Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Postlaufzeit eines Telebriefs
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Rechtsschutzgarantien verbieten es, dem Bürger im Rahmen der verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Verzögerungen der Briefbeförderung oder -zustellung durch die Deutsche Bundespost, die er nicht zu vertreten hat, als Verschulden anzurechnen. In der Verantwortung des Absenders (Rechtsmittelführers) liegt es jedoch, das zu befördernde Schriftstück den postalischen Bestimmungen entsprechend und so rechtzeitig zur Post zu geben, daß es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Bundespost bei regelmäßigem Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht erreicht.
2. Es entspricht dem normalen Postlauf, daß ein kurz vor 18 Uhr beim Postamt Hanau eingelieferter Telebrief nicht mehr am gleichen Tag an das Postamt Kassel übermittelt und dem Empfänger ausgeliefert werden konnte. Mithin konnte der Bundesfinanzhof ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht davon ausgehen, daß die Beschwerdeführer nicht ohne Verschulden verhindert waren, die Frist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO einzuhalten.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1; GG Art. 19 Abs. 4, Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
BFH (Beschluss vom 12.07.1983; Aktenzeichen VIII B 126/82) |
Gründe
Es läßt sich nicht feststellen, daß der Bundesfinanzhof die Bedeutung und Tragweite der Art. 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 GG bei der Auslegung des Merkmals „Verschulden” in § 56 Abs. 1 FGO in dem angegriffenen Beschluß verkannt hat. Zwar verbieten es die genannten Rechtsschutzgarantien, dem Bürger im Rahmen der verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Verzögerungen der Briefbeförderung oder -zustellung durch die Deutsche Bundespost, die er nicht zu vertreten hat, als Verschulden anzurechnen (BVerfGE 53, 148 ≪151≫; st. Rspr.). In der Verantwortung des Absenders (Rechtsmittelführers) liegt es jedoch, das zu befördernde Schriftstück den postalischen Bestimmungen entsprechend und so rechtzeitig zur Post zu geben, daß es nach den organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen der Deutschen Bundespost bei regelmäßigem Betriebsablauf den Empfänger fristgerecht erreicht (vgl. BVerfGE 41, 23 ≪27≫). Dies war nach der Auskunft des Postamtes Hanau vom 3.März 1983 bei der Aufgabe eines Telebriefes kurz vor Dienstschluß um 18 Uhr nicht mehr gewährleistet, weil Telebriefe (anders als Telegramme) nicht im Nachtdienst übermittelt und daher nur innerhalb der Dienstzeiten vom Empfangspostamt entgegengenommen werden. Daß der kurz vor 18 Uhr beim Postamt Hanau eingelieferte Telebrief nicht mehr am gleichen Tag an das Postamt Kassel übermittelt und dem Empfänger ausgeliefert werden konnte, beruht daher nicht auf einer den Beschwerdeführern nicht zurechenbaren Verzögerung der Briefbeförderung und -zustellung durch die Deutsche Bundespost, sondern entspricht dem normalen Postlauf. Mithin konnte der Bundesfinanzhof ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht davon ausgehen, daß die Beschwerdeführer nicht ohne Verschulden verhindert waren, die Frist des § 115 Abs. 3 Satz 1 FGO einzuhalten.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen