Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückforderung überzahlter Rente nach dem Tod des Versicherten. Geldinstitut. Konkursverfahren
Leitsatz (amtlich)
Sind auf das Bankkonto des Versicherten auch für die Zeit nach seinem Tode Rentenzahlungen überwiesen und ist über seinen Nachlaß ein Konkursverfahren eröffnet worden, so ist eine Klage des Rentenversicherungsträgers gegen den Konkursverwalter auf Rückzahlung der Rentenbeträge mangels Rechtschutzbedürfnisses unzulässig, wenn es sich dabei um eine zur Konkurstabelle anzumeldende Konkursforderung handelt.
Orientierungssatz
Die Vorschriften der KO gelten auch für Forderungen aus dem öffentlichen Recht und somit auch für diejenigen aus dem Sozialverwaltungsrecht des SGB 6.
Normenkette
SGG § 54 Abs. 5; KO § 59 Abs. 1 Nr. 4, § 224 Abs. 1 Nr. 5, § 61 Abs. 1 Nr. 6; SGB VI § 118 Abs. 3, 4 S. 1; KO § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung eines für die Zeit nach dem Tod des Versicherten von der Beklagten an ein Geldinstitut überwiesenen Rentenbetrages.
Der Versicherte verstarb am 29. September 1995. Zur Sicherung seines Nachlasses ordnete das Nachlaßgericht eine Nachlaßpflegschaft an. Über den Nachlaß wurde am 7. Dezember 1995 das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt.
Zwischenzeitlich hatte die Beklagte für die Zeit von Oktober 1995 bis einschließlich Januar 1996 insgesamt 4.174,82 DM an "monatlichen Renten" auf das Konto des Versicherten bei der Raiffeisenbank D. überwiesen; davon erstattete die Bank 3.133,11 DM an die Beklagte (Differenz: 1.041,71 DM). Auf Anfrage der Beklagten teilte die Bank am 12. August 1996 mit, die Rente für Oktober 1995 in Höhe von 1.044,37 DM sei am 26. September 1995 auf dem Konto des Versicherten eingegangen; zu diesem Zeitpunkt habe das Konto ein Haben-Saldo aufgewiesen; auf dem Sequesterkonto des Klägers seien am 23. November 1995 1.132,98 DM und am 23. Januar 1996 251,66 DM eingegangen. Hierauf verlangte die Beklagte von dem Kläger unter Hinweis auf § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI die Rückzahlung von 1.041,71 DM und forderte diesen Betrag von dem Kläger durch Verwaltungsakt (Bescheid vom 20. Januar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 1997) zurück.
Durch Urteil vom 17. Juni 1998 hat das SG den Bescheid vom 20. Januar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides mit der Begründung aufgehoben, die Rückforderung könne gegenüber dem Kläger nicht durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden. Das LSG hat mit Urteil vom 15. September 1999 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Auf die von der Beklagten im Verlaufe des Berufungsverfahrens erhobene Eventualwiderklage hat das LSG den Kläger zur Zahlung von 1.041,71 DM verurteilt und ausgeführt: Der Kläger sei als Empfänger und Verfügender zur Erstattung der Rentenüberzahlung verpflichtet. Das Nachlaßkonkursverfahren stehe dem Erstattungsanspruch nicht entgegen. Gemäß dem Tenor der Entscheidung hat das LSG die Revision zugelassen; in den Entscheidungsgründen ist hierzu ausgeführt: Zu der grundsätzlichen Frage, ob ein Erstattungsanspruch gemäß § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI mit Verwaltungsakt geltend gemacht werden könne, sei noch keine höchstrichterliche Entscheidung ergangen.
Der Kläger hat Revision eingelegt; er ist der Ansicht, das LSG habe die Revision uneingeschränkt zugelassen. Im übrigen rügt er eine Verletzung von § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI sowie - sinngemäß - von § 61 Abs 1 Nr 6 Konkursordnung (KO) und trägt vor: Anspruchsverpflichteter nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI sei zum Zeitpunkt des Eingangs der 1.132,98 DM auf dem Sequesterkonto der Sequester gewesen; dieser habe jedoch keine Kenntnis davon gehabt, daß in der überwiesenen Summe Rentenzahlungen enthalten gewesen seien. Mit der Eröffnung des Konkursverfahrens sei die Sequestration beendet gewesen. Der geltend gemachte Anspruch sei im übrigen eine gewöhnliche Konkursforderung iS des § 61 Abs 1 Nr 6 KO, da er vor Konkurseröffnung entstanden sei. Er sei daher zur Konkurstabelle anzumelden. Um eine Masseschuld gemäß § 59 Abs 1 Nr 4 KO handele es sich nicht; die vom Gesetzgeber für rückständige Beitragsforderungen getroffene Ausnahmeregelung (§ 59 Abs 1 Nr 3e KO) könne nicht erweiternd ausgelegt werden; sie gelte nicht für einen Anspruch nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. September 1999 abzuändern und die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. September 1999 zurückzuweisen.
Sie trägt vor: Die Revision sei bereits nicht zulässig. Das LSG habe sie - wie den Entscheidungsgründen des Urteils zu entnehmen sei - nur teilweise, hinsichtlich der Anfechtungsklage, und zwar zur Frage zugelassen, ob der Rückerstattungsanspruch nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI durch Verwaltungsakt geltend zu machen sei. Im übrigen sei die Revision - ihre Zulässigkeit insoweit unterstellt - auch unbegründet, wie sich aus den Gründen des angefochtenen Urteils ergebe, auf das sie Bezug nehme.
Entscheidungsgründe
A. Die Revision des Klägers ist zulässig.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein, ob das LSG den Kläger (Widerbeklagten) aufgrund der mit der Widerklage (§ 100 SGG) erhobenen allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) der beklagten BfA zu Recht zur Zahlung von 1.041,71 DM verurteilt hat. Das Revisionsgericht hat hingegen nicht die Entscheidung des LSG über die Berufung betreffend die gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides erhobene Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) zu überprüfen. Insoweit hat das LSG unangefochten und damit rechtskräftig entschieden, daß die BfA nicht befugt war, ihren (angeblichen) Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt festzusetzen oder ein Zahlungsgebot zu erlassen.
2. Das LSG hat - entgegen der Auffassung der Beklagten - die Revision uneingeschränkt zugelassen, dh sowohl was den Gegenstand der Anfechtungsklage des Klägers als auch denjenigen der (Leistungs-)Widerklage der Beklagten anbelangt. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Tenor der angefochtenen Entscheidung, der keine Beschränkung der Zulassung enthält, sondern auch aus der Klage und Widerklage zugrundeliegenden und auf einem identischen Lebenssachverhalt beruhenden materiellen Rechtsgrundlage, aus der die begehrte Rechtsfolge, die Rückerstattung der Rente für Oktober 1995, hergeleitet wird (vgl hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 31. Juli 1997 - 4 RA 22/96; BSGE 82, 198, 200 = SozR 3-4100 § 242 Nr 1; SozR 1500 § 164 Nr 22 S 36; Lüke in: Münchener Komm, ZPO, 1992, RdNrn 31 f vor § 253).
B. Die Revision des Klägers, mit der er sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von 1.041,71 DM wendet, ist iS einer Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits begründet (§ 170 Abs 2 SGG).
1. Bedenken gegen die Statthaftigkeit der von der Beklagten vor dem LSG erhobenen Eventualwiderklage bestehen nicht. Ein bedingter mit dem Hauptvortrag des Widerklägers in einem "echten" Eventualverhältnis stehender Antrag, der vom Eintritt eines innerprozessualen Ereignisses abhängt, ist zulässig (vgl hierzu BGHZ 132, 390, 397). Hier wurde die von der Beklagten eventualiter erhobene (Leistungs-)Widerklage nur für den Fall erhoben, daß die Anfechtungsklage des Klägers Erfolg hat. Hierzu hat das LSG (zu Recht) rechtskräftig entschieden, daß der Anspruch nach § 118 Abs 4 SGB VI gegenüber Dritten nicht durch Verwaltungsakt festgesetzt werden darf (vgl hierzu BSG SozR 3-2600 § 118 Nr 1 S 4 ff; BSGE 82, 239, 242 = SozR 3-2600 § 118 Nr 3). Deswegen hat die BfA für ihre Leistungsklage insoweit auch ein Rechtsschutzbedürfnis. Keinen Einfluß auf die Rechtshängigkeit der Eventualwiderklage hat die Tatsache, daß das Klageverfahren zwischenzeitlich rechtskräftig abgeschlossen ist. Ist die Widerklage nämlich wirksam erhoben, ist sie vom Schicksal der Hauptklage unabhängig (vgl hierzu Zöller/Vollkommer, ZPO, 21. Aufl, § 33 RdNr 17).
2. Das Urteil ist jedoch deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit zurückzuverweisen, weil der Senat weder aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG noch aufgrund des Vortrags der Beklagten zu entscheiden vermag, ob die Widerklage zulässig oder wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses der Beklagten unzulässig ist (s unten a). Zulässig wäre die Klage und ein Rechtsschutzinteresse der Beklagten gegeben, wenn der geltend gemachte Anspruch nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI eine sog Masseschuld iS von § 59 Abs 1 Nr 4 bzw von § 224 Abs 1 Nr 5 KO wäre (s unten b); die KO findet gemäß Art 103 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl I S 2911) im Hinblick auf den vor dem 1. Januar 1999 gestellten Konkursantrag hier Anwendung. Unzulässig wäre die Klage, wenn es sich um eine sog Konkursforderung iS von § 61 Abs 1 Nr 6 KO handelte. In diesem Fall könnte die Beklagte nämlich grundsätzlich einen Titel auf einfacherem Weg durch Anmeldung und Feststellung der Forderung zur Konkurstabelle (§§ 138 ff KO) erlangen (vgl BGH WM 1996, 835 f; Zöller/Kreger, aaO, RdNr 18b vor § 253; Lüke in: Münchener Komm, aaO, RdNr 10 vor § 253), so daß ein Rechtsschutzbedürfnis der Beklagten für die Leistungsklage nicht bestünde (s unten c). Entscheidungserheblich ist, ob und ggf wann ein Anspruch gegen den Kläger gemäß § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI entstanden ist (s unten d).
a) Die Zulässigkeit der Klage ist als prozessuale Voraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Wenn die Nichtfeststellbarkeit dieser unverzichtbaren Sachentscheidungsvoraussetzung - wie hier - auf mangelnden tatsächlichen Feststellungen durch die Tatsacheninstanz beruht, so hat diese den entscheidungserheblichen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Ermittlungen anzustellen (vgl hierzu BAG AP Nr 20 zu § 253 ZPO). Im (zivilen) Prozeßrecht gilt zwar der Grundsatz, daß Tatsachen, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit einer Klage notwendigerweise erheblich sind (sog doppelrelevante Tatsachen), erst bei der Prüfung der Begründetheit festgestellt werden (vgl hierzu BGHZ 124, 237, 240 f; BGHZ 7, 184, 186; BAG AP Nr 21 zu § 2 ArbGG 1979; Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschlüsse vom 22. Dezember 1995 - 1 ZAR 57/95, vom 27. Februar 1996 - 3 ZBR 337/95; Baumbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl, RdNr 15, Grundzüge vor § 253). Damit wird eine Vereinfachung und endgültige Entscheidung des Rechtsstreits bezweckt (so BGHZ 124, 237, 240). Es kann hier jedoch offenbleiben, ob dieser Grundsatz auch in den Zweigen der Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl § 1 SGG) gilt, in denen die Sachentscheidungsvoraussetzungen zugleich der Funktions- und Kompetenzabgrenzung zwischen der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung dienen (Art 20 Abs 2 Satz 2 und Abs 3 GG). Läßt sich nämlich - wie hier - weder dem Vortrag der Beklagten noch den tatsächlichen Feststellungen des LSG (hier als erstinstanzliches Gericht) entnehmen, ob die prozessualen Voraussetzungen vorliegen, so ist bereits im Rahmen der Zulässigkeit der insoweit erhebliche Sachverhalt zu klären. Da die Feststellung von konkreten Tatsachen des Einzelfalles dem Revisionsgericht jedoch grundsätzlich verwehrt ist, ist der Rechtsstreit zur Klärung dieser Fragen zurückzuverweisen.
b) Mithin wird das LSG die erforderlichen Ermittlungen anzustellen und zu prüfen haben, ob die Klage zulässig ist. Dies ist der Fall, wenn es sich bei dem geltend gemachten Anspruch der Beklagten um eine Masseschuld handeln würde. Nur dann nämlich könnte die Beklagte den Kläger (vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit) als Konkursverwalter auf Vorwegbefriedigung aus der Masse (§ 57 KO) in Anspruch nehmen. Denn die Geltendmachung von Masseansprüchen vollzieht sich außerhalb des Konkursverfahrens und unabhängig vom Gang der Verteilung in diesem Verfahren. Eine Masseschuld liegt - von Ausnahmen abgesehen - nur vor, wenn die Masse nach der Konkurseröffnung bereichert worden ist. Eine schon vor Konkurseröffnung eingetretene (ungerechtfertigte) Bereicherung, hier des Nachlasses, erzeugt keine Masseschuld (sondern nur eine - zunächst - zur Konkurstabelle anzumeldende Konkursforderung). Um eine Masseschuld handelte es sich auch, wenn der Nachlaßpfleger als gesetzlicher Vertreter der Erben eine diesen nicht zustehende Leistung gefordert und angenommen hat; denn der Konkursverwalter ist nach Eröffnung des Nachlaßkonkurses verpflichtet, das ohne rechtlichen Grund durch Rechtshandlungen des Nachlaßpflegers in den Nachlaß und in die Masse Gelangte als Masseschuld (§ 224 Abs 1 Nr 5 KO) herauszugeben. Berechtigte aus Geschäften, die ein Nachlaßpfleger in ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses auch im Interesse der Nachlaßgläubiger vorgenommen hat, sollen nämlich nicht auf die Konkursquote verwiesen werden (vgl BGHZ 94, 312, 314 f; BGH WM 1997, 1681 f). § 224 KO erweitert insoweit für den Nachlaßkonkurs den Kreis der Masseschulden über § 59 KO hinaus (vgl hierzu Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 224 RdNr 1). Ohne Bedeutung in diesem Zusammenhang ist allerdings, wenn die Bereicherung während der Dauer der Sequestration (§ 106 KO) eingetreten sein sollte und der Antrag auf Konkurseröffnung bereits zu diesem Zeitpunkt gestellt war (vgl hierzu BGH WM 1997, 1681; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl, § 59 RdNr 16). Denn die Sequestration dient allein der Sicherung und Erhaltung der künftigen Konkursmasse und damit grundsätzlich der gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger (vgl BGH NJW 1983, 887, 888; BGH WM 1997, 1681; BSG, Urteil vom 20. Juli 1988 - 12 RK 53/86), die durch das Konkursverfahren gewährleistet werden soll. Zu den Masseschulden zählt auch nicht ohne weiteres ein Anspruch nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI - unabhängig davon, ob er vor oder nach der Konkurseröffnung entstanden ist oder nicht. § 59 Abs 1 Nr 3e KO, wonach Beitragsforderungen der Sozialversicherungsträger und der Bundesanstalt für Arbeit Masseschulden sind, kann nicht erweiternd unter Einbeziehung der Ansprüche nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI ausgelegt werden. Die dort genannten, im Hinblick auf ihre Entstehung als sog unechte Masseschulden (vgl § 59 Abs 1 Nr 3 KO) bezeichneten Ausnahmen weichen von der og Systematik ab. Weitere Ausnahmetatbestände würden den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Konkursgläubiger durchbrechen und bedürften daher einer besonderen gesetzlichen Rechtfertigung (vgl BGH WM 1997, 1681 f; Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 59 RdNr 1a).
