Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderausgabenabzug für Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
§ 40 Absatz 1 Nummer 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 10. Dezember 1965 (Bundesgesetzbl. I S. 1901) war mit dem Grundgesetz vereinbar.
Normenkette
EStG § 40 Abs. 1 Nr. 2; GG Art. 6 Abs. 1
Tatbestand
A.
Das vorlegende Gericht sieht in der Regelung des Sonderausgabenabzugs für Ehegatten in § 40 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom 10. Dezember 1965 (EStG 1965 – BGBl I S. 1901 –) eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 GG, weil Ehegatten dadurch gegenüber Unverheirateten mit gleichen Sonderausgaben benachteiligt würden, wenn die Sonderausgaben eines Ehegatten höher sind als 936 DM, die des anderen aber diesen Pauschbetrag nicht erreichen.
I.
§ 10 c EStG 1965 sieht bei der Besteuerung des Einkommens den Abzug von besonderen Pauschbeträgen für Sonderausgaben vor. Diese Bestimmung lautet:
Pauschbeträge für Sonderausgaben
Für Sonderausgaben im Sinne der §§ 10 und 10 b sind bei der Ermittlung des Einkommens die folgenden Pauschbeträge abzuziehen, wenn nicht höhere Sonderausgaben nachgewiesen werden:
in den Fällen, in denen in den Einkünften des Steuerpflichtigen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit enthalten sind:
ein Pauschbetrag von 936 Deutsche Mark;
- …
- …
Bei Ehegatten, die nach §§ 26, 26 b zusammen veranlagt werden, wird für jeden Ehegatten der für ihn in Betracht kommende Pauschbetrag … gewährt, …
Weisen Arbeitnehmer-Ehegatten, die unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, über den Pauschbetrag liegende Sonderausgaben nach, so hat das FA den übersteigenden Betrag nach Maßgabe des § 40 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1965 auf der Lohnsteuerkarte zu vermerken, wenn nicht die Ehegatten eine besondere Aufteilung beantragen.
§ 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1965 lautet:
Vom Arbeitslohn abzuziehende Beträge
(1) Auf Antrag des Arbeitnehmers sind für die Berechnung der Lohnsteuer vom Arbeitslohn abzuziehen
1. …
2. Sonderausgaben (§§ 10, 10 b), soweit sie den in § 10 c Ziff. 1 bezeichneten Pauschbetrag übersteigen. Sonderausgaben von Ehegatten, die beide Arbeitnehmer sind und bei denen die Voraussetzungen für eine Zusammen Veranlagung nach § 26 Abs. 1 vorliegen, sind, soweit sie die den Ehegatten nach § 10 c Ziff. 1 zustehenden Pauschbeträge übersteigen, bei jedem Ehegatten zur Hälfte zu berücksichtigen, wenn nicht die Ehegatten eine andere Aufteilung beantragen.
3. bis 5. … § 22 Abs. 2 Nr. 2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung vom 22. November 1965 (LStDV 1965) – BGBl. I S. 1829 – lautet:
(2) Sonderausgaben (§ 20 a Abs. 2, und 3) von Ehegatten, die unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, sind einheitlich festzustellen. Weisen diese. Ehegatten nach, daß die Sonderausgaben höher sind als
- 936 Deutsche Mark im Kalenderjahr, wenn nur einer der Ehegatten Arbeitslohn bezieht,
- 1 872 Deutsche Mark im Kalenderjahr, wenn beide Ehegatten Arbeitslohn beziehen,
so hat das Finanzamt den übersteigenden Betrag im Fall der Ziffer 1 auf der Lohnsteuerkarte dieses Ehegatten als steuerfrei zu vermerken, im Fall der Ziffer 2 auf der Lohnsteuerkarte jedes Ehegatten zur Hälfte als steuerfrei zu vermerken, wenn nicht die Ehegatten eine andere Aufteilung beantragen.
II.
1. Die Kläger des Ausgangsverfahrens sind Eheleute. Sie hatten im Jahre 1965 beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Für dieses Kalenderjahr beantragten sie den gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich. Das FA lehnte den Antrag ab, da sich eine Erstattung nicht ergab. Der Ehemann hatte sich einen steuerfreien Betrag wegen erhöhter Sonderausgaben auf seiner Lohnsteuerkarte eintragen lassen (2 330 DM minus 936 DM Pauschbetrag = 1 394 DM) und dabei versichert, daß für seine Ehefrau keine Lohnsteuerkarte 1965 ausgeschrieben worden sei. Seine Ehefrau war aber im Besitz einer Lohnsteuerkarte 1965 der Steuerklasse V und hatte während des ganzen Jahres in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Das FA erkannte bei Durchführung des Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1965 die geltend gemachten Sonderausgaben nur insoweit an, wie sie den doppelten Sonderausgaben-Pauschbetrag von 1 872 DM überstiegen. Es lehnte deshalb eine Erstattung ab. Die zu wenig entrichtete Lohnsteuer und Lohnkirchensteuer forderte es durch Bescheid vom 1. April 1966 nach. Hiergegen erhoben die Kläger (Sprung-)Klage zum FG.
2. Das FG hat das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG ausgesetzt, um die Entscheidung des BVerfG darüber einzuholen,
ob § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1965 mit der Folge verfassungswidrig ist, daß das auch für § 22 Abs. 2 Nr. 2 LStDV 1965 gilt.
Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts verstößt die gesetzliche Regelung gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Pauschbeträge stellten eine durch die besondere Form des Lohnsteuerabzugsverfahrens bedingte Vereinfachungsmaßnahme dar. Aber auch solche Vereinfachungsmaßnahmen dürften nicht verfassungswidrig sein. Die Berechnungsvorschrift des § 22 Abs. 2 Nr. 2 LStDV (= § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG) verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 GG, da sie gerade an die Ehe wirtschaftlich nachteilige Folgen für die Ehegatten knüpfe. Danach würden Ehegatten immer schlechter gestellt als Unverheiratete mit gleichen Sonderausgaben, wenn die Sonderausgaben des einen Ehegatten über dem Pauschbetrag von 936 DM lägen und die des anderen darunter. Verlobte könnten dadurch von einer Eheschließung abgehalten werden.
Es handele sich dabei auch nicht um eine unbeabsichtigte Nebenfolge einer im allgemeinen für Ehegatten günstigen Gesamtregelung über Sonderausgaben; denn die Benachteiligung der Ehegatten sei durch die Schaffung des § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG und des § 22 Abs. 2 Nr. 2 LStDV 1965 ausdrücklich gewollt. Selbst wenn die Lage der Ehegatten hinsichtlich des Abzugs von Sonderausgaben durch die Eheschließung in verschiedener Hinsicht sogar verbessert werde, so vermöge dies die Schlechterstellung in Fällen der vorliegenden Art bei Eheleuten in bescheidenen Einkommensverhältnissen, nicht zu rechtfertigen.
Solche Fälle seien auch nicht außergewöhnlich und selten. Oft hätten gerade Ehefrauen wegen Belastung im Haushalt nur geringe Einkünfte und Sonderausgaben. Für die von der beanstandeten Regelung betroffenen Eheleute seien auch geringe, auf dieser Berechnung beruhende Mehrkosten von erheblicher Bedeutung.
III.
1. Der BdF, der sich namens der Bundesregierung geäußert hat, hält die zur Prüfung gestellten Vorschriften mit Art. 6 Abs. 1 GG für vereinbar.
Die vom vorlegenden Gericht für verfassungsgerecht gehaltene Lösung hätte eine unverhältnismäßige und systemfremde Begünstigung der Ehegatten zur Folge, da in diesem Fall den Ehegatten auch bei Ermittlung ihrer tatsächlichen Aufwendungen an Sonderausgaben nicht die wirklichen, sondern fiktive Beträge zugewendet würden. Ehegatten hätten jedoch keinen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, daß ihnen der Gesetzgeber neben dem doppelten Pauschbetrag zusätzlich eine günstigere Berechnungsweise für die Ermittlung der Summe ihrer tatsächlich aufgewendeten Sonderausgaben zugestehe.
Nach dem gesetzlichen System der Berücksichtigung der Sonderausgaben seien zusammenlebende Ehegatten hinsichtlich der Sonderausgaben als Einheit zu behandeln. Dies ergebe sich einmal aus der Tatsache, daß die nur einmal anzurechnenden Höchstbeträge (§ 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG 1965) sich nach dem Familienstand des Steuerpflichtigen richteten. Auch die Einräumung eines Wahlrechts hinsichtlich der Verteilung der Sonderausgaben in § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1965 sei nur dann sinnvoll, wenn bei beiden Ehegatten – bei Zusammenveranlagung oder getrennter Veranlagung – die Sonderausgaben einheitlich festgestellt würden. Eine getrennte Berechnung – wie bei den Werbungskosten – sei nur möglich, wenn jeder Ehegatte nur seine auf Grund persönlicher Verpflichtung zu leistenden Aufwendungen als Sonderausgaben geltend machen könne. Der Gesetzgeber habe jedoch die als Sonderausgaben abzugsfähigen Lebensführungskosten – anders als die Werbungskosten – als den einzelnen Ehegatten nicht eindeutig zuzuordnende Aufwendungen der Ehegemeinschaft betrachtet. Die einheitliche Ermittlung allein führe grundsätzlich zu keiner Benachteiligung der Ehegatten.
Der gesetzlichen Regelung, die sicherstelle, daß die von den Ehegatten tatsächlich geleisteten Aufwendungen steuerlich immer berücksichtigt würden, wohne danach – objektiv – keine Tendenz gegen die Ehe inne. Im Einzelfall gegebene Schlechterstellungen von Ehegatten erwiesen sich als unbeabsichtigte Nebenfolge, die auch im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 GG unbeachtet bleiben könne.
2. Der BFH hat auf die Rechtsprechung des VI. Senats hingewiesen, der den doppelten Abzug des Sonderausgaben-Pauschbetrags bei Ehegatten sowohl beim gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleich (BStBl 1965 III S. 176; 1958 III S. 77) als auch für den Fall der getrennten Veranlagung (BStBl 1967 III S. 114) für verfassungsmäßig gehalten habe. Im Beschluß vom 13. Oktober 1967 (BStBl 1968 II S. 118) sei dieser Frage keine grundsätzliche Bedeutung mehr beigemessen worden.
Entscheidungsgründe
B.
Die. Vorlage ist zulässig.
1. Das vorlegende Gericht hält § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1965 für verfassungswidrig. Entscheidungserheblich ist aber lediglich § 40 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2, der mit dem vom Gericht herangezogenen § 22 Abs. 2 Nr. 2 LStDV 1965 sachlich übereinstimmt. Das Gericht will bei Ungültig keit dieser Bestimmungen offensichtlich die Sonder ausgaben der Ehegatten wie bei einer Einzelveranlagung getrennt ermitteln und bei der anschließenden Zusammenrechnung den Pauschbetrag eines Ehegatten auch dann beibehalten, wenn dessen Sonderausgaben der Pauschbetrag nicht erreichen. Diese Auslegung der nach Ungültigkeit des § 40 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1965 verbleibenden Bestimmung des § 40 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 1965 (möglicherweise in Verbindung mit § 10 c Satz 2 EStG 1965) ist jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbar.
2. Im Ausgangsverfahren kommt es auf die Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1965 und nicht nur des § 22 Abs. 2 Nr. 2 LStDV 1965 an.
Das vorlegende Gericht will zwar im Rahmen des gemeinsamen Lohnsteuer-Jahresausgleichs 1965 der Ehegatten und der Lohnsteuer-Nachforderung 1965 vom Ehemann unmittelbar nur § 22 Abs. 2 Nr. 2 LStDV 1965 anwenden. Wenn es für seine Entscheidung nur auf die Gültigkeit dieser Bestimmung ankäme, wäre die Vorlage unzulässig, da sich die Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG auf Gesetze im formellen Sinne beschränkt und das vorlegende Gericht somit die Verfassungsmäßigkeit des § 22 Abs. 2 Nr. 2 LStDV 1965 selbst prüfen könnte.
Eine andere Beurteilung ist jedoch in den Fällen geboten, in denen der Verordnunggeber bei Erlaß einzelner Bestimmungen nur den wesentlichen Inhalt des ermächtigenden Gesetzes wiederholt. Dann kommt es nicht nur auf die Verfassungsmäßigkeit der Verordnung, sondern auf die des Gesetzes selbst an. Die Verfassungswidrigkeit beruht dann auf dem Willen des Gesetzgebers (BVerfGE 12, 319 [322]; 30, 227 [240 f.]).
Dies ist im Verhältnis zwischen § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1965 und § 22 Abs. 2 Nr. 2 LStDV 1965 der Fall. § 22 Abs. 2 Nr. 2 LStDV 1965 hat seine Rechtsgrundlage in §§ 39 Abs. 3 Nr. 3, 51 Abs. 1 Nr. 1 b in Verbindung mit § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1965 (BFH, BStBl 1965 III S. 176). Diese Bestimmung spricht zwar nicht ausdrücklich von der Summe der Pauschbeträge der Ehegatten. Aus der Verweisung auf § 10 c und § 26 EStG 1965 in Verbindung mit 26 a Abs. 2 EStG 1965 ergibt sich jedoch, daß nur die Summe der Pauschbeträge der Ehegatten gemeint sein kann, die demnach – wie nach § 22 Abs. 2 Nr. 2 LStDV 1965 – einheitlich festzustellen sind (BFH: HFR 1964 S. 166; BStBl 1965 III S. 176).
C.
Die Bestimmung des § 40 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1965 war mit dem Grundgesetz vereinbar.
I.
1. Der Schutz der Familie durch den Staat nach Art. 6 Abs. 1 GG umfaßt zweierlei: einmal die Aufgabe, Ehe und Familie vor Beeinträchtigungen durch andere Kräfte zu bewahren und durch geeignete Maßnahmen zu fördern; zum anderen das Verbot für den Staat selbst, die Ehe zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen (BVerfGE 6, 55 [76] ; seitdem ständige Rechtsprechung). Verheiratete dürfen nicht allein deshalb, weil sie verheiratet sind, Ledigen gegenüber benachteiligt werden. Allerdings widerspricht es dem Gebot des Ehe- und Familienschutzes nicht in jedem Fall, wenn der Gesetzgeber die normalerweise vorauszusetzende Lebens- und Interessengemeinschaft der Ehegatten und die sich daraus ergebende wirtschaftliche Situation berücksichtigt, wenn das der Natur des geregelten Lebensgebietes entspricht (BVerfGE 17, 210 [217] ; 18, 97 [107] ; 24, 104, [109]). Es ist deshalb zulässig, daß der Gesetzgeber Verheiratete steuerlich anders behandelt als Ledige, wenn einleuchtende Sachgründe erkennen lassen, daß die weichende Regelung ihren Grund in der durch die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft gekennzeichneten besonderen Situation der Ehegatten hat. Die Berücksichtigung dieser besonderen Lage muß gerade in dem konkreten Sachverhalt den Gerechtigkeitsvorstellungen der Allgemeinheit entsprechen (BVerfGE 17, 210 [217] ; 24, 107 [109]).
2. Die Regelung des § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1965 in Verbindung mit § 22 Abs. 2 Nr. 2 LStDV 1965 über die Berücksichtigung der den Pauschbetrag übersteigenden Sonderausgaben ist unter diesen Gesichtspunkten verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Liegen die tatsächlichen Aufwendungen jedes Ehegatten, die als Sonderausgaben abzugsfähig sind, jeweils unter 936 DM, so erhalten beide Ehegatten – wie zwei Ledige – je für sich den Pauschbetrag. Übersteigen die Sonderausgaben jedes Ehegatten für sich den Pauschbetrag, so entsteht ihnen im Vergleich zur Behandlung von zwei Ledigen ebenfalls kein Nachteil. Anders kann es nur sein, wenn die Sonderausgaben des einen Ehegatten den Pauschbetrag übersteigen, die des anderen ihn aber nicht erreichen; in diesen Fällen kann durch die Zusammenrechnung der tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Sonderausgaben eine Benachteiligung der Ehegatten gegenüber zwei Ledigen entstehen; denn der Ledige, dessen Sonderausgaben den Pauschbetrag nicht erreichen, erhält immer den Pauschbetrag von 936 DM, während Arbeitnehmer-Ehegatten nur den Betrag absetzen können, der den doppelten Sonderausgaben-Pauschbetrag von 1 872 DM übersteigt (zur Berechnung vgl. Abschnitt 42 a LStR). Allerdings tritt diese Benachteiligung nicht immer ein. Das vorlegende Gericht geht offensichtlich davon aus, daß Verheiratete wegen der von ihm beanstandeten Regelung des § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1965 sich immer schlechter stellen als Ledige mit gleichen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit. Eine solche Benachteiligung kann aber z.B. nicht eintreten, wenn der eine Ehegatte Einkünfte bezieht, die wegen der Freibeträge und der Werbungskostenpauschale (Grundfreibetrag = 1 680 DM; Arbeitnehmer-Freibetrag = 240 DM; Weihnachtsfreibetrag = 100 DM; Werbungskosten-Pauschbetrag = 564 DM; zusammen 2 584 DM) zur Steuer überhaupt nicht herangezogen werden, so (laß die Sonderausgaben-Pauschbeträge bei diesem Ehegatten sich nicht auswirken können. Ehegatten könne a sogar steuerlich bessergestellt sein, wenn die Sonderausgaben des allein zur Steuer herangezogenen Ehegatten den doppelten Pauschbetrag von 1 872 DM nicht erreichen, den die Ehegatten sowohl bei getrennter Veranlagung als auch bei Zusammenveranlagung beanspruchen können. Eine steuerliche Schlechterstellung der Ehegatten kann – auch bei Berücksichtigung eines möglichen Splitting – eintreten, wenn die zu versteuernden Einkommen der Ehegatten entweder annähernd gleich sind oder bei keinem der Ehegatten die Proportionalzone überschreiten. Für diese benachteiligende Differenzierung zwischen Ledigen und Verheirateten lassen sich jedoch in den verbleibenden Fällen einleuchtende Sachgründe feststellen.
a) Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist für Ehegatten gegenüber Ledigen eine gesetzliche Benachteiligung hinzunehmen, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Gleichbehandlung ausgeht und die Ehegatten teilweise begünstigt, teilweise benachteiligt werden, die gesetzliche Regelung im ganzen sich aber vorteilhaft oder zumindest „ehe-neutral” auswirkt und wenn die gesetzlichen Vorteile denen zugute kommen, die zu den von der Benachteiligung Betroffenen gehören (BVerfGE 11, 50 [58 f.]; 12, 151 [165 ff.] ; 15, 328 [333] ; 18, 97 [106 f]) . Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Wenn die Einkünfte der Ehegatten verschieden hoch sind und die Proportionalzone übersteigen, unterliegen sie infolge des Splitting einer geringeren steuerlichen Belastung als bei einer Einzelveranlagung zweier Lediger. Darüber hinaus kann sich bei Zusammenveranlagung und bei getrennter Veranlagung die steuerliche Beanspruchung von zwei Arbeitnehmern infolge der Berücksichtigung der Sonderausgaben nach einer Eheschließung dadurch vermindern, daß die Höchstbetragsgrenze für die beschränkt abzugsfähigen Sonderausgaben nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG 1965 auch dann verdoppelt wild, wenn nur einer der Ehegatten das 50. Lebensjahr vollendet hat. Außerdem können Sonderausgaben, die Ledige wegen der Höchstbetragsvorschriften nicht mehr ausnutzen können, auf den nicht ausgenutzten Höchstbetrag des Ehegatten übertragen werden (vgl. BFH: BStBl 1958 III S. 77; 1965 III S. 176). Schließlich können bei getrennter Veranlagung Ehegatten nach Belieben ihre Sonderausgaben so unter sich verteilen, wie es sich für die Gesamtbesteuerung am günstigsten auswirkt.
b) Die Verfassungsmäßigkeit des § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1965 ergibt sich auch aus Sinn und Zweck der Sonderausgaben und ihrer Bedeutung für die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft.
Sonderausgaben gehören zu den Kosten der privaten Lebensführung. Damit fallen sie in den Bereich der Einkommensverwendung. Konsum- und Vorsorgeentscheidungen werden in der Regel nicht isoliert von jedem Ehegatten für sich getroffen, sondern typischerweise von und für die Ehegatten. Sonderausgaben in einer Ehe sind regelmäßig nicht personen-, sondern ehebezogen. Von ähnlichen Erwägungen gehen auch die Darlegungen des BVerfG in der Entscheidung vom 12. Februar 1964 – 1 BvL 12/62 – (BVerfGE 17, 210 [220]) aus, wonach Ehegatten, die Bausparverträge abschließen, in der Regel für ein Bauvorhaben sparen.
Es läßt sich auch häufig nicht feststellen, wer von den Ehegatten die Sonderausgaben im einzelnen tatsächlich aus seinem Einkommen geleistet hat (BFH, BStBl 1958 III S. 77), oder voraussehen, wem die Leistungen (z.B. aus Rentenversicherung) einmal zugute kommen (BFH, BStBl 1966 III S. 676). Sonderausgaben können daher nur mit Schwierigkeiten einzelnen Ehegatten zugeordnet werden. Die aufgewendeten Beträge brauchen auch nicht dem laufenden Einkommen entnommen zu sein, sie können aus dem Vermögen herrühren. Bei Versicherungsleistungen zugunsten der Kinder (z.B. für Aussteuer, Ausbildung oder Krankheit) bereitet eine gerechte Aufteilung der Versicherungsbeiträge Schwierigkeiten, auch wenn beide Ehegatten entsprechend ihren Einkünften und Vermögensverhältnissen dazu beitragen. Beiträge zur Lebensversicherung des einen Ehegatten werden erforderlichenfalls auch von dem anderen Ehegatten geleistet, weil die Lebensversicherung zugleich auch seiner eigenen Sicherung dient. Durch diese Ausrichtung auf die Ehe unterscheiden sich die Sonderausgaben von den Werbungskosten, die als Aufwendungen zur Erzielung der jeweiligen Einkünfte den Einnahmen jedes Ehegatten ohne Schwierigkeiten nach objektiven Maßstäben zugerechnet werden können mit der Folge, daß der Werbungskostenpauschbetrag dem einen Ehegatten mit niedrigeren Werbungskosten auch dann erhalten bleibt, wenn der andere über seinen Pauschbetrag hinausgehende Werbungskosten geltend machen kann.
Sinn und Zweck der Sonderausgaben geboten nicht, an die formelle Zahlungspflicht anzuknüpfen; im Hinblick auf die Gemeinsamkeit der Interessen und Zweckvorstellungen konnte der Gesetzgeber die Ehegatten wegen der Sonderausgaben als Einheit ansehen (BFH, BStBl 1965 III S. 176) und ihre Sonderausgabe zusammenrechnen. Das den Ehegatten in § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1965 eingeräumte Wahlrecht und die dadurch mögliche beliebige Verteilung der Sonderausgaben unter den Ehegatten ist nur für diesen Fall gerechtfertigt. Sonst könnten Ehegatten mit beiderseitigen Lohneinkünften ihre gesamten Sonderausgaben bei einem von ihnen mit der Folge berücksichtigen lassen, daß der andere den Pauschbetrag zusätzlich in Anspruch nehmen könnte Eine getrennte Berechnung der Sonderausgaben würde nur für eine Regelung passen, bei der jeder Ehegatte lediglich seine eigenen auf Grund persönlicher Verpflichtung zu leistenden Sonderausgaben geltend machen kann.
Aus der somit zulässigen einheitlichen Berechnung der Sonderausgaben ergibt sich die Zulässigkeit der Regelung des § 40 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1965 in Verbindung mit § 22 Abs. 2 Nr. 2 LStDV 1965. Pauschbeträge dienen der Vereinfachung. Ihr Zweck besteht darin, in einer möglichst großen Zahl von Fällen die Sonderausgaben pauschal abzugelten und den Einzelnachweis entbehrlich zu machen. Werden die tatsächlich entstandenen Sonderausgaben geltend gemacht, so folgt aus der einheitlichen Berechnung der Sonderausgaben der Ehegatten, daß nur der Betrag zusätzlich abgesetzt werden darf, der die Summe der Pauschbeträge für beide Ehegatten über steigt. Bei einer anderen Regelung würde der Sonderausgaben-Pauschbetrag den Charakter eines Tariffreibetrages erhalten, den er nach seinem Sinn und Zweck nicht haben soll.
II.
Ehegatten, die dauernd getrennt leben, können nicht zusammen veranlagt werden; auch können sie nicht die getrennte Veranlagung wählen. Sie werden einzeln veranlagt mit der Folge, daß jeder den Pauschbetrag für Sonderausgaben in Höhe von 936 DM auf jeden Fall erhält. Die verschiedene Behandlung zwischen dauernd getrennt lebenden und nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten ist mit dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Nach ständiger finanzgerichtlicher Rechtsprechung liegt eine dauernde Trennung im Sinne des Steuerrechts nur dann vor, wenn sich die Trennung auf das eheliche Leben, den Haushalt und die Wirtschaftsführung erstreckt und ein Ehegatte die Absicht hat, diese Trennung für längere Zeit aufrechtzuerhalten (vgl. BVerfGE 6, 55 [79]) . Bei einer Einzelveranlagung werden die Nachteile, die die Regelung der Sonderausgaben-Pauschbeträge bei Ehegatten mit sich bringen kann, nicht durch Vorteile ausgeglichen, wie sie bei einer getrennten oder bei der Zusammenveranlagung eintreten können. Außerdem treffen die Erwägungen, die die Sonderausgaben nicht als personen-, sondern als ehebezogen erscheinen lassen, in diesem Fall nicht mehr in demselben Umfang zu wie bei einer intakten Ehe. Deshalb konnte der Gesetzgeber solche Ehegatten wie ledige Arbeitnehmer behandeln, da eine enge Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht mehr besteht und jeder Ehegatte seine eigenen, selbständigen Interessen verfolgt.
Fundstellen
BStBl II 1972, 325 |
BVerfGE 32, 260 |
BVerfGE, 260 |
NJW 1972, 524 |