Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Leistungen bei Beschäftigung im Ausland. Gewährung von Krankenbehandlung durch den Arbeitgeber nur bei familienversicherten Angehörigen. Abtretung des Erstattungsanspruchs des Arbeitgebers an den Familienangehörigen. Kostenprivilegierung bei Klage eines Familienangehörigen in der Sozialgerichtsbarkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Arbeitgeber muss den mit einem Beschäftigten in das vertragslose Ausland mitreisenden Familienangehörigen Krankenbehandlung nur gewähren, wenn diese familienversichert sind.
2. Kann ein Arbeitgeber die Kosten einer Auslandsbehandlung für einen Familienangehörigen seines Auslandsbeschäftigten von der Krankenkasse erstattet verlangen, darf er den Erstattungsanspruch zur Geltendmachung an den Familienangehörigen abtreten.
3. Klagt ein Familienangehöriger eines Auslandsbeschäftigten in der Sozialgerichtsbarkeit Erstattungsansprüche gegen seine Krankenkasse ein, die ihm der Arbeitgeber des Beschäftigten abgetreten hat, ist der Familienangehörige kostenprivilegiert.
Normenkette
SGB V § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; SGB 5 § 16 Abs. 1 Nr. 1; SGB V § 17 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 2; SGB 5 § 18 Abs. 1; SGB V § 18 Abs. 3 S. 1; SGG § 131 Abs. 1 S. 3, § 183 Sätze 1, 3; SGB 1 § 30 Abs. 1, § 37 S. 1; GG Art. 2 Abs. 1-2, Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Feststellung der Leistungspflicht aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nach § 17 SGB V für Zeiten des Aufenthalts in der Ukraine.
Die Ehefrau des 1934 geborenen, bei der beklagten AOK in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versicherten Klägers war von Oktober 2005 bis Oktober 2008 in K./Ukraine bei einer Zweigstelle des beigeladenen Goethe-Instituts beschäftigt und bei einer anderen Krankenkasse (KK) als der Kläger versichert. Der Kläger behielt seinen Wohnsitz in Deutschland bei. Er hielt sich dort jeweils für mehrere Wochen auf, überwiegend jedoch in der Ukraine bei seiner Ehefrau. Seit 2009 ist die Ehefrau in Spanien eingesetzt.
Der Beigeladene machte dem Kläger gegenüber von einem bestimmten Zeitpunkt an die Erstattung der Kosten der in der Ukraine in Anspruch genommenen Krankenbehandlung davon abhängig, dass die Beklagte ihm (dem Beigeladenen) Kostenerstattung gewähre; zudem trat der Beigeladene seine Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger ab. Im Januar 2006 machte der Kläger dann gegenüber der Beklagten geltend, er habe gegen den Beigeladenen als Arbeitgeber seiner Ehefrau Anspruch auf Leistungen analog § 17 Abs 1 Satz 2 SGB V wie ein nach § 10 SGB V versicherter Familienangehöriger; daher sei die Beklagte gemäß § 17 Abs 2 SGB V verpflichtet, ihm aus abgetretenem Recht die Behandlungskosten zu erstatten. Die Beklagte trat dem entgegen, da der Kläger nicht als Familienangehöriger seiner im Ausland beschäftigten Ehefrau versichert sei und eine Familienversicherung wegen seiner vorrangigen Pflichtversicherung in der KVdR ausscheide (Bescheid vom 16.1.2006, Widerspruchsbescheid vom 3.3.2006).
