Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer Sicherungshypothek ohne Bekanntgabe des Eintragungsersuchens
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Auslegung von § 322 Abs. 3 AO 1977 durch den BFH, eine auf Antrag des FA eingetragene Sicherungshypothek sei auch ohne Bekanntgabe des Eintragungsersuchens an den Vollstreckungsschuldner wirksam, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Sicherungshypothek im Verfahren stattgefunden hat.
2. Ein Eintragungsersuchen ist auch ohne Bekanntgabe eine die Verjährung unterbrechende Vollstreckungsmaßnahme i. S. des § 231 Abs. 2 AO 1977.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1; AO 1977 § 322 Abs. 3, § 231 Abs. 2 S. 1, §§ 191, 348 Abs. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
Gründe
1. Nach der Regelung des § 90 Abs. 2 BVerfGG ist eine Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn sie erforderlich ist, um eine Grundrechtsverletzung zu verhindern. Das ist nicht der Fall, wenn eine anderweitige Möglichkeit besteht oder bestanden hat, den geltend gemachten Rechtsverstoß ohne Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts zu beseitigen (vgl. BVerfGE 63, 45 ≪58≫; st. Rspr.). Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Regelung des § 191 Abgabenordnung (AO) wendet, betrifft sein Vorbringen die Rechtmäßigkeit des ergangenen Haftungsbescheides, gegen den als Rechtsbehelf der Einspruch nach § 348 Abs. 1 Nr. 4 AO zur Verfügung steht. Von dieser Möglichkeit hat der Beschwerdeführer keinen Gebrauch gemacht, sondern den Haftungsbescheid bestandskräftig werden lassen. Im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens kann er mit Einwendungen gegen die Rechtmäßgkeit des der Vollstreckung zugrunde liegenden Haftungsbescheides nicht mehr gehört werden (vgl. § 256 AO). Da aber dem Beschwerdeführer die Erschöpfung des Rechtsweges bezüglich der Frage der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides auch zuzumuten war (vgl. BVerfGE 68, 376 ≪380 f.≫), ist die Verfassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen § 191 AO richtet, unzulässig.
2. Die angegriffene Entscheidung und die ihr zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen lassen im übrigen einen Verfassungsverstoß nicht erkennen.
Die Regelung des § 322 Abs. 3 AO und die Auslegung, die die Vorschrift durch den Bundesfinanzhof erfahren hat, geben zu verfassungsrechtlichen Bedenken keinen Anlaß.
Art. 3 Abs. 1 GG als Ausprägung des Willkürverbotes (vgl. BVerfGE 70, 93 ≪97≫ m.w.N.) ist nicht verletzt, denn für die Auslegung, wie sie der Bundesfinanzhof zu § 322 Abs. 3 AO vertritt, sind jedenfalls sachliche, am Gesetzeszweck orientierte Überlegungen maßgeblich, die das Gericht eingehend und nachvollziehbar dargelegt hat. Auch sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich, die unter dem Gesichtspunkt einer verfassungsrechtlich unverträglichen Ungleichbehandlung (vgl. BVerfGE 78) 232 ≪247≫ m.w.N.) die Entscheidung des Bundesfinanzhofs als angreifbar erscheinen lassen. Vielmehr belegen die Entscheidungsgründe, daß eine mit Fehlern behaftete Eintragung einer Sicherungshypothek wesensmäßig bei einem Schuldner, der dem Finanzamt gegenübersteht, nicht anders behandelt wird als bei einem Schuldner, der Vollstreckungsmaßnahmen eines Privatgläubigers ausgesetzt ist.
Auch eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 GG scheidet aus. Diese Vorschrift bestimmt, daß der Zugang zu den Gerichten und zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird (vgl. BVerfGE 69, 381 ≪385≫ m.w.N.). Sofern also das gerichtliche Verfahren eine umfassende Nachprüfung des Verfahrensgegenstandes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ermöglicht, ist damit dem aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Schutzanspruch Genüge getan (vgl. BVerfGE 60, 253 ≪297≫). Eine solche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Eintragung der Sicherungshypothek hat auch stattgefunden. Ein Obsiegen aus Verfahrensgründen nach Maßgabe der vom Bundesfinanzhof aufgehobenen Entscheidung des Finanzgerichts gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG aber nicht.
Ebenso ist eine Verletzung von Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG nicht ersichtlich, insbesondere lassen sich Bedenken gegen die Verjährungsregelung des § 231 Abs. 2 Satz 1 AO und ihre Anwendung im vorliegenden Fall nicht begründen, denn der Gesetzgeber kann ohne Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip die Unterbrechung einer Verjährung von der Maßnahme einer Verwaltungsbehörde abhängig machen (vgl. BVerfGE 29, 148 ≪152 f.≫).
Schließlich scheidet auch die Möglichkeit einer Verletzung des Art. 14 GG aus. Der Schutzbereich dieser Bestimmung gilt gerade auch für die Durchführung von Vollstreckungsverfahren, bei denen der Staat schwerwiegende Eingriffe in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum eines Schuldners vornimmt.
Ein solcher Eingriff ist zwar gerechtfertigt, wenn und soweit er dazu dient, begründete Geldforderungen des Gläubigers zu befriedigen. Zugleich sind aber auch die Belange des Schuldners zu wahren (vgl. BVerfGE 46, 325 ≪334 f.≫; 51, 150 ≪156≫). Anhaltspunkte dafür, daß die Belange des Beschwerdeführers nicht im ausreichenden Maße berücksichtigt worden sind, sind jedoch nicht ersichtlich.
Ob der Bundesfinanzhof darüber hinaus bei der Berücksichtigung des seiner Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalts und der darauf beruhenden Rechtsanwendung fehlerfrei vorgegangen ist, ist eine Frage der Handhabung des einfachen Rechts, die zu kontrollieren nicht Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts ist (vgl. BVerfGE 70, 93 ≪97≫; st. Rspr.).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen