Entscheidungsstichwort (Thema)
Waisenrentenanspruch eines Behinderten in der gesetzlichen Rentenversicherung über das 27. Lebensjahr hinaus. Altersbegrenzung. Beamtenversorgung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. § 48 Abs 4 SGB 6 kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass behinderten Waisen, die sich nicht selbst unterhalten können, eine Waisenrente ohne Altersbegrenzung zu gewähren ist.
2. Diese Regelung ist auch im Hinblick auf bestehende günstigere Regelungen im BeamtVG und BVG weiterhin nicht als verfassungswidrig anzusehen (Fortführung von BVerfG vom 18.6.1975 - 1 BvL 4/74 = BVerfGE 40, 121 = SozR 2400 § 44 Nr 1; BSG, Urteile vom 12.3.1981 - 11 RA 12/80 und vom 25.5.1993 - 4 RA 37/92).
Normenkette
SGB VI § 48 Abs. 2, 4 Nr. 2 Buchst. b; BeamtVG § 61 Abs. 2 S. 3; SGB VI § 304; GG Art. 3 Abs. 1, 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von (Voll-)Waisenrente.
Der am 12. September 1967 geborene Kläger ist der Sohn des am 11. November 1926 geborenen und am 11. März 2000 verstorbenen Versicherten W. B. (im Folgenden: Versicherter). Die Mutter des Klägers ist am 20. März 2000 verstorben.
Der Kläger leidet an einer im Jahre 1986 diagnostizierten schizophrenen Psychose und ist aufgrund dieser Erkrankung nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Seit dem 1. Januar 1996 beträgt der Grad der Behinderung des Klägers iS des Schwerbehindertenrechts 100. Der Bruder des Klägers, R. B., ist zu seinem Betreuer für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Vermögensfürsorge einschließlich der Wohnungsangelegenheiten bestellt.
Am 10. April 2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Waisenrente aus der Versicherung seines Vaters. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Mai 2000 ab, weil der Versicherte am 11. März 2000 verstorben sei und der Kläger bereits zuvor, nämlich am 11. September 1994, das 27. Lebensjahr vollendet habe, so dass ein Leistungsanspruch nicht habe entstehen können. Die Gewährung von Waisenrente über das 27. Lebensjahr hinaus komme nach den gesetzlichen Vorschriften nicht in Betracht. Widerspruch, Klage und Berufung blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 6. September 2000, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster ≪SG≫ vom 25. April 2001, Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen ≪LSG≫ vom 26. September 2001). Das LSG hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:
Die Voraussetzungen des § 48 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) für die Gewährung einer (Voll-)Waisenrente seien nicht voll umfänglich gegeben. Zwar sei der Kläger der Sohn des verstorbenen Versicherten, welcher bislang dem Kläger Unterhalt gewährt habe. Es bestünden weiter keine Zweifel darüber, dass der Kläger mindestens seit Antragstellung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Er habe aber bereits bei der Antragstellung die Altersgrenzen des § 48 SGB VI überschritten. Auch bei behinderten Waisen sehe diese Vorschrift einen Anspruch auf Waisenrente grundsätzlich nur bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres vor. Da der Kläger keinen Grundwehr- oder Zivildienst geleistet habe, komme eine - ohnehin durch derartige Zeiten befristete - Verlängerung der Anspruchsdauer über das 27. Lebensjahr hinaus nicht in Betracht. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst b SGB VI sei eine Auslegung in dem Sinne, dass Behinderten ein Anspruch auf Waisenrente über das 27. Lebensjahr hinaus eingeräumt werden sollte, nicht möglich und entspreche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers.
Aus § 304 SGB VI könne der Kläger keine zeitlich unbegrenzte Gewährung von Waisenrente für sich herleiten, weil diese Vorschrift sich als Übergangsregelung nur auf Waisenrenten wegen Gebrechlichkeit beziehe, die im Saarland aufgrund des dort vor 1957 geltenden Rechts auch über das 27. Lebensjahr hinaus hätten gewährt werden können.
Die Beschränkung der Waisenrente bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres auch für behinderte Waisen verstoße nicht gegen das Grundgesetz (GG). Insbesondere sei Art 3 Abs 1 GG nicht verletzt. Soweit nach § 61 Abs 2 Satz 2 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) die Zahlung von Waisengeldern unter bestimmten Voraussetzungen über das 27. Lebensjahr hinaus gewährt werden könne, wenn die Waise an einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung leide, sei zwar einzuräumen, dass der Gesetzgeber Waisenrentenansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Beamtenversorgung unterschiedlich geregelt habe. Angesichts der Verschiedenheit der Versorgungssysteme stellten etwa bestehende Ungleichheiten in Einzelfragen der Versorgung jedoch keine willkürliche Ungleichbehandlung iS von Art 3 Abs 1 GG dar. Der Gesetzgeber bewege sich im Rahmen seines weiten Ermessensspielraumes, wenn er Leistungen - in der gesetzlichen Rentenversicherung - zeitlich begrenze.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Das Berufungsurteil beruhe auf einer Verletzung des Art 3 Abs 1 GG, weil die Waisenrenten in der gesetzlichen Rentenversicherung trotz ähnlicher Zielsetzung bezüglich der Dauer ihrer Gewährung erheblich anders geregelt seien als die Waisengelder in der Beamtenversorgung. Nach § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst b SGB VI bestehe der Anspruch auf Waisenrente längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres für eine Waise, die wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten, während nach § 61 Abs 2 Satz 3 BeamtVG in einem solchen Fall Waisengeld ohne Begrenzung auf die Vollendung des 27. Lebensjahres gezahlt werde. Hierin liege eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Zwar sei nicht zu verkennen, dass die Besoldung und Versorgung von Beamten und ihrer Hinterbliebenen auf einem anderen Versorgungssystem beruhe als die auf sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung beruhende Rente bzw Hinterbliebenenrente, doch seien die unterschiedlichen Regelungen der Frage, bis zu welchem Alter Waisenrente zu gewähren sei, nicht allein mit dem Hinweis auf die Verschiedenheit der Versorgungssysteme gerechtfertigt. Die Waisenrente in der sozialen Rentenversicherung diene dem selben Zweck wie das Waisengeld in der beamtenrechtlichen Versorgung; beide hätten Unterhaltsersatzcharakter. Der Handlungsbedarf für eine einheitliche Ausgestaltung der Dauer von Waisenrenten in den beiden Versorgungssystemen sei bereits seit langem bekannt und auch vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Beschluss vom 18. Juni 1975 (BVerfGE 40, 121 = SozR 2400 § 44 Nr 1) gesehen worden. Im Rahmen der Beratungen zum Rentenreformgesetz 1992 (RRG 1992) sei ebenfalls eine Beseitigung dieser Ungleichbehandlung gefordert worden. Wenn derartige Ungleichheiten wegen fehlender finanzieller Mittel oder aus kapazitätsbedingten Gründen des Gesetzgebers nicht sofort beseitigt werden könnten und für eine gewisse Zeit hinzunehmen seien, so könne eine als änderungs- bzw anpassungsbedürftig erkannte Ungleichbehandlung nicht endlos bestehen bleiben. Die bestehende Ungleichbehandlung könne auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass nach Beendigung des Waisenrentenanspruchs aus der gesetzlichen Rentenversicherung für die behinderte Waise andere soziale Hilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gewährt werden könnten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 26. September 2001 sowie den Gerichtsbescheid des SG vom 25. April 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Mai 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2000 zu verurteilen, ihm aus der Versicherung seines Vaters W. B. Waisenrente ab dem 1. Mai 2000 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des LSG.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet.
Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen den die Klage abweisenden Gerichtsbescheid des SG zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Waisenrente nach dem Versicherten W. B.
Der Anspruch des Klägers auf Waisenrente richtet sich nach § 48 SGB VI. Nach Abs 1 dieser Vorschrift haben Kinder nach dem Tode eines Elternteils Anspruch auf Halbwaisenrente, wenn 1. sie noch einen Elternteil haben, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig ist, und 2. der verstorbene Elternteil die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Nach Abs 2 Nr 1 der Vorschrift besteht Anspruch auf Vollwaisenrente, wenn die Waise keinen Elternteil mehr hat, der unbeschadet der wirtschaftlichen Verhältnisse unterhaltspflichtig war.
Diese Voraussetzungen für den Anspruch auf Halb- bzw Vollwaisenrente waren seit dem Tode des Versicherten am 11. März 2000 bzw seit dem Tode der Mutter des Klägers am 20. März 2000 gegeben. Gleichwohl scheidet die Gewährung von Waisenrente an den Kläger aus, weil dieser die in § 48 Abs 4 und 5 SGB VI festgelegten Altersgrenzen, bis zu denen ein Bezug von Waisenrente möglich ist, überschritten hat.
Nach § 48 Abs 4 SGB VI besteht der Anspruch auf Waisenrente längstens 1. bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres oder 2. bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres, wenn die Waise
a) sich in Schulausbildung oder Berufsausbildung befindet oder ein freiwilliges soziales Jahr iS des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres oder ein freiwilliges ökologisches Jahr iS des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres leistet oder b) wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.
Entsprechend dieser Vorschrift kann ein Anspruch des Klägers auf Waisenrente nicht mehr entstehen. Zwar ist er nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG aufgrund der vorliegenden Behinderungen nicht in der Lage, sich selbst zu unterhalten (§ 48 Abs 4 Nr 2 Buchst b SGB VI), doch besteht auch für die in diesem Sinne behinderten Waisen ein Waisenrentenanspruch nur bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Diese Altersgrenze hat der Kläger bereits mit dem 12. September 1994 und somit mehrere Jahre vor dem Tod des Versicherten am 11. März 2000 überschritten.
Die Altersbegrenzung kann um die in § 48 Abs 5 SGB VI genannten Zeiträume hinausgeschoben werden. Der Kläger hat aber nach den Feststellungen des LSG keine der dort genannten Dienste (Grundwehrdienst oder Zivildienst) und - nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt - auch keinen diesen Diensten gleichgestellten Dienst geleistet. Im Übrigen kommt es für die Entscheidung im vorliegenden Fall auf diese Verlängerungstatbestände schon deshalb nicht an, weil sie den über fünf Jahre langen Zeitraum von der Vollendung des 27. Lebensjahres des Klägers bis zum Tod des Versicherten ohnehin nicht ausfüllen könnten. Denn die Dauer der Waisenrente verlängert sich nur um die diesen Verlängerungstatbeständen entsprechenden Zeiträume (§ 48 Abs 5 SGB VI).
Der Wortlaut der hier einschlägigen Vorschriften ist eindeutig und unmissverständlich. Er lässt eine - verfassungskonforme - Auslegung iS des Klägers, dass eine Waisenrente auch über das 27. Lebensjahr hinaus zu gewähren sei, wenn die Waise wegen einer bestehenden Behinderung sich nicht selbst unterhalten könne, nicht zu.
Wie vom LSG zutreffend ausgeführt, kann sich der Kläger für seinen Anspruch nicht auf § 304 SGB VI stützen, da diese Vorschrift nur bestimmte Übergangsrenten nach saarländischem Recht betrifft (so bereits BSG, Urteil vom 25. Mai 1993 - 4 RA 37/92, veröffentlicht in HVBG-Info 1994, 1490 ff mwN). Diese Sondervorschrift enthält eine Besitzschutzregelung für Waisenrenten wegen Gebrechlichkeit, die im Saarland aufgrund des dort vor 1957 geltenden Rechts unter bestimmten Voraussetzungen auch über das 27. Lebensjahr hinaus ohne Altersbegrenzung gewährt werden konnten (so die Begründung zu § 295 SBG VI des Gesetzentwurfs in BT-Drucks 11/4124 S 207; so auch Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, § 304 SGB VI Anm 1; VerbKomm, Sozialgesetzbuch, § 304 SGB VI RdNr 2; Gürtner in Kasseler Komm, Sozialversicherungsrecht, § 304 SGB VI RdNr 1). Abweichend von § 48 Abs 4 Nr 2 SGB VI ist nach § 304 SGB VI die Zahlung einer Waisenrente über das 27. Lebensjahr hinaus möglich, jedoch nur, wenn ein Anspruch auf Waisenrente aufgrund des früheren Saarrechts am 31. Dezember 1991 bestand (Eicher/Haase/Rauschenbach, aaO, Anm 1; Hauck in Hauck/Noftz, SGB VI § 304 RdNr 1, 2). Damit ist diese Besitzschutzregelung in ihrem Anwendungsbereich auf das Saarland begrenzt (Udsching in Gesamtkommentar, Gesetzliche Rentenversicherung, § 304 SGB VI Anm 2). Als Ausnahmevorschrift ist § 304 SGB VI einer analogen Anwendung auf andere Fallgestaltungen nicht zugänglich, abgesehen davon, dass eine entsprechende Heranziehung dem Wortlaut des § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst b SGB VI und der hiermit zum Ausdruck gekommenen Regelungsabsicht des Gesetzgebers widersprechen würde.
Hinsichtlich der mit § 48 SGB VI festgeschriebenen zeitlichen Begrenzung des Waisenrentenanspruchs auch für behinderte Waisen, die durch die Ausnahmevorschrift des § 304 SGB VI letztlich bestätigt wird, kann keine Lücke im Gesetzesplan festgestellt werden, die im Hinblick auf andere, insoweit günstigere gesetzliche Regelungen im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geschlossen werden könnte. Zwar ist es richtig, dass die Waisenrente eine Unterhaltsersatzfunktion hat und somit den Verlust des Unterhaltspflichtigen ausgleichen soll. Diese Unterhaltsersatzfunktion ist jedoch vom Gesetzgeber mit § 48 SGB VI für den Kreis der rentenberechtigten Waisen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung ausdrücklich zeitlich beschränkt worden, obwohl ihm bekannt war bzw bekannt gewesen sein muss, dass jedenfalls behinderte Kinder, die sich nicht selbst unterhalten können, auch über das 27. Lebensjahr hinaus im Regelfall unterhaltsberechtigt gegenüber den Eltern sind. Ebenso war und ist dem Gesetzgeber bekannt, dass in anderen Regelungszusammenhängen dieser Personenkreis unter bestimmten Voraussetzungen auch über das 27. Lebensjahr hinaus zeitlich unbegrenzt eine Waisenversorgung erhalten kann, wie die Regelungen in § 61 BeamtVG und in § 45 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zeigen. Überlegungen, den behinderten Waisen auch im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung einen Waisenrentenanspruch zeitlich unbegrenzt einzuräumen, sind in der Vergangenheit - vor allem im Hinblick auf die insoweit günstigeren Regelungen im Beamtenversorgungsrecht und im sozialen Entschädigungsrecht - Gegenstand der Erörterung während des Gesetzgebungsverfahrens gewesen.
In der Vergangenheit hatte es bereits einmal die Möglichkeit eines verlängerten bzw unbegrenzten Bezugs von Waisenrente wegen Gebrechlichkeit gegeben, so lange dieser Zustand andauerte. Dieser mit dem Gesetz vom 25. Juni 1926 geschaffene Anspruch bestand jedoch nur bis zum 31. Dezember 1931 (vgl VerbKomm zur RVO, 4. und 5. Buch, Stand: 1. Januar 1991, § 1267 RdNr 1 iVm § 1262 Nr 1; zum Gesetz vom 25. Juni 1926 s auch Koch/Hartman/Altrock, Das Angestelltenversicherungsgesetz, Bd IV, Stand: September 1969, § 39 S V 345; BSGE 15, 134, 135 = SozR Nr 5 § 1267 RVO Bl Aa 6). Die Einführung der Besitzschutzregelungen für die im früheren Saarland bestehenden Ansprüche auf Waisenrente wegen Gebrechlichkeit (vgl hierzu ausführlich BSG SozR 5770 Art 2 § 31 Nr 1), die letztlich mit dem RRG 1992 durch § 304 SGB VI ersetzt worden sind (vgl hierzu Jörg in Kreikebohm, SGB VI, § 304 RdNr 1 bis 3; Hauck in Hauck/Noftz, SGB VI, § 304 RdNr 1, 2; Gürtner in KasselerKomm, § 304 SGB VI RdNr 1, 2), hätten Anlass sein können für die Wiedereinführung einer entsprechenden allgemeinen Regelung nach bundesdeutschem Recht. Dabei war die Frage einer Waisenrentengewährung wegen Gebrechlichkeit ohne obere feste Altersgrenze sogar Gegenstand der Beratungen zu § 1267 der Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes vom 23. Februar 1957 (BGBl I 45), doch wurde der dahingehende Vorschlag der Bundesregierung vom Gesetzgeber nicht übernommen (s dazu BSGE 15, 134 f = SozR Nr 5 § 1267 RVO Bl Aa 6). Mit dem Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres vom 17. August 1964 (BGBl I 640) wurde die Bezugsberechtigung von Waisenrenten für die Zeit eines Gebrechens ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt seines Beginns erweitert (§ 6 Nr 5 und 6 des Gesetzes vom 17. August 1964), die Begrenzung der Waisenrente längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres blieb jedoch unverändert (VerbKomm zur RVO, 4. und 5. Buch, Stand: 1. Januar 1991, § 1267 RdNr 1 und § 1262 RdNr 1, 17; s dort auch allgemein zur Entwicklung der Bezugsdauer der Waisenrenten). In der Folgezeit wurde im Bericht der Bundesregierung zu Fragen der Rentenversicherung gemäß Entschließung des Deutschen Bundestages vom 2. Juli 1969 darauf hingewiesen, dass nicht nur die Angleichung der damals geltenden Altersgrenze von 25 Jahren auf die im Beamtenrecht und in der Kriegsopferversorgung geltende Altersgrenze von 27 Jahren angestrebt, sondern ausdrücklich die Streichung der Altersgrenze und die unbegrenzte Zahlung von Waisenrente (und Kinderzuschuss) für gebrechliche Kinder gewünscht werde (BT-Drucks VI/1126 S 35 und 36). Beide Forderungen blieben nach dem Recht der RVO bis zu ihrem Außerkrafttreten am 31. Dezember 1991 unerfüllt (vgl § 1267 Abs 1 RVO).
