Beteiligte
Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 1984 für Recht erkannt: Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 26. August 1982 aufgehoben. Die Sache wird zur.. |
Tatbestand
I
Der im Jahre 1942 geborene Kläger arbeitete mehrere Jahre lang bis April 1980 als Elektroschweißer im Schiffsbau, danach als Hausarbeiter in einer Universitätsklinik. Am 8. Oktober 1980 erstattete der Facharzt für Lungen-, Bronchialkrankheiten und Allergologie Dr. M… gegenüber der Beklagten eine Anzeige über eine Berufskrankheit (BK) "beginnende Schweißerlunge". Der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde und Arzt für Arbeitsmedizin Dr. W… führte als Landesgewerbearzt in seiner von der Beklagten angeforderten Stellungnahme im Februar 1981 aus, die beginnende Schweißerlunge und die außerdem festgestellte rezidivierende Bronchitis seien in der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) nicht als BK'en aufgeführt; sie seien auch nicht nach § 551 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) wie eine BK zu entschädigen, weil neue Erkenntnisse im Sinne dieser Vorschrift nicht vorlägen.
Der Rentenausschuß der Beklagten stellte im Juni 1981 eine Entscheidung über die von der Verwaltung vorgeschlagene Ablehnung einer Entschädigung zurück. Es solle ermittelt werden, ob über die Schweißerlunge neue Erkenntnisse vorlägen, die unter Umständen zu einer Anerkennung i. S. des § 551 Abs. 2 RVO führen müßten. Nach Informationen der Mitglieder des Rentenausschusses sollten neue Untersuchungserkenntnisse von Professor Dr. V…, E… vorliegen.
Der Wissenschaftliche Assistent Dr. med. Dr. rer. nat. Z… vom Institut für Arbeits- und Sozialmedizin und Poliklinik für Berufskrankheiten der Universität E… (Direktor: Professor Dr. V…) teilte der Beklagten am 19. August 1981 mit, am Institut habe in den letzten zwei Jahren eine Felduntersuchung zur sog. Siderophosphato-Fibrose bei Elektroschweißern stattgefunden. Die Ergebnisse lägen dem BMA vor. Eine Publikation durch das Institut sei aus vertragsrechtlichen Gründen noch nicht möglich. Außerdem sei eine noch nicht publikationsreife Doktorarbeit abgeschlossen, die anhand von Aktenunterlagen der Berufsgenossenschaften abgelehnte Fälle einer sog. Schweißerlunge zusammenfasse.
Durch Bescheid vom 8. Januar 1982 lehnte die Beklagte eine Entschädigung ab, da keine neuen Erkenntnisse vorlägen, die zur Anerkennung der beim Kläger bestehenden Gesundheitsstörungen nach § 551 Abs. 2 RVO führen könnten. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück (Bescheid vom 6. April 1982).
Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Kiel in der mündlichen Verhandlung den Facharzt für Innere Medizin, Privatdozent Dr. D…, als Sachverständigen darüber gehört, ob und in welchem Umfang bei dem Kläger Lungenschäden vorlägen, die auf das Einatmen von Schweißrückständen oder Quarzstaub zurückzuführen seien. Es hat die Beklagte verurteilt, dem. Kläger einen neuen Bescheid über die Gewährung einer Rente nach einer MdE um 40 v. H. vom 8. Oktober 1980 an zu erteilen; die weitergehende, auf Zahlung einer Rente nach einer MdE um 50 v. H. gerichtete Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 26. August 1982). Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt: Die Klage gegen den am 14. April 1982 dem Kläger zugestellten Widerspruchsbescheid sei rechtzeitig am 14. Mai 1982 (Freitag) eingegangen. Der Eingangsstempel (vom 17. Mai 1982) mit dem Zusatz "Hausbriefkasten" auf der Klageschrift zeige, daß die Klageschrift, wie der Prozeßbevollmächtigte des Klägers versichert habe, am 14. Mai 1982 nach Dienstschluß in den Briefkasten des SG eingeworfen worden sei. Die Klage sei überwiegend auch begründet. Bei dem Kläger bestehe eine Lungenfibrose mit deutlich eingeschränkter Lungenfunktion, die ursächlich auf das Einatmen der beim Schweißen auftretenden Substanzen (Stäube) zurückzuführen sei. Die berufsbedingte Erkrankung sei nach § 551 Abs. 2 RVO zu entschädigen, da über sie neue Erkenntnisse im Sinne dieser Vorschrift vorlägen. Wie der Sachverständige Dr. D… ausgeführt habe, seien die neuen Erkenntnisse durch Veröffentlichungen von Zober und Angerwall, Hansson und Röckert, außerdem durch die Arbeiten von Meyer, Sydow und Schneider (Internistische Welt, 1981 S. 297 ff.) begründet. Danach entstehe die Lungenfibrose sehr selten ohne äußere Einflüsse, werde jedoch insbesondere bei Schweißern sehr deutlich vermehrt nachgewiesen. Dem stünden die endogenen Eisenablagerungen in der Lunge unabhängig vom Eisengehalt inhalierter Stäube nicht entgegen. Der Körper reagiere auf die eingeatmeten schädigenden Stoffe auch mit im Körper vorhandenen Eisenablagerungen in der Lunge. Ursache der Fibrose sei demnach das Einatmen der schädigenden Stoffe. Diesen neuen Erkenntnissen hätte sich die Beklagte nicht verschließen dürfen. Die MdE betrage 40 v. H., eine MdE um 50 v. H. sei insbesondere nach den spirometrischen Befunden und der Blutgasanalyse noch nicht begründet, wie sich aus den Ausführungen von Dr. D… ergebe.
Die Beklagte hat die vom SG im Urteil zugelassene Sprungrevision mit Zustimmung des Klägers eingelegt und trägt zur Begründung u. a. vor: Gegen die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung bestünden erhebliche Bedenken, da der als Einschreibebrief am 7. April 1982 zur Post gegebene Widerspruchsbescheid nach Auskunft der Deutschen Bundespost bereits am 8. April 1982 bei der Postfachausgabe zur Abholung bereitgelegen habe. Die Abholung und Auslieferung der Sendung am 14. April 1982 könne nicht maßgebend sein, weil der Postfachinhaber den Fristablauf nicht beliebig hinausschieben dürfe. Zugestellt worden sei der Bescheid am 8. oder spätestens am 10. April 1982 (dritter Tag nach der Aufgabe zur Post, § 4 des Verwaltungszustellungsgesetzes -VwZG-), so daß die Klage in jedem Fall verspätet erhoben worden sei. Die Klage sei aber auch nicht begründet. Das SG habe die rechtliche Bedeutung des § 551 Abs. 2 RVO verkannt. Neue Erkenntnisse im Sinne dieser Vorschrift könnten nicht mit der Auffassung eines einzelnen Sachverständigen begründet werden. Nach dem Erlaß der BKVO vom 8. Dezember 1976 (BGBl. I 3329) seien keine neuen, über die allgemeinen Erwägungen hinausgehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse gewonnen worden. Die von Dr. D… angestellten und vom SG zur Grundlage seiner Entscheidung gemachten Erwägungen über die relative Seltenheit der ideopathisch entstandenen interstitiellen Lungenerkrankung und die Signifikanz dieser Erkrankung bei Schweißern seien weder neu noch hätten sie zur Aufnahme in die BKVO geführt.
