Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I
Streitig ist die Zulässigkeit der Berufung bei einem Anspruch auf Kostenerstattung nach § 63 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X).
Die Beklagte half einem gegen einen Altersruhegeldbescheid erhobenen Widerspruch der Klägerin in vollem Umfange ab und erklärte sich zur Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens bereit. Die Klägerin verlangte von der Beklagten eine Kostenerstattung in Höhe von insgesamt 183,71 DM; die Beklagte setzte die Kosten in Höhe von 85,73 DM fest und lehnte eine weitere Kostenerstattung ab. Die nach erfolglosem Widerspruch hiergegen erhobene Klage wurde vom Sozialgericht (SG) als unbegründet abgewiesen, die Berufung der Klägerin vom Landessozialgericht (LSG) verworfen. Nach Ansicht des LSG ist der Berufungsausschlußgrund des § 144 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gegeben. Bei der Kostenerstattung nach § 63 SGB X handele es sich um eine einmalige Leistung, die aus oder zumindest im Zusammenhang mit einem Sozialrechtsverhältnis gewährt werde. Es würde, so meint das LSG weiter, dem Grundgedanken des § 144 SGG widersprechen, wenn bei bestimmten Sozialleistungen, die der Bestreitung des Lebensunterhalts dienten, die Berufung ausgeschlossen wäre, dagegen bei Nebenleistungen, die im Zusammenhang mit der Durchsetzung der Sozialleistung stünden, die Berufung stets zulässig sein sollte.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, unter "einmaligen Leistungen" i.S. von § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG seien entgegen der Ansicht des LSG nur Sozialleistungen zu verstehen. Die Erstattung der Vorverfahrenskosten stelle aber keine Sozialleistung dar.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist nicht begründet; das LSG hat zu Recht die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen.
Da eine Zulässigkeit der Berufung nach § 150 SGG hier nicht in Betracht kommt - das SG hat eine Zulassung der Berufung ausdrücklich abgelehnt -, hängt die Entscheidung allein davon ab, ob die Berufung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen ist. Diese Frage ist, wie das LSG richtig erkannt hat, zu bejahen.
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung nicht zulässig bei Ansprüchen auf einmalige Leistungen. Unter Leistung im Sinne dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), von der abzuweichen kein Anlaß besteht, eine von einem öffentlich-rechtlichen Leistungsträger zu bewirkende Handlung zu verstehen, die dieser aufgrund seiner zum Sozialrecht gehörenden Aufgabenstellung vorzunehmen hat und aus der für den einzelnen ein rechtlicher Vorteil erwächst (SozR 1500 § 144 Nr. 5, 21 m.w.N.). Ob das auch für Handlungen gilt, die keine Geldleistungen oder geldwerten Leistungen sind (vgl. dazu SozR 1500 § 144 Nr. 5), kann auf sich beruhen, da hier allein eine - einmalige - Geldleistung in Rede steht. Die Kostenerstattung nach § 63 SGB X ist eine solche Leistung; sie wird vom Leistungsträger (hier: Versicherungsträger) aufgrund seiner zum Sozialrecht gehörenden Aufgabenstellung zum Vorteil des einzelnen erbracht. Darauf, ob sie eine Sozialleistung im Sinne von § 11 Satz 1 SGB I darstellt (vgl. dazu SozR 1200 § 44 Nr. 9), kommt es nicht an. Es trifft zwar zu, daß in der Rechtsprechung des BSG im Zusammenhang mit § 144 Abs. 1 SGG gelegentlich von Sozialleistungen die Rede war (vgl. insbesondere BSGE 3, 234, 236; 5, 140, 141; 6, 47, 50; SozR 1500 § 144 Nr. 21). Dabei ist der Begriff der Sozialleistung nicht in dem technischen Sinne des § 11 Satz 1 SGB I gebraucht worden; er diente vielmehr allein der Abgrenzung gegenüber Ansprüchen der Leistungsträger gegen den Einzelnen oder gegen andere Träger der öffentlichen Verwaltung. Demgemäß ist auch bisher stets angenommen worden, daß z.B. Kassenhonorarstreitigkeiten Ansprüche auf wiederkehrende "Leistungen" im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG betreffen (BSGE 11, 102, 107; SozR 1500 § 144 Nr. 1, 6), obwohl hier von Sozialleistungen im Sinne von § 11 Satz 1 SGB I schwerlich die Rede sein kann (vgl. Begründung zu § 11 SGB I BT-Drucks 7/868 S. 24); für § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann, was den Leistungsbegriff anlangt, nichts anderes gelten. Es fehlt zudem an einem Bedürfnis dafür, bei Anwendung von § 144 Abs. 1 SGG darauf abzuheben, ob es sich um eine Sozialleistung im Sinne von § 11 Satz 1 SGB I handelt. Es ist nicht einzusehen, warum das Interesse des im ersten Rechtszuge unterlegenen Beteiligten, der auch der Beklagte sein kann, an einer Fortführung des Rechtsstreites in der Berufungsinstanz in höherem Maße schützenswert sein soll, wenn Gegenstand des Rechtsstreits nicht eine Sozialleistung, sondern eine andere Leistung eines Leistungsträgers an den Einzelnen ist.
Ohne Bedeutung ist im vorliegenden Fall § 144 Abs. 3 SGG. Diese Vorschrift bezieht sich allein auf die Kosten des laufenden Rechtsstreits, nicht aber die eines anderen Verfahrens; sie soll ebenso wie § 99 der Zivilprozeßordnung (ZPO) ausschließen, daß ein Rechtsstreit allein wegen der Kosten in der Berufungsinstanz fortgesetzt wird. Daß die von § 144 Abs. 3 SGG erfaßten Kosten des gerichtlichen Verfahrens auch die Kosten eines vorgeschalteten Vorverfahrens erfassen, folgt daraus, daß das Vorverfahren in diesem Falle der gerichtlichen Rechtsverfolgung diente und darum von dem gerichtlichen Verfahren nicht getrennt werden kann.
Mit dieser Entscheidung setzt sich der erkennende Senat nicht, wie die Klägerin meint, in Widerspruch zu den Urteilen das 8. Senats des BSG vom 24. März 1983 (SozR 1500 § 144 Nr. 21) und (wie das LSG bei der Revisionszulassung angenommen hat) des 9a Senats vom 7. Dezember 1983 - 9a RVs 5/82 -. Das erstgenannte Urteil betrifft einen Anspruch, den der Versicherungsträger gegen den Versicherten geltend gemacht hatte und damit schon aus diesem Grunde keine "Leistung" i.S. des § 144 SGG. In dem dem zweiten Urteil zugrundeliegenden Fall hatte, wie der 9a Senat mitgeteilt hat, das SG die Berufung zugelassen, so daß es auf § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht ankam.
Nach alledem war die Revision mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).11 RA 29/84
Bundessozialgericht
Verkündet am
25. Oktober 1984
Fundstellen