c) Sollte das LSG bei seinen Ermittlungen zu dem Ergebnis gelangen, der geltend gemachte Anspruch nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI sei vor Konkurseröffnung entstanden, so handelte es sich um eine Konkursforderung, die beim Konkursgericht anzumelden ist (§§ 138 ff KO). Die Leistungs-(Wider-)klage wäre in diesem Falle unzulässig. Konkursgläubiger können ihre Forderung auf Sicherstellung und Befriedigung aus der Konkursmasse nur nach Maßgabe der Vorschriften für das Konkursverfahren verfolgen (§ 12 KO; vgl BGH WM 1996, 835, 838; BSG, Urteil vom 23. Oktober 1987 - 12 RK 11/86). Wird die Forderung weder vom Konkursverwalter noch von den Konkursgläubigern bestritten, also anerkannt, gilt die Forderung als festgestellt (§ 144 Abs 1 KO). Der Gläubiger erlangt in diesem Falle durch Feststellung zur Konkurstabelle - auf einfachem Weg bereits - einen Titel (§ 145 Abs 2 KO). Erst dann, wenn die Forderung (oder das beanspruchte Vorrecht) durch den Konkursverwalter oder durch Konkursgläubiger bestritten wird und sie damit als nicht festgestellt gilt (§ 144 KO), bleibt es dem Gläubiger unbenommen, eine Klage auf Feststellung (jedoch gerade nicht auf Leistung) der angemeldeten Forderung zur Konkurstabelle zu erheben. Dabei wäre - hier - im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI das SG sachlich zuständig (§ 146 Abs 5 KO; BGHZ 55, 224, 225 ff; 60, 64 f). Die Anmeldung der Forderung ist für diese Feststellungsklage notwendige Sachentscheidungsvoraussetzung (vgl BAGE 50, 221, 224; Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 146 RdNr 20 mwN). Eine ohne dieses Anmeldeverfahren unmittelbar gegen den Konkursverwalter auf Befriedigung einer Konkursforderung und/oder auf Feststellung der Forderung zur Konkurstabelle gerichtete Klage ist somit nicht zulässig. Sie würde auch nicht etwa dadurch zulässig, daß der Konkursverwalter ihr Bestreiten in Aussicht stellt; auf die Einhaltung der Zulässigkeitsvoraussetzungen können die Beteiligten im Interesse aller Gläubiger, die durch die Konkursmasse befriedigt werden sollen, nicht verzichten (vgl hierzu Jaeger, KO, 8. Aufl, § 146 Anm 14). Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Gläubiger auf die Befriedigung seiner Forderung aus der Konkursmasse, also auf Teilnahme am Konkursverfahren, verzichtet hätte und die Forderung (hier) gegenüber dem Nachlaßpfleger als Vertreter der Erben geltend machen würde. Eine derartige Fallgestaltung liegt hier jedoch nicht vor. Denn die Beklagte macht ihren Zahlungsanspruch gerade gegen den Konkursverwalter als Partei kraft Amtes (vgl BGHZ 86, 190, 195) geltend (vgl im übrigen BGH WM 1996, 835; BSG, Urteil vom 23. Oktober 1987, aaO; Hess/Kropshofer, KO, 4. Aufl, § 12 RdNr 6; Kuhn/ Uhlenbruck, aaO, § 12 RdNr 4).
Entgegen der Auffassung des LSG gelten die Vorschriften der KO auch für Forderungen aus dem öffentlichen Recht und somit auch für diejenigen aus dem Sozialverwaltungsrecht des SGB VI. Denn die KO enthält eine öffentlich-rechtliche Spezialregelung - hier - für das Verfahren bei Überschuldung des Nachlasses (§ 215 KO); sie gilt für alle Konkursgläubiger. Somit sind auch Forderungen des öffentlichen Rechts vom Gläubiger zur Konkurstabelle anzumelden (vgl hierzu Jaeger, aaO, § 146 Anm 20). Die Teilnahme an dem Verfahren hat zur Folge, daß mit dem Zeitpunkt der Konkurseröffnung die Haftungsmasse zugunsten aller Konkursgläubiger - unabhängig vom Rechtsgrund ihrer Forderung - zwecks gemeinschaftlicher Befriedigung gebunden wird; eine Einzelvollstreckung des einzelnen Konkursgläubigers ist ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zulässig; an ihre Stelle tritt die für alle gemeinsame Verwertung der Masse. Das Konkursverfahren ist also eine Art Vollstreckung, die aufgrund eines staatlichen Beschlagnahmeakts, der gerichtlichen Konkurseröffnung, erfolgt (vgl hierzu Jaeger, aaO, Vorbem zu §§ 61 bis 70).
d) Nach alledem ist erheblich, ob es sich bei dem Anspruch der Beklagten gegen den Kläger als Konkursverwalter um eine Konkursforderung oder um eine Masseschuld handelt. Maßgebend ist insoweit, ob ein und ggf wann der Rechtsgrund für den von der Beklagten geltend gemachten Anspruch nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI entstanden ist (vgl hierzu Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 1 RdNr 93a), dh, ob und ggf zu welchem Zeitpunkt die von der Beklagten überwiesene Rente für Oktober 1995 bzw ein entsprechender Betrag in den Nachlaß und/oder in die Konkursmasse gelangt ist und diesen bzw diese ungerechtfertigt bereichert hat.
aa) § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI findet, was den zeitlichen Geltungsbereich anbelangt, auf den vorliegenden Sachverhalt Anwendung. Die Vorschrift ist als Art 1 Nr 20 des Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buchs des Sozialgesetzbuchs und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S 1824) am 1. Januar 1996 in Kraft getreten (Art 17). Die Inkrafttretensregelung, die Teil der normativen Regelung ist (vgl BVerfGE 42, 263, 283; 34, 9, 23) bestimmt ihren zeitlichen Geltungsbereich, dh den Zeitpunkt, ab dem die Rechtsfolgen für den Normadressaten frühestens anzuwenden sind (vgl hierzu Leibholz/Rinck/Hesselberger, GG, 7. Aufl, Art 82 RdNr 126). § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI regelt somit zukunftsgerichtet vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens (dh dem Beginn seiner materiell-rechtlichen Wirksamkeit) an auch die Rechtsfolgen aus den dann jeweils schon gegebenen Sachverhalten (aA zum sozialen Entschädigungsrecht in einem sog obiter dictum, 9. Senat, Urteil vom 29. Juli 1998 = BSG SozR 3-2600 § 118 Nr 2 S 13; vgl zuletzt zum Anwendungsbereich der §§ 300 ff SGB VI: Urteil des erkennenden Senats vom 2. August 2000 - B 4 RA 54/99 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Ansprüche, die sich dadurch neu ergeben, treten grundsätzlich neben schon entstandene, soweit sich aus dem neuen Recht anderes nicht ergibt.
bb) Ohne Bedeutung ist grundsätzlich insoweit, daß der Rentenbetrag bereits am 29. September 1995, also vor dem Tod des Versicherten, bei dem Geldinstitut eingegangen war. Denn für die Entstehung der öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüche aus § 118 Abs 3 und 4 SGB VI (vgl hierzu BSGE 82, 239, 241, 244 = SozR 3-2600 § 118 Nr 3) kommt es nicht auf den Zeitpunkt des Eingangs der Rente bei dem Kreditinstitut, sondern auf den Bezugszeitraum an, für den die Rente gezahlt worden ist. Entstehungsvoraussetzung für den Erstattungsanspruch des Rentenversicherungsträgers ist allein die im Hinblick auf den Tod des Versicherten rechtsgrundlose bzw rechtsgrundlos gewordene Vermögensverschiebung durch Überweisung eines Geldbetrages an das Geldinstitut zwecks Gutschrift auf dem Konto des Versicherten. Dies folgt aus der in § 118 Abs 3 Satz 1 SGB VI normierten auflösenden Bedingung; danach gelten Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten auf ein Konto überwiesen wurden, als unter Vorbehalt erbracht. Mit dem Tod des Versicherten vor Beginn des Bezugsmonats entfällt somit rückwirkend der - möglicherweise - auf einer bankvertraglichen Verpflichtung des Kontoinhabers mit dem Geldinstitut beruhende Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung, etwa weil ein Kreditvertrag die Bank berechtigt, eigene Ansprüche gegenüber dem Kontoinhaber zu befriedigen.
cc) Nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI sind Personen, die eine zu Unrecht überwiesene Rente für einen Bezugszeitraum nach dem Tod des Versicherten in Empfang genommen haben oder über den entsprechenden Betrag verfügt haben, so daß dieser nicht von dem Geldinstitut zurücküberwiesen wird (§ 118 Abs 3 SGB VI), dem Träger der Rentenversicherung zur Erstattung des entsprechenden Betrages verpflichtet. Die Vorschrift setzt somit zunächst einmal voraus, daß das Geldinstitut, an das die Rente überwiesen wurde, selbst nicht mehr zur Erstattung herangezogen werden kann (§ 118 Abs 3 Sätze 2 und 3 SGB VI). Verneint es eine entsprechende Verpflichtung mit der Begründung, daß über den entsprechenden Betrag bereits anderweitig verfügt worden (Entreicherungseinwand gemäß § 118 Abs 3 Satz 3 SGB VI) und auch keine eigene Forderung gegenüber dem Kontoinhaber befriedigt worden sei (Befriedigungsverbot des Abs 3 Satz 4 aaO), so hat es auf Verlangen Namen und Anschriften der Personen anzugeben, die über den Betrag verfügt haben, sowie etwaige neue Konteninhaber zu benennen (§ 118 Abs 4 Satz 2 SGB VI). Nach der Systematik des § 118 Abs 3 und 4 SGB VI geht somit der Anspruch gegen das Geldinstitut dem Anspruch gegen Personen vor, die an der Vermögensverschiebung des Geldinstituts beteiligt und um den Schutzbetrag bereichert sind (§ 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI). Erst wenn das Geldinstitut sich erfolgreich auf eine Entreicherung berufen kann, kommt ein Anspruch nach § 118 Abs 4 Satz 1 SGB VI in Betracht. Haftungsgrund des Geldinstituts nach § 118 Abs 3 Satz 2 SGB VI ist nicht etwa eine - insoweit nicht bestehende - bankvertragliche Beziehung des Instituts zum Rentenversicherungsträger, sondern die Tatsache, daß der Wert der Rente (= Schutzbetrag) in die Verfügungsmacht des Geldinstituts gelangt ist und von diesem - auch zur Auf- oder Verrechnung - genutzt werden kann. Der Haftungsgrund des Geldinstituts entfällt und der Erstattungsanspruch erlischt konsequenterweise, wenn der Wert des Schutzbetrages sowohl aus der unmittelbaren Verfügungsmacht als auch aus der bankvertraglich begründeten Verwertungsbefugnis endgültig ausgeschieden ist und ein anderer als das Geldinstitut durch rechtswirksame Verfügungen den Kontenstand unter den Wert des Schutzbetrages gesenkt hat. Wenn das Geldinstitut allerdings den entsprechenden Betrag (Schutzbetrag) etwa im Rahmen späterer Kontenbewegungen wieder aus dem Konto des Versicherten in sein Vermögen - durch welche Rechtshandlungen auch immer - zurückführt und den Schutzbetrag ganz (oder teilweise) verringert und/oder wenn - zwischenzeitlich - das Konto wieder ein Guthaben in Höhe des Schutzbetrages aufweist (§ 118 Abs 3 Satz 3 SGB VI), ist das Geldinstitut mit dem Entreicherungseinwand insgesamt (oder insoweit) ausgeschlossen und zur Zahlung verpflichtet.
Erst wenn das Geldinstitut von seiner Verpflichtung zur Leistung befreit ist, stellt sich demnach die Frage, ob und ggf wann der Schutzbetrag ganz oder teilweise in den Nachlaß oder in die Konkursmasse gelangt ist.
Zur Klärung dieser Fragen wird das LSG die vom Senat im Urteil vom 4. August 1998 (BSGE 82, 239, 249 f) genannten Kriterien zu beachten und seinen Ermittlungen zugrunde zu legen haben: 1. Kontenstand des Versicherten im Zeitpunkt der Gutschrift. 2. Kontenstand bei Eingang der Rückforderung der Beklagten bzw bei Auflösung des Kontos. 3. - Sofern zu diesem Zeitpunkt kein Guthaben auf dem Konto des Versicherten war -: Rechtshandlungen des Geldinstituts nach Eingang der Gutschrift, welche den Schutzbetrag gemindert oder aufgehoben haben. 4. - Soweit das Geldinstitut nicht (oder nur teilweise) in den Schutzbetrag eingegriffen hat -: Namen und Anschriften der Personen, die (im Verhältnis zum Geldinstitut rechtswirksam) den Schutzbetrag (ganz oder teilweise) abgehoben oder überwiesen haben, die jeweiligen Verfügungszeitpunkte sowie der jeweils verbliebene Rest des Schutzbetrages.
Wenn nach diesen Feststellungen das Geldinstitut aufgrund der vorgenannten Kriterien aus dem überwiesenen Schutzbetrag nicht in Anspruch genommen werden kann - und ein Dritter als Empfänger oder Verfügender ausscheidet -, kann ein Anspruch der Beklagten gegen den Konkursverwalter überhaupt in Betracht kommen. Ist dies der Fall, so ist zu prüfen, wann und in welchem Umfang der Nachlaß bzw die Konkursmasse um die überzahlte Rente bereichert worden ist. Sodann ist zu klären, ob dies vor oder nach Konkurseröffnung geschehen ist; ist die Bereicherung vor Konkurseröffnung eingetreten - und greift § 224 Abs 1 Nr 5 KO nicht ein -, so handelt es sich bei der Forderung der Beklagten um eine Konkursforderung, die in dem entsprechenden Umfang zur Konkurstabelle hätte angemeldet werden müssen, mit der Folge, daß bei unterlassener Anmeldung die Widerklage insoweit unzulässig ist. Ist die Bereicherung der Masse allerdings ganz oder teilweise nach Konkurseröffnung eingetreten, so würde es sich um eine Masseschuld handeln und die Widerklage wäre insoweit (ganz oder teilweise) zulässig. Das LSG wird in diesem Zusammenhang auch zu beachten haben, daß jedenfalls das Geldinstitut dem Rechtsstreit notwendig beizuladen ist (§ 75 Abs 2 SGG). Es wird auch eine Beiladung des Nachlaßpflegers als Vertreter der Erben im Hinblick auf § 118 Abs 4 Satz 3 SGB VI zu prüfen haben, da mit der Eröffnung des Nachlaßkonkurses die Nachlaßpflegschaft nicht endet (vgl Staudinger/Marotzke, BGB, 1996, § 1988 RdNr 2; Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 214 RdNr 11).
Das Urteil des LSG ist nach alledem aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Fundstellen
Haufe-Index 584599 |
NZI 2001, 502 |
NZS 2001, 541 |
SGb 2002, 287 |
SozR 3-1500 § 54, Nr. 45 |