick auf den sogenannten Verwaltungsvorakt auf die noch nicht abgeschlossene Rechtsentwicklung und die mangelnde dogmatische Verfestigung hinwies und meinte, seine abschließende Regelung im Verwaltungsverfahrensgesetz würde vorzeitig die notwendige Rechtsfortbildung abschneiden und damit einer weiteren rechtsstaatlichen Durchdringung hinderlich sein.
Lassen sich daraus keine allgemeingültigen Erkenntnisse gewinnen, wann das Verwaltungsverfahren abgeschlossen ist, so ergibt sich die Lösung in einem anderen Zusammenhang. Einleitung und Ablauf des Verwaltungsverfahrens werden durch die unterschiedlichen Verwaltungszwecke bestimmt, denen das Verfahren dient (Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht III, 4. Aufl. § 156 Rdz. 1). Folglich ist das Verwaltungsverfahren nicht isoliert zu sehen, sondern wird von der im Gesetz enthaltenen Zielvorstellung geprägt. Art. II § 23 Abs. 2 SGB 1 regelt in Satz 2 diejenigen Ansprüche, die vor dem 1. Januar 1978 fällig geworden sind (§ 41 SGB 1), deren Fälligkeit aber erst nachträglich, mit anderen Worten rückwirkend festgestellt wurden. Somit wird einerseits von Gesetzes wegen das Bestehen eines Anspruchs auf Geldleistungen vorausgesetzt, ohne die eine Verzinsung nicht denkbar ist, andererseits eine Feststellung über den Anspruch selbst für notwendig erachtet. Somit kann mit dem im Nebensatz des Art. II § 23 Abs. 2 Satz 2 erwähnten "noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren" nur das Verfahren gemeint sein, an dessen Ende die positive - zusprechende - Entscheidung über den fällig gewordenen Anspruch steht. Das kann auch das am 1. Januar 1978 noch nicht abgeschlossene Gerichtsverfahren oder etwa das mit dem Ausführungsbescheid endende Verwaltungsverfahren sein. Denn zwischen dem Verwaltungsverfahren im engeren Sinne und dem anschließenden Verwaltungsprozeß besteht ein enger innerer Zusammenhang. Erst in dem Prozeß, der sich anschließt, kann über den Anspruch, für den Zinsen zu zahlen sind, entschieden werden. Infolgedessen kann es auf die in § 24 Abs. 2 KOVVwVfG enthaltene relative Bindungswirkung nicht ankommen.
Die Verwaltung ist - wie die Rechtsprechung - an Gesetz und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes -GG-). Die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns ist eine selbstverständliche Voraussetzung unserer Rechtsordnung. Es kann nicht unterstellt werden, daß der Gesetzgeber hiervon habe abweichen wollen, indem er das Verwaltungsverfahren selbst dann als abgeschlossen gelten läßt, wenn sich in einem anschließenden gerichtlichen Verfahren die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes herausstellen sollte. Vielmehr muß das Verwaltungsverfahren so lange als unvollendet angesehen werden, als die Behörde die Verantwortung für die Nichterfüllung der öffentlich-rechtlichen Geldschuld trifft.
Für die hier zu entscheidende Frage ist es rechtlich unerheblich, ob man das Widerspruchsverfahren noch als Teil des Verwaltungsverfahrens oder als ein dem gerichtlichen Verfahren vorgeschaltetes Verfahren oder als einen in die Verwaltung hineinreichenden Teil des sozialgerichtlichen Verfahrens, bezeichnet (vgl. zum Meinungsstreit u.a. von Mutius, "Das Widerspruchsverfahren der Verwaltungsgerichtsordnung als Verwaltungsverfahren und Prozeßvoraussetzung", 1968; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. bis 8. Aufl. S. 234 a II; Uhle, Verwaltungsprozeßrecht, 5. Aufl. § 23 I). Denn auch hier handelt es sich um ein im Organisationsbereich des Beklagten liegendes Verfahren der Widerspruchstelle, das ebenfalls bei Anhängigkeit eines gerichtlichen Verfahrens noch nicht als - endgültig - abgeschlossen gelten kann.
Überdies erkennt § 77 SGG dem Verwaltungsakt eine Bindungswirkung nur zu, wenn der gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt wird. Der Gesetzgeber stellt somit grundsätzlich auf die Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes ab. Dies ist ebenfalls ein gewisses Indiz dafür, daß das Verwaltungsverfahren nur dann als abgeschlossen gelten kann, wenn eine für die Beteiligten bindende Verwaltungsentscheidung vorliegt. Bestärkt wird der Senat in seiner Auffassung durch Art. 4 § 1 (Übergangsvorschrift) des 8. Anpassungsgesetzes KOV vom 14. Juli 1976 (BGBl. I, 1481), worin es wörtlich heißt "Art. 1 Nr. 7 ist insoweit anzuwenden, als die dort genannten Leistungen vor Inkrafttreten dieser Vorschrift bereits bindend festgestellt waren", Eine Parallele dazu liefert Art. 6 (Übergangsvorschrift) des 10. Anpassungsgesetzes KOV vom 10. August 1978 (BGBl. I, 1217), der bestimmt "die am 31. Dezember 1978 bindend zuerkannten Elternrenten bleiben unberührt". Beide Übergangsvorschriften setzen die - formelle - Bindungswirkung voraus und kennzeichnen damit den "Abschluß" des Verwaltungsverfahrens.
Wird der Verwaltungsakt in einem gerichtlichen Verfahren mit dem Ziel einer Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit angefochten, bewirkt dies das Hinausschieben des verwaltungsmäßigen Abschlusses zumindest in den Fällen, in denen die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsentscheidung festgestellt wird. Das zusprechende Urteil, das im sozialen Leistungsrecht auf die kombinierte Aufhebungs- und Leistungsklage hin ergeht, ersetzt den Verwaltungsakt, den der Kläger von dem zuständigen Leistungsträger (§ 12 SGB 1) statt des angefochtenen und aufgehobenen Verwaltungsaktes erwarten durfte. Das Gericht tritt funktionell an die Stelle der Verwaltungsbehörde (Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., 21. Nachtrag, Anm. 1 zu § 130). Es verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG), wenn die der Klage stattgegebenen Urteile der Verwaltungsgerichte - das SG ist nach § 1 SGG ein besonderes Verwaltungsgericht - wie materielle Verwaltungsakte wirken, wenn auch das Verwaltungs- durch das richterliche Ermessen nie ersetzt werden kann. Es ist gerade die in Art. 19 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit Art. 96 Abs. 1 GG festgelegte Aufgabe der Verwaltungsgerichte, rechtswidrige Verwaltungsakte zu beseitigen. Ein auf Aufhebungs- und Leistungsklage erlassenes Grundurteil (§ 130 SGG) ist ein Endurteil. Es erledigt den Rechtsstreit. Es bleibt kein Verfahren über die Höhe der Leistung anhängig (BSGE 27, 81 m.w.N.). Aber danach ist der verurteilte Leistungsträger noch verpflichtet, das Urteil auszuführen und über den Betrag der zugestandenen Leistungen selbständig zu entscheiden. Für sein Tätigwerden ist kein neuer Antrag des Berechtigten nötig. Selbst mit Beendigung des Klageverfahrens beginnt kein neues Verwaltungsverfahren; dieses wird nach dem Prozeß lediglich fortgeführt. Die sodann zu treffende Verwaltungsentscheidung befindet letztlich über den ursprünglich gestellten Leistungsantrag; erst sie schließt, sofern die Entscheidung in Rechtsbindung erwächst, das Verwaltungsverfahren endgültig ab. Gleiches gilt bei Verpflichtungsklagen (§ 131 Abs. 2 SGG), die beispielsweise bei Zugunstenbescheiden (BSGE 20, 199; 28, 174) oder sonstigen Ermessensleistungen in Betracht kommen. Ist die Verpflichtungsklage begründet, geht die Verurteilung entweder dahin, den beantragten bestimmten Verwaltungsakt zu erlassen (beispielsweise bei der Reduzierung des Ermessens auf Null; vgl. BSGE 9, 232), oder der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - zu bescheiden (Bescheidungsurteil). Daraus erwächst ebenfalls, die Verpflichtung des verurteilten Leistungsträgers, das durch das gerichtliche Verfahren unterbrochene Verwaltungsverfahren durch Erlaß eines Verwaltungsaktes - endgültig - zum Abschluß zu bringen.
Das von der Revision zitierte Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 28. Juli 1977 - 2 RU 30/77 - (SozR 1200.§ 34 Nr. 1) steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Dieses Urteil befaßt sich mit der Anhörung der Beteiligten im laufenden Verwaltungsverfahren, ohne allerdings dazu Stellung zu nehmen, wann das Verwaltungsverfahren - endgültig - abgeschlossen ist. Das ebenfalls angeführte Urteil des 11. Senats des BSG vom 24. April 1963 (BSGE 19, 100, 104) betrifft die Auslegung des § 52 KOVVwVfG. Nach dieser Vorschrift sind in den am Tage des Inkrafttretens des § 52 KOVVwVfG anhängigen Sachen für das weitere Verfahren die Vorschriften dieses Gesetzes maßgebend. Es ist ausgeführt, unter "anhängigen" Sachen im Sinne dieser Vorschrift seien nur die Sachen zu verstehen, über die bei Inkrafttreten des KOVVwVfG von der Verwaltungsbehörde im Verwaltungsverfahren noch nicht abschließend entschieden gewesen sei, wobei auch das Widerspruchsverfahren umfaßt werde. Dieses Urteil läßt ebenfalls die Frage offen, ob dem zwischenzeitlich eingeleiteten gerichtlichen Verfahren und dem sich anschließenden Verwaltungsverfahren das ursprünglich eingeleitete Verwaltungsverfahren weiterhin anhängig bleibt oder etwa erneut und erst nach Beendigung des gerichtlichen Verfahrens ein weiteres Verwaltungsverfahren anhängig wird.
Die mit der Übergangsvorschrift zur Verzinsung auch verfolgte Zielsetzung einer tunlichen Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens, wird durch die vom Senat gegebene teleologische Interpretation nicht beeinträchtigt. Dieser Zweck wurde erreicht, wenn die Behörde die ihr obliegende Entscheidung möglichst bald und zwar vor dem 1. Januar 1978 fällte. Damit war sie aber nicht ein für allemal aus ihrer Verantwortung entlassen. Vielmehr oblag es ihr - je nach Lage der Sache -, den Prozeß durch Anerkenntnis oder Vergleich zu einem Ende zu bringen. Ihre Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) kann unter Umständen sogar als Verpflichtung zur Abgabe eines Anerkenntnisses oder zum Abschluß eines Vergleichs verstanden werden. Wenn die Versorgungsverwaltung im Rahmen ihrer Verfügungsbefugnis eine umstrittene Leistung in solcher Weise zuerkennt, damit also die Entscheidung, diese Leistung zu gewähren, in einem förmlichen Gerichtsverfahrensakt bekanntgibt, hat diese Erklärung die Bedeutung eines "Bescheids" im Sinne des § 22 KOVVwVfG (Urteil des erkennenden Senats in SozR 3100 § 89 Nr. 6). Selbst Schriftsätze in einem Rechtsstreit können diese Wirkung haben (BSG 10, 218, 221; Urteile vom 2. August 1977 - 9 RV 102/76 - und vom 23. November 1977 - 8 RV 84/76 -). Die Versorgungsverwaltung hat es mithin noch im gerichtlichen Verfahren in der Hand, das Verwaltungsverfahren zu beenden.
Das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes (HStruktG-AFG) vom 18. Dezember 1975 (BGBl. I, 3113) gebietet im vorliegenden Falle keine enge Gesetzesauslegung. Wo nach dem HStruktG Einsparungsmaßnahmen gewollt sind, ist dies ausdrücklich normiert. Im übrigen gewährt Art. II § 23 Abs. 2 Satz 2 SGB 1 ein Mehr an Zinsleistungen, weil im Gegensatz zu der Grundnorm des § 44 SGB 1 unter gewissen Voraussetzungen auch vor dem 1. Januar 1978 fällig gewordene Sozialleistungen verzinst werden. Daran hat sich die Rechtsanwendung auszurichten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.9 RV 68/78
Bundessozialgericht
Fundstellen
DVBl. 1980, 388 |
Breith. 1980, 521 |