Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 04.10.1963) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. Oktober 1963 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Der Rechtsstreit betraf außer der Beurteilung verfahrensrechtlicher Vorgänge die Frage, ob der Kläger, der als Stundenbuchhalter nebeneinander für verschiedene Betriede tätig war, während seiner Tätigkeit für den beklagten Maurermeister vom 1. April. 1956 bis 12. September 1957 sozialversicherungspflichtig war.
Der Kläger arbeitete von etwa Juni 1955 bis 12. September 1957 stundenweise als Buchhalter in dem Baugeschäft des Beklagten. In den Jahren 1956 bis 1957 war er als Stundenbuchhalter auch für einen Fleischwarenbetrieb und für einen Geflügelzüchter tätig.
Der Kläger erhielt vom Beklagten ein Honorar, das nach der zur Erledigung der übertragenen Arbeiten benötigten Stundenzahl bemessen war. Er teilte sich seine Arbeitszeit im Betrieb des Beklagten frei nach Wochentagen, Tageszelten und Dauer selbst ein. In der Regel arbeitete er an zwei aufeinanderfolgenden Tagen in der Woche und bestimmte selbst sein Wiederkommen. Gelegentlich wurde ihm gesagt, was zu erledigen sei. Genaue Weisungen erhielt, er nicht. Seine Arbeitszeit in den einzelnen Monaten war von sehr unterschiedlicher Länge, wie das Landessozialgericht (LSG) aus den Honorarquittungen des Klägers festgestellt hat. Bei den anderen Betrieben teilte sich der Kläger seine Arbeit in ähnlicher Weise wie beim Beklagten ein.
Für den Kläger waren für 1956 drei Lohnsteuerkarten und für 1957 zwei Karten ausgestellt. Das Finanzamt hat Lohnsteuerpflicht angenommen. Der Kläger besaß keine Zulassung oder Erlaubnis zu einer selbständigen Tätigkeit als Helfer in Steuersachen.
Seit 3. Mai 1956 war der Kläger Mitglied der bei geladenen Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK). Diese hat ihn als versicherungspflichtiges Mitglied geführt, aber wegen der Tätigkeit bei mehreren Betrieben von ihm nur die Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung (KrV) eingezogen (§ 127 Abs. 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes –AVG– nF). Sonst war die beigeladene Innungskrankenkasse (IKK) für die KrV der versicherungspflichtigen Beschäftigten des Beklagten zuständig.
1957 erhob der Kläger beim Arbeitsgericht Bielefeld Klage gegen den beklagten Maurermeister auf Nachzahlung von erhöhtem Tarifgehalt, Gehalt für Krankheitstage und Urlaubsabgeltung sowie auf Zahlung von Arbeitgeberanteilen. Das Arbeitsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, ein Arbeitsverhältnis habe nicht bestanden (Urteil vom 7. März 1958). Das Landesarbeitsgericht (LArbG) Kamm hat das Verfahren bis zur Entscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren ausgesetzt.
Auf eine vom LArbG geäußerte Rechtsauffassung hin hat der Kläger im Mai 1958 beim Sozialgericht (SG) Stuttgart Klage gegen den Beklagten auf Feststellung erhoben, daß er während seiner Tätigkeit vom 1. April 1956 bis 12. September 1957 bei ihm der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe. Der Beklagte ist der Auffassung, es habe sich nicht um ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis, sondern um eine freie Tätigkeit gehandelt. Das SG Stuttgart hat nach der Gestaltung der Tätigkeit festgestellt, daß der Kläger vom 1. April 1956 bis 12. September 1957 der Sozialversicherungspflicht unterlegen habe (Urteil vom 15. Juni 1959). Arbeitslosenversicherungspflicht hat es verneint, weil der Kläger weniger als 24 Stunden in der Woche bei einem Arbeitgeber gearbeitet habe.
