Leitsatz (amtlich)
Zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets.
Verfahrensgang
Tenor
§ 6 Absatz 2 Nummer 4 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz) in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes vom 21. Juni 2005 (Bundesgesetzblatt I Seite 1672) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Tatbestand
A.
Die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Aussetzungs- und Vorlagebeschlüsse des Sozialgerichts Berlin und des Thüringer Landessozialgerichts betreffen die gesetzliche Begrenzung des bei der Rentenberechnung berücksichtigungsfähigen Entgelts solcher Personen, die in der Deutschen Demokratischen Republik (im Folgenden: DDR) eine Funktion als Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter innehatten.
I.
1. Die Alterssicherung in der DDR beruhte neben der allgemeinen Sozialversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung auf einer Vielzahl spezieller Sicherungssysteme für bestimmte Personengruppen (Zusatz- und Sonderversorgungssysteme), deren Ausgestaltung zum Teil erhebliche Unterschiede aufwies (vgl. BVerfGE 100, 1 ≪3 ff.≫; 100, 59 ≪61 ff.≫).
Während die Sonderversorgungssysteme Angehörigen der Nationalen Volksarmee, der Deutschen Volkspolizei, der Feuerwehr, des Strafvollzugs, der Zollverwaltung und des Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit offenstanden (vgl. BVerfGE 100, 1 ≪5≫), erfassten die rund 60 unterschiedlich ausgestalteten Zusatzversorgungssysteme verschiedene Gruppen von Begünstigten (hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates, der Gewerkschaft FDGB und der Parteien, aber auch Ärzte und Zahnärzte mit eigener Praxis, Pädagogen und Hochschulprofessoren sowie künstlerisch Beschäftigte des Rundfunks, Fernsehens und Filmwesens, vgl. Anlage 1 zum AAÜG). Sie boten neben der Sozialversicherungsrente eine Zusatzleistung in Höhe von 50 bis 80 % des letzten Nettoeinkommens. Zum Teil waren für diese zusätzliche Versorgung Beiträge vom Einkommen abzuführen, zum Teil war die Versorgung aber auch beitragsfrei.
2. In dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik (BGBl II S. 537; im Folgenden: Staatsvertrag) verpflichtete sich die letztere, die Zusatz- und Sonderversorgungssysteme zu schließen und die entstandenen Anwartschaften in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen. Bei der Überführung sollten Leistungen aufgrund von Sonderregelungen unter anderem mit dem Ziel überprüft werden, „ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen” (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Staatsvertrages).
Zur Durchführung dieser Verpflichtung erließ die DDR eine Reihe von Gesetzen, zu denen das Sozialversicherungsgesetz (Gesetz über die Sozialversicherung vom 28. Juni 1990, GBl DDR I S. 486) und das Rentenangleichungsgesetz (Gesetz zur Angleichung der Bestandsrenten an das Nettorentenniveau der Bundesrepublik Deutschland und zu weiteren rentenrechtlichen Regelungen vom 28. Juni 1990, GBl DDR I S. 495 – im Folgenden: Rentenangleichungsgesetz – RAnglG) gehörten.
Für die Überführung bereits gezahlter Renten und zusätzlicher Versorgungen bestimmte § 23 Abs. 1 RAnglG, dass die bis zum 30. Juni 1990 gezahlten Renten und zusätzlichen Versorgungen ab dem 1. Juli 1990 bis zur Überführung in die Rentenversicherung „in unveränderter Höhe weitergezahlt” werden sollten (Zahlbetragsgarantie). Das galt allerdings nicht für verschiedene als besonders „systemnah” angesehene Versorgungssysteme, unter anderem der Mitarbeiter des Staatsapparates. Für diese sah § 23 Abs. 2 RAnglG vor, dass solche zusätzlichen Versorgungen ab dem 1. Juli 1990 (dem Tag der Währungsumstellung in der DDR) maximal in Höhe von 1.500 DM gezahlt werden durften. Zusammen mit der höchstmöglichen Rente aus der Sozialpflichtversicherung ergab sich für solche Berechtigten eine Obergrenze von 2.010 DM monatlich (vgl. BVerfGE 100, 1 ≪9≫). Für die weitere Zukunft sah das Rentenangleichungsgesetz die Überführung der Versorgungsansprüche in die allgemeine Rentenversicherung vor. § 27 RAnglG normierte ferner die Möglichkeit einer Kürzung von Ansprüchen und Anwartschaften aus zusätzlichen Versorgungssystemen nach einer Prüfung im Einzelfall.
3. Dieses Programm des Rentenangleichungsgesetzes konnte wegen des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland nicht mehr umgesetzt werden. In dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag – EV) vom 31. August 1990 (BGBl II S. 889) wurde in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H – Gesetzliche Rentenversicherung Abschnitt III zunächst das grundsätzliche Fortgelten des Rentenrechts der DDR bis zum 31. Dezember 1991 festgelegt. Die Harmonisierung des materiellen Rentenrechts sollte zum 1. Januar 1992 auf der Grundlage des bereits 1989 verkündeten Sozialgesetzbuches Sechstes Buch erfolgen (vgl. BVerfGE 100, 1 ≪10≫). In Bezug auf die Sonder- und Zusatzversorgungssysteme bestimmte der Einigungsvertrag in Nr. 9 Buchstabe b Satz 3 Ziff. 1 des genannten Abschnitts:
Ansprüche und Anwartschaften sind, auch soweit sie bereits überführt sind oder das jeweilige Versorgungssystem bereits geschlossen ist, nach Art, Grund und Umfang den Ansprüchen und Anwartschaften nach den allgemeinen Regelungen der Sozialversicherung in dem in Artikel 3 des Vertrages genannten Gebiet unter Berücksichtigung der jeweiligen Beitragszahlungen anzupassen, wobei ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen sind sowie eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen und Anwartschaften aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen nicht erfolgen darf.
Darüber hinaus sollten diese Ansprüche und Anwartschaften gekürzt oder aberkannt werden, wenn der Berechtigte gegen die Grundsätze der Menschlichkeit und der Rechtsstaatlichkeit verstoßen oder in schwerwiegendem Maße seine Stellung zum eigenen Vorteil oder zum Nachteil anderer missbraucht hat (Nr. 9 Buchstabe b Satz 3 Ziff. 2 des genannten Abschnitts des Einigungsvertrages).
4. Im wiedervereinigten Deutschland wurden durch das Gesetz zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz – RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S. 1606) die (zum 1. Januar 1992 im alten Bundesgebiet in Kraft tretenden) rentenrechtlichen Regelungen des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch auf das Beitrittsgebiet erstreckt. Ein Kernpunkt der Rentenüberleitung war hierbei das als Art. 3 RÜG verkündete Gesetz zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz – AAÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl I S. 1606, 1677).
Durch das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz wurde eine pauschale Begrenzung der Sonderversorgungen und Sonderrenten eingeführt. § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG in seiner bis heute geltenden Fassung bestimmt, dass Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem unabhängig von einer Beitragszahlung als Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung gelten. Maßgeblich für die Höhe der erzielbaren Rente ist das erzielte Einkommen, welches allerdings durch §§ 6 ff. AAÜG begrenzt wird. Aus § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ergibt sich der Grundsatz, dass die erzielten Entgelte höchstens bis zur jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung zugrunde gelegt werden können. Diese Beitragsbemessungsgrenze entspricht dem circa 1,8-fachen des von allen Versicherten erzielten Durchschnittsverdienstes.
§ 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz – RÜ-ErgG) vom 24. Juni 1993 (BGBl I S. 1038) führte für Angehörige bestimmter Zusatzversorgungssysteme eine so genannte progressiv-degressive Entgeltbegrenzung ein (vgl. hierzu BVerfGE 100, 59). Neben dieser entgeltbezogenen Begrenzung folgte aus § 6 Abs. 3 AAÜG für Personen, die bestimmte Funktionen ausgeübt hatten (z.B. als Betriebsdirektor, hauptamtlicher Parteifunktionär, Richter oder Staatsanwalt) in gleicher Weise eine Entgeltbegrenzung.
Durch das Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG-Änderungsgesetz – AAÜG-ÄndG) vom 11. November 1996 (BGBl I S. 1674) wurden die Begrenzungsvorschriften für Leistungszeiträume ab dem 1. Januar 1997 erheblich enger – also für die Betroffenen günstiger – gefasst. Durch das AAÜG-Änderungsgesetz sollten von Entgeltbegrenzungen künftig nur noch Angehörige „staats- oder systemnaher” Zusatz- und Sonderversorgungssysteme in einkommensmäßig privilegierter Stellung, Personen in „staats- oder systemnahen” Funktionen in (ebenfalls) einkommensmäßig privilegierter Stellung und hauptberufliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit/Amtes für Nationale Sicherheit betroffen sein.
5. Mit seinen Urteilen vom 28. April 1999 erklärte das Bundesverfassungsgericht wesentliche Regelungen der Rentenüberleitung für grundgesetzwidrig (vgl. BVerfGE 100, 1; 100, 59; 100, 104; 100, 138). Es befand § 6 Abs. 2 (i.V.m. den Anlagen 4, 5 und 8) und § 6 Abs. 3 Nr. 7 AAÜG in der Fassung des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes vom 24. Juni 1993 seit dem 1. Juli 1993 für mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar und verpflichtete den Gesetzgeber, bis zum 30. Juni 2001 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen (vgl. BVerfGE 100, 59 ff.).