Die Beklagte beantragt,das Urteil des SG Kiel vom 26. August 1982 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Er verweist darauf, daß ihm der Widerspruchsbescheid, wie das SG festgestellt habe, am 14. April 1982 zugestellt und die Klage am 14. Mai 1982 - rechtzeitig - eingelegt worden sei. In der Sache hält er das angefochtene Urteil ebenfalls für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Bei einer - wie im vorliegenden Fall - zulässigen Revision ist von Amts wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, von denen die Rechtswirksamkeit des Verfahrens als Ganzes abhängt (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG-, s. BSGE 2, 225, 226). Zu den unverzichtbaren Prozeßvoraussetzungen, deren Fehlen im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist, gehört auch die Zulässigkeit der Klage (BSGE 16, 21, 23; 19, 164, 166; 42, 212, 215; Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl., § 163 Anm. 5). Der Prüfung, ob die Klage entgegen dem Revisionsvorbringen der Beklagten rechtzeitig erhoben (§ 87 Abs. 1 SGG) und damit zulässig ist (sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen sind zu Recht nicht streitig), steht nicht entgegen, daß eine Sprungrevision nach § 161 Abs. 4 SGG auf Mängel des Verfahrens nicht gestützt werden kann. Denn § 161 Abs. 4 SGG bezieht sich nicht auf die von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrensmängel (s. BSG Urteil vom 30. Oktober 1979 - 2 RU 3/78 - USK 79196 m. w. N.; BSG SozR 1500 § 161 Nr. 26; Hennig/Danckwerts/König, SGG § 161 Erl. 10.2; Meyer-Ladewig, a. a. O. § 161 Anm. 10).
Die Klagefrist (§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGG) ist gewahrt. Nach § 85 Abs. 3 Satz 1 SGG war die Beklagte verpflichtet, den Widerspruchsbescheid vom 6. April 1982 dem Kläger zuzustellen. Der Widerspruchsbescheid ist nicht, wovon das SG ausgeht, dem Kläger am 14. April 1982 "mit Postzustellungsurkunde" zugestellt worden. Insoweit handelt es sich um eine irrtümliche oder fehlerhafte Bezeichnung der Zustellungsart. Eine Postzustellungsurkunde befindet sich nicht bei den Akten. Aber auch nach der von der Beklagten, wie sie vorbringt, ausschließlich gewählten und durch den Akteninhalt bestätigten Zustellungsart der Zusendung durch eingeschriebenen Brief ist der Widerspruchsbescheid am 14. April 1982 dem Kläger zugestellt worden. Zwar hat die Beklagte den Bescheid am 7. April 1982 zur Post aufgegeben, er ist jedoch erst am 14. April 1982 dem Bevollmächtigten des Klägers, an den er adressiert war, ausgeliefert worden. Als Zeitpunkt der Zustellung gilt deshalb nicht der dritte Tag nach der Aufgabe zur Post (§ 4 Abs. 1 Halbs. 1 VwZG), sondern der spätere, hier durch die Auskunft der Deutschen Bundespost vom 23. August 1982 nachgewiesene Zugang des Bescheides am 14. April 1982 (§ 4 Abs. 1 Halbs. 2 VwZG). Erst an diesem Tag ist er, wie die Deutsche Bundespost in ihrer Auskunft mitgeteilt hat, "postordnungsgemäß'' ausgeliefert worden und damit in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Klägers gelangt (s. BSGE 27, 237, 239; 25, 31, 32; BVerwG DÖV 1983, 1011). Es besteht kein Anhalt dafür, daß der Kläger die Abholung und Aushändigung der Sendung bewußt verzögert hat. Ob die Sendung am 8. April 1982 (Donnerstag) so rechtzeitig bei der Postfachausgabe zur Ablieferung bereit lag, daß sie noch an diesem Tag postordnungsgemäß hätte ausgeliefert werden können, ist der Auskunft der Deutschen Bundespost nicht zu entnehmen. Der 9., 11. und 12. April 1982 waren gesetzliche Feiertage (Karfreitag und Ostern). Daß die Sendung nicht schon am nächsten Werktag (Dienstag, 13. April 1982) vom Kläger abgeholt und ihm ausgeliefert worden ist, sondern erst am folgenden Tag, rechtfertigt es nicht, abweichend vom tatsächlichen Zugang von einem früheren Datum für die Fristberechnung auszugehen.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des SG (§§ 103, 128 Abs. 1 SGG) hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die Klageschrift am 14. Mai 1982 (Freitag) - gegen 18.00 Uhr - in den Hausbriefkasten des SG eingeworfen. Die Klage ist somit innerhalb der Monatsfrist des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGG erhoben.