Eine Angleichung der zeitlichen Begrenzung der Waisenrente der gesetzlichen Rentenversicherung an die des Waisengeldes nach dem Beamtenversorgungsrecht wurde auch im Gesetzgebungsverfahren zum RRG 1992 angesprochen, hatte aber nur insoweit Erfolg, als die zuvor im Rentenrecht geltende Lebensaltersgrenze des 25. Lebensjahres an die schon im Beamtenversorgungsrecht zuvor geltende Altersgrenze des 27. Lebensjahres angeglichen wurde (vgl Entwurf des RRG 1992 in BT-Drucks 11/4124 S 26 und 164 sowie Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung in BT-Drucks 11/5530 S 25 und 43). Eine weitergehende Angleichung dahingehend, dass behinderten Kindern auch nach dem SGB VI ein zeitlich unbegrenzter Waisenrentenanspruch zu gewähren sei, wurde mit dem RRG 1992 nicht vorgenommen. Dabei hätte der Einbau der Ausnahmevorschrift des § 304 SGB VI durchaus nochmals Anlass sein können, die damals im Saarland geltende und dem Beamtenversorgungsrecht ähnelnde Regelung in das neue einheitliche Rentenrecht zu übernehmen. Ebenso wenig nutzte der Gesetzgeber spätere Reformgesetze wie das Rentenreformgesetz 1999 (RRG 1999) vom 16. Dezember 1997 (BGBl I 2298), das Gesetz zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) vom 19. Juni 2001 (BGBl I 1046) oder das Gesetz zur Verbesserung des Hinterbliebenenrechts vom 17. Juli 2001 (BGBl I 1598), entsprechende Angleichungen durchzuführen. Nicht zuletzt auch im Hinblick auf mehrere Entscheidungen des BVerfG und des Bundessozialgerichts (BSG), die die zeitliche Begrenzung der Waisenrenten in der gesetzlichen Rentenversicherung zum Gegenstand hatten (BVerfGE 40, 121 = SozR 2400 § 44 Nr 1; BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1981 - 1 BvR 1355/80; BSG, Urteil vom 12. März 1981 - 11 RA 12/80 - und Urteil vom 25. Mai 1993 - 4 RA 37/92), muss davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die beamtenrechtliche Regelung über die zeitlich unbegrenzte Zahlung von Waisengeld an behinderte Waisen (unter bestimmten weiteren Voraussetzungen) bewusst nicht für die gesetzliche Rentenversicherung übernommen hat.
Da es nach alledem an einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke fehlt, scheidet insoweit eine richterliche Rechtsfortbildung aus. Eine durch Richterrecht vorgenommene Erweiterung des waisenrentenberechtigten Personenkreises wäre nicht mehr Gesetzesauslegung, sondern Gesetzeskorrektur bzw Gesetzgebung, die nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung allein der Legislative vorbehalten ist.
Der erkennende Senat ist von einer Verfassungswidrigkeit des § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst b SGB VI nicht überzeugt, weshalb eine Aussetzung des Verfahrens und Einholung einer Entscheidung des BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG nicht in Betracht kommt.
Die zeitliche Begrenzung des Waisenrentenanspruchs auch für behinderte Waisen ist mit dem GG vereinbar, wie sowohl vom BVerfG als auch vom BSG wiederholt entschieden worden ist. Das BVerfG hat zu § 44 Abs 1 Satz 2 des Angestelltenversichertengesetzes (≪AVG≫ = § 1267 Abs 1 Satz 2 RVO), der im Wesentlichen inhaltsgleich bis zum Inkrafttreten des RRG 1992 die Voraussetzungen für die Waisenrente regelte, im Einzelnen aufgezeigt, weshalb die damals noch geltende zeitliche Begrenzung des Waisenrentenanspruchs auf die Vollendung des 25. Lebensjahres für Waisen, die sich nicht selbst unterhalten können, weder gegen Art 6 Abs 1 GG noch gegen Art 3 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip verstößt (BVerfGE 40, 121, 131 f = SozR 2400 § 44 Nr 1). Das BVerfG hat hierbei näher ausgeführt, dass § 44 Abs 1 Satz 2 AVG nicht gegen Art 6 Abs 1 GG verstieß, weil sich dieser Verfassungsnorm nicht ein Anspruch entnehmen lasse, die vermehrte wirtschaftliche Belastung von Familien mit behinderten Kindern gerade durch eine zeitlich nicht begrenzte, unterhaltsersetzende Leistung der Sozialversicherung auszugleichen. Ein Verstoß gegen die Verfassungsgrundsätze des Art 3 Abs 1 und Art 20 Abs 1 GG liege nicht vor, weil der Gesetzgeber im Rahmen der typisierenden Bedarfsdeckung und der notwendig typisierenden Regelungen des Versicherungsrisikos die nicht-typische Gruppe der behinderten Waisen, die das 25. - jetzt das 27. - Lebensjahr vollendet haben und sich nicht selbst unterhalten können, deshalb außer Acht lassen durfte, weil diese gebrechlichen Waisen andere finanzielle Leistungen und Hilfsmaßnahmen in Anspruch nehmen könnten. Art 3 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip werde auch nicht dadurch verletzt, dass anders als in der Sozialversicherung behinderte Waisen in der beamtenrechtlichen Hinterbliebenenversorgung und in der Kriegsopferversorgung Waisengeld oder Waisenrente ohne Altersbegrenzung erhielten. Die verschiedene Behandlung der Waisen eines Sozialversicherten und eines Beamten sei verfassungsrechtlich hinzunehmen, weil beide Regelungen wegen der besonderen Zweckbestimmung und Grundlage der beamtenrechtlichen Versorgung nicht vergleichbar seien. Entsprechendes gelte für den Vergleich der Waisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Waisenrente nach dem Kriegsopferversorgungsrecht. Das BVerfG gehe von der Eigenständigkeit beider Rechtsbereiche aus. Solange nicht feststehe, dass eine Bestimmung innerhalb eines eigenen Sachbereichs nicht oder nicht mehr sachgerecht sei, könne diese grundsätzlich nicht mit Hilfe des Gleichheitssatzes im Hinblick auf andere Bestimmungen eliminiert werden, die anderen rechtlichen Ordnungsbereichen angehörten.
Diesen Ausführungen des BVerfG sind der 11. Senat des BSG in seinem Urteil vom 12. März 1981 - 11 RA 12/80 - und der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 25. Mai 1993 - 4 RA 37/92 - (veröffentlicht in HVBG-Info 1994, 1490) in vollem Umfang beigetreten.
Auch im Zusammenhang mit der früheren Besserstellung der in Berufsausbildung befindlichen Waisen nach dem BVG, denen bis zum 27. Lebensjahr Waisengeld gewährt werden konnte, während die früheren rentenrechtlichen Bestimmungen für diese Waisen die Zahlung von Waisenrente nur bis zum 25. Lebensjahr vorsahen, hat das BVerfG entschieden, dass diese unterschiedliche Behandlung mit dem GG vereinbar sei (BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1981 - 1 BvR 1355/80), und sich hierbei ausdrücklich auf die frühere Entscheidung vom 18. Juni 1975 (BVerfGE 40, 121 = SozR 2400 § 44 Nr 1) bezogen.
Für den erkennenden Senat sind keine hinreichenden Gründe ersichtlich, die die bisherige verfassungsrechtliche Beurteilung der zeitlichen Begrenzung von Waisenrenten in der gesetzlichen Rentenversicherung - auch soweit behinderte Waisen betroffen sind - in Frage stellen könnten. Zur Überzeugung des Senats haben sich weder die gesellschaftlichen noch die rechtlichen Bedingungen so verändert, dass nunmehr von der Verfassungswidrigkeit dieser zeitlichen Begrenzung auf das 27. Lebensjahr ausgegangen werden müsste (so auch bereits der 4. Senat des BSG, Urteil vom 25. Mai 1993 - 4 RA 37/92 - in HVBG-Info 1994, 1490).
In seiner Entscheidung vom 18. Juni 1975 (BVerfGE 40, 121 = SozR 2400 § 44 Nr 1) hat das BVerfG zwar ausgeführt, dass rechtspolitisch die seit langem bestehenden Unterschiede zwischen den verschiedenen Rechtsbereichen nicht mehr voll überzeugten und vor allem dem betroffenen Staatsbürger wenig verständlich erschienen. Es sei ein ständiges sozialpolitisches Anliegen, gleichen oder ähnlichen Zwecken dienende soziale Leistungen zu vereinheitlichen und entsprechend der allgemeinen Entwicklung zu verbessern. Das BVerfG hat es aber ausdrücklich dem Gesetzgeber überlassen, in welcher Zeitfolge er gebotene Änderungen und Verbesserungen auf den verschiedenen Einzelgebieten vornehmen wolle (BVerfG, aaO). Diesen Ausführungen lässt sich nicht entnehmen, dass das BVerfG die in den verschiedenen Versorgungssystemen anzutreffenden Regelungen zur Dauer der Waisenrente für behinderte Personen nur noch für eine gewisse Übergangszeit als mit dem GG vereinbar ansehen wollte und dass der Gesetzgeber gehalten sei, in einem absehbaren oder gar befristeten Zeitraum diese Ungleichheiten zu beseitigen. Zwar bestehen auch nach Auffassung des erkennenden Senats die vom BVerfG geäußerten sozialpolitischen Bedenken hinsichtlich dieser unterschiedlichen Bezugsdauer von Waisenrenten weiter fort, und diese Unterschiede werden für die betroffenen Personenkreise weiterhin nur schwer nachvollziehbar sein, die bisherige verfassungsrechtliche Beurteilung dieses Rechtszustandes erfährt dadurch allein aber keine Änderung. Die Feststellung des BVerfG, dass die verschiedene Behandlung der Waisen eines Sozialversicherten und eines Beamten hinzunehmen sei, weil beide Regelungen wegen der besonderen Zweckbestimmung und Grundlage der beamtenrechtlichen Versorgung nicht vergleichbar seien (BVerfG, aaO, mwN), hat nach wie vor Gültigkeit. Dabei ist auch die im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit besonders große Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers zu berücksichtigen (vgl zB BVerfGE 78, 104, 121). Der allgemeine Gleichheitssatz enthält kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen gleich zu regeln (BVerwG NVwZ 1992, 986, 987 mwN). Ebensowenig muss der Gesetzgeber danach im konkreten Fall die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung wählen (vgl zB BVerfGE 81, 108, 117 f).
Die beamtenrechtliche Versorgung der Hinterbliebenen beruht - wie das Besoldungs- und Versorgungssystem der Beamten insgesamt - nach wie vor auf dem Alimentationsprinzip (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl BVerfGE 8, 1, 14 ff; 63, 152, 169; 70, 69, 79; 76, 256, 298). Dieser Grundsatz (vgl dazu Art 33 Abs 5 GG) ist wiederum Ausdruck der gesteigerten Fürsorgepflicht des Staates für den grundsätzlich lebenslang zu seinem Dienst verpflichteten Beamten (BVerfGE 39, 196, 201; s hierzu auch Merten, ZBR 1995, 353, 354 f). Von daher ist es nachvollziehbar und sachlich gerechtfertigt, wenn im Beamtenrecht auch gegenüber behinderten Waisen, die sich nicht selbst unterhalten können, eine nachwirkende Fürsorgepflicht (vgl BVerwGE 71, 336, 340) anerkannt wird, die in einer lebenslangen Alimentierung in Form des Waisengeldes ihren Ausdruck findet. Diesen Gedanken der erhöhten Fürsorge für die Waisen eines Beamten stehen anders als in der Sozialversicherung Pflichten des Berechtigten gegenüber, die ihren Grund in der Treuepflicht des Beamten haben (zur Treuepflicht der Beamten s Maunz in Maunz/Dürig, GG, Stand: Juli 2001, Art 33 RdNr 71 ff mwN).
Auch der Vergleich mit der geltenden Regelung im BVG führt weiterhin zu keinem anderen Ergebnis. Trotz der im Wesentlichen gleichen Unterhaltsersatzfunktion der Waisenrenten des Versorgungsrechts und der Waisenrenten in der sozialen Rentenversicherung hat das BVerfG wegen der Eigenständigkeit der beiden Rechtsbereiche die unterschiedliche zeitliche Begrenzung der Waisenrenten als mit dem GG vereinbar angesehen. Neue Gesichtspunkte, die jetzt zu einer anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung führen könnten, sind auch hier nicht ersichtlich. Es erscheint weiterhin vertretbar und sachgerecht, dass der Gesetzgeber sich gegenüber den behinderten Waisen eines Berechtigten nach dem BVG in einer erhöhten Fürsorgepflicht sieht und daher diesen eine lebenslange Versorgung gewährt.
Demgegenüber kann es nicht als sachwidrig angesehen werden, wenn der Gesetzgeber, die auf Beiträgen der Versicherten beruhende "Leistungspflicht" der Solidargemeinschaft gegenüber behinderten Waisen, auch wenn diese sich nicht selbst unterhalten können, ab einem bestimmten, typisierten Zeitpunkt enden lässt und die Deckung des weiter bestehenden Unterhaltsbedarfs dieser Waisen als Aufgabe der Allgemeinheit im Rahmen der durch Steuermittel finanzierten Sozialhilfe ansieht, soweit Bedürftigkeit im Sinne des BSHG besteht. Auch wenn die Fürsorge für Hilfebedürftige zu den selbstverständlichen Verpflichtungen eines Sozialstaates gehört und die Verpflichtung einschließt, jugendlichen Waisen, die sich nicht selbst unterhalten können, Hilfe zu leisten, so obliegt die Entscheidung darüber, wie den Waisen Schutz zu gewähren ist, dem Gesetzgeber, welchem die Verfassung einen weiten Spielraum für seine Gestaltung belässt (BVerfGE 43, 13 = NJW 1977, 1333). Da insbesondere Waisenrenten weniger auf dem versicherungsrechtlichen als auf dem fürsorgerischen Prinzip beruhen (BVerfGE 76, 256, 301; BVerfGE 43, 13 = NJW 1977, 1333, 1334; BVerfGE 17, 1 = NJW 1963, 1723), erscheint es sachgerecht, wenn der Gesetzgeber - iS einer Abgrenzung von Risikobereichen - diese Fürsorgeverpflichtung ab einem bestimmten Lebensalter der Waisen als eine Aufgabe der Allgemeinheit und nicht mehr allein oder vorrangig der Versichertengemeinschaft ansieht.
Im Hinblick auf die sozialstaatlichen Maßstäben entsprechende Ausgestaltung des Sozialhilferechts, die auch und gerade für Behinderte, die sich nicht selbst unterhalten können, zahlreiche Hilfen vorsieht (vgl insbesondere §§ 39 ff, 68 ff BSHG), kann diese "Zuständigkeitsverlagerung" nicht als eine Diskriminierung oder gar als ein "Abschieben der Behinderten auf die Sozialhilfe" verstanden werden. Dies umso weniger, als die Sozialhilfeträger mit § 6 Abs 1 Nr 7 SGB IX ausdrücklich in den Kreis der Rehabilitationsträger aufgenommen worden sind. Dass im Einzelfall bestimmte Hilfen aufgrund der Art und Schwere der Behinderung vom Betroffenen nicht in Anspruch genommen werden können und die Hilfen nach dem BSHG generell nur subsidiär gewährt werden, stellt die grundsätzliche Bereitschaft der Allgemeinheit nicht in Frage, behinderten Waisen, die sich nicht selbst unterhalten können, im Bedarfsfall die notwendigen Hilfen für die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft, für die Ausübung eines angemessenen Berufs oder für eine soweit wie mögliche Unabhängigkeit von Pflege zur Verfügung zu stellen. Im Ergebnis erfährt die behinderte Waise eines Sozialversicherten, die sich nicht selbst unterhalten kann, im Wesentlichen den gleichen fürsorgerischen Schutz wie vergleichbare Waisen eines Beamten bzw Leistungsempfängers nach dem BVG, so dass sich eine "Gerechtigkeitslücke" letztlich nicht auftut.
Dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung steht nicht entgegen, dass das BVerfG in jüngster Zeit wiederholt darauf hingewiesen hat, dass die Belastung durch die Kindererziehung stärker im Sozialversicherungssystem zu berücksichtigen sei, um sozialversicherungsrechtliche Benachteiligungen von Versicherten, die Kinder erziehen, im Verhältnis zu kinderlosen Versicherten zu vermeiden (vgl BVerfG, Urteil vom 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 - SozR 3-3300 § 54 Nr 2; BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 - Allg Nr 1). Der Anspruch auf Waisenrente ist nicht mit einer höheren Beitragsleistung des Versicherten verbunden; insofern findet innerhalb der Versichertengemeinschaft der gesetzlichen Rentenversicherung bereits ein Solidarausgleich zwischen kinderlosen Versicherten und Versicherten, die Kinder erziehen, statt. Eine Benachteiligung von Versicherten mit Kindern liegt hier gerade nicht vor. In welchem Umfang im Einzelnen eine Waisenrente zu gewähren ist, liegt dagegen im relativ weiten Ermessen des Gesetzgebers, zumal die Versorgung von Waisen ohnehin nicht zum Kernbereich der versicherten Risiken in der sozialen Rentenversicherung zählt.
Schließlich kann aus dem jüngst ergangenen Urteil des BVerfG vom 6. März 2002 - 2 BvL 17/99 (abgedruckt in NZS 2002, 252 f) - zur steuerlichen Gleichbehandlung von Renten aus der Sozialversicherung und Beamtenpensionen nicht gefolgert werden, die aus den jeweiligen Versorgungssystemen gewährten Leistungen müssten nach den selben Grundsätzen und vor allem in gleichem Umfang bemessen sein. Auch in dieser Entscheidung hat das BVerfG die Verschiedenheit der Systeme betont (vgl BVerfG, Urteil vom 6. März 2002, Umdr S 56 f, 61, 63 f). Die verfassungsrechtliche Prüfung beschränkte sich hier darauf, die unterschiedliche Besteuerung von Sozialversicherungsrenten und Beamtenpensionen an gleichheitsrechtlichen Maßstäben zu messen. Diese unterschiedliche Besteuerung wird vom BVerfG nicht deshalb als mit dem GG unvereinbar angesehen, weil die Alters- und Hinterbliebenenversorgungssysteme sich zwischenzeitlich so stark angenähert hätten, sondern weil es für die steuerliche Entlastungswirkung der - auch nur teilweisen - Ertragsanteilbesteuerung von Sozialversicherungsrenten in der Nacherwerbsphase im Vergleich mit der Besteuerung von Versorgungsbezügen der Ruhestandsbeamten an einer hinreichenden sachlichen Grundlage fehle (BVerfG, aaO, S 74). Die daraus resultierende Verpflichtung des Gesetzgebers zur Beseitigung der steuerlichen Ungleichbehandlung bezieht sich demnach nicht auf eine Umgestaltung oder Angleichung der jeweiligen verschiedenen Versorgungssysteme, was deren Leistungen anbelangt, sondern folgerichtig nur auf Maßnahmen, mit denen die Besteuerung von Versorgungsaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis von Vorsorgeaufwendungen so abzustimmen sind, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird (BVerfG, aaO, S 84).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen
NZS 2003, 218 |
SozR 3-2600 § 48, Nr. 7 |
br 2003, 40 |
AuS 2002, 63 |