Das vom Gesetzgeber mit der Begrenzungsregelung verfolgte Ziel sei zwar einsichtig und legitim. Die angegriffene Regelung verfehle jedoch das angestrebte Ziel, indem sie unzulässig typisiere und damit Art. 3 Abs. 1 GG verletze. Denn bestimmte Gruppen von Personen würden durch die Zugehörigkeit zu besonderen Versorgungssystemen und – zusätzlich – pauschal wegen der Höhe ihrer Arbeitsentgelte benachteiligt. Zwar seien beide Kriterien nicht von vorneherein ungeeignet, den Tatbestand eines überhöhten Entgelts zu erfassen. Es sei aber nichts dafür ersichtlich, dass ihre Umsetzung durch § 6 Abs. 2 AAÜG auf Tatsachen beruhte, die die Annahme rechtfertigten, dass überhöhte Arbeitsentgelte an die vom Gesetz erfassten Gruppen gezahlt worden seien oder dass Entgelte ab den vom Gesetz festgelegten Grenzen als überhöht angesehen werden müssten. Der Bestimmung von Überhöhungstatbeständen von Arbeitnehmereinkommen müssten aber Kriterien zugrunde gelegt werden, die in den tatsächlichen Verhältnissen eine Entsprechung fänden (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪94≫). Für die Angehörigen der in § 6 Abs. 2 AAÜG genannten Versorgungssysteme gebe es keine hinreichenden Erkenntnisse, dass diese Personengruppen insgesamt oder auch nur überwiegend Entgelte erhalten hätten, die selbst unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze noch als überhöht angesehen werden könnten. Der Gesetzgeber sei allerdings durch Art. 3 Abs. 1 GG nicht gehindert gewesen, Leitungsfunktionen in allen gesellschaftlich relevanten Bereichen daraufhin zu prüfen, ob deren Inhaber überhöhte Arbeitsverdienste erhalten hätten. Es sei ihm jedoch verfassungsrechtlich verwehrt gewesen, dies generell für die in § 6 Abs. 3 AAÜG erfassten Funktionsebenen anzunehmen, wenn es dafür keine tatsächlichen Anhaltspunkte gegeben habe (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪100≫).
Hingegen erklärte das Bundesverfassungsgericht die Entgeltbegrenzungen nach § 7 AAÜG bei den Angehörigen des Ministeriums für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit für grundsätzlich legitim und beanstandete lediglich den Umfang der Kürzung, welche das berücksichtigungsfähige Entgelt unter das Durchschnittsentgelt aller Beschäftigten im Beitrittsgebiet abgesenkt und damit für die Betroffenen eine übermäßige Eigentumsbeschränkung bedeutet hatte, weil sie dazu führte, dass eine bedürftigkeitsunabhängige Altersversorgung nicht gewährleistet war (BVerfGE 100, 138 ≪182 f.≫). Der Gesetzgeber sei allerdings berechtigt gewesen, für diese Personengruppe das berücksichtigungsfähige Entgelt grundsätzlich niedriger einzustufen als bei anderen Versicherten aus dem Beitrittsgebiet, weil es insoweit Anhaltspunkte für allgemein deutlich überhöhte Entgelte bei den Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit gegeben habe. Hierbei habe sich der Gesetzgeber zusätzlich darauf stützen können, dass das Ministerium für Staatssicherheit im Laufe der Zeit ein System von Einrichtungen aufgebaut hatte, das zwar der Form nach den Einrichtungen in den Betrieben und sonstigen Institutionen der DDR entsprochen, tatsächlich die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit aber in vielerlei Hinsicht privilegiert habe (vgl. BVerfGE 100, 138 ≪178 f.≫).
6. Die durch das Zweite Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-ÄndG) vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1939) hierauf getroffene Neuregelung sah vor, dass die zum 1. Januar 1997 (durch das AAÜG-ÄndG von 1996) erfolgte Anhebung der Entgeltbegrenzungsstufe rückwirkend zum 1. Juli 1993 in Kraft gesetzt wurde.
Mit Beschluss vom 23. Juni 2004 (vgl. BVerfGE 111, 115) stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass auch § 6 Abs. 2 AAÜG (i.V.m. den Anlagen 4 und 5) und § 6 Abs. 3 Nr. 8 AAÜG vom 25. Juli 1991 in der Fassung des AAÜG-ÄndG vom 11. November 1996 und des 2. AAÜG-ÄndG vom 27. Juli 2001 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, bis zum 30. Juni 2005 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen, anderenfalls trete Nichtigkeit der beanstandeten Vorschriften ein (vgl. BVerfGE 111, 115 ≪146≫). Unter Hinweis auf BVerfGE 100, 59 hielt das Gericht zwar fest, die Zugehörigkeit zu bestimmten Versorgungssystemen und – als zusätzliches Kriterium – die Höhe der Arbeitsentgelte seien nicht von vornherein ungeeignet, den Tatbestand eines überhöhten Entgelts zu erfassen; es forderte aber erneut, die Umsetzung einer solchen Regelung auf Tatsachen zu gründen, welche die Annahme rechtfertigten, dass überhöhte Arbeitsentgelte gerade an die vom Gesetz erfassten Gruppen gezahlt worden seien oder dass Entgelte ab den vom Gesetz festgelegten Grenzen als überhöht angesehen werden müssten; der Bestimmung von Überhöhungstatbeständen müssten Kriterien zugrunde gelegt werden, die in den tatsächlichen Verhältnissen eine Entsprechung fänden (vgl. BVerfGE 111, 115 ≪138≫). Dem würden die angegriffenen Vorschriften des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz nicht gerecht, weil bei gleich bleibendem Mechanismus ohne weitere tatsächliche Erkenntnisse lediglich die benachteiligte Gruppe verkleinert und der Kürzungsmechanismus beibehalten, aber vergröbert worden sei. Den Regelungen lägen weiterhin keine konkreten Erkenntnisse darüber zugrunde, ob und gegebenenfalls in welchen Bereichen der DDR überhöhte Entgelte gezahlt worden seien. Die unzulässige Gleichstellung von hohem Einkommen und überhöhtem Einkommen bestimme auch das Konzept der zur Beurteilung stehenden Vorschriften (vgl. BVerfGE 111, 115 ≪141≫).
7. Hierauf verabschiedete der Deutsche Bundestag am 21. Juni 2005 das Erste Gesetz zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (1. AAÜG-ÄndG, BGBl I S. 1672). § 6 Abs. 3 AAÜG wurde aufgehoben und § 6 Abs. 2 AAÜG erhielt folgenden Wortlaut:
Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 oder Anlage 2 Nr. 1 bis 3 bis zum 17. März 1990, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde als
- Mitglied, Kandidat oder Staatssekretär im Politbüro der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands,
- Generalsekretär, Sekretär oder Abteilungsleiter des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sowie als Mitarbeiter der Abteilung Sicherheit bis zur Ebene der Sektorenleiter oder als die jeweiligen Stellvertreter,
- Erster oder Zweiter Sekretär der SED-Bezirks- oder Kreisleitung sowie Abteilungs- oder Referatsleiter für Sicherheit oder Abteilungsleiter für Staat und Recht,
- Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter,
- Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates, Vorsitzender des Staatsrats oder Vorsitzender des Ministerrats sowie als in diesen Ämtern ernannter Stellvertreter,
- Staatsanwalt in den für vom Ministerium für Staatssicherheit sowie dem Amt für Nationale Sicherheit durchzuführenden Ermittlungsverfahren zuständigen Abteilung I der Bezirksstaatsanwaltschaften,
- Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR,
- Mitglied der Bezirks- oder Kreis-Einsatzleitung,
- Staatsanwalt oder Richter der I-A-Senate,
ist den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst höchstens der jeweilige Betrag der Anlage 5 zugrunde zu legen.
Durch Art. 2 Abs. 3 des 1. AAÜG-ÄndG wurde die Vorschrift rückwirkend zum 1. Juni 1993 in Kraft gesetzt.
Die Vorschrift führt für den betroffenen Personenkreis zu einer Kürzung der maßgeblichen Entgelte auf den Durchschnittsverdienst der Beschäftigten in der DDR. Die Deutsche Rentenversicherung Bund geht von ca. 1.000 bis 1.200 Betroffenen aus. Von diesen erfasst die Vorschrift des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG eine kleine Personengruppe aus zwei der höchsten Staatsorgane der DDR.
Die Gesetzesbegründung führt hierzu aus, die (bisher an eine bestimmte Entgelthöhe geknüpfte) Entgeltbegrenzung werde auf diejenigen Zeiten beschränkt, in denen insbesondere solche Funktionen im Parteiapparat der SED, in der Regierung oder im Staatsapparat ausgeübt worden seien, die auch eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) sowie dem Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) umfasst hätten. Ebenso würden auch Zeiten in Funktionen auf den höchsten Ebenen des so genannten Kadernomenklatursystems der DDR einbezogen, da die Betreffenden – wie auch die MfS/AfNS-Mitarbeiter – einkommens- und versorgungsseitig Teil eines Gesamtkonzepts der Selbstprivilegierung innerhalb des Staates gewesen seien. Auf diese Weise werde ein bei dem ersatzlosen Wegfall der bisherigen Regelung drohender Wertungswiderspruch zu der vom Bundesverfassungsgericht bestätigten und weiterhin geltenden Begrenzungsregelung für Personen, die dem Versorgungssystem des MfS/AfNS angehört hätten, vermieden (BTDrucks 15/5314, S.1; 15/5488, S. 1).
II.
Den Ausgangsverfahren liegen folgende Sachverhalte zugrunde:
1. Der Kläger des Ausgangsverfahrens vor dem Sozialgericht Berlin (im Folgenden: Kläger) wurde am 30. März 1925 geboren. Er wurde 1943 Anwärter der NSDAP und war bis 1945 Soldat der deutschen Wehrmacht. In der DDR trat er der Deutschen Bauernpartei bei und war seit 1951 Mitglied des Parteivorstandes, seit 1982 ihr stellvertretender Vorsitzender.
