Entscheidungsstichwort (Thema)
Verzinsung nur von rechtshängig gewordenen Steuererstattungsbeträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Wenn § 111 Abs. 1 FGO, der an § 291 BGB anknüpft, Prozeßzinsen grundsätzlich nur auf solche Erstattungsbeträge gewährt, die auf der Herabsetzung einer im finanzgerichtlichen Verfahren rechtshängig gewordenen Abgabeschuld beruhen, und darüber hinaus gemäß § 111 Abs. 2 FGO Zinsen nur in bestimmten Fällen zugesprochen werden können, in welchen Grundlagenbescheide Gegenstand eines Prozesses waren, so entbehrt diese Regelung nicht der verfassungsrechtlich erforderlichen, sie rechtfertigenden Grundlage.
2. Auf den Fall der Erstattung zuviel entrichteter Umsatzausgleichssteuerbeträge nach Abschluß eines Musterprozesses ist die Zinsregelung des § 111 Abs. 1 und 2 FGO entsprechend anzuwenden.
Normenkette
FGO § 111; StSäumG § 4b; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
BFH (Urteil vom 14.02.1979; Aktenzeichen VII R 2/76) |
Gründe
Die Beschwerdeführerin wird durch die angegriffene Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht in Grundrechten verletzt; ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht festzustellen.
Ob der Beschwerdeführerin auf die ihr zu erstattenden Steuerbeträge Zinsen zugesprochen werden können, insbesondere, ob eine analoge Anwendung des § 111 Abs. 1 oder Abs. 2 FGO auf den Fall der Führung von Musterprozessen möglich ist, ist vorrangig eine Frage der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts, die in erster Linie von den zuständigen Finanzgerichten zu entscheiden und der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen ist, das nur bei Verletzung von Verfassungsrecht eingreift (BVerfGE 18, 85 [92]). Ein Verfassungsverstoß ist hier aber nicht festzustellen.
Die Regelung des § 111 FGO ist in der vom Bundesfinanzhof vorgenommenen Auslegung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Art. 3 Abs. 1 GG läßt dem Gesetzgeber einen erheblichen Spielraum zur Gestaltung. Das Bundesverfassungsgericht kann nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden und dem Gesetzgeber erst entgegentreten, wenn für eine von ihm getroffene Differenzierung sachlich einleuchtende Gründe schlechterdings nicht mehr erkennbar sind, so daß ihre Aufrechterhaltung als willkürlich beurteilt werden müßte (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 9, 334 [337]; 17, 319 [330]; 21, 12 [26 f.]; 43, 58 [70]). Wenn § 111 Abs. 1 FGO, der an § 291 BGB anknüpft, Prozeßzinsen grundsätzlich nur auf solche Erstattungsbeträge gewährt, die auf der Herabsetzung einer im finanzgerichtlichen Verfahren rechtshängig gewordenen Abgabeschuld beruhen, und darüber hinaus gemäß § 111 Abs. 2 FGO Zinsen nur in bestimmten Fällen zugesprochen werden können, in welchen Grundlagenbescheide Gegenstand eines Prozesses waren, so entbehrt diese Regelung nicht der verfassungsrechtlich erforderlichen, sie rechtfertigenden Grundlage; dies gilt auch im Hinblick auf das Prozeßrisiko, das ein Steuerpflichtiger mit Erhebung der Klage auf sicht nimmt, das er hingegen nicht trägt, soweit er auf ein Ruhen seiner Sache im Einspruchsverfahren hinwirkt.
Der Bundesfinanzhof war auch nicht von Verfassungs wegen gehalten, auf den Fall der Erstattung zuviel entrichteter Umsatzausgleichssteuerbeträge nach Abschluß eines Musterprozesses die Zinsregelung des § 111 Abs. 1 und 2 FGO entsprechend anzuwenden. Die Erwägungen, mit denen sich der Bundesfinanzhof im angegriffenen Urteil gegen eine solche Analogie ausgesprochen hat, sind zumindest vertretbar, jedenfalls nicht sachfremd und verstoßen nicht gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG. Gleiches gilt für die Überlegungen, mit welchen der Bundesfinanzhof die Zubilligung eines auf die begehrten Zinsbeträge gerichteten Folgenbeseitigungsanspruchs verneint hat.
Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß das Bundesverfassungsgericht auch in anderem Zusammenhang keine Veranlassung gesehen hat, eine Regelung im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG zu beanstanden, die den Steuerpflichtigen bei Erledigung seiner Sache im Vorverfahren schlechter stellte als nach Abschluß eines finanzgerichtlichen Rechtsstreits (vgl. BVerfGE 35, 283).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen