Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenberechnung. Gesamtleistungsbewertung von Verfolgungsersatzzeiten. Behandlung israelischer Versicherungszeiten. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung von Verfolgungsersatzzeiten sind israelische Versicherungszeiten nicht als nicht belegungsfähige Kalendermonate zu behandeln.
Orientierungssatz
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die rentenrechtliche Bewertung der Verfolgungsersatzzeiten bestehen nicht. Denn die Ersatzzeiten sind als beitragsfreie Zeiten nach den rechtlichen Vorgaben des SGB 6 im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung (zu deren Verfassungsmäßigkeit vgl BSG vom 18.4.1996 - 4 RA 36/94 = BSGE 78, 138 = SozR 3-2600 § 71 Nr 1, vom 17.12.1997 - 13 RJ 97/96 = SozR 3 2600 § 263 Nr 2 und BVerfG vom 9.1.2006 - 1 BvR 756/96 = SozR 4-2600 § 250 Nr 1) bei der Rentenbemessung berücksichtigt worden. Insoweit liegt darin weder eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots des Art 3 Abs 1 GG noch des Eigentumsgrundrechts des Art 14 Abs 1 GG.
Normenkette
SGB X § 44 Abs. 1 S. 1; SGG § 96; SGB VI § 63 Abs. 3, §§ 64, 54 Abs. 4, §§ 71-73, 250 Abs. 1 S. 4, § 263; SGB VI Anl 18; RVO § 1259 Abs. 3; SozSichAbk ISR Art. 22 Nr. 3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 SGB X die Neufeststellung seiner Regelaltersrente unter Berücksichtigung einer höheren Bewertung seiner Verfolgungsersatzzeiten.
Der 1932 in M. geborene Kläger lebte seit 1938 in P. und wurde später israelischer Staatsangehöriger. Dort schloss er den Schulbesuch im Juni 1950 mit dem Abitur ab. Nach seinem Militärdienst von 1950 bis 1952 absolvierte er von Oktober 1952 bis Juni 1956 ein Hochschulstudium. Bis einschließlich September 1999 erwarb er in Israel Versicherungszeiten von 566 Monaten. Der Kläger ist als Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes anerkannt.
In die deutsche Rentenversicherung entrichtete er für die Zeiten vom 1.6.1948 bis 31.12.1973 und für Januar 1983 freiwillige Beiträge.
Mit Bescheid vom 3.9.1997 bewilligte die Beklagte Regelaltersrente ab 1.7.1997 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 1230,42 DM. Dabei ging sie von dem zum Rentenbeginn maßgeblichen aktuellen Rentenwert (47,44 DM), dem Rentenartfaktor 1,0 und dem Zugangsfaktor 1,0 aus. Die Summe der Entgeltpunkte (EP) ermittelte sie mit 25,9363 EP. Berechnungsgrundlage hierfür waren (allein) 308 Monate Beitragszeiten aufgrund der vom Kläger nachentrichteten freiwilligen Beiträge. Hiervon waren 56 Monate (vom 1.6.1949 bis 30.6.1950 und vom 1.10.1952 bis 30.4.1956) beitragsgeminderte Zeiten, da sie sowohl mit freiwilligen Beitragszeiten als auch mit Anrechnungszeiten wegen Schul- und Hochschulausbildung belegt waren; zusätzliche EP für die Bewertung der beitragsgeminderten Zeiten ergaben sich im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung nicht, weil der unter Berücksichtigung der beitragsgeminderten Zeiten berechnete Durchschnittswert für die Grundbewertung (0,0495 EP) höher war als der ohne die beitragsgeminderten Zeiten ermittelte Durchschnittswert für die Vergleichsbewertung (0,0416 EP).
Nachdem der Kläger im Dezember 2001 über den Israelischen Kibbuzverband unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 24.7.2001 (SozR 3-2600 § 71 Nr 2) einen Überprüfungsantrag bezüglich der Bewertung der beitragsfreien Zeiten gestellt hatte, beantragte er - nunmehr anwaltlich vertreten - mit Schriftsatz vom 23.1.2003, seine Regelaltersrente unter Berücksichtigung der Anrechnungszeiten und Verteilung der in diese Zeiten fallenden freiwilligen Beiträge auf andere Zeiten neu zu berechnen, und wies zudem mit Schriftsatz vom 11.8.2003 auf seinen von der Beklagten noch nicht beschiedenen Überprüfungsantrag vom Dezember 2001 hin.
Mit Bescheid vom 18.3.2004 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab. Der angefochtene Bescheid entspreche der Rechtslage. Die Rentenberechnung sei aufgrund des Leistungsfalls im Jahr 1997 nach den Bestimmungen des SGB VI vorzunehmen. Eine Verlegung der freiwilligen Beiträge auf andere Zeiten als Anrechnungszeiten oder deren Erstattung führe nicht zu der angestrebten Rentenerhöhung. Soweit der Kläger den Abzug von israelischen Versicherungszeiten von der Zahl der im Gesamtzeitraum belegbaren Kalendermonate begehre und sich insoweit auf das Urteil des BSG vom 24.7.2001 (aaO) berufe, werde dieser Rechtsprechung nicht gefolgt. Eine Übertragung der Grundsätze des Art 22 Nr 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über Soziale Sicherheit (Abk Israel SozSich) vom 17.12.1973 (BGBl II 1975, 246, 443) idF des Änderungsabkommens (ÄndAbk) vom 7.1.1986 (BGBl II 863, 1099) auf die Rentenformel des SGB VI sei ausgeschlossen. Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich sehe eine Gleichstellung israelischer Pflichtbeitragszeiten mit deutschen Pflichtbeiträgen nur für die "Anrechnung" von Ausfallzeiten und die "Hinzurechnung" einer Zurechnungszeit vor. Die Vorschrift knüpfe damit allein an das Recht der RVO an, nämlich an die Halbbelegung des § 1259 Abs 3 RVO und die Anrechnungsvoraussetzungen für eine Zurechnungszeit nach § 1260 RVO. Das SGB VI kenne dagegen keine Vorschriften über die "Anrechnung" von beitragsfreien Zeiten. Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich gehe somit bei der Feststellung einer Rentenleistung nach dem SGB VI ins Leere. Daher sei der Gesamtleistungswert für beitragsfreie Zeiten ohne Berücksichtigung israelischer Beitragszeiten zu ermitteln. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3.5.2005 zurück.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte auf einen weiteren Überprüfungsantrag des Klägers vom 14.9.2005 (Eingang) auf Anerkennung eines verfolgungsbedingten Auslandsaufenthalts nach § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI mit Bescheid vom 20.10.2005 eine Neufeststellung der Regelaltersrente vorgenommen; dabei hat sie den monatlichen Zahlbetrag ab Dezember 2005 mit 709,08 Euro und für den Zeitraum vom 1.1.2001 bis 30.11.2005 eine Nachzahlung von 1825,61 Euro festgestellt. Die Summe der EP für die freiwilligen Beitragszeiten von 308 Monaten (davon wiederum 56 Monate beitragsgeminderte Zeiten wegen des Zusammentreffens der freiwilligen Beitragszeiten mit den Anrechnungszeiten) ermittelte sie nunmehr mit 25,9488 EP. Die erstmalig in diesem Bescheid von ihr festgestellten Verfolgungsersatzzeiten vom 27.6.1946 bis 31.5.1948 (24 Monate) bewertete sie mit 1,1880 EP. Deren Bewertung legte die Beklagte einen belegungsfähigen Gesamtzeitraum vom 6.1949 (Vollendung des 17. Lebensjahres) bis 30.6.1997 (Kalendermonat vor Rentenbeginn) zuzüglich 36 Monate vor Vollendung des 17. Lebensjahres zugrunde. Von den insgesamt 613 Kalendermonaten brachte sie als nicht belegungsfähige Kalendermonate 89 Monate in Abzug (65 Monate als Pauschalzeit aus allen Beitragszeiten und 24 Monate als Ersatzzeiten); die israelischen Versicherungszeiten des Klägers berücksichtigte sie nicht. Ausgehend von den verbliebenen 524 belegungsfähigen Kalendermonaten ergab sich für die hier maßgebliche Grundbewertung ein Durchschnittswert von 0,0495 EP (= 25,9488 EP für alle Beitragszeiten : 524 belegungsfähige Kalendermonate), woraus für die Ersatzzeiten die oben genannten EP resultierten (24 Monate x 0,0495 EP = 1,1880 EP). Unter Berücksichtigung der EP für die Beitragszeiten von 25,9488 EP legte die Beklagte der Rentenberechnung 27,1368 (persönliche) EP zugrunde. Gegen diesen Bescheid konnte nach seiner Rechtsbehelfsbelehrung Widerspruch erhoben werden.
Die Klage mit dem Antrag, bei der Bewertung der Ersatzzeiten von dem Gesamtzeitraum (auch) die vom Kläger während dieses Zeitraums in Israel zurückgelegten Zeiten mit Pflichtbeiträgen als nicht belegungsfähige Kalendermonate abzuziehen und seine Regelaltersrente dementsprechend neu zu berechnen, hat das SG mit Urteil vom 10.10.2007 als unzulässig abgewiesen. Über das Klagebegehren sei keine Verwaltungsentscheidung der Beklagten ergangen; im Verwaltungsverfahren habe der Kläger etwas anderes beantragt.
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte - den die Klage begründenden Schriftsatz vom 5.10.2006 als (weiteren) Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X ansehend - mit Bescheid vom 29.4.2008 eine höhere Bewertung der Verfolgungsersatzzeiten abgelehnt. Die "jüngere" Rechtsprechung des BSG sei nicht zu berücksichtigen, da Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich nur für Ausfallzeiten, nicht aber für Ersatzzeiten gelte. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger - entsprechend der Rechtsbehelfsbelehrung - Widerspruch eingelegt.
Mit Urteil vom 7.10.2009 (L 4 R 230/07 - Juris) hat das LSG die Berufung zurückgewiesen und die Klage gegen den Bescheid vom 29.4.2008 abgewiesen. Die während des Klage- bzw Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide vom 20.10.2005 und 29.4.2008 seien gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des jeweiligen Verfahrens geworden. Vor dem Hintergrund, dass es der Beklagten unbenommen bleibe, während eines anhängigen Gerichtsverfahrens einen angefochtenen Bescheid nach § 44 SGB X zu überprüfen, und ein derartiger positiver Bescheid den ursprünglich angefochtenen Bescheid iS von § 96 Abs 1 SGG ersetze (so wie hier der Bescheid vom 20.10.2005), könne auch bei Ablehnung einer Neufeststellung im Rahmen des anhängigen Gerichtsverfahrens (hier mit Bescheid vom 29.4.2008) zur Vermeidung widersprechender Entscheidungen nichts anderes gelten (Hinweis auf Senatsurteil vom 20.7.2005 - SozR 4-1500 § 96 Nr 3).
Der Kläger habe keinen Anspruch darauf, dass für die Bewertung der Ersatzzeiten von dem Gesamtzeitraum auch die von ihm während dieses Zeitraums in Israel zurückgelegten Monate mit Pflichtbeiträgen als nicht belegungsfähige Kalendermonate abzuziehen seien. Hierfür böten weder die Vorschriften der Gesamtleistungsbewertung gemäß §§ 71 bis 74, § 263 SGB VI noch die Bestimmungen des Abk Israel SozSich eine Rechtsgrundlage. Nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteile vom 24.7.2001 aaO und vom 18.5.2006 - B 4 RA 34/05 R) sei zwar bei der Bewertung von Anrechnungszeiten die Anzahl der israelischen Monate mit Pflichtbeiträgen von der Zahl der im Gesamtzeitraum belegbaren Kalendermonate abzuziehen. Diese zu Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich ergangene Rechtsprechung sei hier jedoch nicht anwendbar. Denn die Bestimmung habe ausschließlich die Anrechnung von Ausfallzeiten (bzw seit 1992 Anrechnungszeiten) oder einer Zurechnungszeit zum Gegenstand. Im vorliegenden Fall gehe es aber um Ersatzzeiten. Angesichts des eindeutigen Wortlauts sowie Sinn und Zweck der Vorschrift komme weder eine direkte noch eine entsprechende Anwendung auf Ersatzzeiten in Betracht.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 64, §§ 71 bis 74 SGB VI und insbesondere von § 72 Abs 3 Nr 1 SGB VI. Richtig sei zwar, dass die Entscheidungen des BSG vom 24.7.2001 (aaO) und 18.5.2006 (aaO) zu Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich ergangen und die dortigen Überlegungen zum Abzug von Zeiten mit israelischen Pflichtbeiträgen vom Gesamtzeitraum im Rahmen der Bewertung von Ausbildungs-Ausfallzeiten bzw Ausbildungs-Anrechnungszeiten entwickelt worden seien. Die Ausführungen enthielten jedoch allgemeingültige Grundsätze für beitragsfreie Zeiten, die nicht auf die Bewertung von Ausfall- bzw Anrechnungszeiten begrenzt seien. Dagegen spreche bereits die notwendige Gleichbehandlung sämtlicher beitragsfreier Zeiten. Der Charakter israelischer Versicherungszeiten könne nicht davon abhängig sein, ob Anrechnungs- oder Ersatzzeiten zu bewerten seien.
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Der Kläger beantragt, |
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das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Oktober 2009 sowie das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10. Oktober 2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Mai 2005 sowie unter Abänderung des Bescheids vom 20. Oktober 2005 und Aufhebung des Bescheids vom 29. April 2008 zu verurteilen, den Bescheid vom 3. September 1997 teilweise zurückzunehmen und eine Neuberechnung der Regelaltersrente in der Weise vorzunehmen, dass für die Bewertung der Verfolgungsersatzzeiten vom 27. Juni 1946 bis 31. Mai 1948 von dem Gesamtzeitraum für die Zeit vom 26. Juni 1949 bis 30. Juni 1997 die von ihm während dieser Zeit in Israel zurückgelegten Pflichtbeiträge als nicht belegungsfähige Kalendermonate in Abzug gebracht werden, |
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hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückzuverweisen. |
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Die Beklagte beantragt, |
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die Klage abzuweisen, |
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hilfsweise, die Revision zurückzuweisen. |
Sie ist der Meinung, dass bereits die Klage unzulässig sei. Vor Klageerhebung habe über den im Klageverfahren verfolgten Anspruch auf Neufeststellung der Rente unter höherer Bewertung der Ersatzzeiten keine Verwaltungsentscheidung vorgelegen. Der Bescheid vom 20.10.2005 sei nicht Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Denn die dort erstmals vorgenommene Anerkennung und Bewertung von Verfolgungsersatzzeiten stehe in keinem Zusammenhang mit der im angefochtenen Bescheid vom 18.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.5.2005 getroffenen Entscheidung. Entsprechendes gelte für den Bescheid vom 29.4.2008, der nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sei. Der Kläger habe aber auch keinen Anspruch auf Neufeststellung der Rente unter höherer Bewertung der Ersatzzeiten. Von dem belegungsfähigen Gesamtzeitraum seien die mit israelischen Beiträgen belegten Monate nicht abzuziehen. Etwas anderes lasse sich weder aus Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich noch aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (Hinweis auf die Urteile vom 24.7.2001 aaO und vom 18.5.2006 aaO) ableiten.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Urteil des LSG verletzt nicht Bundesrecht.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG); mit ihr begehrt der Kläger (sinngemäß) die Verurteilung der Beklagten zur teilweisen Rücknahme der Rentenfestsetzung im Bescheid vom 20.10.2005 und die Verpflichtung zur Rentenneufeststellung in der Weise, dass bei der Bewertung seiner Verfolgungsersatzzeiten von dem Gesamtzeitraum auch die von ihm während dieses Zeitraums in Israel zurückgelegten Monate mit Pflichtbeiträgen als nicht belegungsfähige Kalendermonate abgezogen werden. Der insoweit gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X geltend gemachte Anspruch auf Neufeststellung seiner Regelaltersrente steht dem Kläger nicht zu.
1. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass der Bescheid vom 20.10.2005 Gegenstand des gegen den Bescheid vom 18.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.5.2005 anhängigen Klageverfahrens und der Bescheid vom 29.4.2008 Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden sind und dass deshalb in der Sache zu überprüfen ist, ob die Verfolgungsersatzzeiten des Klägers höher zu bewerten sind.
Nach § 96 Abs 1 SGG (in der am 1.4.2008 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des ArbGG vom 26.3.2008, BGBl I 444), der für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gemäß § 153 Abs 1 SGG entsprechend gilt, wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Verfahrens, wenn er den mit der Klage angefochtenen früheren Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Geändert oder ersetzt wird ein Bescheid immer nur dann, wenn er - zumindest teilweise - denselben Streitgegenstand wie der Ursprungsbescheid betrifft bzw wenn in dessen Regelung eingegriffen und damit die Beschwer des Betroffenen vermehrt oder vermindert wird. Ein bloßer Sachzusammenhang mit dem anfänglich erhobenen Anspruch ist nicht ausreichend (Senatsurteil vom 20.7.2005 - SozR 4-1500 § 96 Nr 3 RdNr 7 mwN ≪noch zur früheren, weitergehenden Fassung≫).
Insoweit ist jedoch davon auszugehen, dass der Kläger mit dem an die Beklagte gerichteten Schriftsatz vom 11.8.2003 seinen Überprüfungsantrag vom Dezember 2001 auf gesetzmäßige Berechnung der beitragsfreien Zeiten (entsprechend dem Urteil des BSG vom 24.7.2001 - SozR 3-2600 § 71 Nr 2) bekräftigt hat und die Beklagte in ihrem eine Neufeststellung ablehnenden Bescheid vom 18.3.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3.5.2005 auch hierauf eingegangen ist. Denn in der Begründung verwies die Beklagte ua darauf, dass selbst bei einer Verlagerung der freiwilligen Beiträge auf andere Zeiten als Anrechnungszeiten die vom Kläger im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung angestrebte Rentenerhöhung durch Abzug der israelischen Beitragszeiten von der Zahl der im Gesamtzeitraum belegbaren Kalendermonate nicht in Betracht komme, eine Übertragung der Grundsätze des Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich auf die Rentenformel des SGB VI ausgeschlossen sei und der Entscheidung des BSG vom 24.7.2001 (aaO) insoweit nicht gefolgt werde. Im Klageverfahren gegen diesen Bescheid ist sodann auf den Überprüfungsantrag des Klägers vom 14.9.2005 der Bescheid vom 20.10.2005 ergangen, der eine Verfolgungszeit festgestellt und damit erstmals eine beitragsfreie Zeit in die Bewertung einbezogen hat, ohne dabei jedoch - wie bereits bei der im Bescheid vom 3.9.1997 durchgeführten Gesamtleistungsbewertung - die israelischen Versicherungszeiten des Klägers als nicht belegungsfähige Kalendermonate zu berücksichtigen; dies hat die Beklagte mit Bescheid vom 29.4.2008 nochmals abgelehnt. Bereits hierdurch wird deutlich, dass die Bescheide vom 20.10.2005 und 29.4.2008 - den Klageanspruch betreffend - die vorhergehenden Bescheide ersetzt haben. Denn sie haben jeweils (aktuell) festgestellt, dass die Beklagte im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung beitragsfreier Zeiten die israelischen Versicherungszeiten des Klägers nicht von der Zahl der im Gesamtzeitraum belegungsfähigen Kalendermonate abzieht.
Im Übrigen geht die Beklagte fehl, wenn sie meint, der Klage habe es hinsichtlich ihres Begehrens der Höherbewertung beitragsfreier (Anrechnungs-)Zeiten von vornherein an einem Rechtsschutzbedürfnis gefehlt, weil solche damals nicht vorhanden gewesen seien. Vielmehr ergibt sich aus dem Rentenbescheid vom 3.9.1997, dass die Ausbildungs-Anrechnungszeiten, für die vom Kläger auch freiwillige Beiträge entrichtet worden waren, als solche im Rahmen der Bewertung der beitragsgeminderten Zeiten nicht zum Zuge kamen, weil die Grund- und nicht die Vergleichsbewertung (§ 71 Abs 1 Satz 2 iVm §§ 72, 73 SGB VI) für den Kläger günstiger war. Damit war aber nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich hieran etwas durch eine verbesserte Gesamtleistungsbewertung hätte ändern können.
Mit den genannten Bescheiden hat die Beklagte jeweils während des Gerichtsverfahrens abgelehnt, im Sinne des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X tätig zu werden. Auch solche Bescheide ändern oder ersetzen den ursprünglich angefochtenen Verwaltungsakt und werden gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens (vgl Senatsurteil vom 20.7.2005 - SozR 4-1500 § 96 Nr 3 RdNr 10). Denn nur so kann zur Vermeidung widersprechender Entscheidungen verhindert werden, dass über denselben Streitgegenstand (hier: Anspruch auf Neufeststellung einer Regelaltersrente unter höherer Bewertung von Ersatzzeiten) mehrere gerichtliche Verfahren nebeneinander geführt werden (Senatsurteil vom 20.7.2005 aaO). Daher hat das LSG über den Bescheid vom 29.4.2008 auch zu Recht nicht auf Berufung, sondern erstinstanzlich "auf Klage" entschieden (vgl stRspr, zB BSG Urteil vom 30.1.1963 - BSGE 18, 231, 234 f = SozR Nr 17 zu § 96 SGG; Urteil vom 27.1.1999 - SozR 3-2400 § 18b Nr 1 S 3).
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die von ihm begehrte Neufeststellung seiner Regelaltersrente. Er beanstandet insoweit ausschließlich die Ermittlung der EP für seine Verfolgungszeit vom 27.6.1946 bis 31.5.1948 (§ 250 Abs 1 Nr 4 Buchst b SGB VI); insoweit steht ihm jedoch kein höherer Rentenanspruch zu.
Die Beklagte hat bei der Feststellung des Monatsbetrags der Rente (§ 64 SGB VI) zu Recht die Verfolgungszeit als Ersatzzeit mit einem Gesamtleistungswert von 1,1880 EP zugrunde gelegt. Der Kläger hat insbesondere keinen Anspruch darauf, dass bei der Bewertung dieser beitragsfreien Zeit von dem belegungsfähigen Gesamtzeitraum die von ihm während dieses Zeitraums in Israel zurückgelegten Monate mit Pflichtbeiträgen als nicht belegungsfähige Kalendermonate abzuziehen sind. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus den Bestimmungen der §§ 71 bis 74 SGB VI (Gesamtleistungsbewertung) noch aus Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich oder einer anderen Abkommensvorschrift.
Gemäß § 63 Abs 3 SGB VI werden für beitragsfreie Zeiten (= Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten, mit einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt sind, wenn für sie nicht auch Beiträge gezahlt worden sind, § 54 Abs 4 SGB VI) EP angerechnet, deren Höhe von der Höhe der in der übrigen Zeit versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen abhängig ist. Beitragsfreie Zeiten erhalten den Durchschnittswert an EP, der sich aus der Gesamtleistung an Beiträgen im belegungsfähigen Zeitraum ergibt (§ 71 Abs 1 Satz 1 SGB VI). Maßgeblich ist insoweit der höhere Wert, der aus der Grundbewertung aus allen Beiträgen (dazu § 72 SGB VI) oder aus der Vergleichsbewertung aus ausschließlich vollwertigen Beiträgen (dazu § 73 SGB VI) resultiert (§ 71 Abs 1 Satz 2 SGB VI). Diese Vorschriften hat die Beklagte bei der hier allein streitigen Bewertung der Ersatzzeiten rechtsfehlerfrei angewandt.
a) Die Beklagte hat der Gesamtleistungsbewertung nicht eine überhöhte Zahl an belegungsfähigen Monaten im Gesamtzeitraum zugrunde gelegt. Zu Recht ist sie von 524 belegungsfähigen Kalendermonaten ausgegangen. Nicht zu beanstanden ist, dass sie dabei die israelischen Versicherungszeiten des Klägers nicht berücksichtigt hat. Denn diese verringern die Anzahl der im Gesamtzeitraum mit Beiträgen belegungsfähigen Kalendermonate nicht.
Bei einer Rente wegen Alters umfasst der belegungsfähige Gesamtzeitraum, der die Höchstzahl der vom Versicherten mit Beiträgen belegbaren Kalendermonate kennzeichnet, gemäß § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes (WFG) vom 25.9.1996 (BGBl I 1461) die Zeit vom vollendeten 17. Lebensjahr (bis 31.12.1996: 16. Lebensjahr) bis zum Kalendermonat vor Beginn der zu berechnenden Rente. Danach umfasst der belegungsfähige Gesamtzeitraum vorliegend die Zeit vom 6.1949 (Vollendung des 17. Lebensjahres) bis zum 30.6.1997 (Kalendermonat vor Beginn der Regelaltersrente ≪zum Begriff "Beginn der ... Rente" iS von § 72 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI s BSG Urteil vom 25.11.2008 - BSGE 102, 101 = SozR 4-2600 § 72 Nr 2, RdNr 17 ff≫) und damit insgesamt 577 Kalendermonate. Der belegungsfähige Gesamtzeitraum verlängert sich gemäß § 72 Abs 2 Satz 2 SGB VI um Kalendermonate mit rentenrechtlichen Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres, hier also um (die "zu bewertenden") 24 Monate Ersatzzeiten wegen NS-Verfolgung (vom 27.6.1946 bis 31.5.1948) und um 12 Monate (freiwillige) Beitragszeiten (vom 1.6.1948 bis 31.5.1949). Es ergibt sich somit ein Gesamtzeitraum von (577 + 24 + 12 =) 613 Kalendermonaten.
b) Von diesem belegungsfähigen Gesamtzeitraum hat die Beklagte zu Recht (nur) 89 Monate als "nicht belegungsfähige Kalendermonate" abgezogen.
Nach § 72 Abs 3 SGB VI sind nicht belegungsfähig Kalendermonate mit beitragsfreien Zeiten, die nicht auch Berücksichtigungszeiten sind (Nr 1), und Zeiten, in denen eine Rente aus eigener Versicherung bezogen worden ist, die nicht auch Beitrags- oder Berücksichtigungszeiten sind (Nr 2). In Anwendung des § 72 Abs 3 Nr 1 SGB VI hat die Beklagte den festgestellten belegungsfähigen Gesamtzeitraum um die 24 Monate Ersatzzeiten gekürzt. Zu Recht hat sie auch eine Pauschalzeit aus allen Beitragszeiten von 65 Monaten in Abzug gebracht. Dies folgt aus § 263 Abs 2 SGB VI iVm der Anlage 18 zum SGB VI, beide in der seit 1997 geltenden Fassung des WFG, wonach die Anzahl der nicht belegungsfähigen Monate vor dem 1.1.1992 um eine Pauschalzeit in vollen Monaten zu erhöhen war, die - wie hier - bei Beginn der Rente im Juli 1997 21 vH der Beitragszeiten betrug (308 Beitragsmonate x 21 : 100 = 64,68 Monate, aufgerundet gemäß § 121 Abs 3 SGB VI = 65 Monate). Mithin beträgt die Anzahl der im Gesamtzeitraum belegungsfähigen Kalendermonate 524 (= 613 - 24 - 65).
c) Entgegen der Ansicht des Klägers musste die Beklagte nicht auch israelische Versicherungszeiten als nicht belegungsfähige Kalendermonate von der Zahl der im hier maßgeblichen Gesamtzeitraum belegungsfähigen Kalendermonate abziehen. Wie bereits aus dem oben erläuterten Gesamtzusammenhang hervorgeht, sind die "nicht belegungsfähigen Kalendermonate" normativ (und nicht tatsächlich) zu bestimmen. Sind die entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, ist unerheblich, ob und warum konkret ein Versicherter gehindert war, Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung zu entrichten.
Zwar hat es der 4. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 24.7.2001 (SozR 3-2600 § 71 Nr 2 S 20 ff) für völker- und verfassungsrechtlich geboten gehalten, Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich insoweit auf die Gesamtleistungsbewertung nach dem SGB VI zu übertragen, als auch israelische Versicherungszeiten zeitgleich gelagerte Versicherungslücken im deutschen Versicherungsverlauf schließen und daher die Anzahl der mit Beiträgen belegungsfähigen Kalendermonate verringern, mithin dass israelische Versicherungszeiten als nicht belegungsfähige Zeiten im Gesamtzeitraum anzusehen sind und damit die Bewertung von Anrechnungszeiten verbessern (so nochmals BSG 4. Senat Urteile vom 18.5.2006 - B 4 RA 33/05 R - SozR 4-6480 Art 22 Nr 1 RdNr 20 und B 4 RA 34/05 R - Beck RS 2006, 42681 RdNr 21). Der Senat lässt dahingestellt, ob er sich dieser Rechtsprechung anschließt, oder ob Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich - wie die Beklagte meint - mit dem Wegfall der Halbbelegung nach der RVO (§ 1259 Abs 3 RVO ≪entsprechend § 36 Abs 3 AVG = § 56 Abs 2 RKG≫) als Voraussetzung für die Anrechnung von Ausfallzeiten obsolet geworden ist und seit 1992 für die Rentenfestsetzung bzw die Bewertung von Anrechnungszeiten nach dem SGB VI nicht mehr "benötigt" wird (vgl in diesem Sinne auch Gerhard, AmtMittLVA Rheinpr 2002, 309, 310; Polster, DRV 1992, 592, 594).
Selbst wenn der Senat der genannten Rechtsprechung folgen wollte, könnte sie nicht auf die hier allein streitige rentenrechtliche Bewertung von Verfolgungsersatzzeiten übertragen werden. Denn bereits der insoweit eindeutige Wortlaut des Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich spricht gegen eine Ausdehnung seines Anwendungsbereichs auf Ersatzzeiten.
Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich lautet: "Für die Anrechnung von Ausfallzeiten, die nicht pauschal gewährt werden, und für die Hinzurechnung einer Zurechnungszeit stehen den nach den deutschen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Pflichtbeiträgen die nach den israelischen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Pflichtbeiträge gleich, sofern ein deutscher Pflichtbeitrag anrechnungsfähig ist und die nach den israelischen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Pflichtbeiträge auf einer Beschäftigung oder Tätigkeit beruhen." Der mit "sofern" beginnende Halbsatz ist durch das ÄndAbk (dort Art III Buchst a) vom 7.1.1986 (BGBl II 863, 1099) gemäß Gesetz zum ÄndAbk vom 1.9.1986 (BGBl II 862) eingefügt worden. Im Hinblick darauf hat das ÄndAbk (dort Art III Buchst b) auch Nr 7 des Schlussprotokolls (Schlussprot) zum Abk Israel SozSich neu gefasst. Dort heißt es zu Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich: "Bei Verfolgten im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes werden die israelischen Pflichtbeiträge auch ohne Vorliegen eines deutschen Pflichtbeitrages berücksichtigt, wenn in der deutschen Rentenversicherung mindestens ein Beitrag anrechnungsfähig ist." Für die beim Abschluss sowohl des Abk Israel SozSich vom 17.12.1973 (BGBl II 1975, 246, 443) als auch des ÄndAbk vom 7.1.1986 (aaO) von Ausfallzeiten und Zurechnungszeit bereits zu unterscheidenden Ersatzzeiten enthielt Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich somit keine Regelung.
Nach stRspr des BSG (Urteile vom 24.6.1980 - 1 RA 83/79 - Juris RdNr 20; vom 24.6.1980 - SozR 6480 Art 22 Nr 1 S 3; vom 25.2.1992 - SozR 3-6480 Art 22 Nr 1 S 8; vom 30.6.1997 - 4 RA 69/96 - Juris RdNr 15) ist bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge, insbesondere - wie hier - zwischenstaatlicher Sozialversicherungsabkommen, in erster Linie von dem Wortlaut des Vertragstextes auszugehen. Denn diesem kommt bei der Auslegung im Allgemeinen eine größere Bedeutung zu als dem Wortlaut des Gesetzes bei der Auslegung innerstaatlichen Rechts. Das schließt allerdings die Heranziehung anderer Auslegungskriterien neben dem Vertragstext nicht aus. Mit der gebotenen Zurückhaltung können auch andere Auslegungsmethoden als eine reine Wortlautinterpretation angewendet werden. So ist für die Auslegung neben dem Wortlaut des Abkommens auch der Wille der Vertragsparteien zu berücksichtigen, wie er sich aus Entstehung, Inhalt und Zweck des Vertrages und der auszulegenden Einzelbestimmung ergibt (BSG aaO). Aber auch hieraus lässt sich im Sinne des Klagebegehrens nichts entnehmen.
Aus den Materialien zum Abk Israel SozSich ergeben sich keine Hinweise dafür, dass Art 22 Nr 3 in seiner Ursprungsfassung des Abk Israel SozSich vom 17.12.1973 oder in seiner (jetzt geltenden) Fassung durch das ÄndAbk vom 7.1.1986 iVm dem Schlussprot über seinen Wortlaut hinaus auch auf Ersatzzeiten anwendbar sein soll (vgl Denkschrift zum Abk Israel SozSich vom 17.12.1973, BT-Drucks 7/2783, S 11; Denkschrift zum ÄndAbk vom 7.1.1986, BT-Drucks 10/5526, S 7 zu Art III).
Aus Sinn und Zweck des Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich lässt sich ebenfalls nichts dafür herleiten, dass diese Abkommensbestimmung auch für die "Anrechnung" von Ersatzzeiten gelten soll. Vielmehr hat der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 24.7.2001 (aaO) unter Darstellung der Entstehungszusammenhänge aufgezeigt, dass Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich von Anfang an stets (und nur) den Zweck hatte, israelischen Versicherten in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung die Anrechnung vor allem von Ausbildungs-Ausfallzeiten (jetzt Ausbildungs-Anrechnungszeiten) insbesondere durch die Erleichterung der Erfüllung der sog Halbbelegung (§ 1259 Abs 3 RVO = § 36 Abs 3 AVG = § 56 Abs 2 RKG) zu sichern (aaO S 21). In seinen Urteilen vom 18.5.2006 hat der 4. Senat nochmals ausdrücklich hervorgehoben (B 4 RA 33/05 R - SozR 4-6480 Art 22 Nr 1 RdNr 15; B 4 RA 34/05 R - Beck RS 2006, 42681 RdNr 16), dass Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich ausschließlich Ausfallzeiten zum Gegenstand hat und dass das Gleiche auch für Nr 7 Schlussprot Abk Israel SozSich gilt; denn diese Norm ergänzt lediglich Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich, indem sie ns-verfolgte israelische Versicherte bezüglich der Anrechnung von Ausfallzeiten begünstigt. Dementsprechend ist auch in anderen Entscheidungen des BSG zu Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich (Urteile vom 24.6.1980 - 1 RA 83/79 - Juris; vom 24.6.1980 - SozR 6480 Art 22 Nr 1; vom 21.2.1985 - SozR 5750 Art 2 § 9a Nr 14; vom 25.2.1992 - SozR 3-6480 Art 22 Nr 1; vom 30.6.1997 - 4 RA 69/96 - Juris) diese Norm ausschließlich im Rahmen der Anrechnung von Ausfallzeiten erörtert worden.
Dies wird dadurch bestätigt, dass sowohl bei Abschluss des Abk Israel SozSich vom 17.12.1973 als auch bei Abschluss des ÄndAbk vom 7.1.1986 nach dem damals geltenden deutschen Rentenrecht im Rahmen der Anrechnung von Ersatzzeiten die Halbbelegung ebenfalls eine Rolle spielte (§ 1251 Abs 2 Satz 2 Buchst c RVO = § 28 Abs 2 Satz 2 Buchst c AVG = § 50 Abs 3 Satz 2 Buchst c RKG), ohne dass die Vertragsparteien Anlass sahen, auch hierauf die Erleichterung des Art 22 Abs 3 Abk Israel SozSich auszudehnen. Bereits damals wurde also keine Notwendigkeit einer - wie die Revision meint - "notwendigen Gleichbehandlung sämtlicher beitragsfreier Zeiten" gesehen.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Anrechnung der Verfolgungsersatzzeiten unabhängig davon erfolgt, ob der Kläger in Israel ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis eingegangen ist und dort - gegebenenfalls sogar zeitgleich - Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet hat. § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI hat - wie die Vorgängervorschrift des § 1251 Abs 1 Nr 4 RVO (= § 28 Abs 1 Nr 4 AVG = § 51 Abs 1 Nr 4 RKG) - den Sinn, den Verfolgten dafür zu entschädigen, dass allein der (erzwungene) Aufenthalt im Ausland dem Erwerb inländischer Versicherungszeiten entgegenstand (BSG Urteile vom 15.10.1985 - BSGE 59, 23, 25 f = SozR 2200 § 1251 Nr 116 S 324 f; vom 21.8.1986 - SozR 2200 § 1251 Nr 120 S 342; Senatsurteil vom 29.3.2006 - SozR 4-2600 § 250 Nr 2 RdNr 21). Die Vorschrift sieht die Anrechnung einer Verfolgungszeit bis zum 31.12.1949 allein aufgrund der Tatsache vor, dass der Verfolgte sich infolge Verfolgungsmaßnahmen im Ausland aufgehalten hat (vgl BSG Urteile vom 5.7.1978 - SozR 2200 § 1251 Nr 49 S 122; vom 22.9.1983 - SozR 2200 § 1251 Nr 106 S 297; Senatsurteil vom 29.3.2006 aaO). Wenn aber Ersatzzeiten unabhängig davon anzurechnen sind, ob zeitgleich ausländische (israelische) Beitragszeiten zurückgelegt wurden, können derartige Beitragszeiten auch die Bewertung von Ersatzzeiten nicht positiv beeinflussen.
Da auch keine Vorschrift des Abk Israel SozSich für die Bewertung von Verfolgungsersatzzeiten im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung des SGB VI eine Berücksichtigung israelischer Versicherungszeiten als - Versicherungslücken füllende - nicht belegungsfähige Kalendermonate vorsieht, gilt insoweit Art 21 Abs 1 Abk Israel SozSich, wonach für die Rentenberechnung die "Bemessungsgrundlagen" aus den Versicherungszeiten gebildet werden, die nach den anzuwendenden (dh den innerstaatlichen) Vorschriften zu berücksichtigen sind.
d) Die Beklagte hat daher zu Recht - wie sich aus der Anlage 4 zum Rentenbescheid vom 20.10.2005 im Einzelnen ergibt - zum Zwecke der Grundbewertung die EP für alle Beitragszeiten (25,9488) durch die Anzahl der im Gesamtzeitraum belegungsfähigen Monate (524) geteilt, ohne dabei die israelischen Versicherungszeiten des Klägers zu berücksichtigen, und so den Durchschnittswert von 0,0495 EP ermittelt (vgl § 72 Abs 1 SGB VI). Dieser war der Bewertung der Ersatzzeiten des Klägers für jeden Kalendermonat zugrunde zu legen, da die Vergleichsbewertung (§ 73 SGB VI) nur einen Durchschnittswert von 0,0416 EP ergab. Folglich hat die Beklagte zutreffend für die 24 Monate Ersatzzeiten (0,0495 EP x 24 =) 1,1880 EP berücksichtigt.
Zählt man zu diesen EP für die beitragsfreien Ersatzzeiten die EP für die Beitragszeiten von 25,9488 EP hinzu und multipliziert diese Summe (27,1368 EP) gemäß § 64 SGB VI mit dem zum Zahlungsbeginn am 1.12.2005 maßgeblichen aktuellen Rentenwert (26,13 Euro), dem Rentenartfaktor (1,0) und dem Zugangsfaktor (1,0), ergibt sich der von der Beklagten im Bescheid vom 20.10.2005 festgestellte Monatsbetrag der Rente von 709,08 Euro (= 27,1368 x 1 x 1 x 26,13). Entsprechend errechnet sich - wie von der Beklagten in der Anlage 1 des Bescheids vom 20.10.2005 im Einzelnen dargestellt - die unter Anwendung der Vierjahresfrist des § 44 Abs 4 SGB X für die Zeit vom 1.1.2001 bis 30.11.2005 unter Anrechnung der bereits gezahlten Rentenbeträge bewilligte Rentennachzahlung von 1825,61 Euro.
e) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die rentenrechtliche Bewertung der Verfolgungsersatzzeiten bestehen nicht. Denn die Ersatzzeiten sind als beitragsfreie Zeiten - wie dargestellt - nach den rechtlichen Vorgaben des SGB VI im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung (zu deren Verfassungsmäßigkeit s BSG Urteil vom 18.4.1996 - BSGE 78, 138 = SozR 3-2600 § 71 Nr 1; Senatsurteil vom 17.12.1997 - SozR 3-2600 § 263 Nr 2; vgl auch BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 9.1.2006 - SozR 4-2600 § 250 Nr 1) bei der Rentenbemessung berücksichtigt worden. Insoweit wird der Kläger aber wie jeder andere Versicherte in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung behandelt, also nicht unter Verletzung des Gleichbehandlungsgebots (Art 3 Abs 1 GG) verfassungswidrig benachteiligt.
Schließlich ist auch das Eigentumsgrundrecht des Klägers (Art 14 Abs 1 GG) nicht verletzt. Da seine Verfolgungsersatzzeiten im Rahmen der "normalen" Bewertung nach dem SGB VI berücksichtigt wurden, liegt kein verfassungswidriger Eingriff in durch Art 14 Abs 1 GG eigentumsgrundrechtlich geschützte Vermögensdispositionen des Klägers vor. Seinem in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Eigentumsgrundrecht ist durch die von der Beklagten vorgenommene Wertfeststellung in vollem Umfang Rechnung getragen worden. Insoweit liegt auch kein Eingriff in die eigentumsgrundrechtlich geschützte Rechtsposition vor, die der Kläger durch die Regelungen zum Abk Israel SozSich erworben hat. Diese haben nach Transformation in die bundesdeutsche Rechtsordnung den Rang eines Parlamentsgesetzes (Art 59 Abs 2 GG). Insoweit konnte der Kläger aber von vornherein ein Eigentumsgrundrecht nur in dem Umfang erlangen, wie die Vertragsparteien des Abk Israel SozSich dies ausgestaltet haben. Art 22 Nr 3 Abk Israel SozSich bezieht sich aber - wie ausgeführt - nur auf die "Anrechnung von Ausfallzeiten" und die "Hinzurechnung einer Zurechnungszeit", nicht jedoch auf die Bewertung von Ersatzzeiten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 2591512 |
NZS 2011, 587 |
SGb 2011, 157 |