Zwischen 1953 und 1990 übte der Kläger nach den Feststellungen des Sozialgerichts folgende Funktionen aus: Mai 1953 bis 1963 Minister für Landwirtschaft, 1963 bis Juli 1967 Stellvertreter des Ministers und Mitglied des Ministerrats, 1967 bis 1972 Staatssekretär im Ministerium für Landwirtschaft, März 1972 bis Januar 1990 Minister für Umweltschutz und Wasserwirtschaft.
Der Bruttoverdienst des Klägers lag in den Jahren von 1953 bis 1967 zwischen 42.000 und 48.000 Mark. In der Zeit seiner Tätigkeit als Staatssekretär von 1967 bis 1971 erzielte er ein jährliches Bruttoarbeitsentgelt von 39.600 Mark. Als Umweltminister betrug sein Verdienst 1972 52.217 Mark, von 1973 bis 1984 durchgehend 54.000 Mark, 1985 56.000 Mark und ab 1986 durchgehend 60.000 Mark jährlich. In der Zeit von 1971 bis 1990 gehörte der Kläger dem freiwilligen Zusatzversorgungssystem für Beschäftigte im Staatsapparat an.
Ab dem 1. März 1990 bezog der Kläger eine Altersversorgung in Höhe von 2.992 Mark, die sich aus einer Rente der Sozialversicherung von 504 Mark und einer zusätzlichen Versorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates in Höhe von 2.488 Mark zusammensetzte. Infolge der Kappungsregelung des § 23 Abs. 2 RAnglG erhielt der Kläger ab Juli 1990 allerdings schon in der DDR nur noch eine Altersversorgung von insgesamt 2.004 DM.
Ab dem 1. Dezember 1995 stellte der Rentenversicherungsträger die Regelaltersrente des Klägers neu fest und berechnete einen Rentenzahlbetrag von 1.986,92 DM. Für die Minderung des Rentenzahlbetrags waren dabei die Entgeltbegrenzungen des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes auf den Durchschnittsverdienst in den Zeiten der Beschäftigung des Klägers als Minister, stellvertretender Minister und Staatssekretär ursächlich. Im Rahmen der dagegen erhobenen Klage beim Sozialgericht Berlin kam es zu verschiedenen Neufeststellungsbescheiden des Rentenversicherungsträgers, der die Regelaltersrente des Klägers zuletzt für die Zeit ab dem 1. Juli 1993 neu festgestellt hat. Seit dem 1. Dezember 2005 beträgt der Zahlbetrag der Altersrente 1.179,45 Euro. Die letzte Neufeststellung zugunsten des Klägers erfolgte im Wesentlichen deshalb, weil durch das 1. Änderungsgesetz zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vom 21. Juni 2005 die Entgeltbegrenzung des § 6 Abs. 2 AAÜG für die Zeit der Tätigkeit als Staatssekretär (Juli 1967 bis März 1972) entfallen war.
Neben den bereits genannten Rentenbescheiden hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in ihrer Funktion als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme weitere Bescheide erlassen, mit denen sie die Arbeitsentgelte des Klägers in den Zeiten seiner Tätigkeit als Minister beziehungsweise stellvertretender Minister – von Mai 1953 bis Juli 1967 und von März 1972 bis Januar 1990 – auf den Wert der Anlage 5 zum AAÜG begrenzt hat. Auch diese Bescheide hat der Kläger vor dem Sozialgericht Berlin angefochten.
Das Sozialgericht hat die Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger und den Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und eine Rentenauskunft des Rentenversicherungsträgers eingeholt. Dieser hat mitgeteilt, dass ohne die Anwendung des § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung durch das 1. Änderungsgesetz zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz die Rente des Klägers ab dem 1. Mai 2006 monatlich 1.805,43 Euro betragen würde; für die zurückliegenden 13 Jahre (ab 1. Juli 1993) wäre zudem eine Nachzahlung von rund 85.000 Euro zu leisten.
Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das Sozialgericht den Kläger persönlich gehört. Er hat nähere Angaben zu seinem persönlichen Werdegang und zu seiner Tätigkeit als Minister gemacht.
Das Sozialgericht hat eine Stellungnahme der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR eingeholt, die mitgeteilt hat, es gebe keine Erkenntnisse über eine Weisungsbefugnis von Fachministern oder ihrer Stellvertreter gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit. Weiter hat das Sozialgericht den zuständigen Referatsleiter im Bundesministerium für Arbeit und Soziales als sachverständigen Zeugen zu den gesetzgeberischen Motiven bei der Neufassung von § 6 Abs. 2 AAÜG vernommen. Der ebenfalls als Zeuge geladene Referatsgruppenleiter bei der Bundesbeauftragten für die Staatssicherheit ist zu den Verbindungen des Klägers mit der Staatssicherheit der DDR gehört worden. Er hat bekundet, dass eine Tätigkeit des Klägers für das Ministerium für Staatssicherheit während seiner Zeit als Minister nicht bestanden habe. Eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit habe dem Politbüro der SED, dem Zentralkomitee sowie dem Generalsekretär des Zentralkomitees zugestanden, nicht aber einzelnen Fachministern.
Mit Beschluss vom 9. Juni 2006 hat das Sozialgericht das Verfahren ausgesetzt, weil es § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des 1. Änderungsgesetzes zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vom 21. Juni 2005 für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar hält. Nach Maßgabe von § 6 Abs. 2 AAÜG sei die Klage abzuweisen, weil der Kläger in den streitbefangenen Zeiträumen als Minister beziehungsweise stellvertretender Minister dem Zusatzversorgungssystem Nummer 19 der Anlage 1 zum AAÜG (Freiwillige zusätzliche Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates) angehört und eine Funktion im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG ausgeübt habe. Die besondere Begrenzungsregelung des § 7 AAÜG für Angehörige des Versorgungssystems der Staatssicherheit greife nicht ein, da der Kläger zwar bis Mai 1953 Geheimer Informator der Staatssicherheit gewesen sei, diese Verbindung jedoch mit dem Amtsantritt als Minister geendet habe. Ab diesem Zeitpunkt habe der Kläger zwar noch in seiner offiziellen Funktion als Minister Kontakt mit dem Ministerium für Staatssicherheit gehabt, er sei jedoch nicht im Sinne von § 7 Abs. 2 AAÜG hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit gewesen, der als Offizier der Staatssicherheit im besonderen Einsatz oder in einem Dienst- oder Arbeitsverhältnis zu dem Ministerium für Staatssicherheit verdeckt tätig gewesen sei. Die durch § 6 Abs. 2 AAÜG erfolgte Schlechterstellung der dort genannten Funktionsträger führe zu einer Benachteiligung dieser Personen gegenüber anderen Rentnern aus dem Beitrittsgebiet, die nach dem Ergebnis der gerichtlichen Beweisaufnahme mit Art. 3 Abs. 1 GG im Widerspruch stehe. Das vom Gesetzgeber zur Begründung der Kürzungsregelung genannte Merkmal einer Weisungsbefugnis gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit gehe in Bezug auf den Personenkreis der Minister, stellvertretenden Minister oder stimmberechtigten Mitglieder von Staats- oder Ministerrat oder ihre jeweiligen Stellvertreter von falschen Voraussetzungen aus, denn abgesehen vom Minister für Staatssicherheit habe keine dieser Personen – und zwar weder rechtlich noch faktisch – eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit gehabt. Eine Weisungsbefugnis habe nur dem Politbüro der SED als Organ, dem Zentralkomitee als Organ sowie dem Generalsekretär des Zentralkomitees zugestanden. Unabhängig davon sei die abstrakte Weisungsbefugnis gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit ohnehin kein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine Ungleichbehandlung bei der Berechnung der allgemeinen Altersrente. Auf eine Einzelfallprüfung hinsichtlich schwerer persönlicher Verfehlungen bei der Ausübung der beruflichen Stellung habe der Gesetzgeber bewusst verzichtet, sondern mit seiner Regelung an die typisierende Vorgabe des Einigungsvertrages angeknüpft, die Renten solcher Personen zu kürzen, die politisch begründete und damit überhöhte Rentenleistungen erhalten hätten. In diesem rentenrechtlichen Zusammenhang seien Menschenrechtsverletzungen durch einzelne Menschen aus dieser Personengruppe unbeachtlich.
Eine rentenrechtliche Gleichsetzung von Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit und Funktionären mit Weisungsbefugnis gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit könne also nur erfolgen, wenn festgestellt werde, dass beide Gruppen gleichermaßen überhöhte Arbeitsverdienste in der DDR erhalten hätten. Anders als für die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, für die das Bundesverfassungsgericht aufgrund von tatsächlichen Erkenntnissen ein solches System der Selbstprivilegierung festgestellt habe, gebe es aber – insoweit habe sich im Vergleich zu den vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Vorgängerregelungen nichts geändert – keine Tatsachen, die eine rentenrechtliche Gleichsetzung anderer Spitzenfunktionäre der DDR mit den Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit rechtfertigten. Den vom Bundesverfassungsgericht gewiesenen Weg, durch Ermittlungen zur allgemeinen Lohn- und Gehaltsstruktur in der DDR eine Grundlage zur Feststellung überhöhter Entgelte zu schaffen, sei der Gesetzgeber nicht gegangen, sondern der Aspekt der Gehaltsstruktur habe bei der Neuregelung überhaupt keine Rolle gespielt. Maßgebend sei allein die Zugehörigkeit zu den höchsten Ebenen des Kadernomenklatursystems gewesen, also dass bestimmte berufliche Positionen nur nach ausdrücklicher Bestätigung durch die SED besetzt werden durften und hierbei nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch die „Linientreue” maßgeblich gewesen sei. Bei der danach vorgenommenen Auswahl habe der Gesetzgeber aber die von ihm selbst gewählten Ordnungsprinzipien verletzt. Denn die von § 6 Abs. 2 AAÜG erfassten Personenkreise seien dadurch gekennzeichnet, dass es sich um solche Nomenklaturkader handele, die entweder direkt vom Politbüro oder durch das Sekretariat des Zentralkomitees der SED hätten bestätigt werden müssen. Tatsächlich werde von § 6 Abs. 2 AAÜG aber nur ein kleiner Teil dieser beiden Nomenklaturebenen erfasst, ohne dass ein sachlicher Grund erkennbar sei, warum nur diese für eine Rentenkürzung ausgewählt worden seien. So würden etwa die Vorsitzenden der Blockparteien der DDR und die Mitglieder im Zentralkomitee der SED nicht erfasst, obwohl sie zur höchsten Stufe des Kadernomenklatursystems der DDR gehört hätten. Vergleichbares gelte für leitende Wirtschaftsfunktionäre, wie zum Beispiel Generaldirektoren großer Betriebe. Es sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber die unterschiedliche Behandlung innerhalb der Nomenklaturebenen davon abhängig gemacht habe, dass die erfasste Gruppe im Hinblick auf Einkommen und Versorgung besonders privilegiert gewesen sei. Tatsächlich sei dies auch kein geeigneter Ansatzpunkt. So habe der Stellvertreter eines Ministers nach den einschlägigen Gehaltsregulativen sogar weniger verdient als die Generaldirektoren. Daneben habe es in der DDR noch andere Gruppen von Spitzenverdienern gegeben, wie zum Beispiel „Spezialisten auf dem Gebiet Wissenschaft und Technik”, die bis zu 15.000 Mark im Monat hätten verdienen können; auch diese seien jedoch nicht erfasst. Bereits nach den allgemeinen Regeln des Rentenrechts flössen die erzielten Entgelte nur bis zum maximal 1,8-fachen des Durchschnittsverdienstes in die Rentenberechnung ein; höhere Entgelte würden also bereits hierdurch gekappt. Es sei kein sachlicher Grund erkennbar, warum darüber hinaus für den Personenkreis, den der Kläger repräsentiere, eine besondere Bemessungsgrenze angeordnet werde, nicht hingegen für andere Spitzenverdiener. Eine besondere Staats- oder Systemnähe allein sei, wie das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben habe, keine Rechtfertigung für die Kürzung von Entgelten unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze. Die Kürzung von Renten sei auch nicht durch andere Privilegien gerechtfertigt, die keinen Einfluss auf die Rentenberechnung gehabt hätten, wie etwa Vorteile bei der medizinischen Versorgung oder bei der Versorgung mit anderen geldwerten Gütern. Schließlich könne die festgestellte Ungleichbehandlung auch nicht mit einer gesetzgeberischen Typisierungsbefugnis begründet werden, denn es handele sich nicht um vereinzelte Sonderfälle, sondern der Kläger repräsentiere den typischen Fall seiner Gruppe. Eine verfassungskonforme Auslegung von § 6 Abs. 2 AAÜG scheide aus, da der Wortlaut ausnahmslos alle Zeiten in den genannten Funktionen erfasse.
2. Der Kläger des Ausgangsverfahrens vor dem Thüringer Landessozialgericht (im Folgenden: Kläger) wurde 1934 geboren und ist gelernter Schriftsetzer und Typograf. Er war nach dem Abschluss eines Studiums der Wirtschaftswissenschaften, Fachrichtung Industrieökonomik, ab 1958 zunächst bei verschiedenen Betrieben tätig, bevor er ab 1963 als Mitarbeiter, Sektoren- beziehungsweise Abteilungsleiter beim Volkswirtschaftsrat der DDR und im Ministerium für Leichtindustrie arbeitete. Vom 1. Mai 1969 bis 31. Juli 1970 war er Generaldirektor des VVB Polygraphische Industrie Leipzig, um anschließend die Tätigkeit eines stellvertretenden Ministers im Ministerium für Leichtindustrie beziehungsweise Ministerium für bezirksgeleitete Industrie zu übernehmen; hier war der Kläger vom 1. August 1970 bis 31. Juli 1983 tätig. Vom 1. August 1983 bis zum 30. Juni 1990 war er Intendant des Schauspielhauses Berlin und im Anschluss daran von Juli 1990 bis Januar 1991 Geschäftsführer beim VEB Zeitschriftenvertriebsgesellschaft Berlin.
Mit Wirkung vom 1. November 1968 wurde der Kläger in die zusätzliche Altersversorgung der Intelligenz und mit Wirkung vom 1. März 1971 in die freiwillige zusätzliche Altersversorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates aufgenommen. Sein Bruttojahresarbeitsentgelt betrug in der Zeit als stellvertretender Minister zwischen 37.500 Mark und 41.100 Mark.
Gegenüber dem Kläger sind mehrere Bescheide der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte beziehungsweise der Deutschen Rentenversicherung Bund als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme ergangen. Der letzte Bescheid vom 14. November 2005 hat die Entgeltbegrenzungen für die Zeit vom 1. Mai 1969 bis 31. Juli 1970, in welcher der Kläger als Generaldirektor des VVB Polygraphische Industrie Leipzig tätig war, im Hinblick auf die Neuregelungen durch das 1. AAÜG-ÄndG aufgehoben, gleichzeitig aber festgestellt, dass die in der Zeit vom 1. Januar 1971 bis 31. Juli 1983 erzielten Entgelte (weiterhin) der besonderen Beitragsbemessungsgrenze nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG unterlägen. Die gegen den Versorgungsträger gerichtete Klage mit dem Ziel einer Entgeltfeststellung ohne Absenkung der Entgelte nach § 6 Abs. 2 AAÜG ist vom Sozialgericht (Urteil vom 31. Mai 2002 – S 3 RA 951/00) und vom Landessozialgericht Thüringen (Urteil vom 27. März 2006 – L 6 RA 542/02) als unzulässig verworfen worden. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 2. Februar 2007 (B 4 RS 56/06 B) ebenfalls als unzulässig verworfen.
Ab dem 1. Mai 1999 wurde dem Kläger vom Rentenversicherungsträger Regelaltersrente in Höhe von 2.592,36 DM bewilligt (Bescheid vom 5. Mai 1999). Mit Bescheid vom 19. Juni 2000 erfolgte eine Neuberechnung, aufgrund derer sich die Regelaltersrente ab 1. Mai 1999 auf 2.971,64 DM erhöhte. Die auf eine höhere Altersrente gerichtete Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 31. Mai 2002 abgewiesen. Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat der Rentenversicherungsträger aufgrund des erwähnten Bescheids des Versorgungsträgers vom 14. November 2005 die Rente unter Berücksichtigung der höheren Entgelte für die Zeit vom 1. Mai 1969 bis 31. Juli 1970 neu festgestellt und dem Kläger ab dem 1. Mai 1999 eine Regelaltersrente von 2.809,59 DM bewilligt.
In einer Probeberechnung hat die Deutsche Rentenversicherung Bund festgestellt, dass sich ohne Anwendung des § 6 Abs. 2 AAÜG ab dem 1. Mai 1999 eine Regelaltersrente in Höhe von 3.141,79 DM ergeben würde.
Das Thüringer Landessozialgericht hat mit Teilurteil vom 25. Februar 2008 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts insoweit zurückgewiesen, als sie sich nicht gegen die Anwendung des § 6 Abs. 2 AAÜG wendet. Im Übrigen hat es mit Beschluss vom selben Tage das Verfahren ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht mit der Frage vorgelegt, ob § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG in der Fassung des 1. Änderungsgesetzes zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vom 21. Juni 2005 mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG vereinbar sei. Für die Entscheidung des Rechtsstreits komme es darauf an, ob die vom Rentenversicherungsträger vorgenommene Begrenzung der Arbeitsentgelte des Klägers in der Zeit seiner Tätigkeit als stellvertretender Minister vom 1. Januar 1971 bis 31. Juli 1983, in der er der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates angehört habe, wirksam sei. Die von dem Kläger im früheren Rechtsstreit erfolglos angefochtenen Bescheide des Versorgungsträgers enthielten insoweit keine rechtsverbindlichen, dem Klagebegehren entgegenstehenden Feststellungen; die Entscheidung darüber, welche Leistungsansprüche auf Altersversorgung nach dem Sozialgesetzbuch Sechstes Buch den Zusatz- und Sonderversorgten zustünden, treffe vielmehr ausschließlich der Rentenversicherungsträger, gegen den sich die Klage auch allein richte. Im Weiteren hat sich das Landessozialgericht die Ausführungen des Sozialgerichts Berlin im Vorlagebeschluss vom 9. Juni 2006 zu Eigen gemacht. Es fehlten nachvollziehbare und überprüfbare Kriterien für die unterstellte Selbstprivilegierung der von § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG erfassten Personengruppe. Zwar sei es durchaus nahe liegend, dass in den höchsten Rängen der DDR politischer Zuverlässigkeit generell Vorrang vor fachlicher Eignung eingeräumt worden sei, ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte hierfür existierten jedoch nicht. Ebenso wenig gebe es konkrete Anhaltspunkte für sonstige relevante Vorteile, die sich betragsmäßig auf das Arbeitsentgelt und damit auf die Höhe der Versorgungsleistung ausgewirkt hätten.
III.
Zu den Vorlagen haben sich neben den Klägern beider Ausgangsverfahren im Verfahren 1 BvL 9/06 für die Bundesregierung das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der 4. Senat des Bundessozialgerichts, der Seniorenverband – Bund der Ruhestandsbeamten, Rentner und Hinterbliebenen –, die Initiativgemeinschaft zum Schutz der sozialen Rechte ehemaliger Angehöriger bewaffneter Organe und der Zollverwaltung der DDR – ISOR e.V. –, der Deutsche Bundeswehrverband sowie die Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V. geäußert.
1. Die Kläger meinen, bei § 6 Abs. 2 AAÜG handele es sich um rückwirkendes, verfassungswidriges Rentenstrafrecht.
2. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales führt aus, der Typisierung bei der Neufassung von § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG habe der Schluss zugrunde gelegen, dass das im Versorgungssystem des Ministeriums für Staatssicherheit für alle Qualifikationsstufen festgestellte Gesamtkonzept der Selbstprivilegierung erst recht für die höchsten Partei- und Staatsämter gegolten habe. Minister und stellvertretende Minister hätten mit an der Spitze des Kadernomenklatursystems gestanden. Das Nomenklatursystem sei Ausdruck der führenden Rolle der SED gewesen, die mit Positionslisten, in denen praktisch alle in der DDR zu besetzenden Führungspositionen verzeichnet gewesen seien, die Besetzung dieser Positionen gesteuert habe. Bei anderen Spitzenverdienern habe der Gesetzgeber nicht von einer derartigen Selbstprivilegierung ausgehen müssen. Bereits der demokratisch gewählte Gesetzgeber der DDR habe die maximale Zusatzversorgung für bestimmte Berufsgruppen durch § 23 Abs. 2 RAnglG auf 1.500 Mark beschränkt und damit eine Auswahl dahingehend getroffen, dass insbesondere bei Mitarbeitern des Staatsapparates und der Parteien die versorgungsrechtlichen Privilegien mittels einer Zahlbetragsbegrenzung eingeschränkt werden sollten. Dagegen sei für eine Reihe von Versorgungssystemen die unveränderte Weiterzahlung der Zusatzversorgungen ohne diese Zahlbetragsbegrenzung vorgesehen gewesen, insbesondere für die Zusatzversorgungssysteme der technischen und wissenschaftlichen Intelligenz. Der nach dem Recht der DDR zustehende Gesamtversorgungsbetrag sei zugleich auch der zum 1. Juli 1990 besitzgeschützte Zahlbetrag gewesen. Die insoweit vom bundesdeutschen Gesetzgeber vorgenommenen Zahlbetragsbegrenzungen habe das Bundesverfassungsgericht als Verstoß gegen den Einigungsvertrag und als mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar bewertet. Der Gesetzgeber habe damit vor der Verabschiedung des 1. AAÜG-ÄndG eine ursprünglich vom Gesetzgeber der DDR gestaltete Rechtslage zur Fortgeltung und Abschaffung von Privilegien vorgefunden, die durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch verfestigt gewesen sei. Für Angehörige der technischen und wissenschaftlichen Intelligenz mit Spitzenverdiensten, für die das Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz zu keinem Zeitpunkt Entgeltbegrenzungen vorgesehen habe, habe der Gesetzgeber daher willkürfrei davon ausgehen können, dass diese nicht Teil eines Systems der Selbstprivilegierung gewesen seien.
Auch die Nichteinbeziehung der Mitglieder des Zentralkomitees der SED sei aus Sachgründen gerechtfertigt. Bei dem Zentralkomitee, welches 1989 aus 165 Mitgliedern und 57 Kandidaten bestanden habe, habe es sich um ein Repräsentativorgan gehandelt, in dem hochrangige Partei- und Staatsfunktionäre – sofern Mitglied der SED – aus den unterschiedlichsten Berufsgruppen (u.a. Schauspieler, Schriftsteller) bis hin zu verdienten Parteiveteranen vertreten gewesen seien. Dementsprechend hätten die ZK-Mitglieder ganz unterschiedlichen Altersversorgungssystemen angehört und ebenso heterogen sei die Höhe der jeweiligen Versorgungen gewesen. Die Mitgliedschaft im Zentralkomitee sei keine konkrete tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung einer besonderen Altersversorgung gewesen, zumal die Mitgliedschaft im Zentralkomitee auch erst nach Abschluss des Berufslebens begründet werden konnte. Das eigentliche Machtzentrum des Zentralkomitees sei das Generalsekretariat gewesen. Die dort beschäftigten Spitzenfunktionäre, die auch gegenüber den Ministern weisungsbefugt gewesen seien, würden in § 6 Abs. 2 Nr. 2 AAÜG aber ausdrücklich benannt.
3. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts trägt in seiner Stellungnahme vor, die vom Sozialgericht gerügte Ungleichbehandlung der von § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG betroffenen Personen im Vergleich zu Spitzenfunktionären aus dem Zuständigkeitsbereich der Abteilung Handel, Versorgung und Außenhandel, den Generaldirektoren der VEB und den Kombinatsdirektoren sei gerechtfertigt, weil diese dem wirtschaftlichen und nicht dem parteilich-staatlichen Bereich zuzurechnen seien. Ein Gleichheitsverstoß könne allerdings in der Nichteinbeziehung der Mitglieder des Zentralkomitees der SED gesehen werden. Gegenüber den allgemein Rentenberechtigten der DDR dürfte es hingegen gerechtfertigt sein, die Regierungsmitglieder als Teil eines Systems der Selbstbegünstigung anzusehen und bezüglich der Entgeltbegrenzung gleich zu behandeln, da die Regierungsmitglieder ebenso wie die Parteifunktionäre das System wesentlich gestützt und unterhalten hätten. Würde diese Typisierung für unzulässig gehalten, stünde Art. 3 Abs. 1 GG wohl jeder pauschalierenden und typisierenden Erfassung der Kader der ehemaligen DDR entgegen.
4. Der Seniorenverband – Bund der Ruhestandsbeamten, Rentner und Hinterbliebenen – ist der Auffassung, § 6 Abs. 2 AAÜG sei verfassungswidrig. Die Vorschrift lasse keine Systematik erkennen und stelle die Sekretäre der SED-Kreisleitung neben die Mitglieder des Politbüros der SED, jeden Staatsanwalt in der Generalstaatsanwaltschaft der DDR neben Mitglieder der Kreiseinsatzleitung. Diese Auflistung werde nur durch den Verdacht zusammengehalten, dass diese Personengruppen für den Staat der DDR besonders wichtig gewesen seien; dann aber fehlten, wie das Sozialgericht herausgearbeitet habe, wichtige Gruppen. Der Kläger des Ausgangsverfahrens vor dem Sozialgericht Berlin habe, wie die bescheinigten Entgelte bewiesen, für seine herausgehobene und verantwortliche Position keine überhöhte, sondern eher eine unterdurchschnittliche Vergütung erhalten, die zudem der allgemeinen Einkommensentwicklung in der DDR hinterhergelaufen sei. Auf anderweitige Privilegien könne es nicht ankommen, weil allein überhöhte Entgelte maßgeblich seien. Ohne die Kürzung stünde dem Kläger eine monatliche Rente in Höhe von 1.800 Euro zu; dies sei ein Bruchteil dessen, was ein vergleichbarer Minister der Bundesrepublik Deutschland als Pension erhalte.
5. Die ISOR e.V. ist ebenfalls von der Verfassungswidrigkeit von § 6 Abs. 2 AAÜG überzeugt. Das Abstellen des Gesetzgebers auf ein Gesamtkonzept der Selbstprivilegierung bei den höchsten Nomenklaturkadern sei unschlüssig, da das Nomenklatursystem nicht nur den Partei- und Staatsapparat, sondern alle Bereiche der Gesellschaft erfasst habe. Deshalb sei auch der Hinweis, dass in solchen Führungspositionen generell politischer Zuverlässigkeit der Vorrang vor fachlicher Eignung gegeben worden sei, für die daran anknüpfende Kürzungsregelung ungeeignet; denn dieses Kriterium, in dessen Mittelpunkt die unbedingte Treue zur Partei der Arbeiterklasse gestanden habe, sei für sämtliche Kadernomenklaturen – und nicht nur für die höchsten Ebenen – kennzeichnend gewesen. Es gebe zudem keine Erkenntnisse, dass der von § 6 Abs. 2 AAÜG erfasste Personenkreis hinsichtlich seines Einkommens privilegiert gewesen sei.
6. Der Deutsche Bundeswehrverband sieht in § 6 Abs. 2 AAÜG aus den vom Sozialgericht Berlin dargelegten Gründen einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.
7. Die Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde e.V. führt aus, auch die Neufassung des § 6 Abs. 2 AAÜG ignoriere die Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts, Nachweise für überhöhte Entgeltzahlungen an die erfassten Personengruppen zu erbringen. Das Kriterium einer Weisungsbefugnis gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit sei nicht nur für den übergroßen Teil der von § 6 Abs. 2 AAÜG erfassten Personen unzutreffend, sondern widerspreche auch der Wertneutralität des Rentenrechts und sei ein rechtsstaatswidriges Differenzierungsmerkmal.
Entscheidungsgründe
B.
Die Vorlagen sind zulässig. Die Vorlagebeschlüsse bedürfen allerdings der einschränkenden Auslegung (vgl. hierzu BVerfGE 3, 187 ≪195 f.≫; 24, 220 ≪224 f.≫; 36, 41 ≪44≫; 56, 1 ≪11≫). Eine solche Beschränkung ist zulässig, wenn die zu prüfende Vorschrift nach ihrem Wortlaut und Sinngehalt zwischen verschiedenen Tatbeständen, beispielsweise zwischen verschiedenen Personengruppen, unterscheidet (vgl. BVerfGE 36, 41 ≪44≫). Die vorlegenden Gerichte stellen die Vorschrift des § 6 Abs. 2 AAÜG insgesamt zur Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht. Entscheidungserheblich ist jedoch in beiden Verfahren nur § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG. Denn die Kläger waren Minister und stellvertretende Minister der DDR; andere Funktionen, welche in § 6 Abs. 2 AAÜG genannt werden, haben sie nicht ausgeübt.
C.
§ 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes vom 21. Juni 2005 ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
I.
1. Der Gesetzgeber hat seinen Ausgestaltungsauftrag im Rahmen des Art. 14 GG in nicht zu beanstandender Weise erfüllt. Den in der DDR begründeten Rentenansprüchen und Rentenanwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen kommt verfassungsrechtlicher Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG mit der Maßgabe zu, dass ungerechtfertigte Leistungen abgeschafft und überhöhte Leistungen abgebaut werden dürfen. Diesen Eigentumsschutz erlangen Rentenansprüche und Rentenanwartschaften nur in dem Umfang, den sie aufgrund der Regelungen des Einigungsvertrages erhalten haben (vgl. BVerfGE 100, 1 ≪37≫). Der Einigungsvertrag hat in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H – Gesetzliche Rentenversicherung Abschnitt III Nr. 9 Buchstabe b Satz 3 Ziffer 1 dem Gesetzgeber einen Gestaltungsauftrag gegeben, den der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes vom 21. Juni 2005 in mit Art. 14 GG vereinbarer Weise erfüllt hat.
Dem Gesetzgeber kommt bei der Neuordnung sozialrechtlicher Rechtsverhältnisse im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung und insbesondere bei der Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Überführung der im Beitrittsgebiet erworbenen Ansprüche und Anwartschaften ein besonders großer Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 100, 1 ≪38≫; 100, 59 ≪94 f.≫). Er ist berechtigt, Rentenansprüche und Rentenanwartschaften zu beschränken, Leistungen zu kürzen und Ansprüche und Anwartschaften umzugestalten, sofern dies einem Gemeinwohlzweck, insbesondere der Abschaffung ungerechtfertigter und dem Abbau überhöhter Leistungen, dient und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt. Er darf dabei an Differenzierungen anknüpfen, die schon der mit den Verhältnissen vertraute Gesetzgeber der DDR zur Grundlage von Entgeltkürzungen gemacht hat, und sie weiterführen (vgl. BVerfGE 100, 138 ≪193 f.≫). Denn eine uneingeschränkte und bedingungslose Berücksichtigung der tatsächlichen Arbeitsverdienste bei der Versorgungsüberleitung war bereits von der DDR nicht gewollt (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪93≫). Dabei kann auch berücksichtigt werden, dass die Empfänger von Zusatz- und Sonderversorgungen grundsätzlich weniger schutzbedürftig als die sonstigen Rentner sind (vgl. BVerfGE 100, 104 ≪132≫). Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers verengt sich in dem Maß, in dem die Rentenansprüche und Rentenanwartschaften durch den personalen Bezug des Anteils eigener Leistung des Versicherten geprägt sind (vgl. BVerfGE 100, 1 ≪38≫). Zur Bestimmung, wann eine überhöhte Leistung vorliegt, kann der Gesetzgeber an die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Versorgungssystem oder an die Höhe des Arbeitsentgelts anknüpfen, falls dafür eine Tatsachengrundlage besteht (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪93 f.≫). Er braucht beim Abbau überhöhter Leistungen nicht an der Beitragsbemessungsgrenze haltzumachen, da ungerechtfertigte Privilegien auch im normalen Streubereich der Gehälter unterhalb dieser Grenze vorkommen können (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪94≫).
2. Bereits im Staatsvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland war vorgesehen, Leistungen aufgrund von Sonderregelungen mit dem Ziel zu überprüfen, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Staatsvertrag). Dementsprechend wurde noch vom letzten, demokratisch gewählten Gesetzgeber der DDR durch § 23 Abs. 2 RAnglG bestimmt, dass zusätzliche Versorgungen unter anderem aus dem Versorgungssystem für Mitarbeiter des Staatsapparates ab dem 1. Juli 1990 maximal in Höhe von 1.500 DM gezahlt werden durften, die Zahlbetragsgarantie des § 23 Abs. 1 RAnglG für dieses als besonders „systemnah” angesehene Versorgungssystem also nicht gelten sollte. Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 wiederholte dann in Bezug auf die Ansprüche und Anwartschaften aus Sonder- und Zusatzversorgungssystemen die Maßgabe, „ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen” sowie eine Besserstellung gegenüber vergleichbaren Ansprüchen aus anderen öffentlichen Versorgungssystemen zu verhindern (Anlage 2 Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchstabe b Satz 3 EV). Damit wurden die durch den Einigungsvertrag grundsätzlich anerkannten Ansprüche und Anwartschaften aus den Zusatz- und Sonderversorgungssystemen von vornherein nur in einem vom Gesetzgeber näher zu bezeichnenden Maß in die Eigentumsordnung des Grundgesetzes überführt. Der Gesetzgeber durfte die generelle Wertung des Gesetzgebers der DDR aufgreifen und weiterführen (vgl. BVerfGE 100, 138 ≪193 f.≫).
3. Die Vorschrift des § 6 Abs. 2 AAÜG alter Fassungen verstieß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil die Regelung an Merkmale anknüpfte, die allein nicht als Indikatoren für ein überhöhtes Entgelt ausreichten (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪98≫; ebenso später BVerfGE 111, 115 ≪138 ff.≫).
Mit § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des 1. AAÜG-ÄndG knüpft der Gesetzgeber nunmehr sowohl an die Zugehörigkeit zu einem zusätzlichen Versorgungssystem als auch an die Ausübung bestimmter leitender Funktionen im Partei- und Staatsapparat an. Auf das frühere Tatbestandsmerkmal einer bestimmten Entgelthöhe hat der Gesetzgeber dagegen verzichtet. Damit entfällt die Notwendigkeit, der gesetzlichen Regelung tatsächliche Erhebungen zu Lohn- und Gehaltsstrukturen in der DDR zugrunde zu legen.
Die Kürzung auf das Durchschnittsentgelt wird in den Gesetzesmaterialien zum einen damit gerechtfertigt, dass diejenigen, welche eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit gehabt hätten, rentenrechtlich nicht besser stehen dürften als die Mitarbeiter der Staatssicherheit selbst, deren Verdienste nach § 7 AAÜG pauschal auf das DDR-Durchschnittsentgelt gekürzt würden; zum anderen stützt der Gesetzgeber die Kürzung auf ein System der Selbstprivilegierung der Personen auf der höchsten Stufe des Kadernomenklatursystems der DDR (vgl. BTDrucks 15/5314, S. 1, 4; 15/5488, S. 4), dessen Fortsetzung im Rentenrecht er verhindern will.
a) Eine Weisungsbefugnis gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit ist als Rechtfertigung für eine Kürzung des berücksichtigungsfähigen Entgelts der von § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG erfassten Personengruppe (Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter) ungeeignet. Dies folgt aus den unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des Sozialgerichts Berlin, wonach die Mitglieder des Ministerrats der DDR – abgesehen von dem Minister für Staatssicherheit – keine Weisungsbefugnis gegenüber der Staatssicherheit hatten.
b) Die Rechtfertigung der Entgeltkürzungen durch § 6 Abs. 2 AAÜG mit dem Anliegen, ein rentenrechtliches Fortwirken des Systems der Selbstprivilegierung zu verhindern, hält dagegen verfassungsrechtlicher Überprüfung stand. Insbesondere ist die durch § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG vorgenommene Anknüpfung an bestimmte und durchweg sehr eng begrenzte Funktionen in Führungspositionen des Staatsapparates der DDR ein geeignetes Kriterium, um der Vorgabe des Einigungsvertrages zu entsprechen, überhöhte Anwartschaften abzubauen (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪98≫; 100, 138 ≪176≫).
Während der Gesetzgeber im Bestreben, überhöhte Anwartschaften abzubauen, wegen der Sonderstellung des MfS die Mitarbeiter der Staatssicherheit mit der Begrenzungsregelung des § 7 AAÜG unterschiedslos ohne Differenzierung nach der ausgeübten Tätigkeit erfassen konnte (vgl. BVerfGE 100, 138 ≪179≫), würde eine entsprechende Regelung für alle Mitarbeiter des Partei- und Staatsapparats indessen zu weit gehen. Dementsprechend sieht das neue Regelungskonzept des § 6 Abs. 2 AAÜG durchweg eine sehr enge Begrenzung auf Personen vor, die im Partei- und Staatsapparat der DDR an wichtigen Schaltstellen tätig waren. Bei dem von § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG erfassten Personenkreis im Besonderen handelt es sich um eine kleine Gruppe von Personen in höchsten staatlichen Leitungsfunktionen, bei der der Gesetzgeber – dem letzten, demokratisch gewählten Gesetzgeber der DDR folgend – davon ausgehen kann, dass jedenfalls sie einkommens- und versorgungsseitig von einem System der Selbstprivilegierung profitierten.
In Bezug auf die Sonderregelung des § 6 Abs. 3 AAÜG in der Fassung durch das Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetz hat das Bundesverfassungsgericht es offen gelassen, ob der Gesetzgeber daran anknüpfen durfte, dass die erfassten Personen „Förderer” des Systems waren, die durch ihre besondere Stellung zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des Staats- oder Gesellschaftssystems der DDR beitrugen (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪100≫). Für den in § 6 Abs. 2 AAÜG neuer Fassung wesentlich enger und zielgenauer gefassten Personenkreis mit im Staats- und Parteiapparat der DDR herausgehobener Funktion ist diese Frage zu bejahen.
§ 6 Abs. 2 AAÜG ist eine zulässige Ausgestaltung des Renteneigentums der betroffenen Personen. Die an die Ausübung einer Funktion nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG (Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter) anknüpfende Entgeltbegrenzung ist geeignet, den Gemeinwohlzweck zu erreichen. In Bezug auf diesen eng gefassten Personenkreis ist der vom Bundesverfassungsgericht geforderte Schluss des Gesetzgebers gerechtfertigt, dass „diese Personengruppen bei generalisierender Betrachtungsweise leistungsfremde, politisch begründete und damit überhöhte Arbeitsverdienste bezogen haben” (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪96≫). Dass der Gesetzgeber gegenüber spezifisch eingegrenzten Gruppen im Blick auf deren allgemein privilegierte Sonderstellung in der DDR ohne langwierige Ermittlungen des Gesetzgebers zu deren Beschäftigungs- und Qualifikationsstruktur sowie zur Struktur des von dieser Gruppe erzielten Pro-Kopf-Einkommens zu solchen Rentenkürzungen befugt sein kann, widerspricht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an eine auf hinreichende Tatsachen gegründete Differenzierung nicht (vgl. BVerfGE 100, 138 ≪179 f.≫).
c) Der Einwand, bei den Entgeltbegrenzungen des § 6 Abs. 2 AAÜG handele es sich um ein vom bundesdeutschen Gesetzgeber verfügtes „Rentenstrafrecht” und die Regelung sei deshalb keine zulässige Ausgestaltung des Eigentums, geht fehl. Noch vor dem Inkrafttreten des Einigungsvertrags hat der demokratisch gewählte Gesetzgeber der DDR durch den Staatsvertrag vom 18. Mai 1990 und die Begrenzungsregelungen im Rentenangleichungsgesetz vom 28. Juni 1990 verdeutlicht, dass er bestimmte, unter den Bedingungen der Diktatur begründete staatliche Bevorzugungen im Bereich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme gerade nicht aufrechterhalten wollte, und deshalb die Versorgungsansprüche von Bestandsrentnern mit Ansprüchen aus systemnahen Zusatz- und Sonderversorgungssystemen, in denen es nach seinen Erkenntnissen strukturelle Entgeltüberhöhungen gegeben hatte, auf bestimmte Höchstbeträge beschränkt (vgl. BVerfGE 100, 138 ≪193 f.≫). Das hat gerade die Mitarbeiter des Staatsapparates betroffen. Nur in dieser modifizierten Form sind die Rentenansprüche und -anwartschaften aufgrund ihrer Anerkennung durch den Einigungsvertragsgesetzgeber in den Geltungsbereich des Grundgesetzes als Rechtspositionen eingetreten (vgl. BVerfGE 100, 1 ≪38≫). An die Differenzierungen des mit den Verhältnissen vertrauten Gesetzgebers der DDR hat der bundesdeutsche Gesetzgeber bei der Gestaltung des Übergangsrechts anknüpfen dürfen (vgl. BVerfGE 100, 138 ≪194≫). § 6 Abs. 2 AAÜG sanktioniert nicht früheres Verhalten der Betroffenen durch Kürzung von Renten, sondern versagt die Fortschreibung von Vorteilen aus dem System der DDR im Rentenrecht der Bundesrepublik. Insoweit knüpft er freilich an eine besondere Verantwortung für das Regime der DDR an. Bezogen auf einen derart spezifischen und eng beschränkten Personenkreis von Leistungsverantwortlichen ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
d) § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG erfasst Funktionen auf höchster Staatsebene, bei denen in typisierender Betrachtungsweise der Schluss gerechtfertigt ist, dass die Position entscheidend durch Parteilichkeit und Systemtreue erlangt wurde und die gewährte Besoldung und Versorgung eben diese honorierte.
Die Bedeutung der Kriterien Regimetreue und politische Zuverlässigkeit zeigt sich in der Einbindung der Minister der DDR in das System der Überwachung und Informationsbeschaffung des Ministeriums für Staatssicherheit. So stellte das Sozialgericht Berlin bei seinen Ermittlungen fest, dass der Status des Klägers als „Geheimer Informator” mit seiner Ernennung zum Minister 1953 beendet wurde, weil – so der Vermerk in der Akte des Ministeriums für Staatssicherheit – „die Verbindung zu ihm auch offiziell bestehen kann”. Bei seiner Befragung durch das Sozialgericht Berlin hat der Kläger die enge Zusammenarbeit zwischen seinem Ministerium und dem Ministerium für Staatssicherheit näher dargelegt und ausgeführt, dass er selbst regelmäßig Kontakt mit dem für das Ministerium zuständigen Führungsoffizier der Staatssicherheit hatte. Zwar war der Kläger nicht weisungsbefugt gegenüber den Mitarbeitern des Ministeriums für Staatsicherheit. Er arbeitete aber als Minister eng mit diesem zusammen, was seine zuvor geheime Informantentätigkeit zu einer offiziellen machte.
Die von § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG erfassten Personen, welche an der Spitze der staatlichen Verwaltung standen, haben diese Position aufgrund einer Berufung durch das Politbüro der SED erhalten, bei der die Auswahl in erster Linie nach politisch-ideologischen Kriterien erfolgte (zur zentralen Rolle des Politbüros der SED bei der Besetzung von Staatsfunktionen vgl. auch BGHSt 45, 270 ≪281 f.≫). Gleichzeitig ist mit der Berufung in diese Position die Teilhabe an einem System vielfältiger Vergünstigungen verbunden gewesen, von dem der Durchschnittsbürger ausgeschlossen war. Die Funktion eines Ministers oder stellvertretenden Ministers war mit einer Selbstbegünstigung verbunden, die sich nicht allein in der Entgelthöhe spiegelt. Das lässt sich etwa den Äußerungen des Klägers vor dem Sozialgericht Berlin bei seiner persönlichen Anhörung vor diesem Gericht entnehmen. Danach hatte er Anspruch auf Wohnungsversorgung aus dem Kontingent des Ministerrates, die Möglichkeit der Pacht eines Gartengrundstücks, Zugang zu Instandhaltungs- und Dekorationsarbeiten seitens der Wirtschaftsbetriebe des Ministerrats, Ferienaufenthalte in Ferienheimen der Regierung und Gesundheitsversorgung in den Krankenhäusern der Regierung.
Dieser Befund trägt im Rahmen des hier besonders weiten Einschätzungsermessens die Annahme des Gesetzgebers, dass unabhängig von der persönlichen und fachlichen Eignung im Einzelfall, die an solche Führungskräfte der DDR gezahlten Entgelte zu einem gewissen Teil nicht als durch Leistung erworben, sondern als Belohnung für politische Anpassung und unbedingte Erfüllung des Herrschaftsanspruchs der SED anzusehen sind. Er darf deshalb in Umsetzung des Einigungsvertrages, dass ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen sind, solche politisch motivierten Einkommensteile bei der Überführung der Renten und Anwartschaften in das Rentensystem der Bundesrepublik ohne Verstoß gegen Art. 14 GG von der Berücksichtigung ausschließen. Die durch die Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Mitarbeiter des Staatsapparates nachgewiesene Systemnähe und darüber hinaus noch die im Staatsapparat erreichte Höhe im System sind zusammengenommen hinreichende Anknüpfungspunkte für die typisierende Rentenbegrenzung des Gesetzgebers wegen überhöhter Honorierung.
Die durch § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG bewirkte Rentenkürzung, die nur die Zeiten einer Tätigkeit in weit herausgehobener Stellung als Minister bzw. stellvertretender Minister erfasst, ist nicht unverhältnismäßig, da auch die nach der Kürzung verbleibenden Renten der Kläger immer noch erheblich über der Durchschnittsrente eines früheren Bürgers der DDR liegen.
II.
1. Der allgemeine Gleichheitssatz ist nicht verletzt. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, wenn er eine Gruppe von Normadressaten anders als eine andere behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 87, 1 ≪36≫; 92, 53 ≪68 f.≫; 95, 143 ≪154 f.≫; 96, 315 ≪325≫; stRspr). Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich dabei unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Allerdings setzt eine zulässige Typisierung voraus, dass diese Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. BVerfGE 84, 348 ≪360≫; 87, 234 ≪255 f.≫; stRspr), lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 63, 119 ≪128≫; 84, 348 ≪360≫; 117, 1 ≪31≫; 120, 1 ≪30≫).
2. § 6 Abs. 2 AAÜG führt zu einer Benachteiligung von Personengruppen, zu denen die Kläger der Ausgangsverfahren gehören, gegenüber Rentnern aus dem Beitrittsgebiet, deren tatsächlich erzielte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen bei der Rentenberechnung nur durch die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung gekappt werden.
Allerdings sind jene Rentner, die nur in der Sozialpflichtversicherung und der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung versichert waren, lediglich formal bessergestellt. Zwar sind bei ihnen die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigungsfähig. Wegen der typischerweise niedrigeren Löhne und Gehälter in der DDR erreicht der „Normalrentner” die Beitragsbemessungsgrenze jedoch regelmäßig tatsächlich nicht.
Besser gestellt sind aber Rentner, die einem der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR angehörten, jedoch keine der in § 6 Abs. 2 AAÜG genannten Funktionen innehatten und damit nicht in den Kürzungsmechanismus dieser Bestimmung einbezogen werden. Auch bei ihnen werden die erzielten Arbeitsentgelte bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt.
3. Die Benachteiligung der in § 6 Abs. 2 AAÜG genannten Personengruppen ist durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. Das mit der Begrenzungsregelung verfolgte Ziel ist einsichtig und legitim (a), die angegriffene Regelung typisiert nicht in unzulässiger Weise (b).
a) Die Begrenzungsregelung des § 6 Abs. 2 AAÜG hat – wie auch seine Vorgängervorschrift – das Ziel, überhöhte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen bestimmter Personengruppen aus Tätigkeiten, in denen diese im Vergleich mit anderen Personengruppen bei typisierender Betrachtung einen erheblichen Beitrag zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des politischen Systems der DDR geleistet haben, nicht in vollem Umfang in die Rentenversicherung zu übernehmen und bei der künftigen sozialen Sicherung fortwirken zu lassen (vgl. BTDrucks 12/4810, S. 20 f.). Dieses Ziel ist ein legitimes Anliegen des Gesetzgebers (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪ 92 f.≫). Die Vorschrift dient der Umsetzung der in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 9 Buchstabe b Satz 3 EV für den Gesetzgeber enthaltenen Vorgabe, im Zusammenhang mit der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Versorgungssystemen der DDR zu überprüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dort erzielte Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen die Gewährung einer Rente nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch rechtfertigen (vgl. BRDrucks 197/91, S. 113; BTDrucks 12/405, S. 113).
b) Auch die vom Gesetzgeber in § 6 Abs. 2 AAÜG gewählte Typisierung ist nicht zu beanstanden.
aa) In Bezug auf die Vergleichsgruppe der allgemein Rentenberechtigten, die nur theoretisch bessergestellt sind, kann der Gesetzgeber hinsichtlich der in § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG aufgeführten Personengruppen typisierend annehmen, dass anders als für normale Arbeitnehmer ihr Arbeitsentgelt nicht allein eine entsprechende Arbeitsleistung honorierte, sondern das Entgelt unter den Bedingungen der absoluten Parteiherrschaft der SED zu einem erheblichen Teil eine Belohnung für Anpassung und Linientreue gewesen ist. Solche Prämien für Systemtreue konnte der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise auf das durch Arbeit und Leistung gerechtfertigte Maß begrenzen (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪93≫; 100, 138 ≪178 f.≫).
bb) Auch in Bezug auf die sonstigen Angehörigen von Zusatz- und Sonderversorgungssystemen, die nicht dem Kürzungsmechanismus des § 6 Abs. 2 AAÜG unterworfen werden, typisiert die angegriffene Regelung nicht in unzulässiger Weise. Zwar schließt die Zugehörigkeit zu bestimmten Versorgungssystemen nicht von vornherein den Tatbestand eines überhöhten Entgelts aus (vgl. BVerfGE 100, 59 ≪93≫). Andererseits kann aber nicht generell davon ausgegangen werden, dass die Einbeziehung in eines der Zusatz- oder Sonderversorgungssysteme stets mit der Zahlung überhöhter, nicht leistungsgerechter Entgelte einhergegangen ist. Eine solche Annahme verbietet sich schon wegen der Vielzahl und Unterschiedlichkeit der in die Zusatz- und Sonderversorgungssysteme einbezogenen Berufs- und Personengruppen, welche hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates ebenso umfasste wie die Angehörigen der wissenschaftlichen und technischen Intelligenz, Ärzte und Zahnärzte mit eigener Praxis, Pädagogen und Hochschulprofessoren sowie künstlerisch Beschäftigte des Rundfunks, Fernsehens und Filmwesens.
cc) Der Kritik des Sozialgerichts Berlin an der Lückenhaftigkeit des Katalogs in § 6 Abs. 2 AAÜG, mit dem der Gesetzgeber sein gewähltes Ordnungsprinzip verletzt habe, weil § 6 Abs. 2 AAÜG nur einen kleinen Teil des Führungspersonals erfasse, ohne dass ein sachlicher Grund erkennbar sei, warum nur diese Personengruppen ausgewählt wurden, ist nicht zu folgen. Der Gesetzgeber war berechtigt, die Entgeltkürzungen auf die in § 6 Abs. 2 AAÜG genannten Personengruppen zu beschränken, ohne hierbei gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verstoßen.
Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber einen besonders großen Gestaltungsspielraum bei der einigungsbedingten Überleitung von DDR-Renten zugestanden. Mit § 6 Abs. 2 AAÜG knüpft der Gesetzgeber an die Ausübung bestimmter herausgehobener Funktionen innerhalb des Parteiapparates der SED und des Staatsapparates der DDR an, bei denen in typisierender Weise der Schluss gerechtfertigt ist, dass den Inhabern dieser Funktionen Entgelte gezahlt worden sind, die teilweise nicht leistungsbezogen waren, sondern Prämien für Systemtreue darstellten.
Der Gesetzgeber durfte sich in § 6 Abs. 2 AAÜG auf die Personengruppen beschränken, die im politischen System der DDR in ihrer herausgehobenen Position leicht und zweifelsfrei als besondere Nutznießer dieses Systems zu identifizieren waren. Selbst wenn er in die Regelung in zulässiger Weise auch weitere Mitglieder des Zentralkomitees der SED hätte einbeziehen können, ist seine engere Grenzziehung nicht zu beanstanden. Beschränkt sich der Gesetzgeber darauf, die Rentenhöhe nur solcher Personengruppen zu begrenzen, die unzweifelhaft von ungerechtfertigten Vorteilen profitiert haben, so ist sein Gestaltungsspielraum weiter als im umgekehrten Fall der Regelungserstreckung auf einen großen Personenkreis, bei der die Gefahr besteht, auch Personen zu erfassen, deren höhere Leistungen gerechtfertigt sind. Schon die beiden vom Bundesverfassungsgericht beanstandeten Versuche des Gesetzgebers, eine verfassungskonforme Abgrenzung des von der Rentenbegrenzung betroffenen Personenkreises zu schaffen, zeigen, dass er sich hier in einem höchst komplexen und unübersichtlichen Regelungsbereich bewegt, in dem Härten nur unter großen Schwierigkeiten vermeidbar sind. Um dennoch den Auftrag des Einigungsvertrags, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen, zu erfüllen, hat der Gesetzgeber den Kreis derjenigen, bei denen derartige ungerechtfertigte und überhöhte Leistungen anzunehmen sind, nochmals deutlich eingegrenzt. Es ist insofern nicht zu beanstanden, dass er eine besondere Systemnähe und damit verbundene ungerechtfertigte Entgeltvorteile nur bei Trägern höchster Funktionen im unmittelbaren Bereich der Exekutive angenommen und auf diese Rentenbegrenzung beschränkt hat, während er Personen aus dem Bereich der Legislative, der anderen in der DDR vertretenen Parteien oder leitender Wirtschaftsfunktionäre in § 6 Abs. 2 AAÜG davon ausgenommen hat.
Die Generaldirektoren und Kombinatsdirektoren wie auch die „besonders hervorragenden Spezialisten” waren nicht in das Versorgungssystem der Mitarbeiter des Staatsapparates, sondern in das Altersversorgungssystem der technischen Intelligenz einbezogen. Während für das Zusatzversorgungssystem der Mitarbeiter des Staatsapparates noch zu DDR-Zeiten durch § 23 Abs. 2 RAnglG eine Zahlbetragsbegrenzung auf 1.500 DM eingeführt wurde, galt dies für die Zusatzversorgungssysteme der technischen Intelligenz wie auch der wissenschaftlichen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 4 zum AAÜG) nicht. Die Renten der Angehörigen dieser Systeme waren nach dem Willen des demokratisch gewählten Gesetzgebers der DDR keinen Zahlungsbegrenzungen unterworfen. Den späteren Versuch des Gesetzgebers der Bundesrepublik, durch § 10 Abs. 1 Satz 2 AAÜG auch für diese Versorgungssysteme eine Zahlbetragsbegrenzung auf 2.010 DM bzw. später auf 2.700 DM zu erreichen, hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 28. April 1999 für mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbar und nichtig erklärt (vgl. BVerfGE 100, 1 ≪47 ff.≫).
Für die Angehörigen der Zusatzversorgungssysteme der technischen und wissenschaftlichen Intelligenz sah § 6 AAÜG zu keinem Zeitpunkt Begrenzungen des zu berücksichtigenden Einkommens auf Werte unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze vor. Angesichts dessen bestand, wie die Bundesregierung nachvollziehbar ausführt, für den Gesetzgeber des Jahres 2005 bei der Neufassung von § 6 Abs. 2 AAÜG durch das 1. Änderungsgesetz zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz kein Anlass, erstmals die Verdienste dieser Berufsgruppen zu begrenzen. In Bezug auf die „besonders hervorragenden Spezialisten”, welche nach der „Verordnung über die Erhöhung des Arbeitslohnes für qualifizierte Arbeiter in den wichtigsten Industriezweigen vom 28. Juni 1952” (GBl DDR vom 2. Juli 1952, S. 501) Gehälter bis zu 15.000 Mark erreichen konnten, liegt es nahe, dass ihnen derart hohe Gehälter nur gezahlt wurden, weil ihre Arbeitsleistung für die Volkswirtschaft der DDR unentbehrlich war. Nicht ihre Nichterfassung in § 6 Abs. 2 AAÜG ist insofern problematisch, vielmehr wäre es ihre Einbeziehung.
Unterschriften
Kirchhof, Hohmann-Dennhardt, Bryde, Gaier, Eichberger, Schluckebier, Masing, Paulus
Fundstellen
Haufe-Index 2368720 |
FamRZ 2010, 1412 |
NZS 2011, 225 |
SGb 2010, 585 |
BGBl. I 2010, 1157 |