Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung der Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofes
Leitsatz (amtlich)
1.a) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ist gesetzlicher Richter im Sinne des Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 GG. Er ist ein durch die Gemeinschaftsverträge errichtetes hoheitliches Rechtspflegeorgan, das auf der Grundlage und im Rahmen normativ festgelegter Kompetenzen und Verfahren Rechtsfragen nach Maßgabe von Rechtsnormen und rechtlichen Maßstäben in richterlicher Unabhängigkeit grundsätzlich endgültig entscheidet.
1.b) Das Verfahrensrecht des Gerichtshofs genügt rechtsstaatlichen Anforderungen an ein gehöriges Verfahren; es gewährleistet insbesondere das Recht auf Gehör, dem Verfahrensgegenstand angemessene prozessuale Angriffsmöglichkeiten und Verteidigungsmöglichkeiten und frei gewählten, kundigen Beistand.
2. Solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleichzuachten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt, wird das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten deutscher Gerichte oder Behörden im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen wird, nicht mehr ausüben und dieses Recht mithin nicht mehr am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes überprüfen; entsprechende Vorlagen nach Artikel 100 Absatz 1 GG sind somit unzulässig.
Leitsatz (redaktionell)
Abkehr von BVerfG, Beschluß vom 29. Mai 1974 – 2 BvL 52/71, BVerfGE 37, 271 (Solange I).
Normenkette
GG Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 24 Abs. 1, Art. 100 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 103 Abs. 1; EWGV Art. 5 Abs. 1, Art. 165-168; EWGV Art. 177 Abs. 3; EuGHSaProt Art. 2, 17
Verfahrensgang
BVerwG (Urteil vom 01.12.1982; Aktenzeichen 7 C 87.78) |
Tenor
Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A. – I.
1. Die Beschwerdeführerin führt unter anderem Champignonkonserven aus Nicht-Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft in die Bundesrepublik Deutschland ein; solche Einfuhren unterliegen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften.
a) Gestützt auf Art. 43 EWGV hat sich der Rat der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in Art. 7 der grundlegenden Verordnung (EWG) Nr. 865/68 vom 28. Juni 1968 (ABl. Nr. L 153/8 vom 1. Juli 1968) über die Gemeinsame Marktorganisation für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse, zu denen auch Champignonkonserven gehören, den Erlaß der „erforderlichen Vorschriften über die Koordinierung und Vereinheitlichung der Einfuhrregelungen, die die einzelnen Mitgliedsstaaten gegenüber Drittländern anwenden”, vorbehalten. Auf dieser Grundlage hat der Rat mit der Verordnung (EWG) Nr. 1427/71 vom 2. Juli 1971 (ABl. Nr. L 151/5 vom 7. Juli 1971) Grundregeln über die Einführung von Schutzmaßnahmen für solche Verarbeitungserzeugnisse beschlossen. Da nach Ansicht der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im ersten Halbjahr 1974 eine ernstliche Störung des Pilzkonservenmarktes bestand, erließ sie, gestützt auf die Ratsverordnung Nr. 1427/71, ihrerseits die grundlegende Verordnung (EWG) Nr. 2107/74 vom 8. August 1974 (ABl. Nr. L 218/54 vom 9. August 1974) über Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr von Pilzkonserven. Diese galt im hier erheblichen Zeitraum (1976) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1869/75 der Kommission vom 22. Juli 1975 (ABl. Nr. L 190/23 vom 23. Juli 1975). Danach war grundsätzlich für die Einfuhr von Pilzkonserven eine jeweils vor Beginn des jeweiligen Vierteljahres zu beantragende Einfuhrgenehmigung erforderlich. Ferner hatte sich die Kommission vorbehalten, je nach Entwicklung der Marktlage die Einfuhren auf einen bestimmten Vomhundertsatz einer Bezugsmenge zu beschränken; Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 1869/75 hat folgenden Wortlaut:
Die Kommission bestimmt die Erzeugnismengen, für welche Einfuhrlizenzen erteilt werden, indem sie einen Prozentsatz festlegt, der auf die für jeden Bezugszeitraum zu definierende Bezugsmenge für jeden einzelnen Antragsteller anzuwenden ist. Die Bezugsmenge ist gleich der Menge Pilzkonserven, die der Antragsteller 1973 in jedem Bezugszeitraum, der den im Antrag genannten Monaten entspricht, in die Gemeinschaft eingeführt hat.
Der Rat seinerseits hatte seine Verordnung Nr. 1427/71 durch die Verordnung (EWG) Nr. 1927/75 vom 22. Juli 1975 (ABl. Nr. L 198/7 vom 29. Juli 1975) ersetzt, die in ihrem Art. 7 Abs. 1 wörtlich die entsprechende Bestimmung der abgelösten Verordnung über die Einführung von Schutzmaßnahmen übernahm:
Kommt es in der Gemeinschaft auf dem Markt einer oder mehrerer Waren von Art. 1 Abs. 1 durch Ein- oder Ausfuhren zu ernsten Störungen, die die Ziele von Art. 39 des Vertrages gefährden, oder droht es, dazu zu kommen, können entsprechende Maßnahmen im Handel mit den dritten Ländern ergriffen werden, bis die tatsächlichen oder drohenden Marktstörungen beseitigt sind. Auf Vorschlag der Kommission erläßt der Rat nach dem Abstimmungsverfahren von Art. 43 Abs. 2 des Vertrages die Durchführungsbestimmungen zu diesem Absatz und legt fest, in welchen Fällen und innerhalb welcher Grenzen die Mitgliedstaaten Schutzmaßnahmen ergreifen können.
Diese gleichlautende Ersetzung der Ermächtigungsgrundlage ließ, da nichts anderes bestimmt war, die auf Grund der früheren Ermächtigung erlassenen Vorschriften in ihrem rechtlichen Bestand unberührt; deshalb finden auf die genannten Verordnungen der Kommission auch die vom Rat in der Folgezeit erlassenen Durchführungsvorschriften Anwendung. Sie sind in der Verordnung (EWG) Nr. 1928/75 des Rates vom 22. Juli 1975 (ABl. Nr. L 198/11 vom 29. Juli 1975) enthalten. In ihrem Art. 1 sind die Indikatoren festgelegt, die für die Beurteilung einer ernstlichen Marktstörung vor allem zu berücksichtigen sind:
Um zu beurteilen, ob in der Gemeinschaft der Markt für eines oder mehrere der unter Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 865/68 fallenden Erzeugnisse aufgrund von Einfuhren oder Ausfuhren ernstlichen Störungen ausgesetzt oder von ernstlichen Störungen bedroht ist, die die Ziele des Art. 39 des Vertrages gefährden können, werden insbesondere berücksichtigt:
- der Umfang der getätigten bzw. voraussichtlichen Einfuhren oder Ausfuhren;
- die verfügbaren Mengen auf dem Markt der Gemeinschaft;
- die auf dem Markt der Gemeinschaft für einheimische Erzeugnisse angewandten Preise oder deren voraussichtliche Entwicklung, insbesondere ihre Tendenz zu einem übermäßigen Preisrückgang oder zu einer erhöhten Preissteigerung gegenüber den Preisen der letzten Jahre;
- die auf dem Markt der Gemeinschaft festgestellten und auf vergleichbarer Grundlage berechneten Preise für Erzeugnisse mit Herkunft aus dritten Ländern, insbesondere ihre Tendenz zu einem übermäßigen Rückgang, wenn die eingangs genannte Lage aufgrund von Einfuhren eintritt.
Zeigen einige oder alle diese Indikatoren eine Marktstörung an, so kann gemäß Art. 2 Abs. 1 a dieser Verordnung die Erteilung von Einfuhrlizenzen für Drittlandsware abgelehnt werden; solche Maßnahmen dürfen jedoch gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 „nur in dem Umfang und für die Zeit getroffen werden, die unbedingt notwendig sind”.
Die Kommission hatte seit 1974 in mehreren Verordnungen den in der Verordnung (EWG) Nr. 2107/74 in Verbindung mit Verordnung (EWG) Nr. 1869/75 genannten Vomhundertsatz, bezogen auf die jeweiligen Bezugsmengen des Jahres 1973, überprüft und veränderten Marktgegebenheiten angepaßt. Für den hier erheblichen Zeitraum, das dritte und vierte Quartal des Jahres 1976, galten die Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 vom 18. Juni 1976 (ABl. Nr. L 158/37 vom 19. Juni 1976) und (EWG) Nr. 2284/76 vom 21. September 1976 (ABl. Nr. L 258/5 vom 22. September 1976); sie haben den jeweiligen Vomhundertsatz auf 70 % bzw. 100 % festgelegt. Mit ihrer Verordnung (EWG) Nr. 3096/76 vom 17. Dezember 1976 (ABl. Nr. L 348/26 vom 18. Dezember 1976) hat die Kommission ihre geänderte Verordnung (EWG) Nr. 2107/74 endgültig aufgehoben, da die den Schutzmaßnahmen zugrundegelegten Umstände ihrer Ansicht nach nicht mehr vorlagen.
b) Vor diesem rechtlichen Hintergrund beantragte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 9. Juli 1976 beim zuständigen Bundesamt für Ernährung und Forstwirtschaft (Bundesamt) eine Genehmigung für die Einfuhr von eintausend Tonnen Champignonkonserven aus Taiwan. Dieser Antrag wurde unter Hinweis auf die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 2107/74 abgelehnt.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob die Beschwerdeführerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt und trug zur Begründung vor, die Aufrechterhaltung der Verordnung (EWG) Nr. 2107/74 über den 1. Juli 1976 hinaus sei nicht gerechtfertigt gewesen, da der Markt für Zuchtpilze durch eine Mangellage auf dem Gemeinschaftsmarkt und fehlende Liefermöglichkeiten auf Drittländern gekennzeichnet gewesen sei; deshalb sei eine ernsthafte Störung des Marktes nicht mehr zu befürchten gewesen.
Während des Rechtsstreits wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1977 die genannte Verordnung aufgehoben und die Einfuhrgenehmigung erteilt. Die Klägerin erklärte jedoch die Hauptsache nicht für erledigt, sondern beantragte festzustellen, daß das Bundesamt verpflichtet gewesen sei, ihrem Antrag vom 9. Juli 1976 stattzugeben. Ihr Feststellungsinteresse begründete sie insbesondere mit Wiederholungsgefahr durch neuerliche, mißbräuchliche Anwendung von Schutzmaßnahmen.
Mit Urteil vom 25. Juli 1978 hat das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen, da die Versagung der begehrten Genehmigung nicht rechtswidrig gewesen sei. Die Verordnung (EWG) Nr. 2107/74 habe den in Art. 39 EWGV genannten Zielen entsprochen: Wie sich aus ihrer Begründung ergebe, habe sie der Stabilisierung des gemeinsamen Marktes durch zeitlich begrenzte Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr dienen sollen; der Kommission seien dabei offensichtlich keine Ermessensfehler unterlaufen, weshalb es zur Klärung dieser Frage auch keiner Vorlage gemäß Art. 177 Abs. 2 EWGV bedürfe.
2. a) Gegen dieses Urteil legte die Beschwerdeführerin Sprungrevision ein. Mit Beschluß vom 25. März 1981 hat das Bundesverwaltungsgericht, einer Anregung der Beschwerdeführerin nachkommend, das Verfahren ausgesetzt und gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (Europäischer Gerichtshof) zur Klärung der folgenden Frage angerufen:
Verstieß die Verordnung (EWG) Nr. 2107/74 der Kommission vom 8. August 1974 über Schutzmaßnahmen bei der Einfuhr von Pilzkonserven (ABl. Nr. L 218/54), soweit sie über den 30. Juni 1976 hinaus aufrechterhalten worden ist, gegen Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1927/75 des Rates vom 22. Juli 1975 zur Regelung des Handels mit Verarbeitungserzeugnissen aus Obst und Gemüse mit Drittländern (ABl. Nr. 198/7) i. V. m. Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1928/75 des Rates vom 22. Juli 1975 zur Festlegung der Durchführungsbestimmungen für die Schutzmaßnahmen für Verarbeitungserzeugnisse aus Obst und Gemüse (ABl. Nr. L 198/11)?
aa) In seiner Begründung hat das Bundesverwaltungsgericht, soweit hier erheblich, ausgeführt, daß sich die von der Beschwerdeführerin als rechtswidrig beanstandete Ablehnung ihres Antrags auf Lizenzerteilung durch den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 1976 nur auf die Verordnung (EWG) Nr. 2107/74 stützen lasse, deren Rechtsgrundlage wiederum die oben erwähnten Verordnungen (EWG) Nr. 1927/75 und (EWG) Nr. 1928/75 seien. Bei der Ausübung der in Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1927/75 enthaltenen Befugnis, Schutzmaßnahmen im Handel mit Drittländern zu ergreifen, wenn es auf dem relevanten Markt in der Gemeinschaft zu ernsten Störungen komme, welche die Ziele des Art. 39 EWGV gefährdeten oder zu gefährden drohten, seien gemäß Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1928/75 „insbesondere in Betracht zu ziehen der Umfang der getätigten bzw. voraussichtlichen Einfuhren, die verfügbare Menge der betreffenden Ware auf dem Markt der Gemeinschaft, das Preisniveau auf diesem Markt für einheimische Erzeugnisse und eine voraussichtliche Entwicklung sowie die Preise für Drittlandserzeugnisse und ihre tendenzielle Beeinflussung durch die Einfuhr”. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1928/75 getroffene Schutzmaßnahmen dürften aber nach Absatz 2 dieser Vorschrift nur in dem Umfang und für den Zeitraum verfügt werden, die unbedingt notwendig seien und müßten daher aufgehoben werden, wenn die Störungen, deren Abwehr sie dienen sollten, beseitigt seien oder nicht mehr einzutreten drohten.
bb) Die Beschwerdeführerin habe vor dem Verwaltungsgericht vorgetragen und im einzelnen näher belegt, daß zu Beginn des dritten Quartals 1976 Champignonkonserven in nennenswerten Mengen weder aus Drittländern noch aus Frankreich oder den Niederlanden als den Hauptproduzenten im Bereich der Gemeinschaft hätten bezogen werden können. Da einer großen Nachfrage somit kein ausreichendes Angebot gegenübergestanden habe, sei die Marktsituation von einer erheblichen Mangellage gekennzeichnet gewesen. Dies habe zu bedeutsamen Preissteigerungen für französische Waren (bis zu 100 % bezogen auf die Preise des Jahres 1974) und Drittlandsware (bis zu 80 %) geführt. Angesichts dieser Umstände sei die weitere Aufrechterhaltung der Verordnung (EWG) Nr. 2107/74 über das zweite Quartal 1976 hinaus nicht erforderlich gewesen.
cc) Hinsichtlich dieser Markteinschätzung habe zwischen den Beteiligten des Rechtsstreits Übereinstimmung bestanden; auch stehe fest, daß die Beklagte bei der Kommission erfolglos die Beibehaltung der von der Beschwerdeführerin bekämpften Schutzmaßnahmen gerügt habe. Allerdings sei die Beklagte der Auffassung, der Kommission stehe insoweit ein nicht unerheblicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zu, der im vorliegenden Fall nicht überschritten worden sei. Nach Ansicht des befaßten Senats bestünden im Hinblick auf die damalige Marktsituation und angesichts der erwähnten Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1927/75 und Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1928/75 derartige Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufrechterhaltung der Verordnung (EWG) Nr. 2107/74, daß eine Anrufung des Europäischen Gerichtshofs gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV geboten sei.
b) Gemäß Art. 20 der Satzung des Europäischen Gerichtshofs hatten die Beschwerdeführerin und die Kommission Gelegenheit zur Abgabe schriftlicher Erklärungen, die der Europäische Gerichtshof bei seinem Urteil vom 6. Mai 1982 (Rechtssache 126/81, Sammlung (Slg.) 1982, S. 1479 ff.) berücksichtigte.
aa) Die Beschwerdeführerin begründete im einzelnen, weshalb ernste Störungen auf dem Markt für Champignonkonserven spätestens seit dem 1. Juli 1976 nicht mehr bestanden hätten, der deutsche Markt vielmehr unter einer Mangellage gelitten habe.
bb) Die Kommission trug unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 5. Mai 1981 (Rechtssache 112/80, Slg. 1981, S. 1095) zunächst vor, eine Prüfung ihres Verhaltens habe sich am Zeitpunkt der Anordnung der Schutzmaßnahmen zu orientieren. Bei der Beurteilung wirtschaftlicher Vorgänge sei ihr ein weiter Spielraum eingeräumt, der es ihr insbesondere erlaube, auch andere als die in Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1928/75 genannten Kriterien zu berücksichtigen. Sie habe zwar zur Abwehr einer Marktstörung erlassene Maßnahmen in ihrem Umfang einzuschränken oder aufzuheben, sobald diese nicht mehr unbedingt erforderlich seien, doch entsprächen die von der Beschwerdeführerin getroffenen Feststellungen nicht der Marktlage, wie sie sich der Kommission vor Erlaß der streitigen Maßnahmen dargestellt hätten; vielmehr habe sich ihre vorherige Einschätzung durch die tatsächliche Marktentwicklung bestätigt. Unter Hinweis auf Statistiken des Statistischen Bundesamtes und der französischen Association nationale interprofessionnelle des fruits et legumes transformes trug sie im einzelnen vor, weshalb ihrer Ansicht nach die Voraussetzungen des Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1928/75 zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Maßnahmen erfüllt gewesen seien. Angesichts der dargelegten Umstände hätten die der Kommission bei Erlaß der Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76 vorliegenden Informationen eine Aufhebung der Schutzmaßnahmen noch nicht erlaubt; vielmehr sei eine nur stufenweise Öffnung der Drittlandsgrenzen unbedingt notwendig gewesen, um die sich abzeichnende Normalisierung des Marktes nicht zu gefährden.
c) Der Europäische Gerichtshof prüfte, ob die Kommission bei Erlaß der streitigen Verordnungen ihren Beurteilungsspielraum richtig angewendet habe.
Nach seinen Feststellungen ergebe sich dabei aus den vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Zahlen, daß die Einfuhren aus Drittländern in die Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1973 und 1974, im Vergleich zu 1972, erheblich angestiegen seien, 1975 denen des Jahres 1973 entsprochen hätten und erst 1976 unter dieses Niveau gesunken seien, gleichwohl aber immer noch höher als vor 1973 waren. Aus den monatlichen Zahlen für das Jahr 1976, welche die Kommission vorgelegt hatte, hätten sich nur geringe monatliche Schwankungen ergeben, weshalb die Behauptung der Beschwerdeführerin nicht bestätigt worden sei, seit Juni 1976 hätten keine Angebote aus Drittländern mehr vorgelegen.
Nach den Auskünften der französischen Association nationale interprofessionnelle des fruits et legumes transformes seien die entsprechenden Lagerbestände in Frankreich in den Jahren 1974 und 1975 erheblich angestiegen und 1976 stark gesunken. Hingegen seien nach den Statistiken des Statistischen Bundesamtes die jährlichen Zahlen für Einfuhren von Pilzkonserven aus Mitgliedsstaaten in die Bundesrepublik Deutschland nicht nur für den fraglichen Zeitraum, sondern für die Jahre 1972 bis 1978 fast konstant gewesen und hätten insbesondere 1976 keine monatlichen Schwankungen aufgewiesen.
Hinsichtlich der auf dem deutschen Markt geltenden Preise habe die Beschwerdeführerin zwar ein Schreiben eines Hamburger Warenmaklers vorgelegt, das eine Preisliste für Pilzkonserven enthielt, die dieser zwischen August 1974 und Dezember 1976 verzollt habe; diese Liste, aus der jedoch der Umfang dieser Einfuhren nicht hervorgehe, weise eine Preiserhöhung von 60 % bis 70 % zwischen August 1974 und Juli 1976 aus. Diese, vom Gerichtshof als unvollständig angesehenen, Informationen würden jedoch durch die Angaben des Statistischen Bundesamtes, nach denen die entsprechende Preiserhöhung während dieses Zeitraums 30 % nicht überschritten habe, nicht bestätigt; ferner sei zu berücksichtigen, daß nach der Begründungserwägung der Verordnung (EWG) Nr. 2107/74 die Angebotspreise der Drittländer im Jahre 1974 20 % bis 30 % unter dem Selbstkostenpreis der Gemeinschaftsindustrie gelegen hätten. Schließlich ergebe sich aus diesen Angaben des Statistischen Bundesamtes auch, daß die Preise für Erzeugnisse der Mitgliedsstaaten für 1972 bis 1974 jeweils erheblich gesunken, im Jahre 1975 leicht und im Laufe des Jahres 1976 zwar stark angestiegen seien, aber erst in den letzten Monaten dieses Jahres, also vor Erlaß der streitigen Maßnahmen, das Preisniveau der Zeit vor 1972 erreicht hätten. Unter diesen Umständen könne nicht bestritten werden, daß die Kommission sich im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums gehalten habe, wenn sie bei Erlaß der Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76 davon ausgegangen sei, daß die Marktlage eine Aufhebung der Schutzmaßnahmen noch nicht erlaube.
Auf die vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegte Frage erkannte der Europäische Gerichtshof: „Die Prüfung der Kommissionsverordnungen Nr. 1412/76 vom 18. Juni 1976 und Nr. 2284/76 vom 21. September 1976 hat nichts ergeben, was ihre Gültigkeit beeinträchtigen könnte”.
d) Im weiteren Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerdeführerin die Verletzung verschiedener Verfassungsnormen gerügt und angeregt, das Verfahren auszusetzen und entweder dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG die Frage vorzulegen, ob die Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76 in der Auslegung, die ihnen der Europäische Gerichtshof mit seinem Urteil vom 6. Mai 1982 in der Rechtssache 126/81 gegeben hatte, in der Bundesrepublik angewendet werden dürfen oder neuerlich den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV anzurufen.
aa) Zur Begründung hat die Beschwerdeführerin unter anderem vorgetragen, daß die in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1927/75 enthaltene Schutzklausel eine Ausnahmeregelung darstelle. Sie dürfe nur eingesetzt werden, wenn es durch Einfuhren aus Drittländern zu ernsten Störungen des gemeinsamen Marktes kommen könne, welche die in Art. 39 EWGV genannten Ziele gefährden könnten; auf dieser Rechtsgrundlage ergriffene Schutzmaßnahmen müßten beendet werden, sobald die tatsächlichen Marktstörungen beseitigt seien. Gemessen an diesen sehr strengen Voraussetzungen seien die Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt; in der zweiten Hälfte des Jahres 1976 habe auf dem gemeinsamen Markt für Champignonkonserven eine deutliche Mangellage geherrscht, die ihrerseits zu einem erheblichen Preisauftrieb geführt habe. Angesichts dieser Umstände habe der Aufrechterhaltung der Schutzklausel im zweiten Halbjahr 1976 die tatsächliche und rechtliche Grundlage gefehlt; die Kommission habe daher die Grenzen der ihr vom Rat gewährten Befugnisse mißachtet. Über alle diese Tatsachen habe sich der Gerichtshof hinweggesetzt, indem er nicht überprüfbare Zahlen verwendet und sich auf Statistiken mit fehlender Aussagekraft berufen habe. Ferner habe er selbst Sachverhaltsermittlungen angestellt, was jedoch nicht seine, sondern die Aufgabe des vorlegenden nationalen Gerichts sei. Unter Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs habe er einen Großteil der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente nicht gewürdigt.
bb) Ihre Anregung einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG stützte die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die vom Bundesverfassungsgericht beanspruchte Befugnis, sekundäres Gemeinschaftsrecht am Maßstab der Grundrechte zu prüfen, auf Grundrechtsverstöße im Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof, nämlich einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und einen Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. Art. 177 EWGV); ferner auf Grundrechtsverletzungen, die aus der Entscheidungsformel des Europäischen Gerichtshofs abzuleiten seien, nämlich Verstöße gegen Art. 12 Abs. 1 GG i. V. m. dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und gegen Art. 20 Abs. 3 GG.
e) Mit Urteil vom 1. Dezember 1982 (7 C 87.78) hat das Bundesverwaltungsgericht die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
aa) Es lehnte eine neuerliche Anrufung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 177 Abs. 3 EWGV mit der Begründung ab, das entsprechende Vorbringen der Revision beziehe sich allein auf die vom Gerichtshof vorgenommene Beweiswürdigung; diese gebe indes keine Veranlassung, an der Richtigkeit und Klarheit des Urteils zu zweifeln, weshalb im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 52, 187 (201)) der Anregung der Beschwerdeführerin nicht entsprochen werden könne.
bb) Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG komme nicht in Betracht, da diese Vorschrift das Bundesverfassungsgericht allein zur Kontrolle gegenüber dem Gesetzgeber, nicht aber gegenüber Gerichten, mithin auch nicht gegenüber dem Europäischen Gerichtshof ermächtige (unter Hinweis auf BVerfGE 7, 1 (15)). Aus der Tatsache, daß das Bundesverfassungsgericht in Anspruch nehme, sekundäres Gemeinschaftsrecht am Maßstab der Grundrechte zu messen, könne daher nicht geschlossen werden, daß es im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG auch befugt sei, Urteile des Europäischen Gerichtshofs auf ihre Vereinbarkeit mit grundrechtsgleichen prozessualen Rechten zu überprüfen (unter Hinweis auf BVerfGE 37, 271; 52, 187 (202 f.)). Da eine solche Kompetenz auch dem Bundesverwaltungsgericht nicht zukomme, seien die auf angebliche Verletzungen des rechtlichen Gehörs und des Anspruchs auf den gesetzlichen Richter gestützten Angriffe gegen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs somit unbeachtlich.
Die auf Art. 12 und 20 Abs. 3 GG gestützten Rügen der Revision seien zurückzuweisen. Die Beschwerdeführerin gehe davon aus, daß die in Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1927/75 i. V. m. Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1928/75 enthaltene Regelung über die Voraussetzungen für die Anwendung und Dauer von Schutzmaßnahmen im Hinblick auf Art. 12 GG nicht zu beanstanden seien; indem sie rüge, daß die Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76 nicht von der Ermächtigung des Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1927/75 gedeckt seien, messe sie sekundäres Gemeinschaftsrecht an übergeordnetem sekundärem Gemeinschaftsrecht. Selbst wenn man die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 29. Mai 1974 (BVerfGE 37, 271) vertretene Rechtsauffassung zugrunde lege, sei das Bundesverfassungsgericht zu einer solchen Prüfung nicht befugt, da es sich insoweit ausschließlich um die Auslegung von Gemeinschaftsrecht handele (Hinweis auf BVerfGE 52, 187 (200)), wofür allein der Europäische Gerichtshof zuständig sei. Diese Zuständigkeitsverteilung könne nicht mit einer Berufung auf Art. 20 Abs. 3 GG unterlaufen werden.
Nach der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs stehe fest, daß die Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76 durch die Ermächtigung des Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1927/75 gedeckt und nicht wegen unzureichender rechtlicher Grundlage ungültig seien. Die Behauptung, die ermächtigende Verordnung (EWG) Nr. 1927/75 verstoße deshalb gegen Art. 12 GG, weil sie der Kommission einen zu weiten Beurteilungsspielraum einräume, sei von der Revision nicht erhoben worden; diese mache vielmehr geltend, der Europäische Gerichtshof habe bei seiner Prüfung, ob die Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76 mit Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1927/75 vereinbar seien, den maßgeblichen gemeinschaftsrechtlichen Sachverhalt, nämlich die Lage auf dem deutschen Champignonmarkt, falsch gewürdigt. Abgesehen davon, daß dem erkennenden Senat die Erwägungen, auf die der Europäische Gerichtshof sein Urteil gestützt habe, einleuchtend erschienen, könne dieses Urteil, jedenfalls die ihm zugrundeliegende Beweiswürdigung, nicht am deutschen Verfassungsrecht überprüft werden, da sich aus Art. 177 EWGV ergebe, daß den nationalen Gerichten eine solche Befugnis nicht zukomme.
II.
Mit ihrer Verfassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verletze sie in prozessualen und materiellen Grundrechten.
Sie ist der Auffassung, das Bundesverwaltungsgericht habe gegen die Art. 19 Abs. 4, 103 Abs. 1 und 101 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. Art. 177 Abs. 3 EWGV verstoßen, da es durch das Unterlassen einer neuerlichen Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV oder einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG mit der Möglichkeit einer von dort erfolgenden Anrufung des Europäischen Gerichtshofs nicht sichergestellt habe, daß die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Hinblick auf die gerügte „Nichtverarbeitung wesentlicher, der Rechtsverfolgung dienender Tatsachenbehauptungen in den Entscheidungsgründen klar und richtig” sei.
Das Bundesverwaltungsgericht habe ferner gegen die Art. 2, 12 und 20 Abs. 3 GG (Grundsätze der Rechtssicherheit und Verhältnismäßigkeit) verstoßen, indem es die Ablehnung der beantragten Genehmigung durch das Bundesamt für rechtmäßig und damit indirekt die Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76 für den Geltungsbereich des Grundgesetzes anwendbar gehalten habe. Bei der Verfassungsbeschwerde gehe es insbesondere um die Frage, ob und inwieweit die Kommission sich bei solchen Entscheidungen, bei denen ihr vom Europäischen Gerichtshof ein der rechtlichen Überprüfung faktisch entzogener Beurteilungsspielraum eingeräumt werde, im Hinblick auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 37, 271 und 52, 187) an der Verfassungsordnung des Grundgesetzes orientieren müsse.
1. Mit ihrer Rüge einer Verletzung der Art. 19 Abs. 4, 103 Abs. 2, 101 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. Art. 177 Abs. 3 EWGV wendet sich die Beschwerdeführerin dagegen, daß das Bundesverwaltungsgericht seinem Urteil die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zugrundegelegt und nicht neuerlich diesen selbst oder das Bundesverfassungsgericht mit dem Ziel einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof angerufen hatte; dazu sei es verfassungsrechtlich gehalten gewesen, da die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Mai 1982 (Rechtssache 126/81) nicht richtig und nicht klar gewesen sei.
a) Die unbestrittene Bindungswirkung von nach Art. 177 EWGV ergangenen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für alle mit demselben Ausgangsverfahren befaßten staatlichen Gerichte entfalle nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 52, 187 (202)) dann, wenn die jeweilige Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs erkennbar nicht richtig oder nicht klar sei. Zwar folge hieraus nicht, daß das Bundesverfassungsgericht die gemeinschaftsrechtlichen Feststellungen in Urteilen des Europäischen Gerichtshofs überprüfen und gegebenenfalls anstelle des Europäischen Gerichtshofs eine Entscheidung treffen dürfe; vielmehr sollten fehlende Richtigkeit oder Klarheit Anlaß geben, erneut entsprechende Fragen an den Europäischen Gerichtshof zu richten, um diesem die Möglichkeit zu geben, die Richtigkeit oder Klarheit seiner Aussage selbst zu überprüfen; dabei sei in erster Linie an solche Unrichtigkeiten zu denken, die auf Verstößen gegen die (deutsche) Verfassung beruhten oder zu solchen Verstößen führen könnten.
Jedenfalls am 1. Juli 1976 hätten keine der in Art. 1 a) bis d) der Verordnung (EWG) Nr. 1928/75 genannten Voraussetzungen vorgelegen, unter denen allein die mit den Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76 verfügten Schutzmaßnahmen hätten getroffen werden dürfen. Die entgegengesetzten Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs seien unrichtig und zum Teil auch unklar, was sich aus den folgenden, bereits im Ausgangsverfahren vorgetragenen tatsächlichen Darlegungen ergebe.
aa) Die Feststellungen in Randnummer 12 des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Mai 1982 seien hinsichtlich des Umfangs der getätigten und der voraussichtlichen Einfuhren von Champignonkonserven aus Drittländern aus mehreren Gründen unklar, unrichtig und unvollständig: Die Entwicklung der Einfuhren in den Jahren 1973 bis 1975 liege außerhalb des entscheidungserheblichen Zeitraums, da auf die jährliche Ernte abzustellen und die für das Jahr 1976 maßgebliche Ernte in Asien bereits im März 1976 abgeschlossen gewesen sei; der Europäische Gerichtshof habe die ihm mitgeteilte Außenhandelsstatistik unberücksichtigt gelassen, die für 1976 gegenüber 1975 für Taiwan und Südkorea Rückgänge von 60 % bis 45 % ergebe; der Vergleich mit den Jahren vor 1973 sei mangels genauer Bezeichnung des Referenzjahres unklar und habe im übrigen mit der Aufrechterhaltung der Schutzklausel im Jahr 1976 nichts zu tun; die monatlichen Zahlen für das Jahr 1976 seien kein entscheidender Maßstab, da das Ernteergebnis in den Drittländern bereits im März 1976 festgestanden habe und im Hinblick darauf die Kommission seit 1976 auf den deswegen zu erwartenden starken Rückgang der Exportmengen der wichtigsten asiatischen Erzeugerländer hingewiesen worden sei; schließlich sei die Kommission bereits im Februar 1976 auf einen Fehlbedarf von 10 000 t an Champignonkonserven auf dem deutschen Markt hingewiesen worden. Alle diese gegen eine durch Einfuhren verursachte Marktstörung sprechenden Tatsachen seien in der Vorabentscheidung unberücksichtigt geblieben.
bb) Hinsichtlich der verfügbaren Mengen auf dem Gemeinschaftsmarkt erkenne der Europäische Gerichtshof zwar an, daß die Lagerbestände 1976 stark gesunken seien; in Wirklichkeit habe es sich aber bei den im Juli und September 1976 zur Verfügung stehenden, der Kommission bekannten Beständen um eine klare Unterdeckung gehandelt. Die fast konstanten Einfuhrmengen der Jahre 1972 bis 1978 sowie die monatlichen Einfuhrzahlen für das Jahr 1976 (Rdnr. 13 der Vorabentscheidung) berührten weder den Lagerbestand noch die Situation im Entscheidungszeitpunkt, nämlich Juni und September 1976; diese sei vielmehr durch einen fast völligen Mangel an neuer Ware auf dem deutschen Markt gekennzeichnet gewesen.
cc) Der Europäische Gerichtshof habe zwar zutreffend einen starken Preisanstieg für einheimische Ware als Folge dieser Mangellage festgestellt, doch sei sein Hinweis, daß nur das Preisniveau der Zeit „vor 1972” erreicht worden sei, unsubstantiiert, unrichtig und gefährlich, da es keine Garantie für bestimmte Preise und jährliche Preissteigerungen gebe und im fraglichen Zeitraum der Preismechanismus mangels Warenangebots ausgeschaltet gewesen sei.
Hinsichtlich der auf dem Gemeinschaftsmarkt festgestellten Preise für Drittlandsware habe der Europäische Gerichtshof auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes abgestellt, obwohl er während der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen worden sei, daß die in der Statistik aufgeführten Durchschnittspreise nicht aussagekräftig seien, da sie weder nach Größe der Konserve noch nach Lieferland unterschieden; in Wirklichkeit seien dem Europäischen Gerichtshof detaillierte Preissteigerungen von DM 1,58 pro Dose im Juli 1976 auf DM 2,19 pro Dose im Dezember 1976 nachgewiesen worden. Schließlich sei der vom Europäischen Gerichtshof angeführte „Selbstkostenpreis der Gemeinschaftsindustrie” kein gesetzliches Kriterium für die Schutzklausel.
b) Nach alledem habe es keinen Grund gegeben, der die Aufrechterhaltung der Schutzklausel für Champignonkonserven gerechtfertigt hätte; vielmehr hätte der Europäische Gerichtshof bei Berücksichtigung dieser Tatsachen, die der Kommission zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76 bekannt gewesen seien, diese Verordnungen auf der Grundlage des Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1927/75 i. V. m. Art. 1 und 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1928/75 für ungültig erklären müssen.
c) Diese Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs habe das Bundesverwaltungsgericht nicht übernehmen dürfen.
aa) Auch nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts stehe die Bindungswirkung solcher Vorabentscheidungen unter dem Vorbehalt ihrer Richtigkeit und Klarheit. Wenn das Bundesverwaltungsgericht meine, die Angriffe der Beschwerdeführerin bezögen sich auf die vom Europäischen Gerichtshof vorgenommene Beweiswürdigung, so verkenne es, daß dieser mangels Beweisaufnahme auch keine Beweiswürdigung vorgenommen, sondern nur einen Teil der ihm vorgetragenen Tatsachen zur Subsumtion herangezogen und insbesondere nicht die konkreten Umstände berücksichtigt habe, die zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kommission bestanden hätten. Wenn das Bundesverwaltungsgericht gleichwohl die Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs als einleuchtend erachte, so hätte dies einer näheren Begründung bedurft.
bb) Ob das Bundesverwaltungsgericht Zweifel an der Richtigkeit und Klarheit der Vorabentscheidung hätte hegen müssen, richte sich nach den verfassungsrechtlichen Grundsätzen eines wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) sowie des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Zwar sei der Europäische Gerichtshof an diese Grundsätze der deutschen Verfassung nicht unmittelbar gebunden, doch müsse ein nationales Gericht, das die in einem Zwischenverfahren ergangene Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs als für sich bindend erachte, auch dafür Sorge tragen, daß diese Grundrechte im Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof ausreichend berücksichtigt würden. Insoweit bestehende Zweifel begründeten die Pflicht zu einer neuerlichen Vorlage an den Europäischen Gerichtshof.
Zwar verpflichteten die genannten verfassungsrechtlichen Grundsätze den Europäischen Gerichtshof nicht, jedes Vorbringen der am Vorabentscheidungsverfahren Beteiligten in den Gründen ausdrücklich zu bescheiden; jedoch müßten die wesentlichen, der Rechtsverfolgung dienenden Tatsachenbehauptungen in den schriftlichen Entscheidungsgründen verarbeitet werden (unter Hinweis auf BVerfGE 51, 126 (129) und 54, 86 (91 f.)), da sich andernfalls der Eindruck einer Rechtsverweigerung aufdränge. Diesen Anforderungen werde die Vorabentscheidung nicht gerecht; angesichts der dargelegten tatsächlichen Umstände hätte der Gerichtshof im Hinblick auf die Bestimmungen der Verordnungen (EWG) Nr. 1927/75 und Nr. 1928/75 die die Schutzmaßnahmen aufrechterhaltenden Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76 aufheben müssen.
d) Bei dieser Sach- und Rechtslage hätte das Bundesverwaltungsgericht die Klage nicht abweisen dürfen, sondern eine erneute Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bewirken müssen, was entweder unmittelbar gemäß Art. 177 Abs. 3 EWGV oder über eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG mit dem Ziel einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof durch das Bundesverfassungsgericht hätte erfolgen können. Zwar weise das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, daß Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht nicht die Befugnis zur Kontrolle gegenüber den Gerichten einräume, doch scheine es Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung oder Gültigkeit des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts auf die gleiche Stufe zu stellen (Hinweis auf BVerfGE 52, 187 (203)). Zu dieser erneuten Vorlage, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 6. Oktober 1982, Rechtssache 283/81, Slg. 1982, S. 3415) gemeinschaftsrechtlich zulässig sei, sei das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Art. 19 Abs. 4, 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verpflichtet, um dem Europäischen Gerichtshof die Möglichkeit zu geben, die Richtigkeit und Klarheit seiner Entscheidung zu überprüfen und diese gegebenenfalls zu korrigieren.
Mit seiner Entscheidung, den Europäischen Gerichtshof nicht neuerlich anzurufen, habe das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerdeführerin auch in ihrem Grundrecht aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt. Die vom Bundesverfassungsgericht bisher offengelassene Frage, ob der Europäische Gerichtshof gesetzlicher Richter im Sinne dieser Bestimmung sei, müsse jedenfalls dann bejaht werden, wenn ganz erhebliche Zweifel an der Richtigkeit und Klarheit der im Vorabentscheidungsverfahren gefällten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs bestünden und das nationale Gericht diese nicht seinem eigenen Urteil zugrundelegen könne, ohne eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu billigen. Die Nichtvorlage beruhe auch auf Willkür, da die nach der objektiven Rechtslage ernst zu nehmenden Zweifel an der Richtigkeit und Klarheit der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht beseitigt, sondern eher noch verstärkt worden seien und insbesondere die Ausführung, daß die Urteilserwägungen des Europäischen Gerichtshofs einleuchtend erschienen, eine rein formelhafte, nicht substantiierte Beurteilung darstelle.
2. Mit ihrer Rüge einer Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GG (Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit) wendet sich die Beschwerdeführerin gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Dezember 1982 sowie die zugrundeliegende Entscheidung des Bundesamtes, die ihrerseits auf der Anwendung von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht, nämlich den Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76, beruhten. Hierbei seien die deutschen Behörden und Gerichte nicht nur an das Recht der Gemeinschaften, sondern auch an das Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland gebunden (unter Hinweis auf BVerfGE 37, 271 (283)); solche Verordnungen seien nicht anzuwenden, wenn sie gegen eine Bestimmung des Grundgesetzes verstießen.
Das Bundesverwaltungsgericht habe den Revisionsantrag mißverstanden, wenn es meine, die Beschwerdeführerin habe im Hinblick auf Art. 12 GG das sekundäre Gemeinschaftsrecht der Kommission am übergeordneten sekundären Gemeinschaftsrecht des Rates gemessen, wofür in der Tat ausschließlich der Europäische Gerichtshof zuständig wäre. Vielmehr habe die Beschwerdeführerin nur darauf hingewiesen, daß der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in den Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1927/75 und Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1928/75 enthalten sei, gegen den die Kommission bei der Anwendung dieser Verordnungen verstoßen habe. Entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts habe die Beschwerdeführerin auch nicht vorgetragen, die ermächtigende Verordnung (EWG) Nr. 1927/75 verstoße deshalb gegen Art. 12 GG, weil sie der Kommission einen zu großzügigen Beurteilungsspielraum einräume; der Rat habe der Kommission im Gegenteil in Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1928/75 enge Grenzen bei der Einführung von Schutzmaßnahmen gesetzt, die insbesondere in sachlicher und zeitlicher Hinsicht auf das unbedingt Notwendige zu beschränken seien. Der Beschwerdeführerin gehe es vielmehr um die Nichtanwendbarkeit der Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76 in der Bundesrepublik Deutschland im zweiten Halbjahr 1976 wegen offensichtlichen Verstoßes gegen Bestimmungen des materiellen deutschen Verfassungsrechts.
a) Seine Zuständigkeit zur Überprüfung des Gemeinschaftsrechts habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 29. Mai 1974 (BVerfGE 37, 271) begründet; zwar habe es später (BVerfGE 52, 187 (202)) offengelassen, ob die im genannten Beschluß entwickelten Grundsätze für künftige Vorlagen von Normen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts weiterhin uneingeschränkt Geltung beanspruchen könnten, doch zeige der der Verfassungsbeschwerde zugrundeliegende Fall, wie sehr sich die Kommission bei ihren Entscheidungen von der rechtlichen und tatsächlichen Wirklichkeit entfernen könne; verfassungsrechtlich bedenklich sei vor allem, daß die Kommission ihre Verordnungen teilweise nur noch pauschal und nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmend begründe und daß der Europäische Gerichtshof ihr im Bereich des Wirtschafts- und Außenhandelsrechts einen umfassenden Beurteilungsspielraum eingeräumt habe, der ihre Entscheidungen auf diesem Gebiet von einer wirksamen Kontrolle durch die Rechtsprechung freistelle.
b) Den Verstoß gegen Art. 2 GG als einer verfassungsrechtlichen Gewährleistung, die verfahrensrechtliche Verletzungen der Grundrechte bei der Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 1928/75 durch die Kommission ausschließen solle, sieht die Beschwerdeführerin darin, daß die Kommission ihren Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76 nicht ständig aktualisierte Tatsachen zugrundegelegt habe; dies sei Voraussetzung für die ausreichende Berücksichtigung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit im Verwaltungsverfahren der Kommission.
c) Insbesondere macht die Beschwerdeführerin geltend, die Verordnungen (EWG) Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76 seien im fraglichen Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland wegen Verstoßes gegen Art. 12 GG nicht anwendbar gewesen. Aus den von ihr vorgetragenen Tatsachen hinsichtlich der Lage auf dem Markt für Champignonkonserven in der Bundesrepublik Deutschland ergebe sich, daß – im Gegensatz zu den durch Art. 39 EWGV in erster Linie geschützten Champignonerzeugern – die Importeure von Drittlandsware, also auch die Beschwerdeführerin, durch Verweigerungen von Einfuhrgenehmigungen ebenso erhebliche Nachteile erlitten hätten wie die gleichfalls von Art. 39 EWGV geschützten Verbraucher, die höhere Preise hätten entrichten müssen. Spätestens seit Juni 1976 sei kein vernünftiger Grund des Gemeinwohls erkennbar gewesen, der die Aufrechterhaltung der genannten Schutzmaßnahmen hätte rechtfertigen können; deshalb seien diese als übermäßig belastende und daher verfassungswidrige Maßnahmen anzusehen. Für die Beschwerdeführerin als Konservenimporteur komme hinzu, daß die gegenwärtige, einer gerichtlichen Überprüfung weitgehend entzogene Praxis der Kommission beim Erlaß von Schutzmaßnahmen Auswirkungen nicht nur auf die Berufsausübung, sondern auch auf die Berufswahl habe, da sie faktisch zu einer fast beliebigen Beschränkung der Einfuhren aus Drittländern führen könne.
d) Der in Art. 20 Abs. 3 GG geschützte Grundsatz der Rechtssicherheit und damit der Berechenbarkeit gesetzgeberischer und behördlicher Maßnahmen gelte auch für die Tätigkeit der Kommission im Marktordnungsbereich. Im konkreten Fall habe die Beschwerdeführerin eine Lieferung von 1000 t Champignonkonserven auf ein Zollager nehmen können, da sie auf Grund ihrer Kenntnisse der Marktdaten davon habe ausgehen können, daß unter Berücksichtigung der in Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1928/75 genannten Voraussetzungen in der zweiten Hälfte des Jahre 1976 eine Mangellage für solche Erzeugnisse bestehen werde, die zur Aufhebung der Schutzmaßnahmen durch die Kommission hätte führen müssen. Wenn diese gleichwohl aufrechterhalten worden seien, so stelle dies einen Willkürakt dar, der den nur als Ausnahmeregelungen gedachten Schutzklauseln ihre Berechenbarkeit nehme.
3. Zwar sei allein das Bundesverfassungsgericht zuständig, die Nichtanwendbarkeit der angegriffenen Normen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts wegen Verstoßes gegen deutsche Grundrechte festzustellen, doch bestehe die Besonderheit, daß bereits eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vorliege und im Hinblick auf die geltend gemachte Verletzung prozessualer Grundrechte eine neuerliche Vorlage an den Europäischen Gerichtshof geboten sei, weshalb der Europäische Gerichtshof auch wegen der materiellrechtlichen Fragen erneut angerufen werden sollte.
III.
Zu den von der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen haben sich unter anderem für die Bundesregierung der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, der 8. Senat des Bundessozialgerichts und der X. Zivilsenat (Patentsenat) des Bundesgerichtshofs geäußert.
1. Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß eine erneute Vorlage an den Europäischen Gerichtshof unzulässig sei, da sie die Bindungswirkung der ergangenen Vorabentscheidung in Frage stelle. Diese für alle mit dem Ausgangsverfahren befaßten nationalen Gerichte geltende Bindungswirkung erstrecke sich auch auf das Bundesverfassungsgericht sowohl für den Fall einer Befassung gemäß Art. 100 Abs. 1 GG als auch für den Fall einer Verfassungsbeschwerde. Angesichts dieser Bindungswirkung habe das Bundesverwaltungsgericht nicht eine Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG mit dem Ziel einer vom Bundesverfassungsgericht zu beschließenden neuerlichen Anrufung des Europäischen Gerichtshofs beschließen müssen. Im übrigen sei eine solche Vorlage schon deshalb nicht zulässig gewesen, weil das Bundesverwaltungsgericht von der Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts nicht überzeugt gewesen sei.
2. Nach Auffassung des 8. Senats des Bundessozialgerichts kann die Bindung an sekundäres Gemeinschaftsrecht in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs durch die Grundrechte des Grundgesetzes in seiner Anwendung in der Bundesrepublik Deutschland nicht beschränkt werden. Dies folge aus der vom Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 52, 187 (200)) anerkannten, dem Europäischen Gerichtshof in Art. 177 EWGV zugesprochenen Befugnis; zwar habe das Bundesverfassungsgericht dies in seinem genannten Beschluß auf das primäre Gemeinschaftsrecht, also den EWG-Vertrag, beschränkt und für das abgeleitete Gemeinschaftsrecht offengelassen, doch könne eine solche Differenzierung nicht mehr aufrechterhalten werden, da angesichts der unterschiedlichen Rechtskultur, Rechtsordnung und Rechtsauffassung der einzelnen Mitgliedsstaaten die Schaffung einer einheitlichen europäischen Rechtsordnung sonst in Frage gestellt sei. Insofern hält der 8. Senat des Bundessozialgerichts die Grundsätze des Beschlusses vom 29. Mai 1974 für überholt: Angesichts der zunehmenden Konkretisierung und Ausdifferenzierung grundrechtlicher Positionen im Gemeinschaftsrecht durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bestehe keine ernsthafte Gefahr, daß der grundgesetzlich garantierte Grundrechtsschutz in seinem Kernbestand ausgehöhlt werde. Solange dieser Kernbestand im Gemeinschaftsrecht gewahrt sei, könne die innerstaatliche Bindung an das Gemeinschaftsrecht im Einzelfall nicht verneint werden.
Ähnliches gelte für die verfahrensrechtlichen Rügen: Könnten schon den Normen des Gemeinschaftsrechts in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs bei der Anwendung in der Bundesrepublik Deutschland keine Grundrechte des Grundgesetzes entgegengehalten werden, so müsse dies auch für prozessuale Grundrechte in bezug auf das Verfahren gelten, das zu dieser Auslegung geführt hat. Der Europäische Gerichtshof sei in seinem Verfahren nur an sein eigenes Verfahrensrecht gebunden. Auch der von der Beschwerdeführerin aus der Bemerkung in BVerfGE 52, 187 (201) abgeleitete Vorbehalt der „Richtigkeit und Klarheit”, unter dem die Bindung des nationalen Gerichts an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs stehen solle, bewirke nichts anderes, da hiermit nach Meinung des Senats keine Voraussetzung der Bindungswirkung der Vorabentscheidung aufgestellt, sondern nur der Fall angesprochen sei, daß die Antwort des Europäischen Gerichtshofs die entscheidungserhebliche Rechtsfrage nicht in vollem Umfange beantworte.
3. a) Unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 24. Juni 1969, Rechtssache 29/68, Slg. 1969, S. 165 (178)) hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ausgeführt, es sei dem nationalen Richter gestattet, im selben Ausgangsverfahren eine neuerliche Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs herbeizuführen, wenn dessen erste Vorabentscheidung die Vorlagefragen nicht hinreichend geklärt habe. Entsprechend den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen zur neuerlichen Vorlage in einer von ihm mit Gesetzeskraft entschiedenen Frage komme eine neuerliche Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nicht nur in Fällen mangelnder Klarheit der Vorabentscheidung in Betracht; sie sei auch angezeigt, wenn die unveränderte Vorlage auf neue Tatsachen gestützt werde, die geeignet erschienen, eine von der früheren Vorabentscheidung abweichende Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs herbeizuführen.
Unter diesen Voraussetzungen habe im vorliegenden Ausgangsverfahren indes kein hinreichender Anlaß zur erneuten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bestanden. Zum einen seien nach Maßgabe des Art. 177 EWGV ergangene Urteile des Europäischen Gerichtshofs grundsätzlich für alle mit demselben Ausgangsverfahren befaßten staatlichen Gerichte bindend. Zum anderen habe die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs, wie vom Bundesverwaltungsgericht dargelegt, Klarheit über die Vorlagefrage geschaffen, da gegen die Gültigkeit der von der Beklagten des Ausgangsverfahrens angewendeten Gemeinschaftsnorm nichts einzuwenden sei.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin lasse sich eine Pflicht zur neuerlichen Vorlage auch nicht mit der Erwägung begründen, der Europäische Gerichtshof habe eine objektiv unrichtige Entscheidung getroffen, da er ihm vorgetragene, wesentliche Tatsachenbehauptungen übergangen habe. Angesichts der eindeutigen, verbindlichen Kompetenzverteilung zwischen Europäischem Gerichtshof und nationalen Gerichten im Rahmen des Art. 177 EWGV könne ein nationales Gericht die Bindungswirkung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs auch dann nicht verneinen und sich zu einer neuerlichen Vorlage berechtigt oder verpflichtet halten, wenn es diese Entscheidung deshalb für sachlich unrichtig halte, weil der Europäische Gerichtshof Ausführungen der Beteiligten des Ausgangsverfahrens nicht zur Kenntnis genommen und daher bei seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe. Dem Europäischen Gerichtshof stehe die ausschließliche Befugnis zu, darüber zu befinden, welche tatsächlichen und rechtlichen Umstände für seine Entscheidung erheblich seien.
Im Ergebnis seien daher die Grundrechte des Art. 19 Abs. 4, 103 Abs. 1 und Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. Art. 177 Abs. 3 EWGV nicht verletzt, da eine Pflicht zur neuerlichen Vorlage nicht bestanden habe.
b) Auch eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG sei nicht in Betracht gekommen; das Bundesverwaltungsgericht habe zu Recht darauf hingewiesen, daß dieses Verfahren grundsätzlich die Kontrolle des Gesetzgebers und nicht die der Gerichte bezwecke. Zwar habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 37, 271) eine solche Vorlage für zulässig und geboten gehalten, wenn das vorlegende Gericht nach Einholung der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs die entscheidungserhebliche Vorschrift des Gemeinschaftsrechts in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs für unanwendbar halte, weil und soweit sie mit einem Grundrecht des Grundgesetzes kollidiere. Ob hiervon auch weiterhin auszugehen sei, könne unerörtert bleiben, da das Bundesverwaltungsgericht auch bei Berücksichtigung dieser Auffassung nicht zu einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet gewesen sei: Voraussetzung hierfür sei nämlich, daß das vorlegende Gericht die entscheidungserhebliche Norm für verfassungswidrig halte, also eine entsprechende Überzeugung besitze, und nicht etwa nur Zweifel oder Bedenken hege. Aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe ergebe sich aber eindeutig, daß das Bundesverwaltungsgericht nicht einmal Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der fraglichen Bestimmungen des sekundären Gemeinschaftsrechts in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs gehabt habe.
Entscheidungsgründe
B.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Das angegriffene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts verletzt die Beschwerdeführerin nicht in Grundrechten des Grundgesetzes.
I.
1. Eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG i. V. m. Art. 177 Abs. 3 EWGV durch das angegriffene Urteil setzte voraus, daß das Bundesverwaltungsgericht trotz der auf seinen Vorlagebeschluß hin ergangenen Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. Mai 1982 (Rechtssache (RS) 126/81) zu einer neuerlichen Vorlage an den Gerichtshof verpflichtet gewesen wäre. Das Unterlassen einer auf einer solchen Verpflichtung beruhenden Vorlage verstößt dann gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn der Europäische Gerichtshof gesetzlicher Richter im Sinne dieser Bestimmung ist, und dieses Unterlassen auf Willkür beruht.
a) Der Europäische Gerichtshof ist gesetzlicher Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG; diese vom Bundesverfassungsgericht bisher nicht entschiedene Frage (vgl. BVerfGE 29, 198 (207) 31, 145 (169)) ist zu bejahen.
aa) Angesichts der umfangreichen institutionellen Garantien (vgl. Art. 165 bis 168, 188 EWGV, Art. 2 ff., 17 ff. des Protokolls über die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 17. April 1957 (BGBl. II S. 1166) und der Verfahrensordnung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 4. Dezember 1974 in der kodifizierten Fassung vom 15. Februar 1982 (ABl. Nr. C 39/1 vom 15. Februar 1982)) können Zweifel an der Gerichtsqualität des Europäischen Gerichtshofs im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht bestehen. Der Gerichtshof ist ein durch die Gemeinschaftsverträge errichtetes hoheitliches Rechtspflegeorgan, das auf der Grundlage und im Rahmen normativ festgelegter Kompetenzen und Verfahren Rechtsfragen nach Maßgabe von Rechtsnormen und rechtlichen Maßstäben in richterlicher Unabhängigkeit grundsätzlich endgültig entscheidet. Seine Mitglieder sind zur Unabhängigkeit und Unparteilichkeit verpflichtet; ihre Rechtsstellung ist normativ so ausgestaltet, daß sie Gewähr für persönliche Unabhängigkeit bietet. Das Verfahrensrecht des Gerichtshofs genügt rechtsstaatlichen Anforderungen an ein gehöriges Verfahren; es gewährleistet insbesondere das Recht auf Gehör, dem Verfahrensgegenstand angemessene prozessuale Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeiten und frei gewählten, kundigen Rechtsbeistand (vgl. auch BVerfGE 59, 63 (91 f.)).
bb) Der Gerichtshof ist kein Organ der Bundesrepublik Deutschland sondern ein gemeinsames Organ der Europäischen Gemeinschaften. Die funktionelle Verschränkung der Gerichtsbarkeit der Europäischen Gemeinschaften mit der Gerichtsbarkeit der Mitgliedsstaaten zusammen mit dem Umstand, daß die Gemeinschaftsverträge kraft der durch die Zustimmungsgesetze gemäß Art. 24 Abs. 1, 59 Abs. 2 Satz 1 GG erteilten Rechtsanwendungsbefehle und das auf vertraglicher Grundlage erlassene abgeleitete Gemeinschaftsrecht Teil der innerstaatlich geltenden Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland und von ihren Gerichten zu beachten, auszulegen und anzuwenden sind, qualifizieren den Gerichtshof als gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, soweit ihm durch die Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen darin enthaltene Rechtsprechungsfunktionen aufgetragen sind. Hierzu rechnet insbesondere die Kompetenz des Gerichtshofs zu Vorabentscheidungen gemäß Art. 177 EWGV.
Art. 177 EWGV spricht dem Gerichtshof im Verhältnis zu den Gerichten der Mitgliedsstaaten die abschließende Entscheidungsbefugnis über die Auslegung des Vertrages sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der dort genannten abgeleiteten gemeinschaftsrechtlichen Akte zu (BVerfGE 52, 187 (200)). Dieses in Art. 177 EWGV gemeinschaftsrechtlich verankerte Rechtsprechungsmonopol des Gerichtshofs für den ihm danach ausschließlich zugewiesenen Zuständigkeitsbereich qualifiziert ihn insoweit als gesetzlichen Richter im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
In dieser teilweisen funktionalen Eingliederung des Europäischen Gerichtshofs in die mitgliedstaatliche Gerichtsbarkeit prägt sich aus, daß die mitgliedsstaatliche Rechtsordnung und die Gemeinschaftsrechtsordnung nicht unvermittelt und isoliert nebeneinander stehen, sondern in vielfältiger Weise aufeinander bezogen, miteinander verschränkt und wechselseitigen Einwirkungen geöffnet sind (vgl. z. B. Art. 215 Abs. 2 EWGV und die dort in Bezug genommenen „allgemeinen Rechtsgrundsätze, die den Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten gemeinsam sind”). An der auf ein Zusammenwirken zwischen den Gerichten der Mitgliedsstaaten und dem Gerichtshof der Gemeinschaft ausgerichteten Kompetenzzuweisung des Art. 177 EWGV wird dies besonders deutlich. Im Interesse des Vertragszwecks der Integration, der Rechtssicherheit und der Rechtsanwendungsgleichheit dient sie einer möglichst einheitlichen Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch alle Gerichte im Geltungsbereich des EWG-Vertrages (vgl. EuGH, Urteil vom 24. Mai 1977, RS 107/ 76, Slg. 1977, S. 957 (972); Urteil vom 6. Oktober 1982, RS 283/81, Slg. 1982, S. 3415 (3428)).
cc) Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der aus Art. 5 Abs. 1 EWGV entspringenden völkerrechtlichen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der im EWG-Vertrag niedergelegten Pflichten zu treffen: Soweit diese aus Art. 177 EWGV folgen, sind sie durch die Gerichte zu vollziehen und ist ihre Einhaltung durch die Mitgliedsstaaten selbst zu gewährleisten. Diesem Ziel dient in besonders geeigneter Weise die Einbeziehung des Europäischen Gerichtshofs im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit nach Art. 177 EWGV in den Anwendungsbereich des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
dd) Der Qualifizierung des Europäischen Gerichtshofs als gesetzlichen Richters im Sinne des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG für den Bereich von Vorabentscheidungen nach Art. 177 EWGV steht nicht entgegen, daß es sich bei dem Vorlageverfahren nach Art. 177 EWGV um ein objektives Zwischenverfahren handelt, in welchem die Parteien des Ausgangsverfahrens keine eigenen Antragsrechte haben, und das vorrangig dem Interesse an der Auslegung, Durchsetzung und Gültigkeitsprüfung des Gemeinschaftsrechts dient. Das Vorlageverfahren nach Art. 177 EWGV vor dem Europäischen Gerichtshof ist Teil eines einheitlichen Rechtsstreites, für dessen Ausgang die Beantwortung der Vorlagefrage – soweit entscheidungserheblich – bestimmend ist. Der dem Einzelnen im Ausgangsverfahren zukommende Anspruch auf Wahrung der Gewährleistungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG erstreckt sich auch auf die Befolgung der durch Art. 177 EWGV begründeten Pflicht zur Einleitung eines Vorlageverfahrens, unerachtet der Rechtsnatur dieses Verfahrens und der seinen Gegenstand bildenden Normen.
b) Es stellte keine Willkür dar, daß das Bundesverwaltungsgericht es hier unterließ, den Gerichtshof neuerlich anzurufen.
aa) Der Europäische Gerichtshof hatte im selben Ausgangsverfahren auf Vorlage des Bundesverwaltungsgerichts bereits eine Vorabentscheidung getroffen. Ihr Entscheidungsgegenstand betraf dieselben Rechtsfragen, nämlich die Gültigkeit der Verordnungen der Kommission Nr. 1412/76 vom 18. Juni 1976 und Nr. 2284/76 vom 21. September 1976, deren erneute Vorlage die Beschwerdeführerin begehrte. Das Bundesverwaltungsgericht war nicht gehalten, diese Frage neuerlich vorzulegen. Die nach Maßgabe des Art. 177 EWGV ergangenen Sachentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs sind für alle mit demselben Ausgangsverfahren befaßten mitgliedsstaatlichen Gerichte bindend (EuGH, Urteil vom 24. Juni 1969, RS 29/68, Slg. 1969, S. 165 (178)); soweit entscheidungserheblich, sind sie den Entscheidungen im Ausgangsverfahren zugrundezulegen. Dies folgt aus Sinn und Zweck der Art. 177, 164 EWGV (BVerfGE 45, 142 (162); 52, 187 (201)).
bb) Eine Ausnahme von dieser Bindungswirkung besteht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 24. Juni 1969, a.a.O., S. 178) in Fällen mangelnder Klarheit seiner Entscheidung. Das Bundesverwaltungsgericht hat anhand der vorliegenden Vorabentscheidung des Gerichtshofs geprüft, ob ein solcher Fall vorliege. Es hat diese Frage verneint. Seine Auffassung ist frei von Willkür.
cc) Nicht zu beurteilen ist hier, ob die grundsätzliche Bindungswirkung der Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs ferner dann entfällt, wenn nach der Entscheidung neue Tatsachen bekannt werden, die möglicherweise zu einer anderen Sachentscheidung des Gerichtshofs führen könnten, oder ob hier allein das Verfahren der Wiederaufnahme nach Art. 41 der Satzung des Gerichtshofs in Betracht käme; die Beschwerdeführerin hat solche Tatsachen nicht behauptet.
dd) Es kann dahinstehen, ob dem Bundesverwaltungsgericht nach Maßgabe des Gemeinschaftsrechts die Möglichkeit offengestanden hätte, im Hinblick auf eine etwaige Außerachtlassung oder unzureichende Würdigung des Vorbringens der Beschwerdeführerin im Verfahren nach Art. 177 EWGV durch den Gerichtshof unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf rechtliches Gehör neuerlich ein Vorlageverfahren einzuleiten. Nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, die frei von Willkür ist, bestanden keine Anhaltspunkte für die Annahme, der Gerichtshof habe den Vortrag der Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen. Für eine erneute Vorlage nach Art. 177 EWGV, deren Unterlassen, sofern sie nach den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zulässig und gegebenenfalls auch geboten wäre, eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darstellen könnte, fehlte es daher an den Voraussetzungen.
c) Jedenfalls aus diesen Gründen scheidet auch im vorliegenden Verfahren der Verfassungsbeschwerde eine Vorlage der genannten Fragen durch das Bundesverfassungsgericht an den Europäischen Gerichtshof aus.
d) Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner nicht dadurch gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstoßen, daß es unterlassen hat, das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG anzurufen, um über eine vom Bundesverfassungsgericht zu unterbreitende Vorlage nach Art. 177 EWGV den Europäischen Gerichtshof zu einer Änderung seiner Vorabentscheidung zu veranlassen. Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zu diesem Zwecke wäre unzulässig gewesen; Entscheidungsgegenstand des Verfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG ist die Verfassungsmäßigkeit von Normen, nicht aber von Gerichtsentscheidungen.
2. Art. 103 Abs. 1 GG ist nicht verletzt.
a) Die Rüge der Beschwerdeführerin, der Europäische Gerichtshof habe ihr im Vorabentscheidungsverfahren das rechtliche Gehör versagt und das Bundesverwaltungsgericht deshalb von Verfassungs wegen nicht an seine Vorabentscheidung binden können, ist unzulässig. Die Beschwerdeführerin behauptet nicht schon Anhaltspunkte dahin, daß der Gerichtshof in der Verfahrensart des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 177 EWGV es generell ablehnte, den Beteiligten des Ausgangsverfahrens ein Maß an rechtlichem Gehör zu gewähren, das rechtsstaatlichen Mindestanforderungen an ein gehöriges gerichtliches Verfahren genügt und die diesen Anforderungen entsprechenden Gewährleistungen seiner Satzung und Verfahrensordnung allgemein und schlechthin mißachtete oder verkannte. Der von der Beschwerdeführerin hier behauptete Verstoß ließe, selbst wenn er zutreffen sollte, diesen generellen Schluß nicht zu.
Allein bei Vorliegen einer derartigen generellen Verweigerung rechtlichen Gehörs durch den Gerichtshof könnte es in Betracht kommen, im Hinblick auf die prinzipiellen Anforderungen, unter die das Grundgesetz die Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 24 Abs. 1 GG stellt (vgl. BVerfGE 37, 271 (296); 58, 1 (28, 40)), die weitere Verfassungsmäßigkeit der Zustimmungsgesetze zu den Gemeinschaftsverträgen und damit die Bindungswirkung von Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs in Zweifel zu ziehen (vgl. dazu auch unten II. 1., 2.).
b) Das Bundesverwaltungsgericht selbst hat das Vorbringen der Beschwerdeführerin ersichtlich zur Kenntnis genommen und für seine Entscheidung erwogen; eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG scheidet mithin aus. Es war auch, wie dargelegt, von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, der Beschwerdeführerin angeblich vorenthaltenes rechtliches Gehör vor dem Europäischen Gerichtshof durch eine neuerliche Vorlage an den Gerichtshof zu verschaffen.
3. Art. 19 Abs. 4 GG ist durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht verletzt:
a) Zur öffentlichen Gewalt im Sinne dieser Vorschrift gehören Rechtsprechungsakte der hier angegriffenen Art nicht (vgl. BVerfGE 49, 329 (340 ff.)).
b) Die Verfassungsbeschwerde ist auch dann nicht begründet, wenn sie dahin verstanden wird, die Beschwerdeführerin erblicke eine Verletzung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG darin, daß gegen Urteile des Europäischen Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren des Art. 177 EWGV Rechtsbehelfe vor deutschen Gerichten nicht eröffnet sind.
Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrmals entschieden, daß Art. 19 Abs. 4 GG weder eine subsidiäre Gerichtsbarkeit deutscher Gerichte noch ihre internationale Auffangzuständigkeit gegenüber Entscheidungen internationaler Gerichte gewährleistet (BVerfGE 58, 1 (28 ff. m. w. N.)); dies gilt auch für Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften.
c) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ist ferner nicht dadurch verletzt, daß das Bundesverwaltungsgericht sich an die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für gebunden erachtet hat.
aa) Zwar gebietet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eine normative Ausgestaltung des Rechtswegs, die die umfassende Nachprüfung des Verfahrensgegenstandes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sowie eine dem Rechtsschutzbegehren angemessene Entscheidungsart und Entscheidungswirkung durch ein unabhängiges und unparteiisches Rechtsprechungsorgan verbürgt (BVerfGE 60, 253 (296 f.)); unbeschadet etwaiger Tatbestandswirkungen, Wertungs-, Gestaltungs- oder Ermessensrahmen der gesetzgebenden oder der vollziehenden Gewalt schließt dies grundsätzlich eine Bindung der Gerichte an tatsächliche oder rechtliche Beurteilungen des Einzelfalles seitens Dritter aus. Dies verwehrt indessen nicht eine normativ vorgesehene Bindung an die Entscheidungen anderer Gerichte (vgl. BVerfGE 65, 132 (137 ff.)); kraft seiner funktionellen Zuständigkeit gemäß Art. 177 EWGV, gegen die verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen, gilt dies auch für die Bindungswirkung von Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs.
bb) Die Frage, ob der Rechtsschutz vor dem Europäischen Gerichtshof zureichend ausgestaltet ist, kann allein im Hinblick auf eine mögliche Verletzung des Art. 24 Abs. 1 GG durch das Zustimmungsgesetz zum EWG-Vertrag bedeutsam sein, wenn der Rechtsstaatsgrundsatz des Grundgesetzes, der bei der Übertragung von Hoheitsrechten nach Art. 24 Abs. 1 GG zu beachten ist, es erforderte, daß gegen Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Rechtsbehelfe gegeben sein müßten.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährleisten weder Art. 19 Abs. 4 GG noch Art. 103 Abs. 1 GG noch das allgemeine Rechtsstaatsprinzip einen weiteren Rechtszug vor innerstaatlichen (deutschen) Gerichten (vgl. BVerfGE 34, 1 (6); 42, 243 (248); 42, 252 (254); 49, 329 (343); 54, 277 (291)). Die derzeit gegebene Ausgestaltung des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof unterschreitet angesichts dessen nicht die vom Grundgesetz für die Übertragung von Hoheitsrechten gezogenen Grenzen.
II.
Es kann nicht festgestellt werden, daß das angegriffene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG (Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit) verletzt.
1. Die Rügen der Beschwerdeführerin, die Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs und die Kommissionsverordnungen Nr. 1412/76 und Nr. 2284/76 in der Auslegung des Gerichtshofs verstießen gegen die genannten Grundrechts des Grundgesetzes und hätten mithin im fraglichen Zeitraum im Geltungsbereich des Grundgesetzes von deutschen Behörden und Gerichten nicht angewendet werden dürfen, sind unzulässig; eine Vorlage der Verordnungen an das Bundesverfassungsgericht durch das Bundesverwaltungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG wäre unzulässig gewesen.
a) Art. 24 Abs. 1 GG ermöglicht es, die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland derart zu öffnen, daß der ausschließliche Herrschaftsanspruch der Bundesrepublik Deutschland für ihren Hoheitsbereich zurückgenommen und der unmittelbaren Geltung und Anwendbarkeit eines Rechts aus anderer Quelle innerhalb dieses Hoheitsbereichs Raum gelassen wird (vgl. BVerfGE 37, 271 (280); 58, 1 (28); 59, 63 (90)). Art. 24 Abs. 1 GG ordnet zwar nicht schon selbst die unmittelbare Geltung und Anwendbarkeit des von der zwischenstaatlichen Einrichtung gesetzten Rechts an, noch regelt er unmittelbar das Verhältnis zwischen diesem Recht und dem innerstaatlichen Recht, etwa die Frage des Anwendungsvorrangs. Innerstaatliche Geltung und Anwendbarkeit sowie ein möglicher innerstaatlicher Geltungs- oder Anwendungsvorrang völkerrechtlicher Verträge – auch der hier in Rede stehenden Art – folgen nicht schon aus dem allgemeinen Völkerrecht. Das gegenwärtige Völkerrecht enthält keine aus übereinstimmender Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung entspringende allgemeine Regel dahin, daß Staaten verpflichtet wären, ihre Verträge in ihr innerstaatliches Recht zu inkorporieren und ihnen dort Geltungs- oder Anwendungsvorrang vor innerstaatlichem Recht beizumessen. Ein innerstaatlicher Geltungs- oder Anwendungsvorrang ergibt sich allein aus einem dahingehenden innerstaatlichen Rechtsanwendungsbefehl, und zwar auch bei Verträgen, die ihrem Inhalt zufolge die Parteien dazu verpflichten, den innerstaatlichen Geltungs- oder Anwendungsvorrang herbeizuführen. Art. 24 Abs. 1 GG ermöglicht es indessen von Verfassungs wegen, Verträgen, die Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen, und dem von solchen Einrichtungen gesetzten Recht Geltungs- und Anwendungsvorrang vor dem innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland durch einen entsprechenden innerstaatlichen Anwendungsbefehl beizulegen. Dies ist für die europäischen Gemeinschaftsverträge und das auf ihrer Grundlage von den Gemeinschaftsorganen gesetzte Recht durch die Zustimmungsgesetze zu den Verträgen gemäß Art. 24 Abs. 1, 59 Abs. 2 Satz 1 GG geschehen. Aus dem Rechtsanwendungsbefehl des Zustimmungsgesetzes zum EWG-Vertrag, der sich auf Art. 189 Abs. 2 EWGV erstreckt, ergibt sich die unmittelbare Geltung der Gemeinschaftsverordnungen für die Bundesrepublik Deutschland und ihr Anwendungsvorrang gegenüber innerstaatlichem Recht.
b) Die Ermächtigung auf Grund des Art. 24 Abs. 1 GG ist indessen nicht ohne verfassungsrechtliche Grenzen. Die Vorschrift ermächtigt nicht dazu, im Wege der Einräumung von Hoheitsrechten für zwischenstaatliche Einrichtungen die Identität der geltenden Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland durch Einbruch in ihr Grundgefüge, in die sie konstituierenden Strukturen, aufzugeben (zu vergleichbaren Grenzen der italienischen Verfassung und der Rechtsprechung des italienischen Verfassungsgerichtshofs vgl. A. La Pergola und P. Del Duca, Community Law, International Law and the Italian Constitution, in The American Journal of International Law, vol. 79 (1985), S. 598 ff., S. 609 ff.). Dies gilt namentlich für Rechtsetzungsakte der zwischenstaatlichen Einrichtung, die, gegebenenfalls zufolge entsprechender Auslegung oder Fortbildung des zugrundeliegenden Vertragsrechts, wesentliche Strukturen des Grundgesetzes aushöhlten. Ein unverzichtbares, zum Grundgefüge der geltenden Verfassung gehörendes Essentiale sind jedenfalls die Rechtsprinzipien, die dem Grundrechtsteil des Grundgesetzes zugrundeliegen (vgl. BVerfGE 37, 271 (279 f.); 58, 1 (30 f.)). Art. 24 Abs. 1 GG gestattet nicht vorbehaltlos, diese Rechtsprinzipien zu relativieren. Sofern und soweit mithin einer zwischenstaatlichen Einrichtung im Sinne des Art. 24 Abs. 1 GG Hoheitsgewalt eingeräumt wird, die im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland den Wesensgehalt der vom Grundgesetz anerkannten Grundrechte zu beeinträchtigen in der Lage ist, muß, wenn damit der nach Maßgabe des Grundgesetzes bestehende Rechtsschutz entfallen soll, statt dessen eine Grundrechtsgeltung gewährleistet sein, die nach Inhalt und Wirksamkeit dem Grundrechtsschutz, wie er nach dem Grundgesetz unabdingbar ist, im wesentlichen gleichkommt. Dies wird in aller Regel einen Individualrechtsschutz durch unabhängige Gerichte gebieten, die mit hinlänglicher Gerichtsbarkeit, insbesondere mit einer dem Rechtsschutzbegehren angemessenen Prüfungs- und Entscheidungsmacht über tatsächliche und rechtliche Fragen ausgerüstet sind, auf Grund eines gehörigen Verfahrens entscheiden, das rechtliches Gehör, dem Streitgegenstand angemessene Angriffs- und Verteidigungsmittel und frei gewählten, kundigen Beistand ermöglicht und deren Entscheidungen gegebenenfalls die Verletzung eines Grundrechts sachgerecht und wirksam sanktionieren.
c) Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 29. Mai 1974 (BVerfGE 37, 271 (280 ff.)) ausgeführt, daß angesichts des damaligen Standes der Integration der in der Europäischen Gemeinschaft allgemein verbindliche Grundrechtsstandard des Gemeinschaftsrechts noch nicht die Rechtsgewißheit aufweise, dieser Standard werde auf Dauer dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes, unbeschadet möglicher Modifikationen, derart adäquat sein, daß die Grenze, die Art. 24 Abs. 1 der Anwendung abgeleiteten Gemeinschaftsrechts im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland zieht, nicht überschritten werde. Die Gemeinschaft entbehre noch eines unmittelbar demokratisch legitimierten, aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenen Parlaments, das Gesetzgebungsbefugnisse besitzt und dem die zur Gesetzgebung zuständigen Organe der Gemeinschaft politisch voll verantwortlich sind; sie entbehre insbesondere noch eines kodifizierten Grundrechtskatalogs; die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaft allein gewährleiste die geforderte Rechtsgewißheit nicht. Solange diese Rechtsgewißheit im Zuge der weiteren Integration nicht erreicht sei, gelte der aus Art. 24 GG hergeleitete Vorbehalt. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in dem genannten Beschluß entschieden: Solange der Integrationsprozeß der Gemeinschaft nicht so weit fortgeschritten ist, daß das Gemeinschaftsrecht auch einen von einem Parlament beschlossenen und in Geltung stehenden formulierten Katalog von Grundrechten enthält, der dem Grundrechtskatalog des Grundgesetzes adäquat ist, ist nach Einholung der in Art. 177 des Vertrages geforderten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs die Vorlage eines Gerichts der Bundesrepublik Deutschland an das Bundesverfassungsgericht im Normenkontrollverfahren zulässig und geboten, wenn das Gericht die für es entscheidungserhebliche Vorschrift in der vom Europäischen Gerichtshof gegebenen Auslegung für unanwendbar hält, weil und soweit sie mit einem der Grundrechte des Grundgesetzes kollidiert (a.a.O., S. 285). Es hat im damaligen Fall die Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG für zulässig, in der Sache aber für unbegründet erklärt.
In seinem Beschluß vom 25. Juli 1979 (BVerfGE 52, 187 (202 f.)) hat der Senat ausdrücklich offengelassen, ob und gegebenenfalls inwieweit – etwa angesichts mittlerweile eingetretener politischer und rechtlicher Entwicklungen im europäischen Bereich – für künftige Vorlagen von Normen des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts die Grundsätze des Beschlusses vom 29. Mai 1974 weiterhin uneingeschränkt Geltung beanspruchen könnten.
d) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist mittlerweile im Hoheitsbereich der Europäischen Gemeinschaften ein Maß an Grundrechtsschutz erwachsen, das nach Konzeption, Inhalt und Wirkungsweise dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes im wesentlichen gleichzuachten ist. Alle Hauptorgane der Gemeinschaft haben sich seither in rechtserheblicher Form dazu bekannt, daß sie sich in Ausübung ihrer Befugnisse und im Verfolg der Ziele der Gemeinschaft von der Achtung vor den Grundrechten, wie sie insbesondere aus den Verfassungen der Mitgliedsstaaten und der Europäischen Menschenrechtskonvention hervorgehen, als Rechtspflicht leiten lassen werden. Es bestehen keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, daß der erreichte gemeinschaftsrechtliche Grundrechtsstandard nicht hinreichend gefestigt und lediglich vorübergehender Natur sei.
aa) Dieser Grundrechtsstandard ist mittlerweise insbesondere durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften inhaltlich ausgestaltet worden, gefestigt und zureichend gewährleistet.
Der Gerichtshof hatte es in früheren Jahren abgelehnt, auf Vorwürfe von Parteien einzugehen, die Hohe Behörde habe mit ihrer Entscheidung Grundsätze des deutschen Verfassungsrechts, insbesondere Art. 2 und 12 GG, verletzt (Stork ./. Hohe Behörde, Urteil vom 4. Februar 1959, RS 1/58, Slg. 1958-59, S. 42 (64)); er hatte sich für nicht befugt erklärt, „für die Beachtung solcher innerstaatlichen Vorschriften Sorge zu tragen, die in dem einen oder anderen Mitgliedsstaat gelten, mag es sich hierbei auch um Verfassungsrechtssätze handeln”, und ausgeführt, daß „das Recht der Gemeinschaft, wie es im EGKS-Vertrag niedergelegt ist, weder einen geschriebenen noch einen ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts (enthält), daß ein erworbener Besitzstand nicht angetastet werden darf” (Präsident, Geitling, Mausegatt, Nold ./. Hohe Behörde, Urteil vom 15. Juli 1960, verb. RS 36-38/59 und 40/59, Slg. 1960, S. 885 (921)). In der Folgezeit hat der Gerichtshof dann zunächst ausgesprochen, daß in den allgemeinen Grundsätzen der Gemeinschaftsrechtsordnung, deren Wahrung er zu sichern habe, die Grundrechte der Person enthalten sind (vgl. Stauder, Urteil vom 12. November 1969, RS 29/69, Slg. 1969, S. 419). Im Falle Internationale Handelsgesellschaft (Urteil vom 17. Dezember 1970, RS 11/70, Slg. 1970, S. 1125 (1135)) hat er zwar verneint, daß es die Gültigkeit einer Gemeinschaftshandlung oder deren Geltung in einem Mitgliedsstaat berühre, wenn behauptet wird, die Grundrechte in der ihnen von der mitgliedsstaatlichen Verfassung gegebenen Gestalt oder die Struktur der Prinzipien dieser Verfassung seien verletzt; es sei jedoch zu prüfen, ob nicht eine entsprechende gemeinschaftsrechtliche Gewährleistung verkannt worden sei, denn die Beachtung der Grundrechte gehöre zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, deren Wahrung er zu sichern habe. Die Gewährleistung dieser Rechte müsse zwar von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten getragen sein, sich aber auch in die Struktur und die Ziele der Gemeinschaft einfügen.
Den – aus der Sicht des Grundgesetzes – wesentlichen Schritt leitete der Gerichtshof mit der Entscheidung im Falle Nold (Urteil vom 14. Mai 1974, RS 4/73, Slg. 1974, S. 491 (507)) ein, in der er ausführte, daß er bei der Gewährleistung der Grundrechte von den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten auszugehen habe. „Hiernach kann er keine Maßnahmen als Rechtens anerkennen, die unvereinbar sind mit den von den Verfassungen dieser Staaten anerkannten und geschützten Grundrechten.”
Auf der Rechtsgrundlage der in dieser Weise und mit diesem Inhalt qualifizierten allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts hat der Gerichtshof in der Folgezeit Grundrechte, wie sie in den mitgliedsstaatlichen Verfassungen anerkannt sind, mittelbar als bindende Prüfungsmaßstäbe für das hoheitliche Verhalten von Gemeinschaftsorganen herangezogen. Neben den ausdrücklichen Freiheitsverbürgungen der Gemeinschaftsverträge selbst (vgl. z. B. Art. 7, 48 ff., 52 ff., 59 ff., 67 ff. EWGV) standen dabei naturgemäß die auf das Wirtschaftsleben bezogenen Grundrechte und Grundfreiheiten, wie Eigentum und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, im Vordergrund (vgl. Nold, RS 4/73, a.a.O.; Hauer, Urteil vom 13. Dezember 1979, RS 44/79, Slg. 1979, S. 3727; Agricola Commerciale und SAVMA, Urteile vom 27. November 1984, RS 232/81 und 264/81, Slg. 1984, S. 3881, 3915). Er hat darüber hinaus auch andere Grundrechte, wie die Vereinigungsfreiheit, den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und das Willkürverbot, die Religionsfreiheit oder den Schutz der Familie als Prüfungsmaßstäbe herangezogen (vgl. Gewerkschaftsbund Europäischer öffentlicher Dienst, Urteil vom 8. Oktober 1974, RS 175/73, Slg. 1974, S. 917; Ruckdeschel u. a., Urteil vom 19. Oktober 1977, RS 117/76 und 16/77, Slg. 1977, S. 1753; BIOVILAC, Urteil vom 6. Dezember 1984, RS 59/83, Slg. 1984, S. 4057; FINSIDER, Urteil vom 15. Januar 1985, RS 250/83, Slg. 1985, S. 142; Kupferberg II, Urteil vom 15. Januar 1985, RS 253/83, Slg. 1985, S. 166; Samara, Urteil vom 15. Januar 1985, RS 266/83, Slg. 1985, S. 196; Michel, Urteil vom 29. Januar 1985, RS 273/83, Slg. 1985, S. 354; Defrenne III, Urteil vom 15. Juni 1978, RS 149/77, Slg. 1978, S. 1365; Prais, Urteil vom 27. Oktober 1976, RS 130/75, Slg. 1976, S. 1589; Diatta, Urteil vom 13. Februar 1985, RS 267/83 = EuGRZ 1985, S. 145).
Der Gerichtshof hat die rechtsstaatlichen Grundsätze des Übermaßverbots und der Verhältnismäßigkeit als allgemeine Rechtsgrundsätze bei der Abwägung zwischen den Gemeinwohlzielen der Gemeinschaftsrechtsordnung und der Wesensgehaltsgarantie der Grundrechte generell anerkannt und in ständiger Rechtsprechung gehandhabt (vgl. aus neuerer Zeit z. B. die Entscheidungen in den Fällen Internationale Handelsgesellschaft, a.a.O., S. 1137; Hauer, a.a.O.; Testa u. a., Urteil vom 19. August 1980, RS 41/79, 121/79 und 796/79, Slg. 1980, S. 1979 (1997); National Panasonic, Urteil vom 26. Juni 1980, RS 136/79, Slg. 1980, S. 2033 (2059 f.); Heijn, Urteil vom 19. September 1984, RS 94/83, Slg. 1984, S. 3263; Fearon, Urteil vom 6. November 1984, RS 182/ 83, Slg. 1984, S. 3677; Altöle, Urteil vom 7. Februar 1985, RS 240/83; vgl. dazu M. Hilf, EuGRZ 1985, S. 647 (649)). Er hat das Rückwirkungsverbot als Ausfluß des Grundsatzes der Rechtssicherheit sowie das Verbot der Doppelbestrafung anerkannt (vgl. Racke, Urteil vom 25. Januar 1979, RS 98/78, Slg. 1979, S. 69 (86); Regina ./. Kent Kirk, Urteil vom 10. Juli 1984, RS 63/83, Slg. 1984, S. 2689; Boehringer, Urteil vom 14. Dezember 1972, RS 7/72, Slg. 1972, S. 1281 (1290)), desgleichen die rechtsstaatliche Pflicht zur Begründung von Einzelentscheidungen (vgl. Intermills, Urteil vom 14. November 1984, RS 323/82, Slg. 1984, S. 3809; Niederlande ./. Kommission, Urteil vom 13. März 1985, RS 296 und 318/82; vgl. dazu M. Hilf, EuGRZ 1985, S. 647 (650)). Im Falle Johnston ./. The Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary (Urteil vom 15. Mai 1986, RS 222/84, Rdnr. 17 ff.) hat der Gerichtshof unter Rückgriff auf die allen Mitgliedsstaaten gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen und auf Art. 13 der Europäischen Menschenrechtskonvention den Anspruch auf wirkungsvollen Gerichtsschutz zur Wahrung von personenbezogenen Rechten als Bestandteil der Grundrechtsverbürgungen des Gemeinschaftsrechts qualifiziert. Das Gebot des rechtlichen Gehörs hat er als wesentliches Erfordernis eines fairen Verfahrens erachtet (vgl. Pecastaing, Urteil vom 5. März 1980, RS 98/79, Slg. 1980, S. 691 ff.; National Panasonic, Urteil vom 26. Juni 1980, RS 136/79, Slg. 1980, S. 2033 (2058)).
Zur gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung des Inhalts und der Reichweite von Grundrechten hat der Gerichtshof auch auf die Europäische Menschenrechtskonvention und ihre Zusatzprotokolle zurückgegriffen (vgl. Rutili, Urteil vom 28. Oktober 1975, RS 36/75, Slg. 1975, S. 1219 (1232); Johnston ./. The Chief Constable of the Royal Ulster Constabulary, a.a.O., Rdnr. 17 ff.).
bb) Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission der Gemeinschaft haben am 5. April 1977 folgende Gemeinsame Erklärung verabschiedet (EG ABl. Nr. C 103/1 vom 27. April 1977):
Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission – in Erwägung nachstehender Gründe: Die Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften beruhen auf dem Grundsatz der Achtung des Rechts. Dieses Recht umfaßt, wie vom Gerichtshof anerkannt wurde, außer den Vorschriften der Verträge und des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts die allgemeinen Rechtsgrundsätze und insbesondere die Grundrechte, Prinzipien und Rechte, die die Grundlage des Verfassungsrechts der Mitgliedstaaten bilden. Insbesondere sind alle Mitgliedstaaten Vertragsparteien der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – haben folgende Erklärung verabschiedet:
- Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission unterstreichen die vorrangige Bedeutung, die sie der Achtung der Grundrechte beimessen, wie sie insbesondere aus den Verfassungen der Mitgliedstaaten sowie aus der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten hervorgehen.
- Bei der Ausübung ihrer Befugnisse und bei der Verfolgung der Ziele der Europäischen Gemeinschaften beachten sie diese Rechte und werden dies auch in Zukunft tun.
cc) Der Europäische Rat hat am 7./8. April 1978 eine Erklärung zur Demokratie verabschiedet (Bull. EG 3-1978, S. 5); sie lautet:
Die allgemeine direkte Wahl der Mitglieder der Versammlung ist ein bedeutsames Ereignis für die Zukunft der Europäischen Gemeinschaft und eine herausragende Demonstration des allen Mitgliedstaaten gemeinsamen demokratischen Ideals. Die Gründung der Gemeinschaften als Fundament eines im Vertrag von Rom geforderten immer engeren Zusammenschlusses der europäischen Völker ist ein Beweis für die Entschlossenheit ihrer Gründer, Frieden und Freiheit zu sichern.
Die Staats- und Regierungschefs bekräftigen wie schon in der Kopenhagener Erklärung zur europäischen Identität ihren Willen, die Achtung rechtlicher, politischer und moralischer Werte, denen sie sich verbunden fühlen, zu gewährleisten und die Prinzipien der parlamentarischen Demokratie, des Rechts, der sozialen Gerechtigkeit und der Wahrung der Menschenrechte zu schützen. Die Anwendung dieser Grundsätze setzt eine pluralistische Demokratie voraus, die die Vertretung der Meinungen im konstitutionellen Aufbau des Staates sowie die zum Schutz der Menschenrechte erforderlichen Verfahren garantiert.
Die Staats- und Regierungschefs schließen sich der gemeinsamen Erklärung der Versammlung, des Rates und der Kommission an, mit der diese Organe ihre Entschlossenheit bekräftigt haben, die Grundrechte zu respektieren und gleichzeitig die Ziele der Gemeinschaft zu verfolgen.
Sie erklären feierlich, daß die Achtung und die Aufrechterhaltung der parlamentarischen Demokratie und der Menschenrechte in allen Mitgliedstaaten wesentliche Elemente ihrer Zugehörigkeit zu den Europäischen Gemeinschaften sind.
e) Im Vergleich zum Grundrechtsstandard des Grundgesetzes mag die auf der Gemeinschaftsebene mittlerweile durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erreichte Gewährleistung des Grundrechtsschutzes, da sie sich naturgemäß fallweise entwickelt hat, noch Lücken insofern aufweisen, als bestimmte, vom Grundgesetz anerkannte Grundrechtsprinzipien sowie Art, Inhalt oder Reichweite eines Grundrechts im einzelnen noch nicht Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichtshofs waren. Ausschlaggebend ist indes die prinzipielle Haltung, die der Gerichtshof mittlerweile gegenüber der Grundrechtsgebundenheit der Gemeinschaft, der normativen Verankerung der Grundrechte im Gemeinschaftsrecht und dessen normativer Verbindung (insoweit) mit den mitgliedsstaatlichen Verfassungen und mit der Europäischen Menschenrechtskonvention einnimmt sowie die tatsächliche Bedeutung, die der Grundrechtsschutz inzwischen in der Handhabung des Gerichtshofs gewonnen hat. Wenngleich die genannten Erklärungen der Organe der Europäischen Gemeinschaft und des Europäischen Rates der förmlichen Natur als Vertragsrecht entbehren mögen und die Gemeinschaft als solche nicht Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention ist, so sind diese Akte sowohl gemeinschaftsintern als auch im Verhältnis der Gemeinschaft zu ihren Mitgliedsstaaten von rechtserheblicher Bedeutung: Sie bekunden in förmlicher Weise die übereinstimmende Rechtsauffassung der Vertragsstaaten und der Gemeinschaftsorgane hinsichtlich der Gebundenheit der Gemeinschaft an die Grundrechtsverbürgungen, wie sie sich aus den mitgliedsstaatlichen Verfassungen ergeben und als allgemeine Rechtsgrundsätze Geltung als primäres Gemeinschaftsrecht entfalten; als einhellige Bekundung einer Absicht zur Handhabung der Gemeinschaftsverträge sind sie auch völkerrechtlich für die Bestimmung des Inhalts dieser Verträge rechtserheblich (vgl. BVerfGE 59, 63 (95)). Die Erklärungen bestärken damit auch die Kompetenz und die Verpflichtung des Gerichtshofs, den gemeinschaftsrechtlichen Schutz dieser Grundrechte und der ihnen verbundenen Rechtsprinzipien nach Maßgabe seines Verfahrensrechts wahrzunehmen. Dieses Verfahrensrecht ist hinsichtlich des Zugangs zum Gerichtshof, der gegebenen Verfahrensarten (vgl. neben den Möglichkeiten der Mitgliedsstaaten und der Gemeinschaftsorgane, den Gerichtshof anzurufen, insbesondere die Art. 173 Abs. 2, 175 Abs. 2, 176, 177-179, 184-186 EWGV), der Prüfungs- und Entscheidungsmacht des Gerichtshofs, der Verfahrensgrundsätze und der Wirkung seiner Entscheidungen in einer Weise ausgestaltet, die einen wirkungsvollen Grundrechtsschutz generell gewährleistet, der dem nach dem Grundgesetz unabdingbaren Grundrechtsschutz im wesentlichen gleichzuachten ist.
Durch die dargelegte normative Verklammerung der in den Verfassungen der Mitgliedsstaaten und in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltenen Grundrechtsverbürgungen mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechts ist der Sache nach auch dem Erfordernis eines von einem Parlament beschlossenen Grundrechtskatalogs Genüge getan, das der Senat in seiner Entscheidung vom 29. Mai 1974 aufzustellen für geboten hielt. Zum einen sind seit 1974 nunmehr alle ursprünglichen Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft – wie seither auch die später hinzugekommenen – der Europäischen Menschenrechtskonvention beigetreten und haben ihren Beitritt jeweils durch ihre Parlamente billigen lassen; zum andern kann die Gemeinsame Erklärung vom 5. April 1977, die auch vom Europäischen Parlament verabschiedet worden ist, unter dem Gesichtspunkt dieses Erfordernisses als hinreichendes parlamentarisches Bekenntnis zu einem in Geltung stehenden, formulierten Katalog von Grundrechten gewertet werden. Wenn der Senat in der Entscheidung vom 29. Mai 1974 darauf hingewiesen hatte, daß die Gemeinschaft eines unmittelbar demokratisch legitimierten, aus allgemeinen Wahlen hervorgegangenen Parlaments entbehre, das Gesetzgebungsbefugnisse besitze und dem die zur Gesetzgebung zuständigen Organe politisch voll verantwortlich seien, so war dies ein Element der Beschreibung des Integrationszustandes, wie er sich seinerzeit darstellte; der Grund für diese Feststellung war ersichtlich der Gedanke, daß Grundrechtsschutz bereits auf der Ebene der Rechtsetzung zu beginnen hat und parlamentarische Verantwortlichkeit hierfür eine angemessene Schutzvorkehrung bietet. Nicht war damit indes ein verfassungsrechtliches Erfordernis ausgesprochen, daß dieser Zustand überwunden sein müsse, bevor eine Rücknahme der Gerichtsbarkeit des Bundesverfassungsgerichts über abgeleitetes Gemeinschaftsrecht im Verfahren der Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG in Betracht käme.
Es ist anhand des mittlerweile erreichten Standes der Rechtsprechung des Gerichtshofs auch nicht zu erwarten, daß über die normative Verklammerung des Gemeinschaftsrechts mit den Verfassungen der Mitgliedsstaaten sich eine Absenkung des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsstandards auf ein Maß ergäbe, das von Grundgesetzes wegen nicht mehr als ein generell angemessener Grundrechtsschutz angesprochen werden könnte. Zum einen ist der Gerichtshof nicht gehalten, die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts auf dem insoweit bescheidensten allgemeinen Nenner aus dem Vergleich der mitgliedsstaatlichen Verfassungen zu verorten – sollten überhaupt solche tiefgreifenden Unterschiede zwischen den mitgliedsstaatlichen Verfassungen bestehen oder künftig auftreten. Es ist eher zu erwarten, daß der Gerichtshof nach der bestmöglichen Entfaltung eines Grundrechtsprinzips im Gemeinschaftsrecht trachten wird. Zum anderen gewährleistet die normative Inbezugnahme der Europäischen Menschenrechtskonvention mit der inzwischen schon weitreichenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte einen Mindeststandard an inhaltlichem Grundrechtsschutz, der den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Grundgesetzes prinzipiell genügt. Daran ändert nichts, daß die Gemeinschaft als solche nicht Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention ist.
Daß sich auf der gemeinschaftsrechtlichen Ebene unter Umständen andersartige Fragen bei der Regelung von Grundrechten oder der Konkretisierung ihres Schutzbereichs stellen, vermag der Angemessenheit des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsschutzes aus der Sicht des Grundgesetzes keinen generellen Abbruch zu tun. Im Hinblick zumal auf die in den Gemeinschaftsverträgen niedergelegten Zielsetzungen, die ihrerseits mit dem Grundgesetz vereinbar sind, werden sich in diesem Zusammenhang Abwägungsfragen mit den Vertrags- und Gemeinwohlzielen der Gemeinschaft stellen, wie sie sich in dieser Art und Weise auf der mitgliedsstaatlichen Rechtsebene jedenfalls nicht unmittelbar ergeben. Auch die vom Grundgesetz verbürgten Grundrechte stehen im Gefüge der Verfassung als einer normativen Sinneinheit und sind demgemäß im Einklang und in Abstimmung mit anderen von der Verfassung normierten oder von ihr anerkannten Rechtsgütern auszulegen und anzuwenden. Dazu gehört auch das Bekenntnis in der Präambel des Grundgesetzes zu einem vereinten Europa und zu den über Art. 24 Abs. 1 GG ermöglichten besonderen Formen supranationaler Zusammenarbeit. Von Grundgesetzes wegen sind damit auch Regelungen auf der Ebene der Gemeinschaft ermöglicht, die die Grundrechte im Einklang mit den Zielen und besonderen Strukturen der Gemeinschaft wahren; der Wesensgehalt der Grundrechte und zumal der Menschenrechte andererseits ist unabdingbar und muß auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft Bestand haben. Dies hält der Senat auf der Gemeinschaftsebene für mittlerweile zureichend generell gewährleistet.
f) Angesichts dieser Entwicklung ist festzustellen: Solange die Europäischen Gemeinschaften, insbesondere die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Gemeinschaften einen wirksamen Schutz der Grundrechte gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaften generell gewährleisten, der dem vom Grundgesetz als unabdingbar gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gleichzuachten ist, zumal den Wesensgehalt der Grundrechte generell verbürgt, wird das Bundesverfassungsgericht seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von abgeleitetem Gemeinschaftsrecht, das als Rechtsgrundlage für ein Verhalten deutscher Gerichte und Behörden im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland in Anspruch genommen wird, nicht mehr ausüben und dieses Recht mithin nicht mehr am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes überprüfen; entsprechende Vorlagen nach Art. 100 Abs. 1 GG sind somit unzulässig.
g) Es muß daher dahingestellt bleiben, ob der Vorwurf der Beschwerdeführerin zutrifft, die angegriffenen Verordnungen der Kommission verletzten in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs Grundrechte der Beschwerdeführerin, wie sie in Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG anerkannt sind. Weder aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin noch aus seiner Vorabentscheidung ergibt sich, daß der Gerichtshof bei seiner Auslegung die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Grundrechte schlechthin und generell nicht anzuerkennen oder zu schützen bereit und in der Lage und daß damit das vom Grundgesetz geforderte Ausmaß an Grundrechtsschutz auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts generell und offenkundig unterschritten sei. Angesichts dessen kommt eine Überprüfung der angegriffenen Kommissionsverordnungen aus Anlaß des vorliegenden Falles auf ihre Vereinbarkeit mit Grundrechten des Grundgesetzes nicht in Betracht. Eine Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG der genannten Kommissionsverordnungen durch das Bundesverwaltungsgericht im Ausgangsverfahren wäre mithin unzulässig gewesen.
2. Eine selbständige Verletzung der geltend gemachten Grundrechte der Beschwerdeführerin durch das angegriffene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, die unabhängig von der Bindungswirkung der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs für das Bundesverwaltungsgericht wäre, ist von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden und ist auch nicht ersichtlich.
III.
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Fundstellen
Haufe-Index 1566284 |
BVerfGE, 339 |
NJW 1987, 577 |
EuR 1987, 51 |
JZ 1987, 236 |
LRE, 100 |
Europarecht Casebook 2000 2000, 403 |
JbEI 1987, 415 |