Für eine abschließende Entscheidung über den Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Verletztenrente reichen die tatsächlichen Feststellungen im Urteil des SG nicht aus.
Eine nach § 551 Abs. 1 RVO zu entschädigende BK liegt bei dem Kläger nicht vor. In der Anlage 1 der am 1. Januar 1977 in Kraft getretenen Verordnung zur Änderung der 7. BKVO vom 8. Dezember 1916 (BGBl. I 3329) ist eine Lungenfibrose bei Elektroschweißern ("Elektroschweißerlunge") nicht als Berufskrankheit bezeichnet (s. BSGE 44, 90, 92). Davon gehen zutreffend auch die Beteiligten und das SG aus. Die Aufnahme einer Krankheit Elektroschweißerlunge in die BKVO ist nach Prüfung unterblieben, weil dem Verordnungsgeber keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die nach § 551 Abs. 1 Satz 3 RVO erforderlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Krankheit als BK vorgelegen haben (BSG a. a. O.).
Eine Entschädigung ist daher nur möglich, wenn die Voraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO gegeben sind. Nach dieser Vorschrift sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der BKVO bezeichnet ist, wie eine BK entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt sind. Zu diesen Voraussetzungen gehören nicht nur der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der Tätigkeit, für die nach den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO Versicherungsschutz besteht (§ 551 Abs. 1 Satz 2 RVO), sondern darüber hinaus die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt ist, die Krankheiten solcher Art verursachen, und das Vorliegen neuer Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung der bestimmten Personengruppe (§ 551 Abs. 1 Satz 3 RVO; s. BSG a. a. O.; BSG SozR 2200 § 551 Nr. 18). Nicht jede Krankheit, die - wie hier das SG angenommen hat - durch eine berufliche Tätigkeit verursacht worden ist, soll im Einzelfall wie eine BK entschädigt werden, sonst bedürfte es nicht der Bezeichnung bestimmter Krankheiten als BK'en (§ 551 Abs. 1 RVO) in der BKVO (s. BSG SozR a. a. O.). Es sollen vielmehr nur solche Krankheiten wie eine BK entschädigt werden, die in die Liste der BK'en nicht aufgenommen worden sind, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer beruflichen - versicherten - Tätigkeit bei der letzten Fassung der BKVO mit der Liste der BK'en (Anlage 1) noch nicht vorlagen oder trotz Nachprüfung (wie hier) noch nicht ausreichten (BSGE a. a. O.; BSG SozR a. a. O.). Daher genügt es nicht, daß der ursächliche Zusammenhang zwischen der Einwirkung schädigender Stoffe und der Krankheit im Einzelfall aufgrund der Beweiswürdigkeit bejaht wird, es muß auch die generelle Geeignetheit der Einwirkung der betreffenden Stoffe auf die Verursachung der Krankheit in der medizinischen Wissenschaft allgemein anerkannt (s. BSG SozR a. a. O.), d. h. durch die herrschende Auffassung der Fachwissenschaftler hinreichend gefestigt sein; vereinzelte Meinungen auch Sachverständiger reichen nicht aus (s. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.-9. Aufl. S. 492 p). Neu i. S. des § 551 Abs. 2 RVO sind Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, wenn sie erst nach dem Erlaß der letzten BKVO gewonnen worden sind oder zu diesem Zeitpunkt zwar im Ansatz vorhanden waren, sich aber erst spät er zur Berufskrankheitenreife verdichtet haben (s. BSGE 21, 296, 298; 44, 90, 93; Brackmann a. a. O., Gitter in SGB -SozVersicherung- Gesamtkommentar, § 551 Anm. 20 und Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. Anm. 19 zu § 551, jeweils m. w. N.). Sind die Ermittlungen über die Voraussetzungen für die Aufnahme einer Krankheit in die BK-Liste noch im Gange, darf dem Verordnungsgeber nicht auf dem Wege über § 551 Abs. 2 RVO vorgegriffen werden (s. Brackmann a. a. O.).
Das SG geht aufgrund der Ausführungen des von ihm als Sachverständigen vernommenen Facharztes für Innere Medizin Privatdozent Dr. D… davon aus, daß eine Lungenfibrose sehr selten ohne, äußere Einflüsse entstehe, jedoch insbesondere bei Schweißern sehr deutlich vermehrt nachgewiesen werde; die beim Schweißen eingeatmeten schädigenden Stoffe führten über eine Gefäßentzündung und eine Alveolitis zu einer Lungenfibrose. Darin sieht das SG neue Erkenntnisse, denen steh die Beklagte nicht habe verschließen dürfen. Ob es sich insoweit um neue, erst nach dem Erlaß der BKVO gewonnene und in der medizinischen Wissenschaft allgemein anerkannte Erkenntnisse handelt, die zur Anerkennung einer Krankheit Elektroschweißerlunge wie eine BK (§ 551 Abs. 2 RVO) bis zur Aufnahme in eine neue BVKO führen kann, ist jedoch dem Urteil des SG nicht zu entnehmen. Die vom SG in diesem Zusammenhang angeführte Veröffentlichung von Meier-Sydow, M. Schneider et al. (Internistische Welt, 1981 S. 297) befaßt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. D… mit den diagnostischen Methoden zur Identifizierung schädigender Noxen; Dr. D… hat hierzu darauf hingewiesen, daß eine entsprechende moderne und aufwendige Diagnostik noch nicht allgemein verbreitet und z. B. im norddeutschen Raum nicht möglich sei. Inwiefern insoweit oder durch vom SG nicht näher bezeichnete Veröffentlichungen von A. Zober oder Angerwall/Hansson/Höckert neue und allgemein anerkannte medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse i. S. des § 551 Abs. 2 RVO gewonnen worden sein sollen, lassen die Urteilsgründe nicht erkennen. Hierzu sind Ermittlungen anzustellen, die dem Tatsachengericht obliegen. Die Sache ist deshalb zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG). Der Senat hält es für tunlich, den Rechtsstreit nach § 170 Abs. 4 SGG an das Landessozialgericht (LSG) zurückzuverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre.
Bei der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird u. a. das Ergebnis der Felduntersuchung zur sog. Siderophosphato-Fibrose bei Elektroschweißern zu berücksichtigen sein, die nach der auch vom SG angeführten Auskunft von Dr. Z… (19. August 1981) durch das Institut für Arbeits- und Sozialmedizin und Poliklinik für Berufskrankheiten der Universität E… durchgeführt worden ist. Ferner könnte u. a. von Bedeutung sein, daß Dr. Z…, der dem genannten Institut angehört, in einer neueren Veröffentlichung (Zentralblatt für Arbeitsmedizin, 1983, S. 116) darauf hingewiesen hat, daß in den letzten Jahren vereinzelt nach beruflicher Exposition gegenüber Schweißrauchen das Auftreten von Lungenfibrose beschrieben worden, die Ätiopathogenese aber weitgehend ungeklärt sei und eine Zusammenstellung von 47 derartiger Fälle im Weltschrifttum der letzten 25 Jahre wegen der außerordentlichen Heterogenität von Vorgeschichte und Befunden auf eine Ursachenvielfalt hindeute (s. auch den in dieser Abhandlung zitierten Forschungsbericht Nr. 317 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung, der möglicherweise identisch ist mit der angeführten Felduntersuchung).
Die Entscheidung über die Kosten auch des Revisionsverfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.2 RU 67/82
Bundessozialgericht
Verkündet am
31. Januar 1984
Fundstellen