Die auf Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten gerichtete Klage hat das SG mit gleicher Begründung abgewiesen (Urteil vom 13.10.2008). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen: Sein Rechtsschutzbegehren - inzwischen umgestellt auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage - sei zulässig (Wiederholungsgefahr; Schadensersatzprozess wegen der Kosten einer abgeschlossenen privaten Auslandskrankenversicherung). Die Beklagte sei aber nicht zur Kostenerstattung gemäß § 17 Abs 2 SGB V verpflichtet, weil der Kläger nicht als Familienangehöriger seiner Ehefrau versichert sei, sondern als versicherungspflichtiger Rentner. § 17 Abs 1 Satz 2 SGB V gelte insoweit auch nicht analog. Das noch unter Geltung der RVO ergangene Urteil des BSG vom 9.3.1982 (BSGE 53, 150 = SozR 2200 § 222 Nr 1) sei auf die Rechtslage nach dem SGB V nicht übertragbar. Das somit eintretende Ruhen des Leistungsanspruchs bei Auslandsaufenthalten verstoße weder gegen Art 2 Abs 1 und 2 GG noch gegen Art 6 Abs 1 und Art 3 Abs 1 GG (Urteil vom 10.12.2009).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 17 SGB V und Art 3 Abs 1 GG. Während seines Aufenthalts in der Ukraine habe § 17 Abs 1 Satz 2 iVm Satz 1 SGB V entsprechend angewandt werden müssen. Da der Territorialitätsgrundsatz bereits zu Zeiten der RVO gegolten habe, lasse sich aus der Entstehungsgeschichte zu §§ 16 ff SGB V nichts gegen eine Analogie und Weitergeltung des BSG-Urteils vom 9.3.1982 (aaO) herleiten. Der von dieser Rechtsprechung geforderte entsendungsähnliche Sachverhalt, der die Inpflichtnahme des Arbeitgebers für begleitende Ehegatten rechtfertige, sei auch zu bejahen, wenn der Ehegatte in der KVdR pflichtversichert sei, der Abschluss einer privaten Auslandskrankenversicherung einem ohnehin bereits beitragsbelasteten Rentner dagegen unzumutbar. Die Erfüllung der Voraussetzungen des § 10 SGB V sei kein geeignetes Abgrenzungskriterium für das Bestehen von Leistungsansprüchen, weil Ehegatten mit dem Status pflichtversicherter Kleinrentner vom Entsandten ähnlich finanziell abhängig sein könnten wie Familienversicherte.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. Dezember 2009 und des Sozialgerichts Mainz vom 13. Oktober 2008 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. März 2006 rechtswidrig war.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das LSG-Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.
Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass er die begehrte Feststellung, die beklagte KK sei bis Oktober 2008 für ihn leistungspflichtig gewesen, nicht beanspruchen kann; denn die ursprünglich angefochtenen, zwischenzeitlich erledigten Bescheide der Beklagten waren nicht rechtswidrig. Der beigeladene Arbeitgeber der Ehefrau des nicht familienversichert gewesenen Klägers konnte von der Beklagten während der Zeit der Entsendung der Ehefrau in die Ukraine in den Jahren 2005 bis 2008 keine Erstattung der dem Kläger in der Ukraine entstandenen Aufwendungen für Krankenbehandlung nach § 17 Abs 2 iVm Abs 1 SGB V verlangen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen entsprechenden Anspruch aus der vom Beigeladenen abgeleiteten Rechtsstellung.
1. Das LSG-Urteil lässt in prozessrechtlicher Hinsicht Rechtsfehler nicht erkennen.
a) Das vom Kläger im Berufungsverfahren in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellte Rechtsschutzbegehren (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG) ist zulässig. Die ursprünglich angegriffenen Bescheide haben sich nämlich dadurch erledigt, dass der Kläger und seine vom beigeladenen Goethe-Institut in der Ukraine eingesetzt gewesene Ehefrau sich dort nicht mehr aufhalten. Der Kläger hatte ursprünglich eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage erhoben, gerichtet auf Änderung der ihm gegenüber ergangenen Bescheide und auf Feststellung der (aktuellen) Leistungspflicht der Beklagten während seines Aufenthalts in der Ukraine. Die Bescheide haben sich mit dem Verlassen der Ukraine und dem anschließenden Einsatz der Ehefrau in einem EU-Mitgliedstaat erledigt, weil insoweit nun die den Kläger begünstigenden Regelungen des EG-Koordinationsrechts und des § 13 Abs 4 ff SGB V eingreifen. Das für eine Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse an einer trotz des erledigenden Umstands gleichwohl noch begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide ist hier zu bejahen. Dieses Interesse ist hier schon wegen der nicht entfernt liegenden Möglichkeit einer erneuten Tätigkeit der Ehefrau im vertragslosen Ausland und damit eines wiederholten Auftretens der Rechtsfrage gegeben (vgl zum Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr allgemein BSGE 90, 207, 209 = SozR 3-1500 § 54 Nr 47 S 103; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 131 RdNr 10b ff mwN).
b) Auch scheitert die Zulässigkeit der Klage nicht daran, dass sie gegen die beklagte KK gerichtet ist. Zwar würde sich ein Leistungsanspruch des Klägers nach § 17 Abs 1 Satz 2 iVm Satz 1 SGB V grundsätzlich unmittelbar gegen den beigeladenen Arbeitgeber seiner Ehefrau richten (vgl zB Padé in JurisPK-SGB V, § 17 RdNr 33 ≪Stand 14.11.2008≫; Noftz in Hauck/Noftz, SGB V, Stand Juni 2010, K § 17 RdNr 1c); der Beigeladene hätte dann wiederum gegen die beklagte KK einen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 17 Abs 2 SGB V (vgl BSGE 53, 150, 157 = SozR 2200 § 222 Nr 1). Gleichwohl hat das BSG - letztlich aus Gründen der Vereinfachung - eine unmittelbare Inanspruchnahme der KK durch den Versicherten in Bezug auf Kostenerstattungsansprüche zugelassen (BSGE 53, 150, 157 f = SozR aaO; ebenso: Mengert in H. Peters, Handbuch der Krankenversicherung Bd 1, 19. Aufl, Stand Oktober 2009, § 17 RdNr 29; Igl in GK-SGB V, Stand 2002, § 17 RdNr 15; Schulin in ders, Handbuch des Sozialversicherungsrechts Bd 1 Krankenversicherungsrecht, 1994, § 6 RdNr 145 f; Zipperer in Orlowski ua, GKV-Komm, Stand Februar 2010, § 17 RdNr 28; Auktor in Kruse/Hänlein, LPK-SGB V, 3. Aufl 2009, § 17 RdNr 9; Padé in JurisPK-SGB V, aaO, § 17 RdNr 33; Radüge in Jahn, SGB für die Praxis, Stand April 2010, § 17 SGB V RdNr 21; ähnlich für Kostenerstattungsansprüche gegen den Träger des Aufenthaltsstaats nach Abkommensrecht BSGE 98, 257 = SozR 4-6928 Allg Nr 1, RdNr 21, 24; aA Wagner in Wagner/Knittel, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Stand März 2010, § 17 RdNr 11; Ulmer in: Wannagat/Eichenhofer, SGB V, Stand Februar 2008, § 17 RdNr 25).
