Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Erhöhung der Unterkunftskosten. Notwendigkeit oder Erforderlichkeit des Umzuges aus sonstigen Gründen. Angemessenheit der Unterkunftskosten der neuen Unterkunft
Leitsatz (amtlich)
Besteht für einen Umzug in eine besser erreichbare Wohnung ein plausibler und sachlich nachvollziehbarer Grund, ist zu prüfen, ob sich die Kosten gerade der von dem Hilfebedürftigen gewählten neuen Wohnung in Ansehung der Erforderlichkeit des Umzugs als angemessen darstellen.
Normenkette
SGB 2 § 22 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2006-07-20, S. 2 Fassung: 2006-07-20
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revisionen der Klägerinnen wird das Urteil des Landessozialgerichtes Baden-Württemberg vom 8. Dezember 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerinnen begehren für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2007 die Berücksichtigung weiterer Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizung für die von ihnen bewohnte Wohnung.
Die 1975 geborene erwerbsfähige Klägerin zu 1 bewohnte nach der Trennung von ihrem Lebensgefährten und dessen Auszug mit ihrer 2005 geborenen Tochter, der Klägerin zu 2, zunächst eine 45 qm große Zwei-Zimmer-Dachgeschosswohnung ohne Aufzug in F Für diese Wohnung waren monatlich 301 Euro Kaltmiete, 89 Euro Nebenkostenvorauszahlung und 11 Euro für einen Kabelanschluss zu leisten. Für den vorherigen Bewilligungszeitraum bis zum 31.1.2007 hatte der Beklagte den Klägerinnen KdU und Heizung unter Berücksichtigung eines monatlichen Gesamtbedarfs in Höhe von 381,73 Euro (Kaltmiete 301 Euro, Mietnebenkosten - ohne Heizung und Warmwasser - 44,68 Euro, monatliche Heizkosten 34 Euro abzüglich 8,90 Euro Warmwasseraufbereitung und 10,95 Euro Müllgebühr) bewilligt. Nachdem die Klägerin zu 1 dem Beklagten einen Mietvertrag für eine zum 1.11.2006 zu beziehende andere Wohnung in Freiburg mit Gesamtkosten von 605 Euro vorgelegt hatte, erklärte der Beklagte, er werde höhere KdU nicht berücksichtigen, weil ein Umzug nicht erforderlich sei. Die Klägerinnen haben danach von einem Umzug in diese Wohnung Abstand genommen.
Am 20.11.2006 mietete die Klägerin zu 1 zum 1.1.2007 eine 54 qm große Zwei-Zimmer-Wohnung ebenfalls in Freiburg an, die monatliche Kosten in Höhe von insgesamt 663 Euro verursachte (515 Euro Kaltmiete, 30 Euro Vorauszahlungen auf Heizung und Warmwasser, 68 Euro Vorauszahlungen auf Betriebskosten, 6 Euro Gemeinschaftsantenne und 44 Euro Tiefgaragenplatz).
Nachdem die Klägerin zu 1 den Beklagten am 11.1.2007 von dem Umzug unterrichtet hatte, bewilligte dieser auf den Fortzahlungsantrag vom 25.1.2007 mit Bescheid vom 21.2.2007 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2007 unter Berücksichtigung von KdU und Heizung in der bisherigen Höhe von 381,73 Euro. In einem weiteren Bescheid vom 13.2.2007 bleiben die Leistungen für Unterkunft und Heizung unverändert. Den Widerspruch der Klägerinnen, den die Klägerin zu 1 mit der Erforderlichkeit eines Umzugs wegen gesundheitlicher Beschwerden begründete, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.8.2007 zurück. Die dagegen gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.
In seinem Urteil vom 8.12.2009 hat das Landessozialgericht (LSG) ausgeführt, der Umzug sei aus gesundheitlichen Gründen nicht erforderlich gewesen. Für das nächste halbe Jahr sei absehbar gewesen, dass die Tochter der Klägerin zu 1 die Treppen in das vierte Obergeschoss würde bewältigen können. Zur Vermeidung von Wirbelsäulenbeschwerden und Handgelenksschmerzen sei der Klägerin zu 1 die Verwendung von Hilfsmitteln beim Tragen ihrer Tochter zumutbar gewesen. Der behandelnde Orthopäde habe den Umzug in eine Wohnung in einem unteren Geschoss zwar unterstützt, hierfür aber keine zwingenden Diagnosen - wie etwa einen akuten Bandscheibenvorfall - angegeben.
Mit den vom erkennenden Senat zugelassenen Revisionen machen die Klägerinnen geltend, das LSG habe den Begriff der Erforderlichkeit nach § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II zu eng ausgelegt. Der behandelnde Orthopäde und die Hausärztin der Klägerin zu 1 hätten einen Umzug dringend angeregt. Die bisherige Wohnung sei im Übrigen für die Klägerinnen zu klein gewesen und habe deren Wohnbedarf nicht gedeckt. Die Kosten der neuen Wohnung seien angemessen. Bei einem Haushalt einer Alleinerziehenden mit einem Kind müsse die abstrakt angemessene Wohnfläche um 10 qm auf 74 qm erhöht werden. Den Kosten für einen Stellplatz hätten sich die Klägerinnen nicht entziehen können. Gleiches gelte für den Kabelanschluss. Überdies habe das LSG keine Feststellungen hinsichtlich der Abfallentsorgungsgebühren getroffen. Selbst wenn man der Rechtsauffassung des LSG folge, seien die Aufwendungen für die alte Unterkunft fehlerhaft berechnet worden, nach Abzug der Warmwasseraufbereitungskosten seien bei richtiger Berechnung 402 Euro für KdU und Heizung zu berücksichtigen gewesen.
Die Klägerinnen beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 5. Februar 2008 und das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. Dezember 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 13. Februar 2007 und 21. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2007 zu verurteilen, Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 31. Juli 2007 in Höhe von 329,35 Euro für die Klägerin zu 1 und 331,84 Euro für die Klägerin zu 2 zu gewähren.
Der Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen, er hat schriftsätzlich beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die rechtzeitig eingelegten und auch ansonsten zulässigen Revisionen der Klägerinnen (§§ 160, 164 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) sind im Sinne der Aufhebung des Urteils und der Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 SGG). Es konnte nicht abschließend entschieden werden, ob den Klägerinnen für den streitgegenständlichen Zeitraum höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen, denn es fehlt an ausreichenden Feststellungen des LSG.
1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig. Das Bundessozialgericht (BSG) geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass Jobcenter (§ 6d SGB II idF des Gesetzes vom 3.8.2010, BGBl I 1112) mit Wirkung vom 1.1.2011 kraft Gesetzes an die Stelle der bisher beklagten Arbeitsgemeinschaft (vgl § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II) getreten sind. Das Passivrubrum war daher von Amts wegen zu berichtigen (vgl dazu insgesamt BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 99/10 R - SozR 4-4200 § 37 Nr 5).
Die Klägerin zu 2 wird als nicht prozessfähige Minderjährige (§ 71 Abs 1 und 2 SGG) durch die Klägerin zu 1 vertreten. Diese übt zwar nicht die alleinige elterliche Sorge aus, sondern ist gemeinsam mit dem Kindsvater sorgeberechtigt (§ 1629 Abs 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Der Klägerin zu 1 ist jedoch mit Beschluss des Amtsgerichts Freiburg im Breisgau vom 21.11.2011 das Recht zur alleinigen Vertretung der Klägerin zu 2 im vorliegenden Verfahren übertragen worden.
2. Streitgegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob den Klägerinnen höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zustehen, als sie in den zugrunde liegenden Bescheiden vom 13.2. bzw 21.2.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.8.2007 für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2007 bewilligt worden sind. An der Möglichkeit der isolierten Geltendmachung allein der KdU und Heizung (stRspr, vgl zuletzt BSG Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 66/11 R) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), das insofern zum 1.1.2011 in Kraft getreten ist, zumindest für das laufende Verfahren über vorher abgeschlossene Bewilligungsabschnitte nichts geändert.
3. Die Klägerinnen erfüllen nach den Feststellungen des LSG die Voraussetzungen des § 7 SGB II für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Ihr Anspruch umfasst dem Grunde nach auch Leistungen für KdU und Heizung. Es ist dabei auf die tatsächlichen Unterkunftskosten abzustellen, diese sind aber nicht unbegrenzt erstattungsfähig, sondern nur insoweit, als sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R). Dabei ist die allgemeine Angemessenheit gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II nach der Rechtsprechung des BSG in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln (vgl nur SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 12). Demgegenüber können sich bei einem Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach einer individuellen Grenze bestimmen, § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706). Danach werden, wenn sich durch einen nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erhöhen, die Leistungen weiterhin nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen erbracht. Der Anwendungsbereich der Norm ist nach Systematik und Sinn und Zweck auf Umzüge im örtlichen Vergleichsraum beschränkt (vgl BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 60/09 R - BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35). § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II hat die Funktion einer individuellen Angemessenheitsgrenze. Lebt der Hilfebedürftige innerhalb des maßgeblichen Vergleichsraums in einer kostenangemessenen Wohnung, die seine existenziellen Wohnbedürfnisse ausreichend erfüllt, ist die Übernahme weitergehender Kosten nicht geboten. Zur Vermeidung von (allgemeinen) Kostensteigerungen im maßgeblichen Vergleichsraum bleibt sein Anspruch auf die Kosten dieser Wohnung beschränkt, solange nicht Veränderungen in seinen persönlichen Umständen eintreten, die eine Neubestimmung der für ihn angemessenen Wohnkosten innerhalb der allgemeinen Angemessenheitsgrenzen des Satzes 1 gerechtfertigt erscheinen lassen.
4. Die Prüfung der Erforderlichkeit eines Umzugs ist in zwei Schritten daran zu messen, ob der Auszug aus der bisherigen Wohnung notwendig (dazu unter a) oder aus sonstigen Gründen erforderlich ist (dazu unter b). In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob sich die Kosten gerade der von dem Hilfebedürftigen gewählten neuen Wohnung in Ansehung der Erforderlichkeit eines Umzugs als angemessen darstellen (dazu unter c).
a) Eine Beschränkung auf die bisherigen KdU und Heizung kommt von vornherein dann nicht in Betracht, wenn der Umzug in eine andere Wohnung notwendig in dem Sinne ist, dass die bisherige Wohnung den Unterkunftsbedarf des Hilfebedürftigen als Teil der verfassungsrechtlich garantierten Existenzsicherung nicht (mehr) zu decken vermag. Hierunter fallen vor allem auch gesundheitliche Gründe, die einen Verbleib in der bisherigen Wohnung nicht zulassen.
Die Notwendigkeit eines Umzugs in dem genannten Sinne hat das LSG verneint. Der behandelnde Arzt habe keine "zwingenden Diagnosen" wie etwa einen akuten Bandscheibenvorfall mitgeteilt. Er habe lediglich ausgeführt, dass das Tragen von Lasten über fünf Kilogramm vermieden werden sollte, nicht aber, dass dies aus gesundheitlichen Gründen dringend erforderlich sei. Vielmehr habe er mitgeteilt, dass das Tragen von Lasten oberhalb von fünf Kilogramm nicht gesundheitsschädlich sei. Während das LSG daraus rechtsfehlerfrei den Schluss ziehen konnte, der Umzug sei aus gesundheitlichen Gründen nicht zwingend erforderlich, hat es die Grenzen freier Beweiswürdigung insoweit überschritten, als es ausgeführt hat, es sei den Senatsmitgliedern als Mutter von drei bzw Vater von zwei Kindern aus eigener Erfahrung bekannt, dass im Zusammenhang mit der Kleinkinderziehung vorübergehende Rückenbeschwerden durchaus als normal anzusehen und damit kurzzeitige Belastungen im Zusammenhang mit dem Begehen des Treppenhauses hinnehmbar seien. Selbst wenn man unter Berücksichtigung der dargelegten Überschreitung der Grenzen freier Beweiswürdigung die Prüfung der Notwendigkeit eines Umzugs als ausreichend erachtet, so ist die Prüfung des LSG aber insoweit unvollständig, als es davon ausgegangen ist, lediglich zwingende gesundheitliche Gründe, nicht schon gesundheitliche Beeinträchtigungen und die mit der Wohnlage im vierten Stock allgemein für Familien mit Kindern verbundenen Einschränkungen seien bei der Prüfung der Erforderlichkeit anzuerkennen.
b) § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II umfasst aber auch die Fälle, in denen der Umzug zwar nicht zwingend notwendig ist, aber aus sonstigen Gründen erforderlich erscheint. Dies folgt zum einen aus dem Wortlaut von Satz 2, der ausdrücklich nicht auf die Notwendigkeit des Umzugs oder auf zwingende Gründe Bezug nimmt. Außerdem ergibt sich daraus, dass gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II Unterkunftskosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht werden, soweit sie angemessen sind, dass der Gesetzgeber sich - anders als bei der pauschalierten Regelleistung - bei den Unterkunftskosten zunächst vom Prinzip der Einzelfallgerechtigkeit leiten lässt. Aus dem einzelfallbezogenen Charakter der KdU und Heizung ist zu schließen, dass objektiv bestehende sachliche Gründe - im Rahmen des Angemessenen - zu beachten sind. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II die Übernahme solcher Kosten einschränkt, die nach allgemeinen Maßstäben im Vergleichsraum als angemessen anzusehen sind. Damit sind Einschränkungen für eine Gruppe von Hilfebedürftigen verbunden, denen weder in den örtlichen Vergleichsraum zuziehende Hilfebedürftige (dazu BSG Urteil vom 1.6.2010 - B 4 AS 60/09 R - BSGE 106, 147 = SozR 4-4200 § 22 Nr 35) noch geringverdienende, aber nicht im Leistungsbezug stehende Personen (vgl dazu BSG Urteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 10/10 R - BSGE 106, 283 = SozR 4-4200 § 22 Nr 40) unterworfen sind. Bereits ortsansässige im Leistungsbezug stehende Hilfebedürftige sollen insoweit die Vorteile, die sich für Hilfebedürftige insbesondere aus der Bestimmung der Angemessenheit nach der Produkttheorie ergeben, nicht in vollem Umfang ausschöpfen können. Veränderungen im Wohnumfeld sind für sie aus grundsicherungsrechtlicher Sicht nur möglich, soweit sie kostenneutral erfolgen können. Die mit dieser Einschränkung verbundenen Nachteile gebieten es aber, vom Hilfebedürftigen nur maßvolle Beschränkungen in seinen Gestaltungsmöglichkeiten zu fordern. Dies entspricht im Grundsatz der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG), wonach ein Umzug (auch) dann als erforderlich angesehen werden konnte, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund für den Wohnungswechsel vorlag, von dem sich auch ein Nichthilfebedürftiger leiten lassen würde (vgl Oberverwaltungsgericht Lüneburg Beschluss vom 10.2.1987 - 4 B 283/86, FEVS 36, 291 ≪295≫).
aa) Das LSG hat den Vortrag der Klägerinnen lediglich unter dem Blickwinkel der zwingenden Notwendigkeit eines Umzugs geprüft, nicht aber, ob vorliegend für den Wohnungswechsel ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorgelegen hat, von dem sich auch ein Nichthilfebedürftiger hätte leiten lassen. Es hat in diesem Zusammenhang insbesondere der Situation einer Alleinerziehenden zu wenig Beachtung geschenkt, die dadurch geprägt wird, dass bei der Betreuung des Kindes und im Haushalt nicht von einem arbeitsteiligen Zusammenwirken mit einem anderen Erwachsenen ausgegangen werden kann. Zudem dürfte es nicht der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechen, ein Kind im Alter von zwei Jahren könne im Alltag regelmäßig und mehrfach täglich selbstständig vier Stockwerke überwinden.
bb) Entgegen dem Vortrag der Klägerinnen im Revisionsverfahren spricht dagegen auf der Grundlage des vom LSG festgestellten Sachverhalts nichts dafür, dass sich allein aus der Größe der ursprünglich innegehabten Wohnung eine Erforderlichkeit zum Umzug ergibt. Es handelte sich nach den Feststellungen des LSG um eine Zwei-Zimmer-Wohnung, die eine Trennung in Schlaf- und Wohnbereich ermöglichte und die damit allein im Hinblick auf ihre Größe einen Umzug einer alleinstehenden Erwachsenen und ihrem Kleinkind nicht erforderlich macht. Allein die Unterschreitung der Höchstfläche nach den landesrechtlichen Förderbestimmungen um eine bestimmte Quadratmeterzahl lässt jedenfalls keinen generellen Rückschluss auf die Erforderlichkeit eines Umzugs zu.