Der Beklagte hat Berufung eingelegt. Nachdem das LSG die Beigeladenen zum Verfahren hinzugezogen hatte (§ 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–), stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) mit Bescheid vom 13. September 1961 fest, daß der Kläger in seiner Tätigkeit als Stundenbuchhalter beim Beklagten angestelltenversicherungspflichtig gewesen sei. Den Widerspruch des Beklagten wies sie mit Bescheid vom 14. November 1961 zurück. Die Rechtsmittelbelehrung lautet dahin, daß der Widerspruchsbescheid gemäß § 96 SGG Gegenstand des beim LSG anhängigen Verfahrens sei.
Der Beklagte erhob gegen die BfA mit Schriftsatz vom 2. Oktober 1963 Widerklage. Er beantragte, das Urteil des SG sowie die Bescheide der BfA aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragte, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen sowie dessen Klage gegen die Bescheide der BfA abzuweisen.
Die DAK beantragte, die Berufung des Beklagten und dessen Widerklage auf Aufhebung der Bescheide der BfA abzuweisen.
Die BfA beantragte, die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Klage gegen ihre Bescheide abgewiesen wird.
Die IKK stellte keinen Antrag; sie sei wegen Verjährung von Beitragsforderungen für die Zeit vom 1. April bis 2. Mai 1956 am Ausgang des Rechtsstreits nicht interessiert.
Das LSG Baden-Württemberg hat das Urteil des SG auf gehoben, die Klage des Klägers abgewiesen sowie die Bescheide der BfA aufgehoben; Revision wurde zugelassen.
Das LSG hat die Feststellungsklage als zulässig (§ 55 Abs. 1 Nr. 1. Abs. 2 SGG), aber nicht als begründet angesehen. Es hat ausgeführt, § 55 SGG schließe eine solche Feststellungsklage nicht aus; die zwischenzeitlich erlassenen Bescheide der BfA bezögen sich nur auf die Rentenversicherung und seien infolge der Anfechtung durch den Beklagter, nicht bindend geworden. Die Bescheide seien in entsprechender Anwendung des § 96 SGG materiell-rechtlich zu prüfen, § 96 SGG treffe zwar wörtlich nicht zu, weil es sich nicht um eine Anfechtungsklage handele; doch sei die Gesetzeslücke, die bestehe, wenn ein schon am Verfahren beteiligter Versicherungsträger einen ersten Verwaltungsakt zu einem bereits bei Gericht anhängigen Streitgegenstand erlasse, auszufüllen. Im übrigen verlange die – zulässige – Widerklage eine materiell-rechtliche Entscheidung (§ 75 Abs. 5, § 100 SGG).
In der Sache hat das LSG die Klage nicht für begründet erachtet, weil ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht bestanden habe: Die tatsächliche Ausgestaltung der Rechtbeziehungen spreche dafür, daß der Kläger nicht in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit, sondern freiberuflich tätig gewesen sei. Dies zeigten außer den Zeugenaussagen auch die Honorarquittungen. Danach sei der Kläger zeitweise nur wenige Stunden am Tage, an anderen Tagen bis zu 14 Stunden tätig gewesen. Für die einzelnen Monate seien die Honorare von unterschiedlicher Höhe. Daher könne von einer Verpflichtung, regelmäßig bestimmte Zeiten wöchentlich oder monatlich tätig zu sein, nicht die Rede sein. Gegenstand der Rechtsbeziehungen sei nicht die Leistung von Diensten, sondern die Erledigung eines übertragenen Aufgabenkreises in frei bestimmter Arbeitsweise und Arbeitszeit gewesen. Auch die gleichseitige Übernahme gleicher Verpflichtungen für mehrere Unternehmer in derselben freien und unabhängigen Weise spreche für eine selbständige Tätigkeit. Die steuerliche Behandlung der Honorare stehe nicht entgegen; die Lohnsteuerpflicht sei aus praktischen Erwägungen ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Umstände angenommen worden, weil der Kläger keine Zulassung als Steuerhelfer gehabt habe.
Der Kläger hat Revision eingelegt. Er beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und in der Sache selbst nach dem Klageantrag zu entscheiden.