Ob dem hier zu folgen ist, kann dahinstehen, denn der Beigeladene hat seine möglichen Kostenerstattungsansprüche gegen die Beklagte jedenfalls an den Kläger wirksam zur Geltendmachung abgetreten. Da die Abtretung von der Beklagten im Verwaltungsverfahren oder im Rechtsstreit nicht beanstandet wurde, kann dies nach den Umständen als Zustimmung der Beklagten gewertet werden. In einem solchen Fall, in dem der Erstattungsanspruch an Leistungen an den Versicherten anknüpft, kann ein Versicherter wie der Kläger jedenfalls aus dem aus der Rechtsstellung des Beigeladenen abgeleiteten Recht gegen die Beklagte vorgehen (für die Möglichkeit einer Abtretung von Kostenerstattungsansprüchen: Noftz, aaO, K § 17 RdNr 10 f mwN; Ulmer, aaO, § 17 RdNr 11). Da eine Verschiebung der wechselseitig bestehenden Rechte und Pflichten im Dreiecksverhältnis Versicherter-Arbeitgeber-KK nicht zu befürchten ist (vgl zur Grenze der Inhaltsänderung eines sozialrechtlichen Anspruchs durch Abtretung BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 12 ff), weil der Erstattungsanspruch sich auf Leistungen an den Versicherten bezieht, ist dies hinzunehmen. Das Bestehen eines Erstattungsanspruchs des Beigeladenen gegen die Beklagte ist hier von denselben Voraussetzungen abhängig und betrifft in gleicher Weise die Rechtssphäre des Klägers, zumal nach den Feststellungen des LSG der - nur als Durchgangsstation agierende - Beigeladene die Gewährung von (zunächst gewährten) Leistungen an den Kläger nach § 17 Abs 1 SGB V von einem bestimmten Zeitpunkt an davon abhängig machte, dass die Beklagte wiederum gegenüber dem Beigeladenen nach § 17 Abs 2 SGB V leistete.
2. Der Kläger hat in der Sache jedoch keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide der beklagten KK. Entgegen seiner Auffassung ist die Beklagte nicht verpflichtet, dem Beigeladenen - bzw hier dem Kläger aus der vom Beigeladenen abgeleiteten Rechtsstellung - Kosten der Krankenbehandlung gemäß § 17 Abs 2 SGB V zu erstatten. Das ist den einschlägigen Regelungen weder unmittelbar zu entnehmen (dazu a) noch kann eine analoge Anwendung zu diesem Ergebnis führen (dazu b). Auch verfassungsrechtliche Gründe gebieten keine davon abweichende Auslegung (dazu c).
a) § 17 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V (eingeführt durch Art 1 GRG vom 20.12.1988, BGBl I 2477; zuletzt mW vom 30.3.2005 geändert und hier anzuwenden idF von Art 4 Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21.3.2005, BGBl I 818) lauten wie folgt: "Mitglieder, die im Ausland beschäftigt sind und während dieser Beschäftigung erkranken, erhalten die ihnen nach diesem Kapitel und nach den Vorschriften des Zweiten Buches der RVO zustehenden Leistungen von ihrem Arbeitgeber. Satz 1 gilt entsprechend für die nach § 10 versicherten Familienangehörigen, soweit sie das Mitglied für die Zeit dieser Beschäftigung begleiten oder besuchen". Nach § 17 Abs 2 SGB V hat die KK dem Arbeitgeber die ihm nach Absatz 1 entstandenen Kosten bis zu der Höhe zu erstatten, in der sie ihr im Inland entstanden wären.
Aus diesen Regelungen lässt sich ein Anspruch des Beigeladenen gegen die Beklagte auf Erstattung von krankheitsbedingten Kosten des Klägers nicht unmittelbar herleiten; denn die Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers gegen den Beigeladenen als Arbeitgeber seiner Ehefrau nach § 17 Abs 1 Satz 2 SGB V liegen nicht vor. Der Kläger war in der Zeit seines Aufenthalts in der Ukraine von Oktober 2005 bis 2008 - anders als von § 17 SGB V gefordert - nämlich nicht nach § 10 SGB V als Familienangehöriger seiner Ehefrau versichert, sondern auf Grund eigener Versicherungspflicht in der KVdR (§ 5 Abs 1 Nr 11 SGB V).
b) Entgegen der Ansicht des Klägers ist § 17 Abs 1 Satz 2 SGB V auf einen auf Grund eigener Versicherungspflicht - hier als versicherter Rentner der KVdR - nicht analog anzuwenden (aA Noftz, aaO, K § 17 RdNr 6a; Zipperer, aaO, § 17 RdNr 17). Systematik und Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Regelung stehen einer Erweiterung des Wortlauts im Wege der Analogie entgegen. Der Wortlaut sieht Leistungsansprüche von Familienangehörigen eines im Ausland beschäftigten Mitglieds gegen den Arbeitgeber ausdrücklich nur vor "für die nach § 10 versicherten Familienangehörigen".
aa) Schon die Gesetzessystematik schließt eine Erweiterung des § 17 Abs 1 Satz 2 SGB V auf den Personenkreis aus, dem der Kläger angehört.
Gemäß § 30 Abs 1, § 37 Satz 1 SGB I fanden für den ursprünglich allein in Deutschland wohnhaften (und hier krankenversicherten) Kläger in Bezug auf die Frage, welche Sozialleistungen ihm wegen Krankheit zustehen, die Vorschriften des SGB V Anwendung. Sein vorübergehender Aufenthalt in der Ukraine änderte nichts an seiner Mitgliedschaft bei der beklagten KK. Das SGB V sieht indessen eine Leistungspflicht der KKn bei einer im Ausland stattfindenden Krankenbehandlung nur ausnahmsweise vor (dazu bereits BSGE 98, 257 = SozR 4-6928 Allg Nr 1, RdNr 17). Der Anspruch auf Leistungen generell und speziell auf Krankenbehandlung (§ 27 SGB V ) ruht gemäß § 16 Abs 1 Nr 1 SGB V, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, "soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist". Zwar kann die nationale Rechtsordnung durch vorrangige Regelungen des supranationalen Rechts sowie durch Regelungen internationalen Rechts überlagert oder ergänzt werden (vgl § 30 Abs 2 SGB I , § 6 SGB IV ). Eine solche Überlagerung der deutschen Rechtsordnung durch Vorschriften des supranationalen Rechts (etwa durch die EWGV 1408/71) oder des bilateralen Vertragsrechts scheidet indes im Fall eines Aufenthaltes in der Ukraine aus. Das nationale Recht räumt Versicherten einen Anspruch auf Auslandskrankenbehandlung im Nicht-EU-Ausland - abgesehen von dem Fall, dass eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung nur außerhalb Deutschlands und außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes möglich ist (§ 18 Abs 1 SGB V ) - hier nur unter den Voraussetzungen des § 17 SGB V ein. Wenn danach aber Leistungsansprüche des Klägers bei seinem Aufenthalt in der Ukraine grundsätzlich nach § 16 Abs 1 Nr 1 SGB V ruhten, hätte es für eine Abweichung von diesem Grundsatz einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft. Diese ist wiederum nur "für die nach § 10 versicherten Familienangehörigen, soweit sie das Mitglied für die Zeit dieser Beschäftigung begleiten oder besuchen" vorgesehen; ein solcher Familienversicherter war der Kläger kraft seiner Zugehörigkeit zur KVdR nicht (§ 5 Abs 1 Nr 11 iVm § 10 Abs 1 Nr 2 SGB V).
bb) Insbesondere ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 17 SGB V und dem dort zum Ausdruck kommenden Sinn und Zweck der Regelung, dass es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt, die Voraussetzung dafür wäre, § 17 Abs 1 Satz 2 SGB V auf nicht nach § 10 SGB V versicherte Familienangehörige des im Ausland beschäftigten Mitglieds wie den Kläger auszudehnen.
So sah der Regierungsentwurf des GRG, mit dem § 17 SGB V zum 1.1.1989 eingeführt wurde, Leistungsansprüche für Familienangehörige eines im Ausland beschäftigen Mitglieds zunächst gar nicht vor. Vielmehr sollte nach den ursprünglichen Vorstellungen (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP zum Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen ≪GRG≫, BT-Drucks 11/2237 S 165 zu § 17) der Anwendungsbereich der Regelung auf "versicherte Arbeitnehmer" beschränkt bleiben, "aber nicht Familienangehörige des Arbeitnehmers" erfassen. Erst auf Empfehlung des zuständigen Ausschusses wurde dann noch § 17 Abs 1 Satz 2 SGB V mit der Begünstigung für "familienversicherte Angehörige, die den im Ausland beschäftigten Angehörigen begleiten oder besuchen" in den Entwurf aufgenommen; nur dieser Personenkreis sollte bei der Übernahme der Krankheitskosten so behandelt werden wie der Arbeitnehmer selbst, wobei von einer zusätzlichen Kostenbelastung der KKn von 10 Mio DM ausgegangen wurde (Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung ≪11. Ausschuss≫, BT-Drucks 11/3480 S 31 unter c bb). Darüber hinaus wird im Ausschussbericht dargestellt, dass die Mitglieder der Fraktionen der CDU/CSU sogar die Ansicht vertraten, dass zusätzliche private Reisekrankenversicherungen "jedem zumutbar" seien, während die Mitglieder der SPD-Fraktion davon ausgingen, dass die Tragung des Risikos für entsprechende Krankheitsaufwendungen den KKn aufzuerlegen sei (BT-Drucks 11/3480, aaO). Die dann vom Ausschuss empfohlene und schließlich Gesetz gewordene Regelung bezog sich schließlich nur auf "familienversicherte" Angehörige, die den im Ausland beschäftigten Versicherten begleiten oder ihn besuchen und dabei erkranken (BT-Drucks 11/3480 S 50 zu § 17 Abs 1; vgl zur Entstehungsgeschichte bereits BSG SozR 4-2500 § 17 Nr 1 RdNr 21 mwN).
Dass der Gesetzgeber des SGB V über die Fälle des § 17 SGB V hinaus grundsätzlich den Abschluss von privaten Auslandskrankenversicherungen für zumutbar hält, lässt sich - wie schon das LSG ausgeführt hat - mittelbar auch § 18 Abs 3 Satz 1 SGB V entnehmen. Danach hat die KK die Kosten einer erforderlichen unverzüglichen Behandlung während eines - gleich aus welchen Gründen - vorübergehenden Aufenthalts im vertragslosen Ausland, die auch im Inland möglich wäre, nur insoweit zu übernehmen, als Versicherte sich hierfür wegen einer Vorerkrankung oder ihres Lebensalters nachweislich nicht versichern können und die KK dies vor Beginn des Auslandsaufenthalts festgestellt hat. Auch wenn ein in dieser Regelung angesprochener Sachverhalt im Falle des Klägers nicht vorlag, verfügte er jedenfalls eine private Auslandskrankenversicherung zu finanziell nicht unzumutbar erscheinenden Konditionen.
cc) Die analoge Heranziehung des § 17 Abs 1 Satz 2 SGB V lässt sich - anders als der Kläger meint - auch nicht mehr auf Rechtsprechung des BSG zur Rechtslage unter Geltung der RVO stützen (Urteil vom 9.3.1982 - 3 RK 64/80 , BSGE 53, 150 = SozR 2200 § 222 Nr 1). Das BSG hatte zwar entschieden, dass sich die Verpflichtung einer KK zur Erstattung von Kosten der Krankenbehandlung während einer versicherungspflichtigen Beschäftigung im Ausland auch auf die Behandlung eines Ehegatten beziehen kann, der nicht familienhilfeberechtigt war, sondern einen anderweitigen gesetzlichen Anspruch auf Krankenbehandlung hatte (BSGE 53, 150, 156 ff, insbesondere 159 f = SozR aaO, missverständlich Leitsatz 1). Allerdings liegen diesem Urteil rechtliche Rahmenbedingungen zugrunde, die unter Geltung des SGB V nicht mehr in gleicher Weise gelten. Dabei kommt es nicht darauf an, dass - worauf der Kläger hinweist - auch schon nach dem Rechtszustand der RVO nach dem Territorialitätsprinzip grundsätzlich bei Auslandsaufenthalten keine Krankenbehandlung auf Kosten der deutschen KK beansprucht werden konnte. Entscheidend ist vielmehr, dass das BSG seinerzeit eine Rechtsfortbildung auf der Grundlage der §§ 221, 222 RVO vorgenommen hatte, die ihrem Regelungsgehalt nach gar keine entsprechenden Ansprüche für Familienangehörige angesprochen hatten. Unter Geltung des SGB V sind Ansprüche demgegenüber nach § 17 SGB V auch für Familienangehörige vorgesehen, allerdings nur unter besonderen, im Falle des Klägers nicht erfüllten Voraussetzungen. Bei dieser Sachlage aber kann vor dem dargestellten Hintergrund der Regelung nicht davon ausgegangen werden, dass für Familienangehörige noch eine unbeabsichtigte und durch eine Analogie zu schließende Regelungslücke existiert. Die Regelung lässt vielmehr bereits selbst hinreichend genau erkennen, wie weit der Gesetzgeber des SGB V bei der Begünstigung von mitreisenden Familienangehörigen eines im Ausland beschäftigten Versicherten zu gehen bereit war. Eine über die aufgestellten Voraussetzungen hinausgehende Begünstigung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung kommt insoweit nicht in Betracht. Der gesetzgeberische Wille nach einer umfassenden Absicherung des Versicherten und seiner Familie für jegliche Art von Auslandsaufenthalten zu Beschäftigungszwecken lässt sich aus § 17 SGB V nämlich nicht herleiten (so bereits BSG SozR 4-2500 § 17 Nr 1 RdNr 21; vgl auch BSG, Urteil vom 24.9.1996 - 1 RK 32/94 - USK 96177, bestätigt durch BVerfG Erster Senat 2. Kammer, Beschluss vom 13.6.1997 - 1 BvR 2447/96 mwN).
c) Eine analoge Anwendung des § 17 Abs 1 Satz 2 SGB V auf den Kläger ist schließlich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten.
Die aus Art 2 Abs 1 und 2 GG folgende Pflicht des Gesetzgebers zur Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit von Beitrag und Leistung sowie eines effektiven Schutzes des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit ist auch während eines Aufenthalts im vertragslosen Ausland gewahrt, weil der Gesetzgeber insoweit über einen weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraum verfügt. Die GKV ist von Verfassungs wegen nicht gehalten, alles zu leisten, was im Inland und Ausland an Mitteln zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (vgl zB BVerfGE 115, 25, 46 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 27). Der Gesetzgeber kann - ohne gegen das GG zu verstoßen - Krankheitskosten in Grenzen durchaus der Eigenverantwortung der Versicherten zuordnen; er ist grundsätzlich frei, in welcher Weise und unter welchen Voraussetzungen er Betroffenen - ggf typisierend - sozialversicherungsrechtliche Ansprüche einräumen will (vgl BSGE 102, 30 = SozR 4-2500 § 34 Nr 4, RdNr 17 ff mwN). Unbeschadet dessen entfällt der krankenversicherungsrechtliche Leistungsanspruch beim Aufenthalt des Familienangehörigen eines Versicherten im vertragslosen Ausland nicht völlig, sodass selbst ohne abgeschlossene private Auslandskrankenversicherung eine Basissicherung in der GKV besteht: Abgesehen davon, dass der Gesetzgeber Ausnahmen vom Ruhen des § 16 Abs 1 Nr 1 SGB V vorgesehen hat (§ 13 Abs 4 bis 6, §§ 17, 18 SGB V), kann der Betroffene zum Zwecke der Behandlung - insbesondere bei schwerwiegenden Erkrankungen - ggf das Inland aufsuchen und sich hier auf Kosten seiner KK behandeln lassen; davon hat der Kläger nach seinen Angaben in den Vorinstanzen auch Gebrauch gemacht.