c) Selbst wenn man aber mit den Klägerinnen davon ausgeht, der Umzug einer Alleinerziehenden mit einem Kleinkind aus einer Wohnung im vierten Stock ohne Aufzug sei bei vorhandenen Wirbelsäulen- und Handgelenksbeschwerden auch aus der Sicht eines Nichthilfeempfängers plausibel, nachvollziehbar und verständlich, setzt die Verpflichtung des Grundsicherungsträgers zur Übernahme von Mehrkosten voraus, dass sich der Einzug gerade in die von den Hilfebedürftigen gewählte neue Wohnung als erforderlich und geeignet zur Abwendung von nicht mehr weiter hinzunehmenden Nachteilen der bisherigen Wohnung erweist und die Kosten der neuen Wohnung auch unter Ansehung eines nachvollziehbaren und plausiblen Veränderungswunsches als angemessen anzusehen sind. Dies entspricht der Rechtsprechung zu § 22 BSHG iVm § 3 Abs 1 Satz 1 Regelsatzverordnung (vgl Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 17.11.1994 - 5 C 11/93 - BVerwGE 97, 110, 115).
Vor diesem Hintergrund erscheint es nach dem bisherigen Sachstand bei dem Ausmaß einer Kostensteigerung um rund 170 % wenig plausibel, dass der Umzug in die neue Wohnung erforderlich war. Es können im Anwendungsbereich des § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II lediglich Veränderungen privilegiert sein, die sich zum einen innerhalb des Marktsegments realisieren lassen, auf dass der Hilfebedürftige nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zu verweisen ist. Zum anderen muss die Überschreitung der Höhe der bisherigen KdU in einem angemessenen Verhältnis zur Ursache des (nicht zwingend erforderlichen) Umzugs in die neue Wohnung stehen; dh der durch den Umzug erzielbare Gewinn an Lebensqualität lässt auch unterhalb der Angemessenheitsgrenze allenfalls eine geringfügige Kostensteigerung zu. Das Regelungsgefüge von § 22 Abs 1 Satz 1 und 2 und Abs 2 SGB II schließt es bei der vorgegebenen Einzelfallprüfung nicht aus, den Gesichtspunkt der verursachten Mehrkosten zu berücksichtigen (vgl Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, § 22 RdNr 66; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 97 und 100). Ein entsprechender Vergleich der Kosten wird schließlich auch von Nichthilfebedürftigen bei einer entsprechenden Entscheidung hinsichtlich eines Umzugs angestellt.
5. Eine abschließende Entscheidung kann der Senat allerdings deshalb nicht treffen, weil das LSG - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - Feststellungen zur allgemeinen Angemessenheitsgrenze der KdU und Heizung nicht getroffen hat. Die entsprechende Prüfung für den Wohnort der Klägerinnen wird das LSG nachzuholen haben (vgl dazu BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46).
Sollte sich als Rechtsfolge eines nicht erforderlichen Umzugs ergeben, dass der Beklagte Leistungen für KdU und Heizung nur in Höhe der bis dahin zu tragenden Aufwendungen zu erbringen hat (§ 22 Abs 1 Satz 2, 2. Halbs SGB II), so ist dazu der bisherige Bedarf durch das LSG zu ermitteln. § 22 Abs 1 Satz 2 SGB II soll keine rechtswidrige Entscheidung zu den bisherigen KdU und Heizung perpetuieren. So wird etwa zu prüfen sein, ob die Abfallgebühren in einer Summe zu zahlen waren oder - soweit Teilzahlungen festgesetzt waren - in welchem betreffenden Monat sie bedarfserhöhend zu berücksichtigen waren (vgl BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 36). Soweit Kosten für den Kabelanschluss und die Kabelnutzung vom Vermieter auf die Klägerinnen umgelegt wurden, ist zu klären, ob sich die Klägerinnen diesen Kosten entziehen konnten (vgl BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18 RdNr 16 ff).
Schließlich wird das LSG noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.
Fundstellen