Er bringt vor, es sei zweifelhaft, ob der Beklagte für eine Klage auf Feststellung der Versicherungspflicht passiv legitimiert sei. Das LSG habe § 96 SGG nicht anwenden dürfen. Die Frage der Versicherungspflicht sei vom LSG nicht zutreffend entschieden worden. Der Beklagte habe die Bescheide der BfA nur auf dem üblichen Wege anfechten können. Dadurch, daß das LSG sie von sich aus aufgehoben habe, habe der Kläger eine Instanz verloren. Die Ausführungen über die, Widerklage beruhten auf den vorangegangenen gedanklichen Fehlkonstruktionen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, wenn er nicht passiv legitimiert sei, sei die Klage unbegründet und auf Jeden Fall zu Hecht abgewiesen worden. Die Erhebung einer Widerklage sei auch gegen einen Beigeladenen zulässig, weil durch die Beiladung gerade eine Rechtswirkung gegen den Beigeladenen erzeugt werden solle. Zur Verneinung der Versicherungspflicht bringt der Beklagte im wesentlichen die vom LSG aufgerührten Gründe vor.
Die DAK hat keinen Antrag gestellt. Sie verweis darauf, daß sie bei Beginn der Mitgliedschaft auf Versicherungspflicht erkannt und sämtlichen Arbeitgebern eine Bescheinigung nach § 517 der Reichsversicherungsordnung (RVO) zugesandt habe. Die Arbeitgeber hätten ihr gegenüber keine Einwendungen gegen die Bescheinigung erhoben. Der Verwaltungsakt sei bindend geworden. Der Kläger habe die seinem Arbeitsentgelt entsprechenden Pflichtbeiträge entrichtet. Bei seiner Klage habe es sich lediglich um die Auszahlung des Arbeitgeberanteils nach § 520 Abs. 1 Satz 2 RVO und nicht um die Feststellung der Versicherungspflicht handeln können. Das Urteil des LSG werde dieser Sach- und Rechtslage nicht gerecht.
Die BfA beantragt,
unter Aufhebung der Urteile die Klage als unzulässig abzuweisen.
Sie hält eine Feststellungsklage über die Versicherungspflicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Hinblick auf § 121 Abs. 3, AVG nF nicht für zulässig. Das Versicherungsverhältnis bestehe nicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern zwischen Versicherten und Versicherungsträgern. Auch die Beitragspflicht des Arbeitgebers sei gemäß § 118 Abs. 1 AVG nF gegenüber dem Versicherungsträger gegeben. Da ein Streit über die Versicherungspflicht nie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu fuhren sei, habe sie während des anhängigen Verfahrens den notwendigen Verwaltungsakt erlassen. Er sei zu Recht mit Widerklage gegen sie angefochten worden (BSG 17, 139). Mit dem Verwaltungsakt sei das Feststellungsbegehren des Klägers erfüllt worden. Im übrigen hält die BfA den Kläger für versicherungspflichtig, weil er jeweils zu bestimmten Zeiten mit bestimmten Arbeiten habe fertig sein müssen, seine Bezüge lohnversteuert wurden und er nach § 107 a Reichsabgabenordnung (RAO) idF vom 13. Dezember 1935 ohne Erlaubnis des Finanzamtes nicht selbständig habe tätig sein dürfen. Das LSG habe der freien Einteilung der Arbeitszeit ein zu großes Gewicht beigemessen.
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Das angefochtene Urteil betrifft die Versicherungspflicht des Klägers in der KrV und Angestelltenversicherung (AnV).
Eine auf die Feststellung der Versicherungspflicht gerichtete Klage (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist nur zulässig, wenn zunächst die Einzugsstelle bzw. der Versicherungsträger, der die jeweilige Pflichtversicherung durchführt, hierüber im Verwaltungsverfahren entschieden hat. Dies ergibt sich aus § 121 Aus. 3 AVG, wonach die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht in der AnV entscheidet und den Verwaltungsakt und Widerspruchsbescheid erläßt bzw. der Versicherungsträger (vgl. § 127 Abs. 1, § 148 Abs. 5 AVO). Daher fehlt das Feststellungsinteresse, wenn ein Beschäftigter eine Klage auf Feststellung der Versicherungspflicht erhebt, ohne daß vorher die zuständige Stelle (Einzugsstelle bzw. Versicherungsträger) einen Verwaltungsakt Über die Versicherungspflicht erlassen hat.
Soweit die Feststellungsklage des Klägers die Versicherungspflicht in der KrV betraf, war sie deshalb nicht zulässig, weil darüber noch kein Verwaltungsakt der beigeladenen Krankenkasse – jeweils für die sie betreffenden Zeiten, der Versicherungspflicht – ergangen war. Eine etwa ausgestellte Mitgliedschaftsbescheinigung der beigeladenen DAK nach §§ 517, 518 RVO würde keine Entscheidung über die Versicherungspflicht des Klägers darstellen. Die Wirkung einer solchen Bescheinigung ist begrenzt (BSG 19, 178 und BSG vom 25. Februar 1966 – 3 RK 72/61 in SozR Nr. 2 zu § 518 RVO). Die Frage, ob ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt und der Arbeitgeber deswegen Beiträge zu leisten hat, wird durch eine Bescheinigung nach § 517 RVO nicht entschieden. Es kam daher hier nicht darauf an, ob dem Beklagten eine Bescheinigung der beigeladenen DAK nach §§ 517, 518 RVO vorgelegt worden war.
Soweit die Klage die Feststellung der Versicherungspflicht in der AnV betraf, war sie ebenfalls unzulässig. Zunächst bestand kein Feststellungsinteresse, weil noch kein Verwaltungsakt der BfA über die Versicherungspflicht ergangen war. Nachdem die BfA die dem Begehren des Klägers Stattgebenden Bescheide erlassen hatte, war für die Klage des Klägers kein Rechtsschutzbedürfnis mehr vorhanden. Zur Wahrung seiner Interessen an seiner Versicherungspflicht in der AnV hätte ein Antrag des Klägers auf Abweisung der Widerklage des Beklagten genügt.
Demnach hat das LSG im Ergebnis zutreffend die Feststellungsklage des Klägers abgewiesen. Die Begründung dieser Entscheidung ist dahin zu berichtigen, daß die Feststellungsklage nicht als unbegründet, sondern als unzulässig abgewiesen wird.
Da die Feststellungsklage unzulässig ist, braucht nicht darauf eingegangen zu werden, ob die Klage auf Feststellung der Versicherungspflicht, die nicht gegen den Versicherungsträger bzw, die Einzugsstelle, sondern gegen den Arbeitgeber gerichtet ist, auch unbegründet gewesen wäre, weil der Beklagte für eine Klage auf Feststellung der Versicherungspflichten nicht passiv legitimiert ist.
Die Bescheide der BfA sind nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens vor dem. LSG geworden. Das LSG hatte sie auf die Widerklage des Beklagten hin sachlich zu prüfen. Die Widerklage ist nach § 100 SGG möglich, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln zusammenhängt. Dies trifft hier zu. Der Streitgegenstand der Klage des Klägers gegen den Beklagten stimmt mit dem in den Bescheiden der BfA behandelten Sachverhalt überein und auch die Einwendungen des Beklagten gegen die Bescheide sind dieselben wie gegen die Klage. Der Beklagte konnte die Widerklage gegen die BfA richten; denn diese ist notwendig beigeladen und könnte nach § 75 Abs. 5 SGG selbst verurteilt werden (vgl. BSG 17, 139, 143). Die Widerklage ist rechtzeitig erhoben, denn die Rechtsmittelbelehrung, daß der Widerspruchsbescheid Gegenstand des anhängigen Verfahrens gemäß § 96 SGG geworden sei, besagt im Ergebnis, daß der Beklagte dagegen kein Rechtsmittel einlegen könne. Deshalb bestand im vorliegenden Fall überhaupt keine Frist für die Erhebung der Widerklage (§ 66 Abs. 2 Satz 1, letzte Alternative, SGG).
Das LSG hat somit zu Recht sachlich über die Versicherungspflicht in der AnV entschieden.
Die Versicherungspflicht in der AnV war für den Zeitraum vom 1. April 1956 bis 28. Februar 1957 nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AVG aF i.V.m. § 165 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 RVO, und für den Zeitraum vom 1. März bis 12. September 1957 nach § 2 Nr. 1 AVG nF zu beurteilen (Art. 3 § 7 Satz 2 AnVNG). Diesen Vorschriften gemeinsam ist die Voraussetzung der Versicherungspflicht, daß der zu Versichernde gegen Entgelt „beschäftigt” ist. Die Begriffe des Arbeitnehmers im Arbeitsrecht und des Beschäftigten im Sozialversicherungsrecht sind im wesentlichen gleich. Nach allgemeiner Ansicht und feststehender Rechtsprechung ist wesentliches Merkmal für das Vorliegen eines Versicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnisses die persönliche Abhängigkeit, womit die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers verbunden ist bzw, die Einordnung in den Betrieb.
(BSG 13, 130, 132, 196, 201; 15, 65, 69; BSG vom 293.1962 in SozR. § 165 RVO Nr. 30;
BAG 11, 225.; BAG vom 21.1.1966 in NJW 1966, 902;
Nikisch, Arbeitsrecht, 3. Aufl., 1961 S. 95 f; Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Aufl., 1963 S. 41 ff;
BFH in „Betriebsberater” 1964, 29; BFH vom 3.12.1965 in BStBl III 1966, 153; „Betriebsberater” 1957, 966;
Schlegelberger, Handelsgesetzbuch (HGB), 4. Aufl., Randz. 20 zu § 59 HGB;
insbesondere Götz/Hueck, „Arbeitnehmer und freie Mitarbeiter” in „Der Betrieb” 1955, 384).
Die Unterscheidung zwischen einem Beschäftigten i. S. des AVG, der in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber steht, und einem nach Dienstvertrag tätigen freien Mitarbeiter in einem Betrieb wird nach dem Umfang bestimmt, den die persönliche Abhängigkeit des Tätigen erreiche hat. Insgesamt gesehen kommt es darauf an, ob der Tätige „in” einem Betrieb arbeitet oder „für” einen Betrieb (Schlegelberger aaO), ob er als Angehöriger des Betriebs angesehen wird (Nikisch), in den Betrieb eingegliedert ist und welches Gesamtbild die Stellung bietet, die der Tätige einnimmt.
Im einzelnen sind verschiedene besondere Merkmale der Tätigkeit zu beachten und gegeneinander abzuwägen. Die Bindung an Weisungen ist von, Bedeutung. Der Arbeitnehmer ist im allgemeinen eng an die bis ins einzelne gehenden, die Arbeitsleistung betreffenden Weisungen des Arbeitgebers gebunden. Dem Selbständigen werden gegebenenfalls nur allgemeine Richtlinien für seine Tätigkeit gegeben. Andererseits steht einem Beschäftigungsverhältnis nicht entgegen, daß der Beschäftigte, insbesondere wenn er eine Fachkraft in einem qualifizierten Beruf ist, keine Weisungen für die sach- und fachgerechte Ausführung der Arbeit erhält (vgl. BSG in SozR aaO „Prediger”; BAG 11, 225 „Chefarzt).
Mit der Bindung an Weisungen hängt zusammen, ob der Tätige auch zur Ausführung sonstiger Arbeiten verpflichtet ist, die nicht unmittelbar zu dem genau umschriebenen Aufgabenkreis gehören, für den er bestellt ist. Es spricht für eine selbständige Tätigkeit, wenn dem Tätigen keine Rechtspflicht zur Ausführung sonstiger Arbeiten obliegt.
Von Bedeutung ist auch, ob der Tätige einem Beschäftigten des Betriebes untergeordnet ist oder durch einen solchen kontrolliert wird. Unterordnung und Kontrolle sprechen im allgemeinen für ein Beschäftigungsverhältnis. Wo Unterordnung und Kontrolle nach der Art der Tätigkeit, der Größe und der Organisation des Betriebes sonst zu erwarten wären, weist ihr Fehlen auf eine selbständige Tätigkeit hin.
Die Arbeitszeitgestaltung ist, von besonderer Bedeutung. Kennzeichen eines Beschäftigungsverhältnisses sind die Bindung an eine bestimmte Arbeitszeit bzw. die Verpflichtung, genaue Weisungen über die seitliche Einteilung der Arbeit zu befolgen. Auch die Pflicht zu regelmäßigem Erscheinen im Betrieb ist ein Anzeichen eines Beschäftigungsverhältnisses. Hingegen ist die freie Verfügung über die Arbeitszeit ein besonderes Merkmal des selbständig Tätigen, wie z. B. in § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB für den Handelsvertreter hervorgehoben.
Auch der Ort der Tätigkeit ist zu beachten. Der Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers kann für ein Beschäftigungsverhältnis sprechen, während, die Erledigung der Arbeiten an einem selbst gewählten Platz Kennzeichen einer selbständigen Tätigkeit sein kann. Diese Umstände können Jedoch nur bedeutungsvoll sein, wenn die Art der Arbeit nicht ihre Verrichtung an bestimmter Stelle verlangt.
Ferner spielt eine Holle, ob der Tätige verpflichtet ist, seine Arbeitszeit und Arbeitskraft ganz oder überwiegend nur einem einzigen Geschäftsherrn zur Verfügung zu stellen. Allerdings spricht das Verbot der Tätigkeit für einen anderen nicht allein schon für eine Arbeitnehmereigenschaft, wie die Erwähnung in § 92 a HGB für den – selbständigen – Handelsvertreter zeigt; doch ist es umgekehrt ein wesentliches Kennzeichen einer selbständigen Arbeit, wenn der Tätige uneingeschränkt für mehrere Geschäftsherren arbeiten darf.
Die Art der. Bezahlung des Tätigen gibt nur im Zusammenhang mit anderen Merkmalen Anhalt für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer bzw. selbständige Tätigkeit. Ein festes Gehalt kann auf ein Arbeitsverhältnis hinweisen, kommt aber auch bei freien Mitarbeitern vor. Eine Vergütung nach dem Erfolg der Tätigkeit, z. B. Provision, weist nicht schon auf eine selbständige Tätigkeit hin; denn diese Art der Entlohnung ist auch für beschäftigte Arbeitnehmer vorgesehen (Handlungsgehilfe, § 65 HGB). Es ist von Bedeutung, welche Art der Entlohnung für die zu beurteilende Tätigkeit beim Vergleich mit anderen Betrieben und anderen Arbeitskräften des gleichen Berufes üblicherweise zu erwarten wäre.
Die steuerrechtliche Behandlung der Bezüge gibt nur im Zusammenhang mit anderen wesentlichen Merkmalen einen Hinweis für die Beurteilung der Tätigkeit. Das gleiche gilt für die Bedeutung der Anmeldung eines Gewerbes und einer – falls erforderlich – Erlaubnis zur Ausübung der Tätigkeit. Die tatsächliche Handhabung dieser Pflichten und Rechte hängt erheblich von der mehr, oder weniger richtigen Auffassung des Tätigen und seines Geschäftsherrn zu diesen Fragen ab. Sie ist daher kein sicherer Anhaltspunkt.
Nach diesen Merkmalen beurteilt, war der Kläger bei seiner Tätigkeit für den Beklagten nicht Beschäftigter, sondern selbständig (vgl. für Stundenbuchhalter Nikisch, aaO, S. 95; Schlegelberger, aaO, Randz. 20 zu § 59 HGB).
Der Kläger war nicht an Weisungen des Beklagten gebunden. Daß ihm keine Weisungen erteilt wurden, wie er seine Arbeiten auszuführen hatte, ergibt sich daraus, daß er als einzige Fachkraft die Steuerangelegenheiten, Lohnabrechnung und Buchführung erledigte. Es wurden ihm aber auch keine anderen kaufmännischen Arbeiten zugeteilt. Nach den Feststellungen des LSG ist der Kläger nur in Ausnahmefällen gebeten worden, eine Rechnung abzuschreiben, weil er schneller mit der Schreibmaschine fertig geworden sei. Ein Beschäftigter hingegen wird angewiesen, eine Arbeit zu tun.
Der Kläger erhielt auch keine Weisungen hinsichtlich der Arbeitszeit. Er war weder verpflichtet, an bestimmten Tagen im Betrieb des Beklagten zu erscheinen, noch eine bestimmte Anzahl von Stunden – z. B. wöchentlich – zu arbeiten, wie es bei mit Teilzeitarbeit beschäftigten Personen üblich ist. Es war vielmehr dem Kläger überlassen, an welchen Tagen, zu welchen Tagesseiten und wie lange er jeweils arbeitete, um die vereinbarten Aufgaben termingemäß (Steuern, Löhne) fertigzustellen. Diese Termingebundenheit beruhte nicht auf Weisungen des Beklagten, sondern auf behördlichen Vorschriften (z. B. für Steuern) und der allgemeinen Organisation des Betriebes in Verbindung mit Tarifverträgen u.ä. (Lohnzahlungstermine). Sie ist kein Anhalt für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis; denn derartigen Terminen sind auch selbständige Unternehmer, z. B. Zulieferer, Steuerberater usw., unterworfen. Die Einhaltung solcher Termine ist eine vertraglich übernommene Verpflichtung, nicht Ausfluß eines Weisungsrechts des Arbeitgebers.
Daß der Kläger die Arbeiten in den Räumen des Beklagten erledigte, hängt mit der Art seiner Tätigkeit zusammen; denn die Buchführung, Steuer- und Lohnabrechnung mußte an Hand der im Betrieb der Beklagten vorhandenen Unterlagen vorgenommen werden.
Der Kläger war nicht in der weiteren Verwertung seiner Arbeitskräfte soweit er sie nicht für den Beklagten einsetzen mußte, für andere Auftraggeber mit entsprechender Zeiteinteilung beschrankt. Auch dies ist ein Hinweis auf Selbständigkeit.
Die Bezahlung nach geleisteten Arbeitsstunden ist bei Gelegenheits- und Hilfsarbeitern üblich und spricht für ein Beschäftigungsverhältnis. Anders ist es bei Buchhaltern in einem Betrieb; bei diesen ist auch bei Teilzeitarbeit die Vergütung nach festem Monats- oder Wochengehalt üblich, wenn sie als in abhängiger Arbeit beschäftigt angesehen werden sollen. Die Bezahlung des Klägers nach den für den Betrieb des Beklagten auf gewandten Stunden spricht daher hier ebenfalls für eine selbständige Tätigkeit. Das gleiche gilt besonders für den Umstand, daß ihm keine anderen Zeiten als die aufgewandten Arbeitsstunden, wie etwa Zeiten von Krankheit und Urlaub, bezahlt wurden.
Daß das Finanzamt den Kläger als lohnsetuerpflichtig ansah, kann demgegenüber angesichts des klaren Übergewichts der für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Merkmale nicht durchschlagen. Um praktischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, beanstanden die Finanzämter es im allgemeinen nicht, wenn Stundenbuchhalter, die keine Erlaubnis zur Tätigkeit als Steuerhelfer haben, für einige wenige Unternehmer arbeiten und diese die Lohnsteuer einbehalten und abführen, Sie berücksichtigen dabei die jeweilige besondere Gestaltung der Tätigkeit nicht.
Aus diesen Gründen stand der Kläger beim Beklagten nicht in einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung. Er war daher nicht versicherungspflichtig in der AnV. Seine Revision ist nicht begründet und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Dr. Langkeit, Dr. Krebs, Geyser
Fundstellen