Verfahrensgang
LSG Hamburg (Urteil vom 12.06.1979) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 12. Juni 1979 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Höhe eines Anspruchs der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von Pflegekrankengeld nach § 185c Reichsversicherungsordnung (RVO).
Die Klägerin war im Jahre 1976 als Friseuse tätig und deshalb bei der Beklagten Pflichtversichert. Sie arbeitete regelmäßig dienstags bis samstags und verdiente im Januar 1976 1.220,34 DM brutto = 874,40 DM netto. Von Donnerstag, dem 12. Februar 1976 bis einschließlich Montag, dem 16. Februar 1976 blieb die Klägerin der Arbeit fern, da in dieser Zeit nach einer ärztlichen Bescheinigung ihre damals sechs Jahre alte Tochter erkrankt war und der Betreuung und Pflege bedurfte. Die Beklagte gewährte der Klägerin daraufhin für die Zeit vom Donnerstag, dem 12. bis Samstag, dem 14. Februar, dh für die Tage, an denen die Klägerin sonst gearbeitet hätte, Krankengeld in Höhe von 29,15 DM täglich. Den von der Klägerin dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte zurück: Krankengeld nach § 185c RVO werde nur für Arbeitstage gewährt und habe deshalb nicht auch für die arbeitsfreien Tage Sonntag und Montag gezahlt werden können. Die Höhe des täglichen Krankengeldes sei nach § 182 Abs 4 RVO zu berechnen und deshalb zu Recht als ein Dreißigstel des von der Klägerin im Januar erzielten Nettoverdienstes festgesetzt und ausgezahlt worden.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie eine Erhöhung des gewährten Krankengeldes begehrt. Wenn die Beklagte der Ansicht sei, das Krankengeld könne nur für Arbeitstage gewährt werden, müsse sie auch den arbeitstäglich zu zahlenden Betrag in der Weise berechnen, daß sie das im Vormonat erzielte Entgelt durch die Zahl der monatlichen Arbeitstage teile, was einer höheren Krankengeldbetrag ergebe. Werde andererseits der Berechnungsweise der Beklagten gefolgt und nur ein Dreißigstel des Monatsverdienstes gezahlt, sei es nur konsequent, dann auch das Krankengeld für Kalendertage und damit auch für die arbeitsfreien Tage Sonntag und Montag zu zahlen.
Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt: Gemäß § 185c Abs 2 RVO bestehe ein Anspruch auf Krankengeld zur Betreuung eines erkrankten Kindes längstens für 5 Arbeitstage im Jahr. Daraus ergebe sich, daß dieses Pflegekrankengeld der Klägerin nur für die Tage zustehe, an denen sie sonst gearbeitet hätte, dh für die Zeit vom 12. bis 14. Februar 1976. Die Beklagte habe das Krankengeld auch der Höhe nach richtig festgesetzt. § 185c RVO enthalte keine besondere Berechnungsvorschrift für das Pflegekrankengeld, deshalb sei die allgemeine Vorschrift des § 182 Abs 4 RVO anzuwenden. Dieses Ergebnis habe der Gesetzgeber auch gewollt. In § 185c Abs 1 Satz 2 RVO aF sei hinsichtlich der Berechnung des Pflegekrankengeldes ausdrücklich auf § 182 Abs 4a RVO aF verwiesen worden und damit auf eine Berechnung des Krankengeldes nach dem Grundlohn. Diese Verweisung sei deshalb notwendig gewesen, da seinerzeit § 182 RVO unterschiedliche Berechnungsweisen für das Krankengeld enthalten habe, differenziert nach verschiedenen Lebenssachverhalten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die zugelassene Revision der Klägerin, mit der eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Das LSG habe § 185c RVO fehlerhaft angewandt. Nach dieser Vorschrift erhielten Versicherte Krankengeld, wenn sie wegen eines erkrankten Kindes der Arbeit fernbleiben müßten. Diese Voraussetzung sei bei ihr vom 12. bis 16. Februar 1976 gegeben gewesen. Damit sei die Beklagte verpflichtet, ihr das Krankengeld auch für die arbeitsfreien Tage Sonntag und Montag zu zahlen. Wenn andererseits – wie die Beklagte dies meine – Krankengeld nach § 185c RVO nur für ausgefallene Arbeitstage zu zahlen sei, müsse es als widersprüchlich angesehen werden, wenn dann dennoch das Krankengeld auf kalendertäglicher Grundlage berechnet werde. Dies könne entgegen der Auffassung des LSG der Gesetzgeber nicht gewollte haben.
Die Klägerin beantragt,
ihr unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 24. April 1978 und des Bescheides der Beklagten vom 7. April 1976 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. August 1976 ein höheres Krankengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte hat der Klägerin zu Recht Krankengeld aus Anlaß der Erkrankung ihrer Tochter nur für die Zeit vom 12. bis zum 14. Februar 1976 gewährt und dieses auch der Höhe nach richtig berechnet. Ein weitergehender Anspruch auf Krankengeld steht der Klägerin nicht zu.
Hinsichtlich der Dauer des Anspruchs auf das sogenannte Pflegekrankengeld ist von § 185c RVO idF durch § 21 Nr 11 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (Reha-AnglG) vom 7. August 1974 (BGBl I, 1881 ) auszugehen. Nach dieser Vorschrift besteht ein Anspruch auf Krankengeld nur für Arbeitstage, dh für die Tage, an dem der Versicherte ohne die Verhinderung durch die Erkrankung seines Kindes gearbeitet hätte (Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Stand April 1980, § 185c Anm 3; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand April 1980, § 185c Anm 6).
Dies ergibt sich bereits eindeutig aus dem Wortlaut des § 185c RVO. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift erhält ein Versicherter Krankengeld, wenn es erforderlich ist, daß er zur Betreuung oder Pflege seines erkrankten Kindes der Arbeit fernbleibt, und nach § 185c Abs 2 Satz 1 RVO besteht der Anspruch in jedem Kalenderjahr nur für längstens 5 Arbeitstage. Dafür, daß Pflegekrankengeld nur für Arbeitstage zu zahlen ist, sprechen auch die Systematik der Regelung des § 185c RVO und der Zweck dieser Vorschrift. § 185c RVO normiert einen Anspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf unbezahlte Freistellung von der Arbeit zur Pflege eines Kindes und gewährt dann für diese Zeit der unbezahlten Freistellung einen Anspruch auf Krankengeld. Dabei wird der Freistellungsanspruch, da er eigentlich eine arbeitsrechtliche Regelung darstellt, in Absatz 3 “versteckt” geregelt, der an sich davon abhängige sekundäre Anspruch auf Krankengeld, da er dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zugehört, vorgezogen in Absatz 1 und 2 von seinen Voraussetzungen her beschrieben. Ein Anspruch auf Freistellung von der Arbeit kann aber nur für Arbeits-, nicht für Kalendertage bestehen, dies spricht dafür, daß auch die korrespondierende Leistung von Krankengeld nur für Arbeitstage zu gewähren ist. Die Gewährung des Pflegekrankengeldes nach Arbeitstagen und nicht nach Wochen deutet darauf hin, daß der Anspruch nicht auch für zwischen oder unmittelbar vor oder nach den Arbeitstagen gelegene arbeitsfreie Tage bestehen soll, wie dies Schmatz/Fischwasser (Vergütung der Arbeitnehmer bei Krankheit und Mutterschaft, Stand: November 1979, § 185c RVO Anm III 2) vertreten. Ihrer Auffassung kann daher nicht gefolgt werden.
Regelt § 185c RVO die Dauer des Krankengeldanspruchs ausdrücklich abweichend von den generellen Vorschriften in § 182 Abs 4 Satz 3 RVO und § 183 Abs 2 RVO, wonach das Krankengeld unbegrenzt für Kalendertage zu zahlen ist, so enthält § 185c RVO zur Frage des Beginns und der Höhe des zu gewährenden Pflegekrankengeldes keine eigenen Bestimmungen. Insoweit muß daher auf die allgemeine Vorschrift des § 182 RVO zurückgegriffen werden (Krauskopf/Schroeder-Printzen aaO § 185c Anm 3.1).
Nach § 182 Abs 3 RVO beginnt das Krankengeld mit dem Tage der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, wobei in bestimmten Fällen ein “Karenztag” eintritt, dh das Krankengeld erst vom darauffolgenden Tage an zu zahlen ist. Da § 185c RVO keine Arbeitsunfähigkeit des Versicherten voraussetzt, sondern auf das Fernbleiben des Anspruchsberechtigten wegen der Pflege eines erkrankten Kindes abstellt, und der Anspruch nur für 5 Arbeitstage gewährt wird, ist es in entsprechender Anwendung des § 182 Abs 3 1. Alternative RVO geboten, das Krankengeld mit der Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen beginnen zu lassen, dh mit dem ersten Tage des Fernbleibens von der Arbeit (so auch Peters, aaO, § 185c Anm 6; Heinze in RVO – Gesamtkommentar, Stand Dezember 1979, § 185c Anm 8).
Auch bei der Berechnung der Höhe des Krankengeldes hat die Beklagte zu Recht § 182 RVO zugrunde gelegt. Nach § 185c RVO ist kein konkreter, dem entgangenen Arbeitsverdienst entsprechender Lohnausgleich zu zahlen, vielmehr hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, für die Tage, an denen ein Anspruch des Arbeitnehmers auf unbezahlte Freistellung wegen der Pflege eines kranken Kindes besteht, die Krankenkasse zur Zahlung von Krankengeld zu verpflichten. Die Höhe dieser Regelleistung der gesetzlichen Krankenversicherung errechnet sich nach § 182 Abs 4 RVO. Dafür, das Pflegekrankengeld auf der Grundlage von Arbeitstagen zu berechnen, fehlt jegliche gesetzliche Grundlage; denn § 182 Abs 5 Satz 3 RVO stellt bei einer monatlichen Gehaltszahlung – wie bei der Klägerin – ausdrücklich auf Kalendertage ab.
Wenn die Klägerin meint, dies habe der Gesetzgeber nicht gewollt, vielmehr sei zur Vermeidung von Nachteilen für den Versicherten das Pflegekrankengeld, da es nur für Arbeitstage gezahlt werde, auch abweichend von § 182 RVO auf der Grundlage von Arbeitstagen zu berechnen, so kann dem nicht gefolgt werden. § 182 RVO und § 185c RVO enthalten insoweit keine planwidrige, ausfüllungsbedürftige Lücke. Der § 185c Abs 1 Satz 2 RVO verwies in seiner ursprünglichen Fassung durch das Leistungsverbesserungsgesetz vom 19. Dezember 1973 (BGBl I 1925 – dort § 1 Nr 2 – ) zur Ermittlung der Höhe des Pflegekrankengeldes ausdrücklich auf die inzwischen weggefallenen Vomhundertsätze des § 182 Abs 4a RVO. Nach § 185c Abs 1 Satz 3 1. Halbsatz RVO in der genannten früheren Fassung galt als Regellohn der Grundlohn (§ 180 RVO). Gemäß Absatz 1 Satz 2 des § 180 RVO ist eine Berechnung nach Kalendertagen und nicht nach Arbeitstagen vorzunehmen. Diese ausdrückliche Verweisung wurde zwar durch das Reha-AnglG gestrichen (vgl § 21 Nr 11 Reha-AnglG). Damit wollte der Gesetzgeber jedoch nicht etwa die Berechnung des Pflegekrankengeldes ändern, sondern die Streichung wurde sinngemäß damit begründet, die frühere Regelung sei nicht mehr erforderlich, da der ebenfalls durch das Reha-AnglG geänderte § 182 RVO nunmehr nur noch eine einheitliche Berechnung des Krankengeldes vorsehe (vgl BT-Drucks 7/2256, S. 11).
Etwas Abweichendes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des 8. Senats vom 15. Dezember 1977 – 8 RU 44/77 – (BSGE 45, 221, 223). Dort wird § 185c RVO zwar als Verdienstausfallregelung bezeichnet, jedoch daraus nicht der Schluß gezogen, das Pflegekrankengeld sei abweichend von § 182 Abs 4 RVO zu berechnen. Vielmehr wird es ausdrücklich als Krankengeld und als Leistung der Krankenkasse iS des § 182 Abs 1 Nr 2 RVO bezeichnet.
Die Höhe des täglich zu zahlenden Krankengeldes ist von der Beklagten rechnerisch richtig festgestellt worden. Da das im Vormonat Januar 1976 erzielte Nettoarbeitsentgelt der Klägerin weniger als 80 % ihres entsprechenden Bruttoarbeitsentgeltes betrug, errechnete sich der als Krankengeld zu zahlende Regellohn gemäß § 182 Abs 4 Satz 1 iVm Abs 5 Satz 3 RVO als ein Dreißigstel des Nettoarbeitsentgelts in Höhe von 874,40 DM = 29,15 DM.
Demgemäß haben die Vorinstanzen zu Recht einen höheren Anspruch auf Krankengeld abgelehnt, und die Revision der Klägerin konnte keinen Erfolg haben.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen