Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitgeber ist verpflichtet, Arbeitnehmerin Unterschiedsbetrag zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und zu tragendem Mutterschaftsgeld und dem Nettoarbeitsentgelt zu zahlen
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, daß der Arbeitgeber gemäß MuSchG § 14 Abs. 1 S. 1 verpflichtet ist, seiner Arbeitnehmerin den Unterschiedsbetrag zwischen dem von der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragenden Mutterschaftsgeld und dem Nettoarbeitsentgelt zu zahlen.
2. Diese Entscheidung hat Gesetzeskraft.
Normenkette
MuSchG § 14 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1968-04-18; GG Art. 6 Abs. 4, Art. 3 Abs. 1; RVO § 200d Abs. 1
Tenor
§ 14 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz – MuSchG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. April 1968 (Bundesgesetzbl. I S. 315), ergänzt durch § 91 Buchstabe d des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte – KVLG) vom 10. August 1972 (Bundesgesetzbl. I S. 1433), ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Gründe
A.
Das Verfahren betrifft die Frage, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, daß der Arbeitgeber einen Zuschuß zum Mutterschaftsgeld zahlen muß.
I.
Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) sieht zum Schutze der erwerbstätigen Mutter neben Beschäftigungsverboten und einem Kündigungsschutz einen Entgeltschutz (§§ 11-17) vor. Die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Frauen erhalten innerhalb der Schutzfrist von in der Regel sechs Wochen vor (§ 3 Abs. 2) und acht Wochen nach der Entbindung (§ 6 Abs. 1 Satz 1) von ihrer Krankenkasse ein Mutterschaftsgeld, das dem bisherigen arbeitstäglichen Nettoverdienst entspricht und mindestens 3.50 DM, höchstens aber 25 DM je Kalendertag beträgt (§ 200 Abs. 2 Sätze 1 und 2 RVO). Wegen der Begrenzung auf 25 DM je Kalendertag wird bei Frauen, deren Nettoverdienst diese Beträge übersteigt, die Höhe des bisherigen Arbeitseinkommens nicht erreicht. Um in diesen Fällen den Unterschied zwischen dem bisherigen Nettoeinkommen und dem Mutterschaftsgeld auszugleichen, sieht das Gesetz einen Zuschuß in Höhe des Differenzbetrages vor, den in der Regel der Arbeitgeber (§ 14 Abs. 1 Satz 1), in Ausnahmefällen der Bund zu tragen hat (§ 14 Abs. 2). Die maßgebende Vorschrift lautet in der jetzigen Fassung:
§ 14
Zuschuß zum Mutterschaftsgeld
(1) Frauen, die Anspruch auf ein kalendertägliches Mutterschaftsgeld (§ 200 der Reichsversicherungsordnung, § 27 des Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte oder § 13 Abs. 2) haben, erhalten von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuß in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Mutterschaftsgeld und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt…
(2) …
II.
1. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens war von 1969 bis 1971 in der Kanzlei eines Rechtsanwalts, des Beklagten, als Stenotypistin gegen ein Monatsgehalt von 1250 DM brutto tätig. Ab 9. Oktober 1970 fiel sie unter die Schutzfrist nach dem Mutterschutzgesetz, die bis zum 2. Januar 1971 währte. Während dieser Zeit erhielt sie von der Krankenkasse Mutterschaftsgeld von 25 DM netto je Tag. Der beklagte Arbeitgeber weigerte sich, ihr den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld von insgesamt 500 DM zu zahlen, weil er die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG für verfassungswidrig hielt. Der Klage auf den Zuschuß gab das Arbeitsgericht statt.
2. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht, nachdem eine erste Vorlage sich als unzulässig erwiesen hatte (BVerfGE 34, 257), das Verfahren erneut ausgesetzt und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die Vorschrift über den Zuschuß des Arbeitgebers mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Zur Begründung führt es aus, die Entscheidung des Rechtsstreits hänge ausschließlich davon ab, ob die §§ 13, 14 MuSchG verfassungswidrig seien oder nicht. Die Zuschußpflicht des Arbeitgebers sei mit Art. 6 Abs. 4 GG unvereinbar. Der Gesetzgeber habe bei der Änderung des Mutterschutzgesetzes im Jahre 1965, die später jedoch nicht in Kraft getreten sei, selbst eingesehen, daß er den Arbeitgeber von der Belastung mit dem Entgelt freistellen müsse. Von der Verwirklichung dieser rechtspolitischen Zielsetzung sei er dann aus rein fiskalischen Erwägungen wieder abgerückt. Es sei auch nicht einzusehen, daß Arbeitgeber mit wenig verdienenden Arbeitnehmerinnen ganz von der Last freigestellt würden, während einem Arbeitgeber die Kosten „im Keim” aufgebürdet würden, sobald er eine besser bezahlte Arbeitnehmerin beschäftigte. Außerdem benachteilige die Regelung vor allem die Arbeitgeber, die vorwiegend Frauen beschäftigen.
III.
1. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, der sich namens der Bundesregierung geäußert hat, hält die Regelung für vereinbar mit dem Grundgesetz. Art. 6 Abs. 4 GG enthalte keinen subjektiven Anspruch einer Mutter gegen die Gemeinschaft, sondern lediglich einen bindenden Auftrag an den Gesetzgeber, für jede Mutter den notwendigen Schutz und die notwendige Fürsorge sicherzustellen. Bei der näheren Ausgestaltung des Mutterschutzes könne der Gesetzgeber den Arbeitgebern Pflichten auferlegen. Auch Art. 3 GG sei nicht verletzt; denn es sei sachlich gerechtfertigt, die Arbeitgeber im Gegensatz zu anderen Gruppen zu belasten, weil der Anspruch auf den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld ein Anspruch aus dem von der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bestimmten Arbeitsverhältnis sei. Es sei auch nicht willkürlich, daß Arbeitgeber, die viele Frauen mit höherem Verdienst beschäftigten, stärker belastet würden als andere Arbeitgeber.
2. Der Präsident des Bundesarbeitsgerichts hat unter anderem auf die Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 9. September 1971 (AP Nr. 4 zu § 11 MuSchG 1968) und vom 14. April 1972 (AP Nr. 6 zu § 11 MuSchG 1968) hingewiesen, die sich mit der Verfassungsmäßigkeit der Lohnfortzahlungspflicht bei Eintritt von Beschäftigungsverboten befassen. In dem ersten Urteil hat das Bundesarbeitsgericht im Hinblick darauf, daß die Mutter nach Art. 6 Abs. 4 GG Anspruch auf Schutz und Fürsorge durch die Gemeinschaft habe, Zweifel daran geäußert, ob die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers verfassungsmäßig ist. Weitere Bedenken ergäben sich aus Art. 3 Abs. 1 GG, weil vor allem Arbeitgeber, die vorwiegend Frauen beschäftigten, unter Umständen übermäßig stark belastet würden und sich eine gerechtere Lösung etwa durch ein Ausgleichsverfahren nach dem Lohnfortzahlungsgesetz denken lasse. Diese Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hätten sich aber nicht zur Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit verdichtet und deshalb nicht zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht geführt, zumal mit einer solchen Vorlage dem Schutze der Mutter auch nicht gedient gewesen sei. In dem zweiten Urteil hat das Bundesarbeitsgericht von einer Vorlage abgesehen, weil die Belastung des Arbeitgebers nicht unverhältnismäßig oder unzumutbar sei.
3. Der 3. Senat des Bundessozialgerichts hält § 14 Abs. 1 Satz 1 für vereinbar mit dem Grundgesetz.
B.
Die Vorlage ist zulässig. Doch muß die Vorlagefrage eingeschränkt werden.
Das vorlegende Gericht hat zwar ausgeführt, daß es die §§ 13, 14 für verfassungswidrig halte. Aus dem Zusammenhang des Vorlagebeschlusses ergibt sich aber, daß es nur insoweit einen Verstoß gegen das Grundgesetz annimmt, als der Arbeitgeber den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld zahlen muß. Das ist in § 14 Abs. 1 Satz 1 geregelt. Nur diese Vorschrift ist entscheidungserheblich.
C.
§ 14 Abs. 1 Satz 1 ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
I.
Art. 6 Abs. 4 GG ist nicht verletzt. Diese Verfassungsnorm schützt die Mutter, nicht aber den Arbeitgeber.
1. Soweit Art. 6 Abs. 4 GG ein Schutz- und Fürsorgegebot zugunsten der Mutter enthält, ist die Norm durch § 14 Abs. 1 Satz 1 nicht verletzt. Eine Vorschrift, die der Mutter während der Schutzfrist Bezüge in voller Höhe ihres Nettoeinkommens sichert, verwirklicht gerade den Schutz der Mutter.
Der gesetzliche Mutterschutz verfolgt ganz allgemein das Ziel, den Widerstreit zwischen den Aufgaben der Frau als Mutter und ihrer Stellung im Berufsleben als Arbeitnehmerin im Interesse der Gesunderhaltung von Mutter und Kind auszugleichen. Insoweit verwirklicht das Mutterschutzgesetz zu einem Teil das Verfassungsgebot des Art. 6 Abs. 4 GG (BAG 14, 304 (309)). Allerdings könnte man daran denken, daß die angeordnete Belastung der Arbeitgeber Frauen oder Mütter mittelbar benachteiligen könnte, falls nämlich Arbeitgeber die Einstellung jüngerer Arbeitnehmerinnen einschränken oder niedrigere Löhne vereinbaren würden. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob Art. 6 Abs. 4 GG auch solche mittelbare Benachteiligungen solcher potentieller Mütter ausschließt. Zum einen ist nicht ersichtlich, daß die zu prüfende Norm sich bisher tatsächlich in dieser Richtung ausgewirkt hätte; zum anderen würden solche Nebenwirkungen noch nicht ausreichen, um die unbestreitbare Begünstigung der Mütter in Frage zu stellen.
2. § 14 Abs. 1 Satz 1 verstößt auch nicht deswegen gegen Art. 6 Abs. 4 GG, weil der Entgeltschutz der Mutter während der Schutzfrist zum Teil auf Kosten des Arbeitgebers gewährleistet wird.
Die Kosten des Mutterschutzes brauchen von Verfassungs wegen nicht ausschließlich vom Staat getragen zu werden. Der Wortlaut des Art. 6 Abs. 4 GG läßt die Möglichkeit offen, daß die Gemeinschaft den Entgeltschutz der Mutter zumindest teilweise auf anderem Wege sicherstellt. Auch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 6 Abs. 4 GG ergibt sich nichts dafür, daß der Staat die Mittel allein aufzubringen hat. Nach Art. 119 Abs. 3 WRV hatte „die Mutterschaft … Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge des Staats”. Schon dazu wurde die Auffassung vertreten, daß es im freien Ermessen des Gesetzgebers stehe, wie er im einzelnen die Ansprüche der Mutterschaft auf Schutz und Fürsorge befriedige (vgl. Wieruszowski in Nipperdey, Die Grundrechte und Grundpflichten der Reichsverfassung, Kommentar, 2. Bd. (Artikel 118-142), 1930, S. 93). Dabei legte der Wortlaut („des Staats”) eine alleinige Leistungspflicht der öffentlichen Hand näher als der Wortlaut des Art. 6 Abs. 4 GG („der Gemeinschaft”). Da außerdem bei Entstehen des Art. 6 Abs. 4 GG schon lange Zeit Vorschriften bestanden, nach denen der Mutterschutz jedenfalls zum Teil zu Lasten der Arbeitgeber ging, so hätte es nahegelegen, eine etwa gewollte Abkehr von dem bisherigen Rechtszustand zu verdeutlichen und den Staat nunmehr klar als den allein Pflichtigen zu bezeichnen. Dafür fehlt jeder Anhaltspunkt in den Materialien. Art. 6 Abs. 4 GG soll nach Sinn und Zweck die Mutter schützen. Eine Schutzvorschrift zugunsten des Arbeitgebers ist sie nicht, ähnlich wie Art. 6 Abs. 5 GG nur das nichteheliche Kind und nicht auch den unterhaltspflichtigen Vater schützt (vgl. BVerfGE 17, 148 (153); 26, 44 (60 f.)).
Diese Auslegung des Art. 6 Abs. 4 GG steht in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 6 GG, nach der der Gesetzgeber bei der Verwirklichung positiver Schutz- und Fürsorgepflichten nicht zu stark in seiner Gestaltungsfreiheit eingeengt werden soll. So ist im Urteil vom 10. Mai 1960 ausgeführt, Art. 6 GG sage nichts darüber, wie ein Familienlastenausgleich durchgeführt werden dürfe; damals wurde die Rüge der Arbeitgeber, ihre Heranziehung zu den Familienausgleichskassen verletze Art. 6 GG, als offensichtlich unbegründet bezeichnet (BVerfGE 11, 105 (126)). Nach dem Beschluß vom 13. Dezember 1966 kann der Gesetzgeber grundsätzlich im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen besonderen Schutz der Ehe verwirklichen will (BVerfGE 21, 1 (6)).
Der Gesetzgeber hat die finanziellen Lasten des Mutterschutzes auf mehrere der in Betracht kommenden Kostenträger (Staat, gesetzliche Krankenversicherung, Arbeitgeber) verteilt. Das Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter (Mutterschutzgesetz) vom 24. Januar 1952 (BGBl. I S. 69) behielt die vorher geltende Regelung im Grundsatz bei, nach der die in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Mütter Anspruch auf Wochengeld – so hieß das Mutterschaftsgeld damals – aus der gesetzlichen Krankenversicherung erhielten und die anderen Mütter einen Lohnfortzahlungsanspruch gegen ihren Arbeitgeber hatten. Nach §§ 12, 13 MuSchG 1952 hatten nur noch die in der gesetzlichen Krankenversicherung Pflichtversicherten einen Anspruch auf Wochengeld, während die freiwillig Versicherten in Abweichung von der bisherigen Regelung wie die Nichtversicherten an den Arbeitgeber verwiesen wurden. § 14 MuSchG bestimmte zur weiteren Entlastung der gesetzlichen Krankenversicherung, daß der Bund ihren Trägern die Kosten zu ersetzen hatte. Das Gesetz zur Änderung des Mutterschutzgesetzes und der Reichsversicherungsordnung vom 24. August 1965 (BGBl. I S. 912) sah vor, daß die Mutter ohne Rücksicht auf eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung ein Mutterschaftsgeld in Höhe ihres bisherigen Nettoeinkommens von den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung erhielt, denen der Bund es weitgehend erstattete (§ 13 MuSchG in der Fassung des Art. 1 Nr. 15 des Gesetzes, §§ 200 ff. RVO in der Fassung des Art. 2 Nr. 6 des Gesetzes). Diese Regelung trat wegen der angespannten Haushaltslage des Bundes (vgl. BTDrucks. V/58, S. 7 zu Art. 4) nicht in Kraft. Die jetzt geltende gesetzliche Regelung geht auf das Finanzänderungsgesetz 1967 zurück, das vor allem auf dem Gebiet der Sozialversicherung Einsparungen für den Bundeshaushalt brachte. Eine Entlastung des Bundeshaushalts sollte dadurch erreicht werden, daß der Betrag, den der Bund den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung für jeden Leistungsfall zu erstatten hatte, auf 400 DM begrenzt wurde. Für das von den Krankenkassen zu zahlende Mutterschaftsgeld wurde ein Höchstbetrag von täglich 25 DM festgesetzt. Um die Differenz zwischen diesem Höchstbetrag und dem tatsächlichen Nettoarbeitsentgelt der Frauen auszugleichen, sollte der Arbeitgeber einen entsprechenden Zuschuß gewähren. Mit diesem Zuschuß bezweckte man eine Entlastung für die Krankenkassen; andererseits wollte man eine zu starke Belastung der Arbeitgeber vermeiden (vgl. Sten- Ber. über die 142. Sitzung des Bundestages vom 8. Dezember 1967, 5. Wp., S. 7290 f.). Eine solche Aufteilung der Kosten zwischen Bund, Krankenkassen und Arbeitgeber ist verfassungsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden.
II.
§ 14 Abs. 1 Satz 1 führt nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von Arbeitgebern (Art. 3 Abs. 1 GG).
Allerdings werden Arbeitgeber mit einem hohen Anteil von Frauen unter ihren Arbeitnehmern häufiger den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld zahlen müssen als Arbeitgeber, die überwiegend Männer beschäftigen. Ferner sind Arbeitgeber, die überdurchschnittlich viele hoch entlohnte Frauen beschäftigen, schlechter gestellt als Arbeitgeber mit großenteils niedrig bezahlten Arbeitnehmerinnen, weil der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld erst dann zu zahlen ist, wenn der Nettoverdienst 25 DM pro Kalendertag übersteigt. Die so erkennbare Ungleichbehandlung ist aber bei beiden Vergleichspaaren nicht evident unsachlich und damit nicht willkürlich.
Diese Ungleichbehandlung von Arbeitgebern wirkt sich bei der Aufteilung der Lasten des Mutterschutzes nur in dem Bereich aus, in dem Arbeitgeber überhaupt zum Entgeltschutz während der Schutzfrist herangezogen werden. Dieser Bereich ist nach wie vor nicht übermäßig groß. Ein Arbeitgeber braucht den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld erst dann zu zahlen, wenn eine Frau mehr als 25 DM netto pro Kalendertag verdient, was rund 750 DM netto im Monat entspricht. Im Jahre 1971 verdienten nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes nur 22,4% aller erwerbstätigen Frauen 800 DM netto und mehr im Monat. Zudem ist der Anteil werdender Mütter in der Gruppe der höher verdienenden Frauen niedriger als der Anteil werdender Mütter an der Gesamtzahl der Arbeitnehmerinnen, vorwiegend weil der Verdienst mit dem Alter steigt. Die Lohnsteigerungen der letzten Jahre haben zwar dazu geführt, daß immer mehr Frauen die Grenze überschreiten, von der an der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld zu zahlen ist. Doch hat der Geburtenrückgang der danach zu erwartenden Zunahme der Fälle, in denen der Arbeitgeber in Anspruch genommen wird, entgegengewirkt. Schließlich hält sich der Zuschuß, wenn er gezahlt werden muß, zumeist in Grenzen. Erst wenn das Arbeitseinkommen der Mutter knapp 1 200 DM netto pro Monat beträgt, überschreitet der Zuschuß für die gesamte Dauer der Schutzfrist ein Netto-Monatsgehalt. Einen Verdienst von 1 200 DM netto und mehr hatten im Jahre 1971 nach den Feststellungen des Statistischen Bundesamtes aber nur 6,3% aller erwerbstätigen Frauen und demnach nur verhältnismäßig wenige werdende Mütter. Insgesamt erreicht jedenfalls der Aufwand der Arbeitgeber für den Zuschuß zum Mutterschaftsgeld die Leistungen sowohl des Bundes als auch der gesetzlichen Krankenversicherung für das Mutterschaftsgeld bei weitem nicht. Zwar geht der Mutterschutz der erwerbstätigen Frau, soweit er außer dem Entgeltschutz während der Schutzfrist durch Beschäftigungsverbote bei Lohnfortzahlung und den Kündigungsschutz verwirklicht ist, im wesentlichen zu Lasten der Arbeitgeber. Das hat aber auf die Beurteilung der hier zu prüfenden, die Arbeitgeber nur maßvoll belastenden Regelung keinen entscheidenden Einfluß, zumal gerade für die Mütter, die Anspruch auf einen Zuschuß in nennenswerter Höhe haben, also für die gut verdienenden Frauen, Beschäftigungsverbote seltener eingreifen werden.
Die Ungleichbehandlung zwischen Arbeitgebern mit hohem und mit niedrigem Anteil von Frauen unter den Arbeitnehmern im besonderen erscheint nicht als willkürlich. Der Arbeitgeber, der aufgrund freien Entschlusses und im eigenen Erwerbsinteresse mit verhältnismäßig mehr Frauen Arbeitsverhältnisse begründet, geht auch gegenüber mehr Frauen die sich aus einer möglichen Mutterschaft ergebenden erhöhten Schutz- und Fürsorgepflichten ein, die einen derartigen Beitrag des Arbeitgebers zum Entgeltschutz unabhängig davon rechtfertigen.
Die weitere Ungleichbehandlung, die sich daraus ergibt, daß Arbeitgeber mit überwiegend wenig verdienenden Frauen als Beschäftigten seltener einen Zuschuß zahlen müssen, der dann oft auch noch weniger hoch ist, als andere Arbeitgeber mit überdurchschnittlich vielen besser bezahlten Arbeitnehmerinnen, ist ebenfalls nicht offensichtlich sachfremd. Der Gleichbehandlung aller würde zwar eine Regelung, wonach jeder Arbeitgeber während der Schutzfrist einen bestimmten Prozentsatz des Lohnes fortzuzahlen hat, möglicherweise mehr entsprechen. Wenn der Gesetzgeber sich aber statt für eine nach dem Arbeitseinkommen progressiv ansteigende Belastung aller für eine Freistellung der niedrigeren Löhne und Gehälter und zu einer stärkeren Belastung der höheren entscheidet, so hält er sich in den Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit. Er kann sich dabei auch davon leiten lassen, daß bei Zahlungen, die nur gelegentlich und nicht auf Dauer an einzelne Arbeitnehmerinnen zu erbringen sind, mithin für den einzelnen Arbeitgeber in aller Regel keine allzu große Belastung bedeuten, die hier gewählte Lösung praktische Vorzüge haben mag.
Von einer willkürlichen Ungleichbehandlung kann auch deshalb keine Rede sein, weil der Gesetzgeber davon ausgehen konnte, daß die miteinander in wirtschaftlichem Wettbewerb stehenden Betriebe im allgemeinen die gleiche Beschäftigungsstruktur aufweisen.
III.
§ 14 Abs. 1 Satz 1 verstößt auch nicht gegen andere Normen des Grundgesetzes.
1. Das Grundrecht der Arbeitgeber auf Freiheit der Berufsausübung ist nicht verletzt. Die hier zu erörternde Vorschrift steht weder in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs noch läßt sie eine berufsregelnde Tendenz erkennen (vgl. BVerfGE 13, 181 (185 f.); 16, 147 (162); 29, 327 (333)). Der Zuschuß zum Mutterschaftsgeld trifft die Arbeitgeber ohne Rücksicht auf ihren Beruf.
2. Auch Art. 14 GG ist nicht verletzt. Dieses Grundrecht schützt jedenfalls nicht vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten, die einen verhältnismäßig geringen Umfang haben.
Fundstellen
Haufe-Index 60537 |
BVerfGE 37, 121-131 (LT1) |
BVerfGE, 121 |
DB 1974, 1291-1294 (LT1) |
NJW 1974, 1461 |
NJW 1974, 1461-1462 (LT1) |
FamRZ 1974, 433-436 (LT1) |
SAE 1975, 141-144 (LT1) |
USK, 7441 (LT1) |
ZfSH 1974, 236-238 (LT1) |
AP MuSchG 1968 § 14, (LT1) |
ArbSch 1974, 211-213 (LT1) |
Die Leistungen 1975, 200-204 (LT1) |
SozR, 7830 § 14 Nr. 1 (LT1) |
ZblJugR 1976, 91-95 (LT1) |