Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Sonderfall des Bemessungsentgeltes. Vorbezug von Unterhaltsgeld. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Nichteinbeziehung des Unterhaltsgeldes in die Regelung des § 133 Abs 1 SGB 3 verletzt nicht den Gleichheitsgrundsatz, jedenfalls solange es sich um anwartschaftsbegründende Zeiten des Unterhaltsgeld-Bezuges unter Geltung des AFG handelt.
Normenkette
SGB III § 133 Abs. 1 S. 1 F: 1997-12-16; AFG § 112 Abs. 5 Nr. 2a F: 1977-12-12, § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Fassung: 1979-07-23, § 107 S. 1 Nr. 5 Buchst. d F: 1991-12-06; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 20. September 2002 geändert und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 26. September 2000 zurückgewiesen, soweit ein höheres Arbeitslosengeld als 224 DM wöchentlich im Streit steht.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 1. Juni 1999 bis 19. Oktober 1999.
Der am 1. Januar 1947 geborene Kläger war vom 1. Oktober 1991 bis 31. Mai 1995 als Hausmeister beschäftigt. Vom 1. Juni 1995 bis 9. September 1995 bezog er von der Beklagten Alg. Im Zeitraum vom 11. September 1995 bis zum 5. Juli 1996 (letzter Unterrichtstag) nahm der Kläger an einer von der Beklagten geförderten beruflichen Bildungsmaßnahme teil. Hierfür wurde ihm Unterhaltsgeld (Uhg) bewilligt, das zuletzt 311,40 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 850,00 DM wöchentlich; Leistungsgruppe A) betrug. Danach war der Kläger ab 8. Juli 1996 bis 31. Mai 1999 erneut als Hausmeister beschäftigt. Am 29. April 1999 meldete er sich zum 1. Juni 1999 arbeitslos. In der Zeit vom Mai 1998 bis April 1999 erzielte er ein Gesamtbruttoarbeitsentgelt von 24.546,79 DM bei einer durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Stunden in der Woche.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger ab 1. Juni 1999 Alg für 780 Anspruchstage in Höhe von 208,95 DM wöchentlich (Bemessungsentgelt 470,00 DM; Leistungsgruppe A; Bescheid vom 15. Juni 1999). Der Kläger macht seit dem Widerspruchsverfahren geltend, ihm stehe höheres Alg unter entsprechender Anwendung der Norm des § 133 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) zu. Ihm sei Alg in der Höhe des ihm während der Weiterbildungsmaßnahme zuletzt bis zum 6. Juli 1996 gezahlten Uhg zu bewilligen. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 1999). Die Klage blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Potsdam vom 26. September 2000).
Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte unter Änderung ihrer Bescheide verurteilt, dem Kläger vom 1. Juni 1999 bis 19. Oktober 1999 Alg unter Zugrundelegung eines Bemessungsentgelts von 900,00 DM wöchentlich zu gewähren. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe bei entsprechender (verfassungskonformer) Auslegung des § 133 Abs 1 SGB III für den streitgegenständlichen Zeitraum (1. Juni 1999 bis 19. Oktober 1999) höheres Alg zu. Nach dieser Vorschrift sei Bemessungsentgelt das Entgelt, nach dem das Alg oder die Arbeitslosenhilfe (Alhi) zuletzt bemessen worden sei, wenn der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Alg oder Alhi bezogen habe. Diese Voraussetzungen seien nach dem Wortlaut der Vorschrift zwar nicht erfüllt, da der Kläger innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs (im Zeitraum vom 1. Juni 1996 bis 31. Mai 1999) zu keinem Zeitpunkt Alg oder Alhi bezogen habe. Der Wortlaut der Vorschrift sei auch eindeutig. Das Uhg, welches der Kläger zumindest bis zum 6. Juli 1996 bezogen habe, sei in § 133 Abs 1 SGB III nicht genannt. Der Ausschluss des Uhg aus der Norm des § 133 Abs 1 SGB III lasse sich jedoch im Hinblick auf Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) nicht rechtfertigen. Der allgemeine Gleichheitssatz sei hier verletzt, weil die ungleiche Behandlung der Bezieher von Alg und Uhg evidentermaßen mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten sachgerechten Betrachtungsweise unvereinbar sei; ein einleuchtender Grund für die gewählte Differenzierung fehle. § 133 Abs 1 SGB III erlaube jedoch eine verfassungskonforme Auslegung, nach der diese Norm dem Maßstab des Art 3 Abs 1 GG standhalten könne. Die Norm stelle nach der Gesetzesbegründung eine Privilegierung derjenigen Arbeitslosen dar, die eine vorhergehende Arbeitslosigkeit mit Bezug von Alg oder Alhi dadurch beendet hätten, dass sie eine Beschäftigung mit einem geringeren als das dem Alg zu Grunde gelegte Entgelt aufgenommen hätten und nunmehr arbeitslos geworden seien. Arbeitslose sollten vor Nachteilen bei Aufnahme einer geringer entlohnten Beschäftigung durch die Vorschrift geschützt und ihre Bereitschaft erhöht werden, ihre Arbeitslosigkeit auch durch Aufnahme einer geringer belohnten Beschäftigung zu beenden. In Betracht komme daher eine verfassungskonforme Auslegung des § 133 Abs 1 SGB III. Danach gehe auch ein höheres Entgelt, das dem Bezug von Uhg in den letzten drei Jahren vor der Entstehung des Anspruchs zu Grunde gelegen habe, gegenüber dem Entgelt aus dem Bemessungszeitraum nach §§ 130, 131 SGB III vor. Insbesondere im Hinblick auf den vom Gesetzgeber verfolgten Sinn und Zweck der Regelung sei nicht erkennbar, warum die vom Gesetz erwünschte Zwischenbeschäftigung im Anschluss an eine ganztägige Weiterbildungsmaßnahme mit Bezug von Uhg anders behandelt werden solle als der Bezug von Alg oder Alhi durch den Arbeitslosen im selben Zeitraum. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass dem Uhg Lohnersatzfunktion zukomme. Dem Kläger stehe mithin ein Anspruch auf Alg unter Zugrundelegung des Bemessungsentgelts zu, nach dem er im Juli 1996 Uhg bezogen habe (850,00 DM wöchentlich). Dieses sei zu dynamisieren, sodass ihm nach den zwischenzeitlichen Dynamisierungen Alg nach einem Bemessungsentgelt von 900,00 DM wöchentlich zustehe.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 133 Abs 1 SGB III. Diese Bestandsschutzregelung sei nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur dann anzuwenden, wenn der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Alg oder Alhi bezogen habe. Die Norm sei sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach der Intention des Gesetzgebers ausschließlich auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit beschränkt und nicht auf das Uhg anzuwenden. Im Übrigen enthalte das SGB III keine Regelung, wonach das Alg bzw die Alhi zusammen mit dem Uhg eine Anspruchseinheit bildeten. Eine solche Anspruchseinheit sei auch von der Gesetzeskonzeption her nicht gewollt. Beispielhaft zu erwähnen seien hier die § 190 Abs 1 Nr 4 und § 192 SGB III. Wäre das Uhg mit dem Alg gleichgestellt, so würde sich die Regelung in § 192 Satz 2 Nr 4 SGB III, wonach sich die Vorfrist um Zeiten des Bezugs von Uhg verlängere, erübrigen. Der Anwendungsbereich der Norm lasse sich auch nicht im Wege der Auslegung auf das Uhg erstrecken. Der Gesetzgeber habe ganz bewusst die Bestandsschutzregelung auf zuvor bezogenes Alg bzw zuvor bezogene Alhi beschränkt. Durch den relativ langen Zeitraum von drei Jahren, in dem ein Bezug von Alg bzw Alhi vorliegen müsse, werde auch evtl verfassungsrechtlichen Bedenken wegen der Nichtberücksichtigung anderer Lohnersatzleistungen Rechnung getragen. Schließlich könnte die Berücksichtigung von Uhg auch zu nicht gerechtfertigten Vorteilen führen. Das Uhg müsste nämlich immer berücksichtigt werden, wenn es sich hierbei um die letzte vor Entstehung des Anspruchs bezogene Leistung handele, dh auch dann, wenn vor dem Uhg-Bezug noch innerhalb der Dreijahresfrist Alg bzw Alhi bezogen worden sei. Sei beispielsweise das Uhg nach der Härteregelung des § 158 Abs 2 SGB III zu bemessen gewesen, würde die Gleichstellung des Uhg zu einem erheblich höheren Bemessungsentgelt führen, was sicherlich nicht gewollt gewesen sein könne. Ein ungerechtfertigter Vorteil würde auch zumindest nach der ab 1. August 1999 geltenden Rechtslage entstehen, wenn das nach dem Alg bzw der Alhi bezogene Uhg angepasst würde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG für das Land Brandenburg vom 20. September 2002 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Potsdam vom 26. September 2000 zurückzuweisen, soweit ein höheres Arbeitslosengeld als 224,00 DM wöchentlich im Streit steht.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er beruft sich auf den Inhalt des angefochtenen Urteils. Er verweist insbesondere darauf, dass eine Sperrzeit eingetreten wäre, wenn er die Teilnahme an der Umschulungsmaßnahme abgelehnt hätte. Die Gewährung von Uhg sei hier nicht zwingend das Ergebnis einer vom Arbeitslosen gewählten Gestaltung des Sozialrechtsverhältnisses, sondern die Folge einer vom Arbeitsamt unter Androhung einer Sperrzeit auferlegten Weiterbildungsmaßnahme.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des LSG beruht auf einer Verletzung des § 133 Abs 1 Satz 1 SGB III (idF, die die Norm durch das Erste SGB III-Änderungsgesetz ≪1. SGB III-ÄndG≫ vom 16. Dezember 1997, BGBl I 2970 erhalten hat), weshalb es aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen ist. Entgegen der Rechtsansicht des LSG ist es jedenfalls dann nicht geboten, den Bezug von Uhg dem Bezug von Alg oder Alhi in § 133 Abs 1 Satz 1 SGB III gleichzustellen, wenn die Zeit des Uhg-Bezugs vor dem Inkrafttreten des SGB III am 1. Januar 1998 lag und damit noch zur Begründung einer Anwartschaftszeit dienen konnte.
Dem Kläger stand für den streitigen Zeitraum vom 1. Juni 1999 bis zum 19. Oktober 1999 kein höheres Alg als das zuletzt durch Änderungsbescheid vom 21. September 2000 unter Berücksichtigung des § 434c Abs 1 SGB III (idF des Einmalzahlungs-Neuregelungsgesetzes vom 21. Dezember 2000, BGBl I 1971) bewilligte in Höhe von wöchentlich 224,00 DM zu. Der geltend gemachte Anspruch auf höheres Alg ist unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt zu prüfen (vgl hierzu zuletzt das Urteil des Senats vom 27. Mai 2003 – B 7 AL 6/02 R – mit zahlreichen weiteren Nachweisen, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Das LSG hat hier im Einzelnen sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für die geltend gemachte Leistung dem Grunde und der Höhe nach geprüft und zutreffender Weise bejaht, wobei es allerdings die pauschale Erhöhung des Bemessungsentgelts nach § 434c Abs 1 SGB III und den diese Vorschrift umsetzenden Änderungsbescheid unberücksichtigt gelassen hat.
Zu Unrecht ist das LSG jedoch davon ausgegangen, dass dem Kläger höheres Alg auf Grund der Sondervorschrift des § 133 Abs 1 Satz 1 SGB III zusteht. § 133 Abs 1 Satz 1 SGB III lautet: “Hat der Arbeitslose innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des Anspruchs Alg oder Alhi bezogen, ist Bemessungsentgelt mindestens das Entgelt, nach dem das Alg oder die Alhi zuletzt bemessen worden ist.” Der Kläger hat – was auch das LSG nicht verkannt hat – in den letzten drei Jahren vor der Entstehung des neuen Anspruchs auf Alg am 1. Juni 1999 – also in dem Zeitraum vom 1. Juni 1996 bis 31. Mai 1999 – weder Alg noch Alhi bezogen.
Allerdings hat der Kläger bis zum 6. Juli 1996 (also innerhalb der letzten drei Jahre vor der Entstehung des neuen Anspruchs auf Alg) Uhg nach einem höheren Bemessungsentgelt (870,00 DM) bezogen. Auf dieses, dem Uhg zu Grunde liegende Bemessungsentgelt, kann allerdings nicht in entsprechender oder verfassungskonformer Anwendung bzw Auslegung des § 133 Abs 1 Satz 1 SGB III zurückgegriffen werden, weil der Bezug von Uhg – jedenfalls für Zeiträume vor dem 1. Januar 1998 – nicht dem Bezug von Alg oder Alhi gleichgestellt werden kann.
Denn vor dem 1. Januar 1998 bestanden im Rechtscharakter von Uhg einerseits und Alg/Alhi andererseits so wesentliche Unterschiede, dass eine entsprechende Ausdehnung der Regelung des § 133 Abs 1 Satz 1 SGB III auf das vor dem genannten Zeitpunkt bezogene Uhg nicht in Betracht kommt und auch nicht aus Gleichheitsgründen (Art 3 Abs 1 GG) geboten ist. Dies hat der Senat im Einzelnen bereits zu der § 133 Abs 1 Satz 1 SGB III im Wesentlichen entsprechenden Vorschrift des § 112 Abs 5 Nr 2a Arbeitsförderungsgesetz ≪AFG≫ (idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des AFG vom 12. Dezember 1977, BGBl I 2557 ≪4. AFG-ÄndG≫) entschieden (Urteil des Senats vom 22. Juli 1982 – 7 RAr 107/81 –, DBlR Nr 2793a zu § 112 AFG).
Jedenfalls für Zeiträume des Uhg-Bezugs vor dem 1. Januar 1998 hat sich seitdem hinsichtlich der maßgeblichen rechtlichen Erwägungen des Senats keine durchgreifende Änderung ergeben. § 112 Abs 5 Nr 2a AFG lautete: “Bei der Feststellung des Arbeitsentgelts ist zu Grunde zu legen … für die Zeit einer Beschäftigung, die im Rahmen einer Maßnahme zur Arbeitsbeschaffung nach den §§ 91 bis 96 gefördert worden ist oder die der Arbeitslose innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Bezugs von Alg oder Alhi ausgeübt hat, mindestens das Arbeitsentgelt nach dem das Alg oder die Alhi zuletzt bemessen worden ist; …”. Wie die Materialien zum 4. AFG-ÄndG ausweisen (vgl BT-Drucks 8/1053, S 13) war auch die vom Gesetzgeber intendierte Zielrichtung des § 112 Abs 5 Nr 2a AFG mit der des § 133 Abs 1 Satz 1 SGB III vergleichbar (zu den Motiven des Gesetzgebers des SGB III vgl insoweit BT-Drucks 13/4991, S 178 zu § 133 Abs 1). Durch beide Normen sollte generell die Bereitschaft des Arbeitslosen gefördert werden, auch eine niedriger vergütete Zwischenbeschäftigung aufzunehmen, weil er sicher sein kann, dass bei einem späteren Leistungsbezug auf das zuvor bezogene, höhere Alg zurückgegriffen wird.
Eine Gleichstellung des in § 112 Abs 5 Nr 2a AFG nicht erwähnten Uhg mit dem Alg oder der Alhi hat der Senat bereits damals abgelehnt (aaO), weil § 112 Abs 5 Nr 2a AFG als Sondervorschrift eng auszulegen, der Wortlaut der Norm eindeutig und keiner Interpretation zugänglich sei und schließlich nicht unterstellt werden könne, der Gesetzgeber habe die Einbeziehung der Uhg-Bezieher in die Vergünstigungen des § 112 Abs 5 Nr 2a AFG schlichtweg übersehen. Diese Gesichtspunkte gelten sinngemäß auch für eine Auslegung des § 133 Abs 1 Satz 1 SGB III. Maßgebend für den Senat war damals aber insbesondere, dass das Gesetz den Uhg-Empfänger grundsätzlich nicht als Arbeitslosen behandeln wollte. Dies folgt aus § 107 Abs 1 Nr 5 AFG (damals idF des Fünften Gesetzes zur Änderung des AFG ≪5. AFG-ÄndG≫ vom 23. Juli 1979, BGBl I 1189), nach dem Zeiten einer Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Bildung, die zum Bezug von Uhg führt, den Zeiten einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleichgestellt wurden. Denn in der sozialpolitischen Zielsetzung der Leistungen Alg und Uhg bestand (jedenfalls damals) ein systematischer Unterschied (Senatsurteil vom 22. Juli 1982 – 7 RAr 107/81 –, DBlR Nr 2793a zu § 112 AFG –). Dieser Unterschied lag darin, dass der Uhg-Bezieher eben gerade kein Arbeitsloser sein sollte, sondern einem Beschäftigten gleichstand. Dieser Unterschied stellt auch verfassungsrechtlich (Art 3 Abs 1 GG) den rechtfertigenden Grund für den Gesetzgeber dar, Alg/Alhi und Uhg im Rahmen des § 112 Abs 5 Nr 2a AFG unterschiedlich zu behandeln.
Nichts anderes gilt für den Fall des Klägers. Auch noch zu dem Zeitpunkt, als dieser im vorliegenden Falle 1995/1996 Uhg erhielt, war nach § 107 Satz 1 Nr 5 Buchst d AFG (idF die die Norm des § 107 durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 6. Dezember 1991, BGBl I 2142 erhalten hat) der Uhg-Bezug als sog Gleichstellungszeit den Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichgestellt und damit von der rechtlichen Konzeption her etwas grundlegend anderes als der Bezug von Alg. Zutreffend hat daher auch das LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 16. Oktober 2002 – L 2 AL 63/01), das dem Urteil des Senats vom heutigen Tage in dem Revisionsverfahren B 7 AL 102/02 R zu Grunde liegt, ausgeführt, dass eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung iS des Art 3 Abs 1 GG von Alg/Alhi und Uhg-Beziehern im Rahmen des § 133 Abs 1 Satz 1 SGB III jedenfalls nicht vorliegt, solange es sich um den Bezug von anwartschaftsbegründendem Uhg gehandelt hat.
Diese Überlegung wird auch durch die tatsächliche Gestaltung der Verhältnisse im vorliegenden Fall bestätigt. Dem Kläger wurde nach den Feststellungen des LSG auf Grund seiner Antragstellung und Arbeitslosmeldung zum 1. Juni 1999 ein Alg-Anspruch für 780 Tage bewilligt (Bewilligungsbescheid vom 15. Juni 1999). Allein auf Grund seines Lebensalters und der Beschäftigungszeit als Hausmeister vom 8. Juli 1996 bis 31. Mai 1999 hätte ihm aber ein Anspruch lediglich mit einer Anspruchsdauer von 16 Monaten zustehen können (vgl § 127 Abs 2 SGB III). Mithin hat die Beklagte im Rahmen des § 127 Abs 2 SGB III bei der Ermittlung der Anspruchsdauer zu Gunsten des Klägers (und zu Recht, was aus § 427 Abs 3 SGB III folgt) die Zeit des Uhg-Bezugs im Jahre 1995/1996 anspruchsverlängernd berücksichtigt. Mit seiner Uhg-Bezugszeit im Jahre 1995/1996 hätte der Kläger hier – eine entsprechende Dauer der Maßnahme unterstellt – grundsätzlich also auch einen neuen, eigenen Anspruch auf Alg erwerben können. Hierin liegt der wesentliche Unterschied zum Alg-Bezug. Deshalb kann der Kläger nicht fordern, dass diese – einer Beschäftigungszeit anspruchsbegründend gleichgestellte – Zeit des Uhg-Bezugs ebenfalls noch im Rahmen des § 133 Abs 1 Satz 1 SGB III Berücksichtigung finden müsste. Der Senat sieht deshalb auch keine Veranlassung, seine Entscheidung vom 22. Juli 1982 (aaO) in Frage zu stellen.
Nichts anderes folgt aus dem Umstand, dass nach § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB III (idF des AFRG, aaO) Zeiten des Uhg-Bezugs in die Rahmenfrist – innerhalb derer für die Erfüllung der Anwartschaftszeit bestimmte Zeiten in einem Versicherungspflichtverhältnis zurückzulegen sind (§ 123 SGB III) – nicht eingerechnet werden. Diese Regelung hat auf die Höhe des Bemessungsentgelts keinen Einfluss. Aus ihr lässt sich auch kein Argument dafür entnehmen, dass aus Gleichheitsgründen im Rahmen des § 133 Abs 1 SGB III der Uhg-Bezug dem des Bezugs von Alg oder Alhi gleichzustellen sei; denn die Regelung des § 124 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB III macht gerade deutlich, dass Uhg und Alg/Alhi verschiedenen Prinzipien folgen, die nicht beliebig hin und her verschoben werden können.
Ob etwas anderes für Zeiten des Uhg-Bezugs nach dem 1. Januar 1998 gilt, lässt der Senat offen. Allerdings spricht für die vom LSG in Bezug genommene Auffassung (vgl Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 133 RdNr 4), dass mit dem SGB III die Gleichstellungszeiten in § 107 AFG gänzlich entfallen sind. Durch den Bezug von Uhg kann also nach dem SGB III ein neuer Alg-Anspruch nicht mehr erworben werden. Für eine gewisse Angleichung von Uhg und Alg spricht auch § 116 SGB III, der das Uhg in Nr 2 gleichberechtigt und gleichrangig als Entgeltersatzleistung neben dem Alg (§ 116 Nr 1 SGB III) und der Alhi (§ 116 Nr 6 SGB III) nennt (zum Entgeltersatzcharakter des Uhg vgl zuletzt das Urteil des Senats vom 3. Juli 2002 – B 7 AL 46/02 R –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Zu berücksichtigen könnte hierbei schließlich auch sein, dass der Gesetzgeber durch das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (BGBl I 4607) mit Wirkung zum 1. Januar 2003 Alg und Uhg nochmals weiter angenähert hat, indem er in § 128 Abs 1 Nr 8 SGB III nunmehr vorschreibt, dass sich der Anspruch auf Alg jeweils um einen Tag für jeweils zwei Tage mindert, für die ein Anspruch auf Uhg erfüllt worden ist. Zumindest ab diesem Zeitpunkt könnten die vom LSG und vom Kläger angeführten Gesichtspunkte (drohende Sperrzeit bei Ablehnung einer Maßnahme) für eine notwendige Gleichstellung des Uhg mit dem Alg in § 133 Abs 1 SGB III zutreffen, was aber im vorliegenden Fall ebenso offen bleiben kann wie die Frage, welche rechtlichen Konsequenzen aus der möglichen (unbewussten) Lückenhaftigkeit des § 133 Abs 1 Satz 1 SGB III im Hinblick auf das Uhg zu ziehen wären.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
FA 2004, 95 |
NZS 2004, 439 |
SozR 4-4300 § 133, Nr. 1 |
GuS 2003, 62 |