Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin nach ihrem am 27. April 1913 geborenen und am 16. September 1975 verstorbenen Ehemann Hermann S…, des Versicherten. Streitig ist, wann dessen Altersruhegeld wegen Vollendung des 60. Lebensjahres und einjähriger Arbeitslosigkeit begonnen hat.
Der Versicherte war ab 1. Juli 1972 beim Arbeitsamt arbeitsuchend gemeldet und bezog die Leistungen der Arbeitslosenversicherung. Vom 8. März bis zum 23. April 1973 gewährte ihm die beklagte Knappschaft eine Kur; in dieser Zeit war er zugleich arbeitsunfähig krank.
Mit Bescheid vom 17. September 1973, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 21. Januar 1974, bewilligte die Beklagte dem Versicherten das bereits im April 1973 beantragte vorzeitige Altersruhegeld ab 1. September 1973. Zum Rentenbeginn heißt es in der Begründung, der Versicherte habe eine Arbeitslosigkeit von 52 Wochen nach Abzug der Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 8. März bis 23. April 1973 frühestens im August 1973 zurückgelegt.
Die Klage des Versicherten ist ohne Erfolg geblieben. Gegen das Urteil des Sozialgerichts (SG) hat der Versicherte Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens ist der Versicherte gestorben. Die Klägerin hat das Verfahren fortgesetzt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung durch Urteil vom 18. September 1975 zurückgewiesen. In dem Urteil ist ausgeführt: Nach § 48 Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) in der ab 1. Januar 1973 geltenden Fassung dürften Zeiten der Arbeitsunfähigkeit nicht zu den vom Gesetzgeber verlangten 52 Wochen der Arbeitslosigkeit gerechnet werden, weil der Arbeitsunfähige der Arbeitsvermittlung grundsätzlich nicht zur Verfügung stehe. Die zu § 1248 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung -RVO- a.F. (= § 48 Abs. 2 RKG a.F.) ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), nach der eine Unterbrechung der Arbeitslosigkeit durch Arbeitsunfähigkeit bis zu drei Monaten unbeachtlich sei, könne auf die neu gefaßte Vorschrift nicht mehr angewendet werden. Die Neufassung der Vorschrift habe die Schwächen der alten Regelung beseitigt, indem jetzt die einjährige Arbeitslosigkeit auf einen Zeitraum von eineinhalb Jahren verteilt werden könne. Die Neufassung ermögliche es, dem vom BSG in der angeführten Rechtsprechung herausgestellten Grundsatz gleichmäßiger Rechnung zu tragen.
Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie trägt vor, die Unterbrechung der Arbeitslosigkeit durch die Kur stehe nach der Rechtsprechung des BSG der Annahme von Arbeitslosigkeit nicht entgegen. Durch die Neufassung des § 48 Abs. 2 RKG sei diese BSG-Rechtsprechung nicht überholt. Das folge auch aus § 48 Abs. 4 RKG n.F. der sich von § 48 Abs. 2 Satz 4 RKG in der bis zum 31. Dezember 1972 geltenden Fassung kaum unterscheide. Aus dieser Vorschrift aber habe das BSG gerade entwickelt, daß eine krankheitsbedingte Unterbrechung der Arbeitslosigkeit unbeachtlich sei. Mit der Neuregelung solle den Fällen Rechnung getragen werden, in denen die Arbeitslosigkeit durch eine länger als drei Monate andauernde Krankfeierzeit unterbrochen werde; die neue Regelung ziele auf eine Verbesserung der BSG-Rechtsprechung ab.
Die Klägerin beantragt,das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 22. April 1975 aufzuheben und nach dem Klageantrag zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für richtig und betont, Sinn und Zweck der Neufassung des § 48 Abs. 2 RKG ließen es nicht zu, Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Zeiten der Arbeitslosigkeit anzurechnen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
Nach § 48 Abs. 2 Satz 1 RKG in der ab 1. Januar 1973 geltenden Fassung des Rentenreformgesetzes (RRG) erhält Knappschaftsruhegeld auf Antrag der Versicherte, der das 60. Lebensjahr vollendet, die Wartezeit nach § 49 Abs. 3 Satz 2 RKG erfüllt hat und nach einer Arbeitslosigkeit von mindestens 52 Wochen innerhalb der letzten eineinhalb Jahre arbeitslos ist, In dieser Fassung des RRG ist die Vorschrift anzuwenden, weil S… das 60. Lebensjahr erst im Jahre 1973 vollendet hat; das aber ist der früheste Zeitpunkt, von dem an der Anspruch auf das Altersruhegeld gegeben sein kann.