Aus Art 6 Abs 1 GG lässt sich ein Anspruch des Klägers auf entsprechende Anwendung des § 17 Abs 1 Satz 2 SGB V nicht herleiten.Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist der Staat durch das Schutzgebot dieser Regelung nämlich nicht gehalten, alle eine Familie treffende Belastungen auszugleichen oder die Familie ohne Rücksicht auf andere öffentliche Belange zu fördern (vgl BVerfGE 97, 332 , 349; BVerfGE 87, 1 , 35 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 6, mwN; BVerfGE 117, 316 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 40; vgl schon BSG, Beschluss vom 20.6.2006 - B 1 KR 29/06 B , juris RdNr 6).
Ebenso gebietet Art 3 Abs 1 GG keine erweiternde Auslegung des § 17 Abs 1 Satz 2 SGB V, weil die vom Gesetzgeber gewählte Anknüpfung an das Bestehen einer Familienversicherung nach § 10 SGB V als sachliches und verhältnismäßiges Differenzierungskriterium für die Gewährung von Leistungsansprüchen für Familienangehörige anzusehen ist. § 10 Abs 1 Nr 2 SGB V macht die Einbeziehung Angehöriger in die vom Hauptversicherten abgeleitete Familienversicherung ua davon abhängig, dass diese keinen Versicherungsschutz genießen - etwa als Rentner nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V. Zudem darf das Gesamteinkommen des Familienangehörigen ein Gesamteinkommen von 1/7 der monatlichen Bezugsgröße nicht überschreiten (§ 10 Abs 1 Nr 5 SGB V). Die darin typisierend zum Ausdruck kommende Beschränkung der Familienversicherung auf Fälle einer vom Gesetzgeber unterstellten Bedürftigkeit und Schutzbedürftigkeit der Betroffenen erscheint auch im Rahmen des § 17 SGB V plausibel, indem den davon nicht erfassten Familienangehörigen der Abschluss einer privaten Auslandskrankenversicherung zugemutet wird. Die nach gesetzgeberischem Ermessen vorgenommene Einschränkung der Anspruchsvoraussetzungen und Leistungsbegrenzung ist angesichts der Begrenztheit der Ressourcen der GKV im Interesse der Gewährleistung ihrer Stabilität und Funktionsfähigkeit hinzunehmen (vgl erneut BVerfGE 115, 25, 46 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 RdNr 27).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Obwohl der Kläger seine Ansprüche im Rechtsstreit nicht aus seiner eigenen, sondern aus der Rechtsstellung des beigeladenen Arbeitgebers seiner Ehefrau herleitet, liegt ein Fall des § 197a Abs 1 iVm § 184 SGG nicht vor. Ein Arbeitgeber, der aus eigenem Recht gegen eine KK um Fragen des Leistungsumfangs nach § 17 Abs 2 SGB V nachsuchen würde, müsste ebenfalls als kostenprivilegierter "Leistungsempfänger" iS von § 183 Satz 1 und 3 SGG angesehen werden (vgl entsprechend BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 2 ≪Eingliederungszuschuss für einen Arbeitgeber≫; BSG SozR 4-1500 § 183 Nr 3 und Nr 9 ≪Leistungsberechtigung des Arbeitgebers im Entgeltfortzahlungsrecht bei Kleinbetrieben≫). Zwar fehlt es sowohl an einem Fall der Sonderrechtsnachfolge iS von § 183 Satz 1 SGG iVm § 56 SGB I als auch an den Voraussetzungen des § 183 Satz 2 SGG. Mit Blick auf die unter 1. b) beschriebene, bei § 17 SGB V bestehende atypische Sonderkonstellation, in der Erstattungsansprüche des - nur als Durchgangsstation agierenden - Beigeladenen gegen die Beklagte in gleicher Weise die Rechtssphäre des Klägers erfassen würden, ist es indessen gerechtfertigt, den Kläger selbst auch insoweit als "Leistungsempfänger" im prozessualen Sinne anzusehen.
Da der Beigeladene sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt und keinen eigenen Antrag gestellt hat, scheidet eine Kostenerstattung zu seinen Gunsten aus.
Fundstellen
Haufe-Index 2540925 |
DStR 2011, 12 |