Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Rechtsmäßigkeit der Erhebung von Beitragsnachforderungen gegenüber Insolvenzverwalter mittels Leistungs-/Zahlungsbescheid trotz Vollstreckungsverbots für Massegläubiger. Befreiung von Verpflichtung zur Beitragsentrichtung an Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung nach § 335 Abs 3 S 2, Abs 5 SGB 3. Arbeitgeber/Insolvenzverwalter. Einwand der Zahlungsbefreiung. Erfüllungseinwand
Leitsatz (amtlich)
Das nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit bestehende insolvenzrechtliche Vollstreckungsverbot für Massegläubiger hindert den prüfenden Rentenversicherungsträger nicht, rückständige Gesamtsozialversicherungsbeiträge gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Leistungs-/Zahlungsbescheid festzusetzen.
Orientierungssatz
1. Die "Freistellung" des Arbeitgebers von der Verpflichtung zur Entrichtung von (Gesamt)Sozialversicherungsbeiträgen nach § 335 Abs 3 S 2 SGB 3 gibt diesem nicht einen von den Rentenversicherungsträgern bei der Festsetzung von Beitragsnachforderungen im Rahmen einer Betriebsprüfung zu beachtenden Erfüllungseinwand.
2. In diesem Sinne verschafft § 335 Abs 3 S 2 SGB 3 dann, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen, dem Arbeitgeber nur einen Einwand der Zahlungsbefreiung, der verhindern soll, dass der Arbeitgeber der Gefahr einer Doppelbelastung ausgesetzt ist. Es soll vermieden werden, dass der Arbeitgeber Beiträge faktisch doppelt - zum einen auf das Arbeitslosengeld und zum anderen auf das Arbeitsentgelt - entrichtet bzw trotz Beitragsersatz nach § 335 Abs 3 S 1 SGB 3 den vollen Gesamtsozialversicherungsbeitrag zahlt.
Normenkette
SGB III § 143 Abs. 3 Fassung: 1997-03-24, § 335 Abs. 3 S. 2, Abs. 5; SGB IV §§ 28a, 28e, 28f Abs. 3 S. 3, § 28h Abs. 1-2, § 28p Abs. 1 Sätze 3, 5, § 76 Abs. 1; SGB X § 33 Abs. 1; InsO § 208 Abs. 1, § 209 Abs. 1 Nr. 3, § 210
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. Juni 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 101 046,18 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen, hier noch darüber, ob und in welchem Umfang ein prüfender Rentenversicherungsträger diese Beiträge durch Leistungs- bzw Zahlungsbescheid festsetzen durfte.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der K. GmbH, über deren Vermögen durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf am 1.8.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Er stellte anschließend Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung frei. Zum 31.1.2010 gab er den Geschäftsbetrieb vollständig auf; letzter Beschäftigungsmonat für die Arbeitnehmer war Januar 2010. Unter dem 1.2.2010 gab der Kläger die Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 Insolvenzordnung ≪InsO≫) ab.
Nach einer "Ad-hoc"-Betriebsprüfung (= Arbeitgeberprüfung nach § 28p Abs 1 S 3 SGB IV) des Geschäftsbetriebs der GmbH einschließlich aller Unterbetriebe (Prüfzeitraum 1.8.2009 bis 30.6.2010) durch den beklagten Rentenversicherungsträger erhob dieser mit gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der insolventen GmbH erlassenem Bescheid vom 6.8.2010 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 101 046,18 Euro als sonstige Masseverbindlichkeiten nach. Die Beklagte forderte unter Fristsetzung die Zahlung dieses Betrags an die im Rechtsstreit zu 2. bis 19. beigeladenen Einzugsstellen. Zur Begründung führte die Beklagte aus, zum einen seien für die freigestellten Arbeitnehmer nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Beitragsnachweise bei den zuständigen Einzugsstellen eingereicht worden, zum anderen seien sämtliche Meldungen für diesen Personenkreis mit einem fehlerhaften Meldegrund ("Grund 30 statt 71") versehen gewesen und es hätten Abmeldungen zum rechtlichen Ende der Beschäftigung ("Grund 72") gefehlt. Nach der Rechtsprechung des BSG werde der Fortbestand von Beschäftigungsverhältnissen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt; Versicherungs- und Beitragspflicht bestünden bis zur rechtlichen Beendigung der Beschäftigungsverhältnisse, längstens bis zur Aufnahme einer anderen Beschäftigung fort. Die Beklagte erteilte in dem Bescheid ua folgende Hinweise: Die Höhe des Nachforderungsbetrages könne sich künftig noch ändern, etwa wenn sich herausstelle, dass Arbeitnehmer vor dem Auslaufen der Kündigungsfristen neue Arbeitsverhältnisse eingegangen seien, oder bei Ersatzfällen nach dem SGB III. Inwieweit Zahlungspflichten nach der InsO im Einzelfall tatsächlich bestünden, sei nicht vom Rentenversicherungsträger, sondern im Rahmen des Beitragseinzugs von den Einzugsstellen in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Eine Minderung der im Prüfbescheid ausgewiesenen Beitragsforderungen erfolge erst nach einer "Sollkorrektur" im Arbeitgeberkonto und dem Erlass eines entsprechenden Beitragsbescheids; rückständige Beiträge seien von der Einzugsstelle zur Tabelle anzumelden.
Mit seinem Widerspruch teilte der Kläger zunächst mit, gegen die ermittelten Beitragsansprüche "dem Grunde nach" keine Einwendungen zu erheben, wandte sich aber gegen die "Feststellung des vollen Nachforderungsbetrags zu Gunsten der Einzugsstellen" sowie dessen "Fälligstellung unter Zahlungsfristsetzung" und verwies auf das insolvenzrechtliche Vollstreckungsverbot nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 210 InsO). Darüber hinaus sei der Arbeitgeber in den Fällen der arbeitsförderungsrechtlichen Gleichwohlgewährung im Umfang der Beitragsentrichtung durch die Bundesagentur für Arbeit (BA = Beigeladene zu 1.) von der Zahlungspflicht befreit. Er könne nicht darauf verwiesen werden, diesbezügliche Einwendungen gegenüber den Einzugsstellen geltend zu machen. Der Kläger reichte Unterlagen der Beigeladenen zu 1. zu "Anspruchsübergängen nach § 115 SGB X" und deren Bescheid vom 11.11.2010 über die Festsetzung ihres Anspruchs gegen den Kläger auf Beitragsersatz ein.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5.5.2011 unter Hinweis darauf zurück, dass über spätere Änderungen versicherungs- und beitragsrechtlicher Relevanz die Einzugsstellen durch Bescheid befänden, der eigenständig überprüft werden könne. Mit der Entscheidung der Einzugsstelle erledige sich dann der Prüfbescheid auf andere Weise, ohne dass es dann noch eines Änderungs- oder Aufhebungsbescheides bedürfe.
Das SG hat die dagegen gerichtete Anfechtungsklage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Rentenversicherungsträger dürfe die rückständigen Beiträge nach § 28p Abs 1 S 5 iVm § 28e SGB IV mit Leistungsbescheid fordern. Das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO stehe insoweit nicht entgegen, weil der Erlass eines Leistungsbescheids noch keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung sei; dieses hindere erst auf der zweiten Stufe des im Falle einer Betriebsprüfung zweigeteilten Verfahrens eine Durchsetzung der Beitragsforderung durch die Einzugsstellen. Der Leistungsbescheid des Rentenversicherungsträgers schaffe erst die Grundlage für das Beitragsverfahren. Ebenso wenig sei der Nachforderungsbescheid wegen der zugunsten des Arbeitgebers wirkenden Befreiungsregelung in § 335 Abs 3 S 2 SGB III rechtswidrig. Da sich Grund und Umfang der Befreiung von der Zahlungsverpflichtung nach dem Ersatzanspruch der Beigeladenen zu 1. richteten, spreche dies dafür, dass der Befreiungseinwand gegenüber den Einzugsstellen geltend zu machen sei. Er stehe dann als Erfüllungseinwand der in die Zuständigkeit der Einzugsstellen fallenden Durchsetzung des Zahlungsanspruchs entgegen (Urteil vom 20.6.2013).
Mit seiner Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung von § 28p SGB IV, § 335 Abs 3 SGB III, § 33 SGB X und § 210 InsO. Das SG habe Inhalt und Tragweite dieser Vorschriften verkannt. Soweit § 210 InsO für Masseverbindlichkeiten nach § 209 Abs 1 Nr 3 InsO, zu denen auch Beitragsforderungen gehörten, ein Vollstreckungsverbot anordne, dürfe ein Leistungsbescheid nicht (mehr) ergehen. Zwar stelle ein solcher Bescheid keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung dar. Er sei jedoch unverhältnismäßig und verstoße gegen das Übermaßverbot, weil er über eine bloße Forderungsfeststellung hinaus keine Wirkungen entfalten könne. Der Leistungsbescheid erwecke demgegenüber den Anschein einer unbedingten Leistungsverpflichtung, die aber so nicht (mehr) durchgesetzt werden könne. Auf Parallelen zum Ordnungsrecht und Steuerrecht könne sich das SG für seine Auffassung nicht berufen. Das erstinstanzliche Gericht negiere auch den Regelungsgehalt des § 335 Abs 3 S 2 SGB III. Soweit der Arbeitgeber nach dieser Regelung im Umfang der Gleichwohlgewährung durch die Beigeladene zu 1. von seiner Beitragszahlungspflicht an die Einzugsstellen befreit sei, stelle der Nachforderungsbescheid Leistungsverpflichtungen fest, die in voller Höhe gar nicht mehr bestünden; die Beitragsschuld sei insoweit vielmehr bereits von der Beigeladenen zu 1. getilgt. Der Arbeitgeber könne auch nicht darauf verwiesen werden, den Erfüllungseinwand erst später, auf der Ebene der Anspruchsdurchsetzung durch die Einzugsstellen zu erheben. Dieses Ergebnis lasse sich weder durch die "Funktion als Beitragsnachweis" erklären noch sei es sachgerecht. Der Bescheid der Beklagten sei schließlich inhaltlich unbestimmt, weil die Verminderung der Zahlungsverpflichtung um die von der Beigeladenen zu 1. entrichteten Beiträge bei der Tenorierung überhaupt keinen Niederschlag gefunden habe.
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Der Kläger beantragt sinngemäß, |
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das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20. Juni 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 2011 aufzuheben. |
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Die Beklagte beantragt, |
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die Revision des Klägers zurückzuweisen. |
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO greife erst auf der zweiten Stufe des Beitragserhebungsverfahrens, also dann, wenn die Einzugsstellen die vom Rentenversicherungsträger festgesetzte Nachforderung durchsetzten.
Die zu 1. beigeladene BA weist - ohne einen eigenen Antrag zu stellen - ua darauf hin, dass eine Erfüllungswirkung ihrer Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge nicht angenommen werden könne, weil sie Beiträge auf das Arbeitslosengeld, nicht auf das Arbeitsentgelt entrichte und somit eine eigene Beitragsschuld erfülle, nicht dagegen diejenige des Arbeitgebers. Auch seien in diesen Fällen die Gläubiger der Sozialversicherungsbeiträge nicht identisch. Die Entsprechung sei "rein betragsmäßig", die Nachforderungssumme aber gleichwohl "im Umfang der Befreiung" zu mindern.
Die zu 2. bis 19. beigeladenen Einzugsstellen stellen keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Sprungrevision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden konnte (§ 124 Abs 2 SGG), ist unbegründet und zurückzuweisen.
Zutreffend hat das SG die Klage gegen den vom beklagten Rentenversicherungsträger im Rahmen der Betriebsprüfung (Arbeitgeberprüfung) erlassenen Bescheid vom 6.8.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 5.5.2011 abgewiesen. Das angegriffene erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die Beklagte war insbesondere befugt, die Beitragssumme gegenüber dem Kläger durch Nachforderungsbescheid "mit Fälligstellung und Zahlungsfristsetzung" festzusetzen (dazu 1.). Sie durfte die rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge - gegen deren (materiell-rechtliche) Berechtigung und rechnerische Ermittlung der Kläger "dem Grunde nach" keine Einwendungen erhebt - auch in der genannten Höhe verlangen; die angefochtenen Bescheide sind zudem inhaltlich hinreichend bestimmt (dazu 2.).
1. Die Beklagte war berechtigt, den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der insolventen K. GmbH für die rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträge auch noch nach seiner Anzeige der Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) am 1.2.2010 durch Erlass eines Nachforderungsbescheides in Anspruch zu nehmen. Die Rechtslage unterscheidet sich insoweit aufgrund sozialversicherungsrechtlicher Besonderheiten maßgebend von derjenigen - vom Kläger hervorgehobenen - im Arbeitsrecht, wonach einer Leistungsklage des Arbeitnehmers nach vom Insolvenzverwalter angezeigter Masseunzulänglichkeit bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehlen soll (vgl dazu BAG Urteil vom 11.12.2001 - 9 AZR 459/00, AP Nr 1 zu § 209 InsO).
a) Nach § 28p Abs 1 SGB IV prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach dem SGB IV, die im Zusammenhang mit den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen stehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre (Satz 1). Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs 2 sowie § 93 iVm § 89 Abs 5 SGB X nicht (Satz 5).
Im Interesse einer wirksamen Beitragsüberwachung, die eine enge Zusammenarbeit der Einzugsstellen und der Rentenversicherungsträger erfordert, verpflichtet § 28p Abs 1 S 3 SGB IV die Einzugsstellen außerdem, den für den Arbeitgeber zuständigen Rentenversicherungsträger zu unterrichten, wenn ihnen Tatsachen bekannt werden, die beim Arbeitgeber eine alsbaldige Prüfung erforderlich erscheinen lassen. Die Voraussetzungen der Unterrichtungspflicht sind dann gegeben, wenn Anhaltspunkte für eine Prüfung aus besonderen Gründen bestehen; solche können in der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers liegen (vgl hierzu die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuchs - 3. SGBÄndG, BT-Drucks 13/1205 S 6 zu Art 1 Nr 3 ≪§ 28p≫, hier zu Absatz 1). In den Fällen eines Insolvenzereignisses etwa veranlassen die Einzugsstellen "ad-hoc"-Betriebsprüfungen (Arbeitgeberprüfungen) durch die Rentenversicherungsträger.
b) Zeigt der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit an, so wird die Vollstreckung einer (Alt)Masseverbindlichkeit iS des § 209 Abs 1 Nr 3 InsO nach § 210 InsO unzulässig (Vollstreckungsverbot). Das - von Amts wegen zu beachtende - Vollstreckungsverbot für Massegläubiger wird kraft Gesetzes mit der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter wirksam. Sinn und Zweck des § 210 InsO ist, die Befriedigung der Massegläubiger in einem gesetzmäßigen Verfahren zu erreichen und zu verhindern, dass nachrangige (Alt)Massegläubiger zulasten der vorrangigen Gläubiger nach § 209 Abs 1 Nr 1 und 2 InsO durch Einzelvollstreckung die volle Befriedigung ihrer Forderungen durchsetzen und auf diese Weise die Insolvenzmasse vorzeitig entleeren (vgl Hefermehl in Kirchhof/Eidenmüller/Stürner, Münchener Kommentar zur InsO, 3. Aufl 2013, § 210 RdNr 1, 3; Uhlenbruck in Berscheid/Hirte/Lüer/Maus/Sinz/Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl 2003, § 210 RdNr 1; Weis in Hess/Weis/Wienberg, InsO, 2. Aufl 2001, § 210 RdNr 1). Das Vollstreckungsverbot erfasst Zwangsvollstreckungsmaßnahmen jeder Art; es bezieht sich auf alle Verfahren, die zu einer Vollstreckung in die Insolvenzmasse führen (vgl Hefermehl, aaO, § 210 RdNr 7; Uhlenbruck, aaO, § 210 RdNr 3) und gilt damit auch für Verwaltungsbehörden als (Alt)Massegläubiger (vgl - für § 60 KO und Vollstreckungen des Finanzamts in die Konkursmasse - schon BFHE 181, 202, 203 f = BStBl II 1996, 511).
In der finanzgerichtlichen und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung ist allerdings geklärt (vgl etwa BFHE 218, 432, 434 = BStBl II 2008, 322; Sächsisches OVG NVwZ-RR 2013, 333 f = ZIP 2013, 424; s auch - zur Verpflichtung des Insolvenzverwalters zur Vornahme vertretbarer Handlungen im Immissionsschutzrecht trotz Vollstreckungsverbots nach § 210 InsO - VGH Mannheim NVwZ-RR 2012, 460, 461 f = ZIP 2012, 1819), dass abgabenrechtliche Forderungen gegen den Insolvenzverwalter auch dann (noch) durch Verwaltungsakt festgesetzt werden dürfen, wenn dieser bereits die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs 1 InsO angezeigt hat. Im Hinblick auf die in der Abgabenordnung (AO) angelegte systematische Trennung zwischen Festsetzungs- (§§ 155 ff AO) und Erhebungsverfahren (§§ 218 ff AO) schränke das Vollstreckungsverbot des § 210 InsO lediglich die Befugnis ein, den Verwaltungsakt zu vollstrecken, nicht aber, ihn zu erlassen. Die Festsetzung der Abgabenschuld durch Verwaltungsakt wird hierbei als Grundlage für die Verwirklichung (Erhebung) der Abgabe betrachtet. Nichts anderes kann im Kern in Bezug auf sozialversicherungsrechtliche Beitragsforderungen gelten. Die vom Kläger hiergegen vorgebrachten Einwendungen können nicht überzeugen.
c) Vor dem dargestellten Hintergrund durfte auch die Beklagte die Beitragssumme dem Kläger gegenüber trotz eines - möglicherweise bestehenden - Vollstreckungsverbots nach § 210 InsO durch Leistungs- bzw Zahlungsbescheid festsetzen und musste sich nicht - wie der Kläger meint - auf eine (bloße) Feststellung der Forderung beschränken (so aber LSG Baden-Württemberg ZIP 2015, 396 ff, Revision beim Senat anhängig unter dem Aktenzeichen B 12 R 2/15 R; LSG Baden-Württemberg Urteile vom 16.12.2014 - L 11 R 1115/14 und L 11 R 1116/14 - Juris RdNr 22, Revisionen anhängig unter B 12 R 3/15 R und B 12 R 4/15 R; aA wohl SG Duisburg Urteil vom 8.11.2010 - S 21 R 187/09). Insbesondere erweist sich ein solches Leistungs- bzw Zahlungsgebot nicht deshalb als unverhältnismäßig und damit rechtswidrig, nur weil es aus insolvenzrechtlichen Gründen nicht vollstreckt werden könnte.
Der Senat kann offenlassen, welchen Rang die Verpflichtung zur Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen im Gefüge des Insolvenzrechts einnimmt, dh, ob sie den (Alt-)Masseverbindlichkeiten des § 209 Abs 1 Nr 3 InsO zuzuordnen ist oder nicht und ob § 210 InsO insoweit (überhaupt) zur Anwendung gelangt oder nicht (im erstgenannten Sinne LSG Baden-Württemberg ZIP 2015, 396, 398, Revision beim Senat anhängig unter dem Aktenzeichen B 12 R 2/15 R; aA wohl SG Stuttgart Urteil vom 3.11.2011 - S 5 R 2494/11 - Juris RdNr 12). Denn selbst wenn die Beitreibung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge wegen eines Verbots der Einzelzwangsvollstreckung nach § 210 InsO unzulässig sein sollte, schlüge dies jedenfalls nicht auf die Befugnis der Beklagten durch, gegenüber dem Kläger einen Nachforderungsbescheid zu erlassen. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, berücksichtigt der Kläger bereits nicht, dass der Erlass eines zur Zahlung verpflichtenden Verwaltungsakts als solcher selbst noch keine Vollstreckungsmaßnahme darstellt, wie sie § 210 InsO verbietet. Er beachtet außerdem nicht, dass der Leistungs- und Zahlungsbescheid des prüfenden Rentenversicherungsträgers nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV erst die Grundlage für das Beitragsverfahren schafft. Ob ein solcher Bescheid dann vollstreckt werden darf oder ob die zwangsweise Durchsetzung der Beitragsforderung wegen eines insolvenzrechtlichen Vollstreckungsverbots ausscheidet, ist erst auf einer späteren Ebene von den Krankenkassen (als Einzugsstellen) beim Einzug der Beiträge und hier in einem letzten, selbstständigen Verfahrensabschnitt zu prüfen, wenn die vom Arbeitgeber geschuldete Beitragssumme nicht freiwillig gezahlt wird.
Zu Recht hat das SG im Übrigen darauf hingewiesen, dass das Verfahren zur Erhebung (§ 76 Abs 1 SGB IV) von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen im Fall einer Betriebsprüfung durch die Träger der Rentenversicherung zweigeteilt ist. Seit 1.1.1999 liegt die Überprüfung von Arbeitgebern nicht mehr - wie bis dahin - bei den Krankenkassen als Einzugsstellen, sondern obliegt den Rentenversicherungsträgern, die diese grundsätzlich in alleiniger Verantwortung durchzuführen haben (zu den Gründen und der stufenweisen Einführung der Prüfzuständigkeit der Rentenversicherungsträger vgl die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines 3. SGBÄndG, BT-Drucks 13/1205 S 6 zu Art 1 Nr 3 ≪§ 28p≫, hier zu Absatz 1, sowie Neidert DRV 1995, 651, 654 ff; ferner Sehnert in Hauck/Noftz, SGB IV, Stand März 2014, K § 28p RdNr 3 ff). In der Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger liegt seither die Prüfung der ordnungsgemäßen Erledigung der melde- und beitragsrechtlichen Pflichten der Arbeitgeber, während die laufende Überwachung des Meldeverfahrens (vgl § 28a SGB IV) und - in diesem Zusammenhang - der Einreichung der Beitragsnachweise und der Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags sowie der Beitragseinzug, hier die Geltendmachung von (rückständigen) Beiträgen, weiterhin den Einzugsstellen übertragen ist (vgl § 28h Abs 1 S 2 und 3 SGB IV). Auf die Rentenversicherungsträger "ausgelagert" ist danach nur die turnusmäßige (Außen)Prüfung, also die Prüfung "vor Ort" in den Unternehmen (vgl hierzu etwa Schlegel in Küttner, Personalbuch 2015, 22. Aufl, "Außenprüfung" RdNr 12; ferner Wehrhahn in Kasseler Komm, Stand März 2013, § 28p SGB IV RdNr 6; Neidert DRV 195, 651, 657). Die Einzelheiten dieser Prüfung sind in der Beitragsverfahrensordnung - BVV - vom 3.5.2006 (BGBl I 1138) geregelt.
Zwar trifft es zu, dass die Rentenversicherungsträger nach Maßgabe des § 28p Abs 1 S 5 SGB IV (umfassend) ermächtigt sind, im Rahmen der Betriebsprüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und - ausdrücklich auch zur - Beitragshöhe einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern zu erlassen; die hierfür (sonst) bestehende Zuständigkeit der Einzugsstellen nach § 28h Abs 2 S 1 SGB IV tritt insoweit zurück (§ 28p Abs 1 S 5 Halbs 2 SGB IV). Sie dürfen - wie jene - auch die Handlungsform des Verwaltungsakts in der Gestalt eines Leistungs- bzw Zahlungsgebots einsetzen. Macht ein Rentenversicherungsträger von der ihm durch § 28p Abs 1 S 5 SGB IV eingeräumten Befugnis zur Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen Gebrauch, so kommt seinem Leistungs- bzw Zahlungsbescheid aber gleichwohl nur der Charakter eines Grundlagenbescheides für die Erhebung der Beiträge zu, weil Betriebsprüfungen ihrerseits eine über die bloße Kontrollfunktion hinausgehende Bedeutung nicht entfalten (vgl zuletzt - im Zusammenhang mit einer geforderten Entlastungswirkung für Arbeitgeber - BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5, RdNr 24; BSG SozR 4-2400 § 27 Nr 1 RdNr 19). Die Betriebsprüfung hat insbesondere den Zweck, den Einzugsstellen durch Sicherstellung von Arbeitgeberunterlagen und -aufzeichnungen eine Berechnungsgrundlage zu verschaffen, damit diese die notwendigen Schritte zur Geltendmachung von Ansprüchen auf (rückständige) Beiträge (vgl § 28h Abs 1 S 3 SGB IV) unternehmen können; im Insolvenzverfahren hat der Nachforderungsbescheid des Rentenversicherungsträgers vor allem die Funktion, den Einzugsstellen die Glaubhaftmachung ihrer Beitragsforderungen zu ermöglichen, wenn - wie im vorliegenden Fall - Beitragsnachweise und/oder Meldungen des Arbeitgebers fehlen bzw unvollständig oder unzutreffend sind (vgl § 28f Abs 3 S 3 SGB IV). In diesem Sinne regelt ein im Rahmen einer Betriebsprüfung erlassener Leistungs- bzw Zahlungsbescheid des Rentenversicherungsträgers für die Einzugsstellen verbindlich die maximale Höhe der (rückständigen) Gesamtsozialversicherungsbeiträge als Ausgangsbasis für den Beitragseinzug (so auch SG Duisburg Urteil vom 8.11.2010 - S 21 R 187/09). Der Beitragseinzug ist nach der dem Beitrags(erhebungs)verfahren des SGB IV immanenten Trennung zwischen Überprüfung des Arbeitgebers einerseits und seiner Überwachung sowie der Geltendmachung von Beitragsansprüchen andererseits (vgl hierzu den Zusammenhang zwischen § 28h Abs 1 S 2 und 3, § 28p Abs 1 S 3, Abs 3, § 76 Abs 3 und 4 SGB IV) nämlich Sache der Einzugsstellen als Gläubiger der Beitragsforderungen und von diesen in einem gesonderten Verwaltungsverfahren vorzunehmen, wenn wegen versicherungs- und/oder beitragsrechtlicher Änderungen eine Abweichung von den Prüffeststellungen in Betracht kommt. Erst der (Leistungs- bzw Zahlungs-)Bescheid des Rentenversicherungsträgers schafft die Grundlage für die Verwirklichung der Ansprüche aus dem Beitragsschuldverhältnis und vermittelt insoweit den Nachweis einer Rechtsstellung, ohne gleichzeitig bereits die Funktion eines Vollstreckungstitels im engeren Sinne zu haben, die Verwaltungsakten mit einem Leistungs- bzw Zahlungsgebot üblicherweise zukommt. Dass der Bescheid des prüfenden Rentenversicherungsträgers - wie der Kläger einwendet - "ein Verhalten abverlangt", das "rechtmäßiger Weise gar nicht mehr durchgesetzt werden kann", ist vor diesem Hintergrund - wegen der vom Gesetz vorgegebenen und von den Versicherungsträgern zu beachtenden Zweiteilung der Aufgaben - am Maßstab des Rechtsstaatsprinzips nicht zu beanstanden. Rechte der Betroffenen im Insolvenzverfahren werden dadurch schon mit Blick auf § 209 InsO nicht beeinträchtigt, zumal es sich bei Insolvenzverwaltern - wie dem Kläger - um sachkundige Adressaten solcher Bescheide der Rentenversicherungsträger handelt, denen (trotz aus Laiensicht möglicherweise zu Missverständnissen Anlass gebenden Bescheidformulierungen) ohne Weiteres die Funktion der aufgezeigten Vorgehensweise der Träger (= Ersetzung fehlender bzw fehlerhafter Arbeitgebermeldungen gegenüber den Einzugsstellen) klar sein muss und die aufgrund ihrer Fachkenntnis von der betroffenen Materie keinen Zweifel daran haben können, dass durch deren Vorgehen keineswegs bereits eine Regelung der endgültigen und ohne Weiteres der Vollstreckung fähigen Beitragsforderung vorgenommen wird (dazu auch näher sogleich).
2. Die Beklagte durfte die Gesamtsozialversicherungsbeiträge gegenüber dem Kläger auch in Höhe von 101 046,18 Euro festsetzen.
Die angefochtenen Bescheide sind nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte im Hinblick auf § 335 Abs 3 S 2, Abs 5 SGB III gehalten gewesen wäre, die rückständigen Beiträge von Beginn an in niedrigerer Höhe zu ermitteln oder ihre Summe im Widerspruchsverfahren im Wege der Teilabhilfe bzw später durch "Bescheidkorrektur" zu reduzieren (dazu a). Die Bescheide sind auch nicht etwa inhaltlich zu unbestimmt, weil - wie der Kläger vorträgt - unter den Beteiligten "Einigkeit darüber bestehen" dürfte, dass die von der Beklagten "austenorierte" Gesamtforderung gegenüber den Einzugsstellen später wegen beitragsrechtlicher Veränderungen nicht in voller Höhe beglichen werden muss (dazu b).
a) Nach § 335 Abs 3 S 2, Abs 5 SGB III wird der Arbeitgeber von seiner Verpflichtung befreit, Beiträge (auf das Arbeitsentgelt) an die Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu entrichten, soweit er der BA (= Beigeladene zu 1.) Sozialversicherungsbeiträge zu ersetzen hat, die diese für dieselbe Zeit im Zusammenhang mit einer "Gleichwohlgewährung" von Arbeitslosengeld - nach § 143 Abs 3 S 1 SGB III in der hier maßgebenden, bis zum 31.3.2012 geltenden Fassung - (auf das Arbeitslosengeld) entrichtet hat. Die Befreiung des Arbeitgebers von der Entrichtungsverpflichtung reicht damit dem Grunde und der Höhe nach so weit, wie der Ersatzanspruch der BA besteht; dieser Anspruch entsteht mit der Entrichtung der Beiträge durch die BA an die Einzugsstellen (vgl noch zu § 160 Abs 1 S 2 AFG BSG SozR 2200 § 29 Nr 13 S 34 f). Darüber hinaus verbleibt es bei der Pflicht des Arbeitgebers zur Entrichtung von (Gesamt)Sozialversicherungsbeiträgen auf das Arbeitsentgelt an die zuständigen Einzugsstellen (vgl zB Wagner in GK-SGB III, Stand August 2014, § 335 RdNr 9; Leitherer in Eicher/Schlegel, SGB III nF, Stand September 2014, § 335 RdNr 77; ferner Düe in Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 335 RdNr 33).
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass aus einer "Freistellung" von der Entrichtungsverpflichtung im Sinne des § 335 Abs 3 S 2 SGB III für das Beitrags(festsetzungs)verfahren "Konsequenzen zu ziehen" seien und auch in einem im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV erlassenen Verwaltungsakt der Rentenversicherungsträger berücksichtigt werden müsse, dass und in welchem Umfang Zahlungspflichten des Arbeitgebers nach § 335 Abs 3 S 2 SGB III entfallen seien; andernfalls - so der Kläger - würden dort Leistungspflichten festgelegt, die (jedenfalls teilweise) nicht mehr bestünden, weil die zu 1. beigeladene BA die Beitragsschuld des Arbeitgebers insoweit getilgt habe. Der Kläger meint, die vollumfängliche, nicht um die von der BA bereits entrichteten Beiträge verminderte Nachforderung in den angefochtenen Bescheiden lasse sich auch nicht - wie das SG angenommen habe - mit deren angeblicher "Funktion als Beitragsnachweis" begründen. Dem ist nicht zu folgen.
Der Senat kann offenlassen, ob eine Befreiung des Arbeitgebers von der Verpflichtung zur Entrichtung von (Gesamt)Sozialversicherungsbeiträgen nach § 335 Abs 3 S 2 SGB III schon dann eintritt, wenn die zu 1. beigeladene BA - wie hier mit Schreiben vom 11.11.2010 - ihren Anspruch auf Beitragsersatz durch Bescheid gegenüber dem Arbeitgeber festgesetzt hat, oder ob hierfür allgemein hinzukommen muss, dass diese auf Ersatz gerichtete Forderung der BA auch tatsächlich beglichen wurde (ablehnend insoweit SG Dortmund Urteil vom 4.5.2012 - S 34 R 84/11); einem solchen Erfordernis wäre allerdings im Insolvenzverfahren nur schwer zu genügen. Jedenfalls gibt die "Freistellung" des Arbeitgebers von der Entrichtungsverpflichtung diesem nicht - wie der Kläger (im Anschluss an SG Düsseldorf ZIP 2010, 1814, 1815, SG Stuttgart Urteil vom 3.11.2011 - S 5 R 2494/11 - Juris RdNr 15 und SG Dortmund Urteil vom 4.5.2012 - S 34 R 84/11) meint - einen von den Rentenversicherungsträgern bei der Festsetzung von Beitragsnachforderungen im Rahmen einer Betriebsprüfung zu beachtenden Erfüllungseinwand. Zutreffend weist die Beigeladene zu 1. im Revisionsverfahren nämlich darauf hin, dass sie mit ihrer Beitragszahlung anlässlich der "Gleichwohlgewährung" nicht etwa eine Beitragsschuld des Arbeitgebers, sondern eine eigene Beitragsschuld erfüllt; denn die Beigeladene zu 1. führt Beiträge - wegen einer Versicherungspflicht aufgrund des Leistungsbezugs (vgl § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V, § 3 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB VI, § 20 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB XI) - nur auf das Arbeitslosengeld ab und nicht etwa - wegen einer Versicherungspflicht aufgrund (fortbestehender) Beschäftigung (vgl § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI, § 20 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB XI) - auf das Arbeitsentgelt. Gegen die Beurteilung als Erfüllungseinwand spricht auch, dass ein solcher Einwand dann in funktionswidriger Weise letztlich immer schon dann eingriffe, wenn die Beiträge auf das Arbeitslosengeld von der BA tatsächlich gezahlt wurden.
In diesem Sinne verschafft § 335 Abs 3 S 2 SGB III dann, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen, dem Arbeitgeber nur einen Einwand der Zahlungsbefreiung, der - wie Beklagte und Beigeladene zu 1. zutreffend ausführen - verhindern soll, dass der Arbeitgeber der Gefahr einer Doppelbelastung ausgesetzt ist. Es soll vermieden werden, dass der Arbeitgeber Beiträge faktisch doppelt - zum einen auf das Arbeitslosengeld und zum anderen auf das Arbeitsentgelt - entrichtet bzw trotz Beitragsersatz nach § 335 Abs 3 S 1 SGB III den vollen Gesamtsozialversicherungsbeitrag zahlt. Der Befreiungseinwand besteht damit - wie die Beigeladene zu 1. richtig vorträgt - lediglich im Hinblick auf eine "betragsmäßige Entsprechung" der Beiträge, ohne dass eine Erfüllungswirkung eintreten kann. Dieser Einwand der Zahlungsbefreiung ist aufgrund der dargestellten Zweiteilung des Beitrags(erhebungs)verfahrens im Fall der Betriebsprüfung (dazu oben 1. c) gegenüber den Einzugsstellen vorzubringen, denen der Bescheid nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV für den Inhalt des mit ihnen konkret bestehenden Beitragsrechtsverhältnisses eine Berechnungsgrundlage und - im Insolvenzverfahren - ein Mittel der Glaubhaftmachung ihrer Beitragsforderungen (vgl § 28f Abs 3 S 3 SGB IV) verschafft.
Dass die von der zu 1. beigeladenen BA geleisteten Sozialversicherungsbeiträge von der mit einem Bescheid der Rentenversicherungsträger nachgeforderten Beitragssumme nicht "in Abzug" zu bringen sind und dass der Arbeitgeber mit seinem Einwand der Zahlungsbefreiung erst auf das Verfahren vor den Einzugsstellen beim Vollzug der Beitragsforderung verwiesen werden muss, ist - entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung - auch sachgerecht. Er trägt selbst vor, dass die Geltendmachung der "Anspruchsübergänge" durch die BA und ihre bescheidmäßige Festsetzung des Anspruchs auf Beitragsersatz gegenüber dem Arbeitgeber "oftmals recht zögerlich" erfolgen. Ein Zuwarten vertrüge sich aber nicht mit der schon oben beschriebenen (dazu 1. a) Funktion von Betriebsprüfungen in Fällen eines Insolvenzereignisses, auf ein berechtigtes Prüfersuchen der Einzugsstellen hin "ad hoc" die Höhe noch bestehender Beitragsforderungen zu ermitteln. Auch hätte der Arbeitgeber bei einem solchen Verfahrensverständnis nicht "anstelle der Behörde" über eigene Berechnungen herauszufinden, welche Beitragssumme er letztlich an die Einzugsstellen zahlen muss; denn mit dem an ihn gerichteten Festsetzungsbescheid der BA über den Ersatz der von ihr anlässlich der "Gleichwohlgewährung" geleisteten Sozialversicherungsbeiträge wäre der Umfang der "Freistellung" von der Zahlungsverpflichtung einfach nachzuweisen. Auch ist nicht nachzuvollziehen, warum eine Geltendmachung des Befreiungseinwands gegenüber den Einzugsstellen beim Vollzug der Beitragsforderung eine doppelte Inanspruchnahme des Arbeitgebers weniger wirkungsvoll verhindern können soll als in dem Fall, in dem der Befreiungseinwand bereits dem (prüfenden) Rentenversicherungsträger entgegenzusetzen wäre.
b) War die Beklagte nach alledem berechtigt, mit Bescheiden nach § 28p Abs 1 S 5 SGB IV die (rückständigen) Gesamtsozialversicherungsbeiträge in voller Höhe nachzufordern, so sind diese Bescheide - entgegen der vom Kläger (im Anschluss an SG Düsseldorf ZIP 2010, 1814, 1815) vertretenen Ansicht - auch in Übereinstimmung mit § 33 Abs 1 SGB X inhaltlich hinreichend bestimmt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.
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4. Der Streitwert für das Revisionsverfahren war gemäß § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG in Höhe des Betrags der streitigen Beitragsforderung festzusetzen. |
Fundstellen
Haufe-Index 8646981 |
DStR 2016, 134 |
DStR 2016, 543 |