Der Versicherte kann das Altersruhegeld beanspruchen, sobald nach Erfüllung der Wartezeit von 180 Versicherungsmonaten die Altersgrenze und 52 Wochen Arbeitslosigkeit innerhalb der letzten eineinhalb Jahre zusammenfallen. Der im Rentenrecht nicht definierte Begriff der Arbeitslosigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG unter Berücksichtigung der besonderen Erfordernisse der Rentenversicherung grundsätzlich dem Recht der Arbeitslosenversicherung zu entnehmen, das zur Zeit der Entstehung des Anspruchs auf das Altersruhegeld gilt (vgl. z.B. BSGE 23, 222, 223 = SozR Nr. 19 zu § 1267 RVO; BSGE 23, 235 = SozR Nr. 37 zu 1248 RVO; BSGE 25, 105, 106 = SozR Nr. 40 a.a.O.). Danach gilt als arbeitslos im Sinne der Rentenversicherung u.a., wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (§ 101 Abs. 1 Satz 1 AFG) und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht. Die Verfügbarkeit verlangt objektiv, daß der Arbeitnehmer eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf (§ 103 Abs. 1 Nr. 1 a.a.O.) und subjektiv, daß er ernsthaft bereit ist, jede zumutbare Beschäftigung auszuüben, die er ausüben kann (Nr. 2 a.a.O.). Ein Versicherter, der wegen Krankheit der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung steht, ist während der Erkrankung nicht arbeitslos im Sinne des 48 Abs. 2 RKG (BSGE 25, 105, 106 = SozR Nr. 40 zu 1248 RVO; BSG SozR Nr. 58 a.a.O.). Da sich S… am 1. Juli 1972 erstmals beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet hat - Anhaltspunkte für eine schon früher eingetretene Arbeitslosigkeit liegen nicht vor (vgl. BSGE 35, 85 = BSG SozR Nr. 61 zu § 1248 RVO) - und er nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG auch während der Kur vom 8. März bis 23. April 1973 arbeitsunfähig krank war, fällt eine 52 Wochen andauernde Arbeitslosigkeit frühestens im August 1973 mit den übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 48 Abs. 2 RKG zusammen. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 RKG - Rentenbeginn vom Ablauf des Monats an, in dem ihre Voraussetzungen erfüllt sind - stand S… das vorzeitige Altersruhegeld ab 1. September 1973 zu.
Entgegen der Ansicht der Klägerin vermag die zu § 1248 Abs. 2 RVO (= § 48 Abs. 2 RKG) in der Fassung vor dem RRG ergangene BSG-Rechtsprechung an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Es ist richtig, daß nach dieser Rechtsprechung Unterbrechungen der Arbeitslosigkeit u.a. durch Arbeitsunfähigkeit von nicht mehr als drei Monaten für den Anspruch auf das vorzeitige Altersruhegeld wegen einjähriger Arbeitslosigkeit als unschädlich angesehen wurden (BSG in SozR Nr. 43, 45 und 58 zu § 1248 RVO; vgl. auch BSGE 25, 105 = SozR Nr. 40 a.a.O.). Die Klägerin übersieht jedoch, daß diese Rechtsprechung zu § 1248 Abs. 2 RVO in der bis zum 31. Dezember 1972 geltenden Fassung durch die Neufassung der Vorschrift überholt und nicht mehr anwendbar ist. Nach § 48 Abs. 2 RKG a.F. erhielt auf Antrag Altersruhegeld der Versicherte, der das 60. Lebensjahr vollendet, die Wartezeit erfüllt hat "und seit mindestens einem Jahr ununterbrochen arbeitslos ist". Die vorbezeichnete BSG-Rechtsprechung, auf die sich die Klägerin stützt, legte das Tatbestandsmerkmal der "ununterbrochenen" Arbeitslosigkeit im Sinne einer Milderung aus. Der Gesetzgeber des RRG ist aber gerade von der "ununterbrochenen" einjährigen Arbeitslosigkeit abgegangen: § 48 Abs. 2 RKG n.F. erklärt eine oder mehrere kürzere oder längere Unterbrechungen der Arbeitslosigkeit zwar allgemein für unschädlich, sofern nur die Arbeitslosigkeit insgesamt 52 Wochen innerhalb der letzten eineinhalb Jahre beträgt. Damit ist das Thema der Unterbrechung der Arbeitslosigkeit in § 48 Abs. 2 RKG vom Gesetzgeber selbst erschöpfend neu und eigenständig geregelt worden; für die zum gleichen Thema ergangene Rechtsprechung des BSG zu § 1248 Abs. 2 RVO a.F. ist kein Raum mehr. Die amtliche Begründung zum Entwurf des RRG (BT-Drucks. VI/2916 S. 40) führt nämlich aus, daß § 1248 Abs. 2 RVO a.F. "verbessert" werden solle und "daher künftig das vorgezogene Altersruhegeld auch dann gewährt (wird), wenn die Arbeitslosigkeit durch eine infolge Krankheit oder Unfall bedingte Arbeitsunfähigkeit unterbrochen wurde oder der Versicherte einen vergeblichen Arbeitsversuch unternommen hat, da die für die Gewährung des vorgezogenen Altersruhegeldes vorgeschriebene Arbeitslosigkeit nicht ununterbrochen andauern muß". Nun ist zwar richtig, daß die von der oben bezeichneten BSG-Rechtsprechung für unschädlich erklärte Unterbrechung der Arbeitslosigkeit auf deren Dauer angerechnet wurde, wogegen die Neuregelung unbeschadet möglicher Unterbrechungen volle 52 Wochen "echter" Arbeitslosigkeit fordert. Gleichwohl läßt sich nicht verkennen, daß die Neuregelung insgesamt gesehen die Voraussetzungen für den Bezug des vorzeitigen Altersruhegeldes wegen längerer Arbeitslosigkeit erheblich erleichtert hat; auch unter dem Gesichtspunkt einer möglichen unechten Rückwirkung des RRG auf bereits bestehende Rentenanwartschaften läßt sich die Gültigkeit der Neufassung daher nicht in Frage stellen.
Nach alledem trifft das angefochtene Urteil, das den von der Beklagten und vom SG auf den 1. September 1973 festgelegten Beginn des Altersruhegeldes bestätigt hat, zu. Die Revision der Klägerin war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen