Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungswidrigkeit der Verpackungsteuersatzung der Stadt Kassel und von Landesabfallabgabengesetzen
Leitsatz (amtlich)
Dem Bundesgesetzgeber ist durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG eine Zuständigkeit zur umfassenden Regelung des Rechts der Abfallwirtschaft eingeräumt.
Eine steuerrechtliche Regelung, die Lenkungswirkungen in einem nicht steuerlichen Kompetenzbereich entfaltet, setzt keine zur Steuergesetzgebungskompetenz hinzutretende Sachkompetenz voraus.
Der Gesetzgeber darf aufgrund einer Steuerkompetenz nur insoweit lenkend in den Kompetenzbereich eines Sachgesetzgebers übergreifen, als die Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderläuft.
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 74 Abs. 1 Nr. 24, Art. 72 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2a; VerpackStSa Kassel; AbfallG §§ 1a, 14 Abs. 2; VerpackV § 6; KrW-/AbfG § 22 Abs. 1, 4; KAG HE § 7; BVerfGG § 95 Abs. 3 S. 2, § 34a Abs. 2-3; VwGO § 47 Abs. 6
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 29.06.1995; Aktenzeichen 5 N 1202/92) |
Tenor
Die Satzung der Stadt Kassel über die Erhebung einer Verpackungsteuer in Kassel vom 16. Dezember 1991 (Amtliche Bekanntmachungen der Stadt Kassel, in: Hessische/Niedersächsische Allgemeine, Stadtausgabe Kassel Nr. 300 vom 28. Dezember 1991, Seite 18) ist mit Artikel 12 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 74 Absatz 1 Nummer 24, Artikel 105 Absatz 2a und dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig.
Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Juni 1995 – 5 N 1202/92 – verletzt das Grundrecht der Beschwerdeführerinnen aus Artikel 12 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 74 Absatz 1 Nummer 24, Artikel 105 Absatz 2a und dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes. Diese Entscheidung wird aufgehoben und das Verfahren an den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Damit erledigt sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung der Beschwerdeführerinnen zu 1.
Das Land Hessen hat den Beschwerdeführerinnen die notwendigen Auslagen für die Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
A.
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer kommunalen Verpackungsteuer, deren Lenkungswirkungen in den vom Bundesgesetzgeber geregelten Bereich der Abfallwirtschaft übergreifen.
I.
1. a) Die Stadt Kassel erhebt aufgrund einer Satzung vom 16. Dezember 1991 (Amtliche Bekanntmachungen der Stadt Kassel, in: Hessische/Niedersächsische Allgemeine, Stadtausgabe Kassel Nr. 300 vom 28. Dezember 1991, S. 18) seit dem 1. Juli 1992 eine Verpackungsteuer auf nicht wiederverwendbare Verpackungen und nicht wiederverwendbares Geschirr, sofern darin Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verkauft werden (§ 1). Steuerschuldner sind die Endverkäufer der Speisen und Getränke (§ 2). Die Steuergegenstände, die vom Endverkäufer am Ort der Ausgabe zurückgenommen und einer stofflichen Verwertung außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung zugeführt werden, sind von dieser Verpackungsteuer befreit (§ 3).
Nach der Begründung der Magistratsvorlage verfolgt die Verpackungsteuer das Ziel, einen wirksamen Beitrag zur Vermeidung von Abfällen zu leisten und zugleich die Einnahmesituation der Stadt Kassel zu verbessern. Eine spürbare Verteuerung von Waren in Einwegverpackungen soll den Käufer veranlassen, Waren in Mehrwegbehältnissen zu erwerben.
Die Höhe der Steuer bemißt sich nach Verpackungseinheiten. Sie beträgt je Einwegdose, -flasche, -becher oder sonstigem Einwegbehältnis 0,40 DM, je Einweggeschirr 0,50 DM und je Einwegbesteckteil 0,10 DM. Die Steuerschuld entsteht im Zeitpunkt des Verkaufs der Speisen und Getränke. Die Steuer ist vierteljährlich zu entrichten.
Das Aufkommen aus der Verpackungsteuer betrug 1995 83.733,86 DM.
b) Die Satzung stützt sich auf das Hessische Gesetz über kommunale Abgaben (HessKAG) vom 17. März 1970 (GVBl I S. 225). § 7 dieses Gesetzes lautet:
Steuern der Gemeinden
(1) Die Gemeinden erheben Steuern nach Maßgabe der Gesetze.
(2) Soweit solche Gesetze nicht bestehen, können die Gemeinden örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern erheben, jedoch nicht Steuern, die vom Land erhoben werden oder den Landkreisen vorbehalten sind.
2. Bundesgesetzlich geregelt war die Vermeidung und Verwertung von Abfällen durch das Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen (Abfallgesetz – AbfG –) vom 27. August 1986 (BGBl I S. 1410, berichtigt 1501), zuletzt geändert durch das Ausführungsgesetz zu dem Basler Übereinkommen vom 30. September 1994 (BGBl I S. 2771). Dieses Gesetz ist mit Wirkung zum 6. Oktober 1996 vom nun geltenden Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung von Abfällen (Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz – KrW-/AbfG –) vom 27. September 1994 (BGBl I S. 2705) abgelöst worden. Aufgrund des § 14 AbfG ist die Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen (Verpackungsverordnung – VerpackVO –) vom 12. Juni 1991 (BGBl I S. 1234; zuletzt geändert durch Art. 3 Nr. 6 der Verordnung vom 26. Oktober 1993, BGBl I S. 1782) ergangen.
a) Das Gesetz über die Vermeidung und Entsorgung von Abfällen traf für die Abfallvermeidung und -verwertung folgende Regelungen:
§ 1a Abfallvermeidung und Abfallverwertung
(1) Abfälle sind nach Maßgabe von Rechtsverordnungen auf Grund des § 14 Abs. 1 Nr. 3, 4 und Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 bis 5 zu vermeiden. Die Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen, Abfälle nach den Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes durch den Einsatz reststoffarmer Verfahren oder durch Verwertung von Reststoffen zu vermeiden, bleiben unberührt.
…
§ 14 Kennzeichnung, getrennte Entsorgung, Rückgabe- und Rücknahmepflichten
…
(2) Die Bundesregierung legt zur Vermeidung oder Verringerung von Abfallmengen nach Anhörung der beteiligten Kreise binnen angemessener Frist zu erreichende Ziele für Vermeidung, Verringerung oder Verwertung von Abfällen aus bestimmten Erzeugnissen fest. Sie veröffentlicht die Festlegungen im Bundesanzeiger. Soweit zur Vermeidung oder Verringerung von Abfallmengen oder zur umweltverträglichen Entsorgung erforderlich, insbesondere soweit dies durch Zielfestlegungen nach Satz 1 nicht erreichbar ist, kann die Bundesregierung nach Anhörung der beteiligten Kreise durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, daß bestimmte Erzeugnisse, insbesondere Verpackungen und Behältnisse,
1. in bestimmter Weise zu kennzeichnen sind,
2. nur in bestimmter, die Abfallentsorgung spürbar entlastender Weise, insbesondere in einer die mehrfache Verwendung oder die Verwertung erleichternden Form, in Verkehr gebracht werden dürfen,
3. nach Gebrauch zu umweltschonender Wiederverwendung, Verwertung oder sonstiger Entsorgung durch Hersteller, Vertreiber oder von diesen bestimmte Dritte zurückgenommen werden müssen und daß die Rückgabe durch geeignete Rücknahme- und Pfandsysteme sichergestellt werden muß,
4. nach Gebrauch vom Besitzer in einer bestimmten Weise, insbesondere getrennt von sonstigen Abfällen, überlassen werden müssen, um ihre Verwertung oder sonstige umweltverträgliche Entsorgung als Abfall zu ermöglichen oder zu erleichtern,
5. nur für bestimmte Zwecke in Verkehr gebracht werden dürfen.
b) Die auf der Grundlage der Ermächtigung des § 14 Abs. 2 AbfG erlassene Verpackungsverordnung bestimmt:
§ 6 Rücknahmepflichten für Verkaufsverpackungen
(1) Der Vertreiber ist verpflichtet, vom Endverbraucher gebrauchte Verkaufsverpackungen in oder in unmittelbarer Nähe der Verkaufsstelle kostenlos zurückzunehmen. Diese Verpflichtung beschränkt sich auf Verpackungen der Art, Form und Größe und auf Verpackungen solcher Waren, die der Vertreiber in seinem Sortiment führt. Für Vertreiber mit einer Verkaufsfläche von weniger als 200 m(2) beschränkt sich die Rücknahmeverpflichtung auf die Verpackungen der Marken, die der Vertreiber in Verkehr bringt.
(1a) …
(2) Hersteller und Vertreiber sind verpflichtet, die von Vertreibern nach Absatz 1 zurückgenommenen Verpackungen zurückzunehmen und einer erneuten Verwendung oder einer stofflichen Verwertung außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung zuzuführen. Diese Verpflichtung beschränkt sich auf Verpackungen der Art, Form und Größe sowie auf Verpackungen solcher Waren, welche die jeweiligen Hersteller und Vertreiber in Verkehr bringen.
(3) Die Verpflichtungen nach Absatz 1, 1a und 2 entfallen für solche Hersteller und Vertreiber, die sich an einem System beteiligen, das flächendeckend im Einzugsgebiet des nach Absatz 1 verpflichteten Vertreibers eine regelmäßige Abholung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim Endverbraucher oder in der Nähe des Endverbrauchers in ausreichender Weise gewährleistet und die im Anhang zu dieser Verordnung genannten Anforderungen erfüllt. Dieses System ist auf vorhandene Sammel- und Verwertungssysteme der entsorgungspflichtigen Körperschaften, in deren Bereich es eingerichtet wird, abzustimmen. Die Abstimmung ist Voraussetzung für die Feststellung nach Satz 6. Die Belange der entsorgungspflichtigen Körperschaften sind dabei besonders zu berücksichtigen. Die entsorgungspflichtigen Körperschaften können die Übernahme beziehungsweise Mitbenutzung der Einrichtungen, die für die Sammlung und Sortierung von Materialien der im Anhang zu dieser Verordnung genannten Art erforderlich sind, gegen ein angemessenes Entgelt verlangen. Daß ein solches System flächendeckend eingerichtet ist, stellt die für die Abfallwirtschaft zuständige oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde auf Antrag durch Allgemeinverfügung fest, die öffentlich bekanntzugeben ist. Die Freistellung nach Satz 1 wird vom Zeitpunkt der öffentlichen Bekanntmachung an wirksam. Wird der Antrag vor dem 1. Januar 1993 gestellt, so genügt für die Freistellung bis zum 1. März 1993 der Nachweis, daß ein System eingerichtet ist, das eine regelmäßige Erfassung gebrauchter Verkaufsverpackungen beim Endverbraucher oder in der Nähe des Endverbrauchers gewährleistet.
c) Nach § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 KrW-/AbfG richten sich die Pflichten der Anlagebetreiber zur Abfallvermeidung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz sowie nach den aufgrund der §§ 23 und 24 erlassenen Rechtsverordnungen. In den Regelungen der §§ 23 und 24 KrW-/AbfG sind die Verordnungsermächtigungen des § 14 AbfG übernommen und ergänzt worden. Nach § 25 Abs. 1 KrW-/AbfG kann die Bundesregierung weiterhin Zielfestlegungen für die freiwillige Rücknahme von Abfällen nach Anhörung der beteiligten Kreise treffen. Für das Grundkonzept einer Produktverantwortung bestimmt § 22 Abs. 1 KrW-/AbfG:
Wer Erzeugnisse entwickelt, herstellt, be- und verarbeitet oder vertreibt, trägt zur Erfüllung der Ziele der Kreislaufwirtschaft die Produktverantwortung. Zur Erfüllung der Produktverantwortung sind Erzeugnisse möglichst so zu gestalten, daß bei deren Herstellung und Gebrauch das Entstehen von Abfällen vermindert wird und die umweltverträgliche Verwertung und Beseitigung der nach deren Gebrauch entstandenen Abfälle sichergestellt ist.
In Abs. 4 dieser Vorschrift heißt es:
Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnungen auf Grund der §§ 23 und 24, welche Verpflichteten die Produktverantwortung nach den Absätzen 1 und 2 zu erfüllen haben. Sie legt zugleich fest, für welche Erzeugnisse und in welcher Art und Weise die Produktverantwortung wahrzunehmen ist.
II.
1. Die Beschwerdeführerinnen zu 1. sind Franchise-Nehmerinnen von M… in Kassel. Die Beschwerdeführerinnen zu 2. stellen im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit in Kassel Automaten auf, in denen sie Heiß- und Kaltgetränke in Einwegbechern anbieten. Die Beschwerdeführerin zu 1.a), eine GmbH & Co., ist am 15. Juli 1996 wegen der Beendigung ihrer Geschäftst4ätigkeit durch Abwicklung im Handelsregister gelöscht worden.
2. a) Die Beschwerdeführerinnen stellten unmittelbar nach Inkrafttreten der Verpackungsteuersatzung einen Antrag auf verwaltungsgerichtliche Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO. Mit Beschluß vom 15. Dezember 1992 legte der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Rechtssache im Verfahren nach § 47 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 VwGO in der damals geltenden Fassung dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung der Frage vor, “ob bei Erlaß einer kommunalen Satzung, die die Einführung einer mit bundesrechtlich erhobenen Steuern nicht gleichartigen örtlichen Verbrauchsteuer (Verpackungsteuer) zum Gegenstand hat, deren Hauptzweck nicht auf eine Einnahmeerzielung, sondern auf Abfallvermeidung gerichtet ist, die finanzverfassungsrechtliche Kompetenz zur Erhebung örtlicher Verbrauchsteuern (Art. 105 Abs. 2a GG) ausreicht oder ob – und wenn, unter welchen Voraussetzungen – der Kommune zusätzlich die entsprechende Sachgesetzgebungskompetenz (Art. 70 ff. GG) zustehen muß”. Für den Fall, daß zusätzlich die Sachgesetzgebungskompetenz erforderlich sein sollte, wurde des weiteren die Frage zur Entscheidung vorgelegt, “ob der Bund durch Erlaß der auf die Ermächtigung des § 14 AbfG gestützten Verordnung über die Vermeidung von Verpackungsabfällen vom 12. Juni 1991 (BGBl I S. 1234) von einer ihm zustehenden Gesetzgebungskompetenz in Bezug auf den Sachbereich ‘Vermeidung von Verpackungsabfällen’ abschließend im Sinne von Art. 72 Abs. 1 GG Gebrauch gemacht hat”.
b) Das Bundesverwaltungsgericht kam mit Beschluß vom 19. August 1994 zu dem Ergebnis:
“Bei Erlaß einer kommunalen Verpackungsteuersatzung, die – wie die Satzung über die Erhebung einer Verpackungsteuer in Kassel vom 16. Dezember 1991 – die Einführung einer mit bundesrechtlich erhobenen Steuern nicht gleichartigen örtlichen Verbrauchsteuer zum Gegenstand hat, deren Erhebung nach Ausgestaltung, Gewicht und Auswirkung nicht einem unmittelbar sachregelnden abfallrechtlichen Handlungsgebot oder -verbot gleichkommt, bedarf die Gemeinde neben der – vom jeweiligen Land aufgrund Landesrechts übertragenen – finanzverfassungsrechtlichen Kompetenz aus Art. 105 Abs. 2a GG auch dann nicht zusätzlich der entsprechenden Sachgesetzgebungskompetenz, wenn der Hauptzweck der Steuererhebung nicht auf die daneben beabsichtigte Einnahmeerzielung, sondern auf Abfallvermeidung gerichtet ist.”
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof sei zutreffend davon ausgegangen, daß die Verpackungsteuer der Stadt Kassel nach ihrem insoweit maßgeblichen Gehalt die abgaben- und finanzverfassungsrechtlichen Voraussetzungen einer Steuer erfülle. Auch im Vordergrund stehende außerfiskalische Zwecke ließen den Steuercharakter einer Abgabe nicht entfallen, soweit nur die Einnahmeerzielung zumindest daneben objektiv Bestand habe.
Demgegenüber sei zusätzlich zu der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenz eine Sachregelungskompetenz erforderlich, wenn ein Steuergesetz in eine reine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter umschlage und – unter Mißbrauch der Form – in Wahrheit ausschließlich die entsprechende Sachregelung und nicht mehr die Erzielung von Einnahmen bezwecke. Dies sei jedoch nach den Feststellungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hier nicht der Fall. Demgegenüber sei der außerfiskalische Zweck kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Abgrenzung der erforderlichen Gesetzgebungskompetenzen. Ausschlaggebend seien vielmehr die unmittelbaren Auswirkungen der Regelung in dem jeweiligen Sachgebiet. Für die Steuernormen ohne unmittelbare außerfiskalische Sachregelung sei ausschließlich die Spezialnorm des Art. 105 GG maßgeblich. Damit bestehe das Erfordernis einer zusätzlichen Sachkompetenz außer in dem Fall der formenmißbräuchlichen “erdrosselnden” Steuernorm allenfalls dann, wenn das Steuergesetz in seiner konkreten Ausgestaltung nach Gewicht und Auswirkung einem unmittelbaren, gezielten sachlichen Gebot oder Verbot gleichkomme. Ein solcher Fall liege jedoch auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ebenfalls nicht vor. Danach gebe es keine Anhaltspunkte, daß die Befolgung des außerfiskalischen Zwecks für den Gesetzesadressaten unausweichlich sei.
Aus der ausschließlichen Landeskompetenz für die Erhebung örtlicher, nicht gleichartiger Verbrauchsteuern gemäß Art. 105 Abs. 2a GG folge zugleich, daß der Bundesgesetzgeber derartige örtliche Steuern nicht “verbieten” oder in Frage stellen könne. Bereits aus diesem Grunde stehe der Umstand, daß das Abfallgesetz des Bundes vom 27. August 1986 und die auf seiner Grundlage ergangene Verpackungsverordnung vom 12. Juni 1991 keine Abgabeerhebung auf Verpackungen vorsähen, dem Erlaß örtlicher Verpackungsteuersatzungen nicht entgegen, soweit diese dem bundesrechtlich vorgegebenen Ziel der Abfallvermeidung nicht widersprächen (§ 1a AbfG 1986). Eine weitere Stellungnahme zur zweiten Vorlagefrage erübrige sich deshalb. Der Bundesgesetzgeber könne den Ländern und Gemeinden die Kompetenz zur Einführung örtlicher Verbrauchsteuern vielmehr nur dadurch “entziehen”, daß er eine “gleichartige” Steuer bundesrechtlich einführe. Das ergebe sich aus der in Art. 105 Abs. 2a GG vorgesehenen ausschließlichen Kompetenz der Länder und, von ihnen abgeleitet, der Gemeinden.
c) Der Hessische Verwaltungsgerichtshof lehnte den Normenkontrollantrag der Beschwerdeführerinnen ab. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht über die Vorlage des Senats entschieden habe, entziehe sich eine ganze Reihe von Rechtsfragen einer von der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts abweichenden Beurteilung; der Senat sei an die Beurteilung der vorgelegten Rechtsfragen durch das Bundesverwaltungsgericht gebunden. Im übrigen sei er auch – anders als bei einer Revisionsentscheidung, die im Falle der Zurückverweisung in deren Umfang das vorinstanzliche Verfahren insgesamt neu eröffne – gehindert, die vom Bundesverwaltungsgericht auf die Vorlage hin gegebene Antwort zum Anlaß zu nehmen, nunmehr seine die Vorlage rechtfertigende oder zur Vorlage verpflichtende Rechtsauffassung zu ändern und insoweit mit gänzlich neuen Rechtsgründen eine Entscheidung zu treffen.
Die Würdigung des tatsächlichen Vorbringens der Antragstellerinnen anhand dieser den Senat bindenden rechtlichen Auffassung ergebe, daß der angegriffenen Steuer keine erdrosselnde Wirkung zukomme und die Antragstellerinnen auch nicht deren außerfiskalischen Zwecken unausweichlich ausgeliefert seien, so daß die Steuersatzung in Wahrheit einem unmittelbaren Verbot der Verwendung von Einwegmaterialien gleichzustellen wäre. Auch die Franchise-Unternehmen hätten die Möglichkeit der Substitution, Umstrukturierung und Abwälzung. Die Getränkeautomaten könnten auch durch Befüllen mitgebrachter Trinkgefäße genutzt werden. Auch sei die Steuer grundsätzlich auf den Verbraucher abwälzbar.
III.
Gegen diese Entscheidung haben die Beschwerdeführerinnen Verfassungsbeschwerden erhoben.
1. Die Beschwerdeführerinnen zu 1. rügen die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Die Verpackungsteuersatzung entbehre einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage, da es sich bei der Verpackungsabgabe nicht um eine Steuer handele. Der Sache nach sei die Verpackungsteuer eine Abfallabgabe eigener Art, die eine Verwirklichung des Tatbestandes, an den die Abgabepflicht knüpfe, verhindern solle; dies widerspreche dem Wesen einer Steuer.
Für die Regelung einer Lenkungsteuer sei zusätzlich zur Steuergesetzgebungskompetenz auch die Sachkompetenz auf dem Gebiet der Abfallvermeidung erforderlich. Das Grundgesetz schütze vor einem Übergreifen des Steuergesetzgebers in die Sachgesetzgebungskompetenz eines anderen Hoheitsträgers und habe damit auch grundrechtssichernde Funktion. Die Sachkompetenz für die Bereiche Abfallvermeidung und Abfallverwertung sei jedoch bereits vom Bundesgesetzgeber abschließend in Anspruch genommen worden.
Außer an der Sachkompetenz des Landes und der Gemeinden für die produktbezogene Abfallvermeidung und -verwertung fehle es auch an einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage für die Stadt Kassel zur Erhebung einer Verpackungsteuer. Diese Abgabe sei keine örtliche Verbrauchsteuer. Der Gebrauch von Einwegverpackung und Einweggeschirr, deren Wert Pfennigbruchteile oder wenige Pfennige betrage, könne schlechterdings nicht als Tatbestand der Einkommensverwendung, schon gar nicht als Ausweis einer in der Einkommensverwendung zum Ausdruck kommenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angesehen werden. Darüber hinaus fehle es im steuerlichen Sinne am “Verbrauch” der Einwegverpackung.
2. Die Beschwerdeführerinnen zu 2. rügen die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG.
Die Steuer habe einen objektiv berufsregelnden Charakter und sei daher an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Sie verletze die Berufswahlfreiheit, da sie zur Aufgabe des Verkaufs von Heiß- und Kaltgetränken aus Automaten zwinge, ohne die Voraussetzungen für einen zulässigen Eingriff in die Berufswahlfreiheit zu erfüllen. Auch bei einer lediglich die Berufsausübung regelnden steuerlichen Lenkung werde das Grundrecht der Beschwerdeführerinnen verletzt, weil die in der Satzung vorgegebenen Beschränkungen den objektivrechtlichen Anforderungen des Grundgesetzes nicht genügten. Durch Steuergesetze dürfe die im Grundgesetz vorgesehene Ordnung der allgemeinen Zuständigkeiten zur Gesetzgebung nicht ausgehöhlt werden. Die Kompetenz zur Gesetzgebung über eine bestimmte Steuer schließe grundsätzlich nicht die Befugnis ein, durch steuerliche Vorschriften mittelbar Sachgebiete zu regulieren, die der Zuständigkeit des jeweiligen Gesetzgebers nicht unterlägen. Es bedürfe hierzu vielmehr sowohl der steuerlichen Zuständigkeit als auch der Sachzuständigkeit.
Die Verpackungsteuer erfülle auch nicht die Voraussetzungen einer örtlichen Verbrauchsteuer. Der Steuertatbestand erfasse nicht den Übergang des steuerbaren Guts in den Verkehr; die Verpackungen blieben vielmehr “extra commercium”. Der Gebrauch von Einwegverpackungen könne nicht als eine – Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringende – Einkommensverwendung verstanden werden.
IV.
Zu den Verfassungsbeschwerden haben der Bundesministerium der Finanzen namens der Bundesregierung und die Stadt Kassel Stellung genommen.
B.
Die Verfassungsbeschwerden sind zulässig. Die Beschwerdeführerin zu 1.a) kann ungeachtet ihrer Löschung im Handelsregister die Verfassungsbeschwerde weiter verfolgen.
Sie besteht auch nach ihrer Löschung rechtlich als Gesellschaft insoweit fort, als sie noch an einem Rechtsmittelverfahren beteiligt ist und sich in diesem Verfahren das steuerliche Ergebnis für sie ändern kann (vgl. BFHE 130, 477; 143, 420 ≪423≫). Gleiches gilt im Verfassungsbeschwerdeverfahren, in dem die Verfassungsmäßigkeit der Verpackungsteuersatzung als Besteuerungsgrundlage für ein die Beschwerdeführerin belastendes Urteil entscheidungserheblich ist. Zwar handelt es sich bei der Verfassungsbeschwerde um kein Rechtsmittel, sondern um einen außerordentlichen Rechtsbehelf; auch die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde kann sich aber auf die Steuerschuld der Beschwerdeführerin und damit auf das Ergebnis der vollständigen Liquidation auswirken.
C.
Die Satzung der Stadt Kassel über die Erhebung einer Verpackungsteuer verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG, weil sie mit der bundesstaatlichen Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 24, Art. 105 Abs. 2a GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) nicht vereinbar ist.
I.
1. Die Erhebung von Steuern und sonstigen Abgaben greift in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG ein, wenn sie in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes steht und – objektiv – eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen läßt (vgl. BVerfGE 37, 1 ≪17≫). Die Verpackungsteuer nimmt Einfluß auf die Art und Weise der Berufsausübung. Sie ist deshalb an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen.
Die Berufsfreiheit kann nach Art. 12 Abs. 1 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden (zum Gesetzesvorbehalt vgl. BVerfGE 76, 171 ≪184 f.≫; 82, 209 ≪224 f.≫). Solche Regelungen können grundsätzlich auch durch Satzungen getroffen werden (vgl. BVerfGE 33, 125 ≪155≫; 54, 224 ≪234≫). Ein zulässiger Eingriff setzt eine hierzu ermächtigende Norm voraus, die auch den übrigen an sie zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.
2.a) Der Gesetzgeber darf seine Steuergesetzgebungskompetenz grundsätzlich auch ausüben, um Lenkungswirkungen zu erzielen (vgl. BVerfGE 84, 239 ≪274≫; 93, 121 ≪147≫). Der moderne Staat verwaltet nicht nur durch rechtsverbindliche Weisung, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung. Im Rahmen eines auf Mitwirkung angelegten Verwaltens kann ein Steuergesetz verhaltensbeeinflussende Wirkungen erzielen. Es verpflichtet den Steuerschuldner nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten, gibt ihm aber durch Sonderbelastung eines unerwünschten oder durch steuerliche Verschonung eines erwünschten Verhaltens ein finanzwirtschaftliches Motiv, sich für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu entscheiden.
Eine derartige Lenkungsabgabe bleibt als Handlungsmittel in den Rechtsfolgen und in der Ertragswirkung eine Steuer; der Gesetzgeber regelt lediglich das Steuerpflichtverhältnis rechtsverbindlich, während die steuergesetzlich empfohlene Ausweichreaktion von dem Willen des Steuerpflichtigen abhängt. Nur wenn die steuerliche Lenkung nach Gewicht und Auswirkung einer verbindlichen Verhaltensregel nahekommt, die Finanzfunktion der Steuer also durch eine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter verdrängt wird, bietet die Besteuerungskompetenz keine ausreichende Rechtsgrundlage (vgl. BVerfGE 38, 61 ≪81≫). Gleiches gilt, wenn das Aufkommen nicht zur Finanzierung von Gemeinlasten verwendet werden soll (vgl. BVerfGE 29, 402 ≪408 f.≫; 38, 61 ≪81≫). Derartige Regelungen wären nicht steuerlicher Art und könnten nicht auf eine Steuerkompetenz gestützt werden.
b) Eine steuerrechtliche Regelung, die Lenkungswirkungen in einem nicht steuerlichen Kompetenzbereich entfaltet, setzt keine zur Steuergesetzgebungskompetenz hinzutretende Sachkompetenz voraus. Das Grundgesetz trennt die Steuer- und die Sachgesetzgebungskompetenz als jeweils eigenständige Regelungsbereiche und verweist auch die Lenkungsteuer wegen ihres verbleibenden Finanzierungszwecks und der ausschließlichen Verbindlichkeit ihrer Steuerrechtsfolgen in die Zuständigkeit des Steuergesetzgebers. Der Steuergesetzgeber ist deshalb zur Regelung von Lenkungsteuern zuständig, mag die Lenkung Haupt- oder Nebenzweck sein (vgl. BVerfGE 55, 274 ≪299≫; siehe auch § 3 Abs. 1 AO 1977).
c) Die Ausübung der Steuergesetzgebungskompetenz zur Lenkung in einem anderweitig geregelten Sachbereich ist jedoch nur zulässig, wenn dadurch die Rechtsordnung nicht widersprüchlich wird. Greift die steuerliche Lenkung auf eine Sachmaterie über, darf der Steuergesetzgeber nicht Regelungen herbeiführen, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungen widersprechen.
aa) Die Verpflichtung zur Beachtung der bundesstaatlichen Kompetenzgrenzen und zur Ausübung der Kompetenz in wechselseitiger bundesstaatlicher Rücksichtnahme (vgl. BVerfGE 81, 310 ≪339≫) wird durch das Rechtsstaatsprinzip in ihrem Inhalt verdeutlicht und in ihrem Anwendungsbereich erweitert. Das Rechtsstaatsprinzip verpflichtet alle rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder, die Regelungen jeweils so aufeinander abzustimmen, daß den Normadressaten nicht gegenläufige Regelungen erreichen, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen. Welche der einen Widerspruch begründenden Regelungen zu weichen hat, bestimmt sich grundsätzlich nach dem Rang, der Zeitenfolge und der Spezialität der Regelungen. Sachkompetenz und Steuerkompetenz werden vom Grundgesetz bereits in der Weise aufeinander abgestimmt, daß grundsätzlich der Sachgesetzgeber Verhaltenspflichten, der Steuergesetzgeber Zahlungspflichten regelt. Das Nebeneinander dieser Kompetenzen und ihre Wahrnehmung führen insoweit nicht zu sachlichen Widersprüchen. Begründet der Steuergesetzgeber aber Zahlungspflichten, die den Adressaten zur Vermeidung des steuerbelasteten Tatbestandes veranlassen sollen, so kann diese Lenkung Wirkungen erreichen, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungen widersprechen. Der Gesetzgeber darf deshalb aufgrund einer Steuerkompetenz nur insoweit lenkend und damit mittelbar gestaltend in den Kompetenzbereich eines Sachgesetzgebers übergreifen, als die Lenkung weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderläuft.
bb) Diese rechtsstaatlichen Vorgaben begründen im Rahmen der bundesstaatlichen Ordnung der Gesetzgebungskompetenzen zugleich Schranken der Kompetenzausübung. Der Steuergesetzgeber darf die vom Sachgesetzgeber getroffenen Entscheidungen nicht durch Lenkungsregelungen verfälschen, deren verhaltensbestimmende Wirkungen dem Regelungskonzept des Sachgesetzgebers zuwiderlaufen. Sobald der Sachgesetzgeber für einen Sachgegenstand Regelungen trifft, muß der Gesetzgeber diese bei steuerlichen Lenkungen beachten (zur Auferlegung von Abgaben aufgrund einer Sachkompetenz vgl. BVerfGE 91, 186 ≪201 ff.≫).
Würde der Bundesgesetzgeber etwa durch eine Lenkungsteuer mit Lenkungsdruck in einem vom Landesgesetzgeber geregelten Bereich des Kultusrechts gestaltend einwirken, überschritte er seine Steuerkompetenz, wenn er dadurch zu einer dem Regelungskonzept oder einer Einzelaussage des Landesgesetzgebers zuwiderlaufenden Verhaltensweise veranlassen würde. Umgekehrt dürfte der Landesgesetzgeber oder der kommunale Satzungsgeber nicht durch eine Lenkungsteuer in den Regelungsbereich des Bundesgesetzgebers einwirken, wenn dieser den steuerlich verfolgten Lenkungszweck ausgeschlossen oder gegenläufige Lenkungswirkungen oder Handlungsmittel vorgeschrieben hat.
II.
Die Zuständigkeit des Bundes für die Regelung der Abfallvermeidung und -verwertung ergibt sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG. Der Bundesgesetzgeber hat von dieser Kompetenz dadurch Gebrauch gemacht, daß er bestimmte Ziele der Abfallwirtschaft vor allem in Formen kooperativen Verwaltens verfolgt.
1. Die Einfügung der Nr. 24 – “die Abfallbeseitigung, die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung” – in den Katalog der Gegenstände konkurrierender Gesetzgebung gemäß Art. 74 GG durch das 30. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. April 1972 (BGBl I S. 593) sollte die kompetenzrechtliche Grundlage des ersten Bundesabfallgesetzes absichern, das damals als Regierungsentwurf vorlag. Unmittelbar vor der Verfassungsänderung hat die Bundesregierung ein Umweltprogramm vorgelegt (BTDrucks VI/2710). Im Bereich des Abfallrechts sollte von der reinen Gefahrenabwehr zur umweltorientierten Abfallwirtschaft übergegangen und mit einer umfassenden Regelung des Rechts der Abfallwirtschaft eine Grundlage zur Harmonisierung dieses Rechts innerhalb der Europäischen Gemeinschaft und im Verhältnis zu anderen Industrienationen gewonnen werden (vgl. von Lersner, Aktuelle Fragen der Abfallwirtschaft, Müll und Abfall 3, 1972, S. 69 ≪70≫). Im Rahmen dieser Entwicklung und einer damals noch nicht gefestigten Terminologie von Abfallbeseitigung und Abfallwirtschaft ist dem Bundesgesetzgeber durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG eine Zuständigkeit zur umfassenden Regelung des Rechts der Abfallwirtschaft eingeräumt (vgl. Rengeling, Gesetzgebungszuständigkeit, in: HStR IV, 1990, § 100 Rn. 237 m.N.).
2.a) Das Umweltrecht in der Konzeption des Bundesgesetzgebers kennt neben den verbindlichen Anordnungen, insbesondere den Geboten, Verboten und Erlaubnisvorbehalten, auch Instrumente mittelbarer Verhaltenssteuerung. Im Rahmen der gemeinsamen Umweltverantwortung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft soll der Ausgleich zwischen individueller Freiheit und gesellschaftlichen Bedürfnissen jeweils unter Mitwirkung der Betroffenen gefunden werden (vgl. Umweltbericht '76 der Bundesregierung, BTDrucks 7/5684, S. 9). Eine Beteiligung insbesondere der Wirtschaft am umweltpolitischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß soll deren Sachverstand für den Umweltschutz erschließen und den Vollzug umweltpolitischer Planungen durch Konsens erleichtern (vgl. Kloepfer, Umweltrecht, 1989, § 3 Rn. 45). Das Zusammenwirken von öffentlicher und privater Hand betont die gemeinsame Verantwortung für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, die von Wirtschaft und Gesellschaft nicht nur die Beachtung des Rechts fordert, sondern eigenverantwortliche Planung und Mitgestaltung bei der Entfaltung von Handlungszielen und Handlungsmitteln erwartet.
b) Innerhalb der Instrumente mittelbaren Einwirkens unterscheidet sich eine zielgebundene Kooperation von einer zielorientierten steuerlichen Verhaltenslenkung. Die zielgebundene Kooperation verpflichtet die Kooperationspartner zur Zusammenarbeit beim Erreichen eines rechtlich vorgegebenen Ziels, läßt aber die konkrete Form dieser Zusammenarbeit offen (vgl. Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, 1988, S. 13). Demgegenüber gibt die zielorientierte steuerliche Lenkung dem Steuerpflichtigen ein finanzwirtschaftliches Motiv, sich für eine staatlich erwünschte Verhaltensweise zu entscheiden, beläßt ihm aber die Wahl, sich der Steuerlast zu unterwerfen oder im Vermeiden des Steuertatbestandes dem Umweltschutz zu dienen. Die steuerliche Lenkung nimmt in Kauf, daß das Lenkungsziel nicht verläßlich erreicht wird, ist also ein Instrument zur Annäherung an ein Ziel, während die zielgebundene Kooperation auf einen bestimmten Erfolg verpflichtet, die Auswahl der Mittel zur Erreichung dieses Erfolges aber den Beteiligten überläßt.
Das Kooperationsprinzip begründet eine kollektive Verantwortung verschiedener Gruppen mit unterschiedlichen fachlichen, technischen, personellen und wirtschaftlichen Mitteln, in eigenständiger Aufgabenteilung und Verhaltensabstimmung das vorgegebene oder gemeinsam definierte Ziel zu erreichen. Die steuerliche Lenkung hingegen wendet sich an den einzelnen Gesetzesadressaten, ohne dessen Verhalten auf das Umweltverhalten anderer abstimmen und im umweltpolitischen Gesamterfolg messen und rechtlich vorherbestimmen zu können. Die Kooperation erlaubt eine einvernehmliche Mitwirkung der Beteiligten je nach Bedarf und Fähigkeit, die steuerliche Lenkung gestattet dem Leistungsfähigen ein Ausweichen in die Umweltbelastung, wirkt jedoch gegenüber dem Nichtleistungsfähigen wie ein verbindliches Verbot.
Vor allem aber unterscheiden sich zielgebundene Kooperation und zielorientierte steuerliche Lenkung in der Sanktion: Wer der steuergesetzlich überbrachten Verhaltensempfehlung nicht folgt, hat die rechtsverbindliche Zahlungspflicht zu erfüllen; die Steuer wirkt wie ein Zwangsgeld für die Nichtbefolgung des Umweltprogramms. Eine zielgebundene Kooperation hingegen bestimmt rechtsverbindlich den zu erreichenden Umwelterfolg, verzichtet dann aber selbst bei Zielverfehlung auf Sanktionen.
Die steuerliche Lenkung kollidiert mit der Offenheit, Gegenseitigkeit und Nachhaltigkeit der Kooperation, wenn der Kooperationspartner seinen Sachverstand, seine technischen und ökonomischen Kenntnisse und seine umweltrechtlich nutzbare Organisationskraft nicht mehr allein nach Maßgabe des Umweltrechts nutzt. Die Adressaten des Steuergesetzes werden die nicht-abgabepflichtigen Verhaltensweisen bevorzugen, selbst wenn andere Formen einer Verwirklichung des Kooperationsziels ökologisch und ökonomisch sinnvoller wären und die jeweilige Verantwortung der Kooperationspartner sachgerechter in Anspruch nähmen. Auch die Offenheit für unterschiedliche Ziele innerhalb der Abfallwirtschaft wird verengt, wenn die Adressaten des Steuergesetzes dem Lenkungsdruck nachgeben und insoweit nicht zu einer kooperativen Verständigung bereit sind.
III.
Die aufgrund der Satzung der Stadt Kassel über die Erhebung einer Verpackungsteuer vom 16. Dezember 1991 erhobene Lenkungsteuer verletzt die Beschwerdeführerinnen in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG. Die Verpackungsteuer ist zwar eine örtliche Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG, die bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig ist (1.). Die abfallwirtschaftliche Lenkung, die mit der Verpackungsteuer erreicht wird, widerspricht aber dem Abfallrecht des Bundes. Die Wahrnehmung der Kompetenz des Art. 105 Abs. 2a GG überschreitet die rechtsstaatlichen Grenzen der Kompetenzausübung und entbehrt damit einer ausreichenden Grundlage (2.).
1. Die Verpackungsteuer ist eine örtliche Verbrauchsteuer i.S. des Art. 105 Abs. 2a GG. Die Gesetzgebungszuständigkeit über diese Steuer liegt deshalb beim Land. Der Landesgesetzgeber darf sie auf die Gemeinden übertragen (vgl. BVerfGE 65, 325 ≪343≫).
a) Die Verpackungsteuer ist eine Steuer im Sinne des Grundgesetzes (zum verfassungsrechtlichen Steuerbegriff vgl. BVerfGE 84, 239 ≪269≫; vgl. auch § 3 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz AO 1977). Sie begründet eine Gemeinlast, die jedem auferlegt wird, der den in der Steuersatzung näher bestimmten Tatbestand eines Endverkaufs von Speisen und Getränken, einem wirtschaftlichen Vorgang des örtlichen Marktgeschehens, erfüllt. Sie wird unabhängig von einer individuellen Gegenleistung erhoben und erbringt einen Ertrag zur Finanzierung der Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft.
Die Steuer hindert die Schuldner nicht an der von ihnen gewählten Form der Berufsausübung. Sie beläßt dem Unternehmer die Möglichkeit, den bisherigen Verkauf von Speisen und Getränken fortzusetzen. Die Ausgestaltung der Steuer gibt dem Schuldner lediglich einen finanzwirtschaftlichen Anlaß, auf nicht wiederverwendbares Material zu verzichten oder Verpackungen und Geschirr am Ort der Ausgabe zurückzunehmen und außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung stofflich zu verwerten.
b) Die Steuer erfüllt auch die Anforderungen einer Verbrauchsteuer. Verbrauchsteuern sind Warensteuern, die den Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs belasten (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Finanzverfassung ≪Finanzverfassungsgesetz≫ BTDrucks 2/480, S. 107 Tz. 160; vgl. auch BVerfGE 16, 64 ≪74≫). Als Besteuerung des Verbrauchs werden sie in der Regel bei demjenigen Unternehmer erhoben, der das Verbrauchsgut für die allgemeine Nachfrage anbietet, sind aber auf Überwälzung auf den Verbraucher angelegt (vgl. RFHE 7, 266 ≪269≫; vgl. auch BVerfGE 27, 375 ≪384≫; BVerwGE 6, 247 ≪256 f.≫). Die Verbrauchsteuer knüpft an das Verbringen des Verbrauchsgutes in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr an, ohne aber – wie die Verkehrsteuern – im Tatbestand beide Seiten, insbesondere beide Vertragspartner zu erfassen.
Die Einwegverpackung ist ein verbrauchsfähiges Gut. Sie ist nach dem Verzehr der darin enthaltenen Getränke oder Speisen funktions- und wertlos geworden, also verbraucht (vgl. Förster, Die Verbrauchsteuern, 1989, S. 115). Die Kunden von Fast-Food-Produkten und Getränken in Einwegverpackungen entledigen sich nach dem Verzehr der Lebensmittel und Getränke der übriggebliebenen Verpackung; diese wird vom Wirtschaftsgut zum Abfall, der – jedenfalls für den Kunden – ohne wirtschaftlichen Wert ist. Die Bemessungsgrundlage der Steuer erfaßt die zu verbrauchenden Verpackungseinheiten, rechtfertigt also ihre Ertragswirkung aus der im Verbrauch vermuteten Leistungsfähigkeit des Verbrauchers.
c) Die Verpackungsteuer der Stadt Kassel erfüllt auch die Voraussetzungen der Örtlichkeit im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG. Der Steuertatbestand begrenzt den Steuergegenstand auf Einwegverpackungen für Speisen und Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle und stellt damit typisierend darauf ab, daß die Verpackung im Gemeindegebiet verbraucht wird. Die Einwände der Beschwerdeführerinnen, ihre Waren könnten auch an anderer Stelle verzehrt werden und würden insbesondere beim Verkauf im Bereich des “Drive-In” nicht im Gemeindegebiet verbraucht, betreffen Besonderheiten einzelner Verbrauchsformen und stellen die Örtlichkeit der Verpackungsteuer in ihrem auf das Gemeindegebiet bezogenen Typus nicht in Frage.
d) Die Verpackungsteuer ist bundesgesetzlich geregelten Steuern nicht gleichartig. Eine hier allein in Betracht kommende Gleichartigkeit mit der Umsatzsteuer liegt nicht vor. Das Gleichartigkeitsverbot des Art. 105 Abs. 2a GG verbietet eine Doppelbelastung derselben Steuerquelle. Art. 105 Abs. 2a GG läßt die zur Zeit des 21. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969 (BGBl I S. 359 – Finanzreformgesetz –) üblichen örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern unberührt und verlangt für die nicht herkömmlichen örtlichen Steuern, daß der steuerbegründende Tatbestand nicht denselben Belastungsgrund erfaßt wie eine Bundessteuer, sich also in Gegenstand, Bemessungsgrundlage, Erhebungstechnik und wirtschaftlicher Auswirkung von der Bundessteuer unterscheidet (vgl. BVerfGE 65, 325 ≪351≫).
Verpackungsteuer und Umsatzsteuer schöpfen verschiedene Quellen steuerlicher Belastbarkeit aus: Die Verpackungsteuer belastet die Verpackungen jeweils in ihrer Stückzahl, die Umsatzsteuer die unternehmerische Leistung im Entgelt. Belastungsgrund für die Umsatzsteuer ist dementsprechend die Nachfrage in einer bestimmten, im Preis ausgedrückten Werthöhe, während Belastungsgrund der Verpackungsteuer der Verbrauch von nicht wiederverwendeten und nicht zur Verwertung zurückgenommenen Verpackungen in einer bestimmten Stückzahl ist. Die Umsatzsteuer zielt auf die Kaufkraft des Verbrauchers, die Verpackungsteuer auf die Umweltbelastung. Die Umsatzsteuer erfaßt die beim Konsumenten vermutete Belastbarkeit, die Verpackungsteuer den vermeidbaren, umweltschädlichen Verbrauch. Verpackungsteuer und Umsatzsteuer haben deshalb einen je verschiedenen Belastungsgrund.
Dementsprechend ist nach Art. 105 Abs. 2a GG das Land grundsätzlich zur Regelung einer Verpackungsteuer als örtlicher Verbrauchsteuer zuständig. Diese Kompetenz ist in Hessen auf die Gemeinden übertragen worden (vgl. § 7 HessKAG).
2. Die Verpackungsteuer läuft jedoch in ihrer Ausgestaltung als Lenkungsteuer den bundesrechtlichen Vorgaben des Abfallrechts zuwider. Insoweit durfte die Steuergesetzgebungskompetenz des Art. 105 Abs. 2a GG nicht in der Weise ausgeübt werden, daß ihre Lenkungswirkungen den rechtsverbindlichen Vorgaben des Bundesgesetzes widersprechen.
Die Verpackungsteuer verfolgt neben dem Finanzierungszweck vor allem einen Lenkungszweck: Sie verteuert die Verwendung von Einwegverpackungen für den Verbraucher und veranlaßt diesen damit, Waren in Mehrwegbehältnissen nachzufragen. Die Endverkäufer des Einwegmaterials werden in ihrer Konkurrenz zu Anbietern von Mehrwegbehältnissen durch das Steuerrecht veranlaßt, auf Mehrwegsysteme umzustellen oder das ausgegebene Einwegmaterial zurückzunehmen und stofflich außerhalb der öffentlich-rechtlichen Entsorgung zu verwerten. Diese steuerliche Lenkung ist zwar grundsätzlich von der Kompetenz des Art. 105 Abs. 2a GG gedeckt, überschreitet aber in ihrer Einwirkung auf das Abfallrecht diese Kompetenz, weil sie der abfallwirtschaftsrechtlichen Konzeption des Bundesgesetzgebers widerspricht.
a) Nach der Grundentscheidung des Abfallgesetzgebers im Abfallgesetz, die auch im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz beibehalten worden ist, werden die abfallwirtschaftlichen Ziele der Vermeidung und Verwertung von Einwegverpackungen nach dem Kooperationsprinzip verfolgt (vgl. oben zu C.II.2.).
aa) Schon die Ermächtigung des § 14 AbfG 1972 zum Erlaß von Rechtsverordnungen war vorrangig als Anstoß zur einvernehmlichen Entwicklung und Beachtung von umweltpolitischen Grenzwerten gedacht, die ihren Zweck auch erreichen kann, ohne daß von ihr Gebrauch gemacht wird. Die Ermächtigung galt von Anfang an als “Knüppel im Sack”, der Anlaß geben sollte, daß Fachleute in Staat und Privatwirtschaft gemeinsam Grenzwerte ermitteln, deren Überschreiten ein Verbot zur Folge haben kann; Industrie und Handel sollten daraufhin durch selbstbeschränkende Wettbewerbsabsprachen die Beachtung der Grenzwerte sicherstellen. Dieser Vollzug des Abfallgesetzes ist auf einvernehmliche Stetigkeit in der Verbesserung des Umweltschutzes angelegt, ohne daß langjährige Investitionen in Frage gestellt werden (vgl. von Lersner, Aktuelle Fragen der Abfallwirtschaft, Müll und Abfall 3, 1972, S. 69 ≪72≫).
Im Abfallwirtschaftsprogramm '75 der Bundesregierung heißt es hierzu u.a.:
“Die Bundesregierung mißt dem Verpackungsproblem besondere Priorität in der Abfallwirtschaft bei. Sie wird daher im Rahmen der Fortschreibung dieses Programmes ihre Bemühungen um gesamtwirtschaftlich sinnvolle Lösungen auf diesem Gebiet verstärken. Zu diesem Zweck hält sie eine Zusammenarbeit von Sachverständigen des Bundes, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände sowie von Industrie und Handel für erforderlich. Auf der Grundlage eines regelmäßigen Erfahrungsaustauschs sollten diese Sachverständigen die Aufgabe haben, Lösungsvorschläge für anstehende Probleme, insbesondere auf dem Gebiet der Rationalisierung und weiteren Verwertung von Verpackungen, zu erarbeiten” (BTDrucks 7/4826, S. 19).
Auch in der Begründung zum Entwurf des Vierten Gesetzes zur Änderung des Abfallbeseitigungsgesetzes vom 21. Februar 1985 hebt die Bundesregierung die Bedeutung der Kooperation und des hierfür benötigten Gestaltungsraums mehrfach hervor; sie betont, daß ordnungsrechtliche Mittel bei der Abfallvermeidung und -verwertung nicht hinreichend wirksam seien. Dort heißt es u.a.:
“In den Entwurf ist eine Ermächtigung, dem Handel ein sog. ‘Alternatives Angebot’ vorschreiben zu können, zunächst nicht aufgenommen worden, um freiwillige Absprachen mit marktführenden Unternehmen nicht von vornherein auszuschließen. Sollte sich dieser Weg als nicht gangbar erweisen, wird die Bundesregierung im weiteren Gesetzgebungsverfahren auch eine Verpflichtung zum Feilhalten eines ausgewogenen Angebots von Mehrwegverpackungen in Ladengeschäften des Einzelhandels vorschlagen. Ein freiwilliges alternatives Angebot im Mehrwegsystem hätte Signalwirkung auf konkurrierende Unternehmen und könnte staatliche Eingriffe entbehrlich machen” (BTDrucks 10/2885, S. 18).
bb) Deutlichen Ausdruck hat dieses Konzept schließlich in der Regelung des § 14 AbfG gefunden. Diese Vorschrift bildet nach der Vorstellung des Bundesgesetzgebers den Kern des Abfallgesetzes 1986 (vgl. Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses, BTDrucks 10/5656, S. 74, 78; Bericht der Bundesregierung über den Vollzug des Abfallgesetzes vom 27. August 1986, BTDrucks 11/756, S. 12 ff.). Einwirkungen auf Industrie und Handel sollten allein im Rahmen dieser Ermächtigungen und durch deren Regelungsinstrumente zulässig sein, um die private Wirtschaft zu eigenverantwortlichem abfallwirtschaftlichen Handeln zu veranlassen und ihre Kooperationsbereitschaft zu fördern. Von den Ermächtigungen sollte erst dann Gebrauch gemacht werden, wenn Kooperationsbemühungen erfolglos geblieben sind (BTDrucks 10/2885, S. 12, 18, 45; 10/5656, S. 74).
In ihrem Bericht über die Erfahrungen mit dem Abfallgesetz 1986 hebt die Bundesregierung erneut hervor, daß Abfallvermeidung und -verwertung nicht mit ordnungsrechtlichen Mitteln effektiv durchgesetzt werden könnten, vielmehr ein gesellschaftlicher Konsens notwendig sei, der ein Umdenken und ein verändertes Handeln aller gesellschaftlichen Gruppen voraussetze (BTDrucks 11/756, S. 5 f.); statt staatlicher Gebots- und Verbotsregelungen sollte soweit wie möglich das Kooperationsprinzip Anwendung finden (BTDrucks 11/756, S. 12).
§ 14 Abs. 2 AbfG bestimmte, daß die Bundesregierung nach Anhörung der beteiligten Kreise zunächst Zielfestlegungen – die binnen angemessener Zeit zu erreichenden Ziele für Vermeidung, Verringerung oder Verwertung von Abfällen aus bestimmten Erzeugnissen – vorlegt; diese werden im Bundesanzeiger veröffentlicht. Eine Verordnung kam nach § 14 Abs. 2 Satz 3 AbfG erst in Betracht, wenn das festgelegte Vermeidungs-, Verringerungs- oder Verwertungsziel nicht erreicht wird oder nicht erreichbar ist. In seiner konkreten Ausgestaltung sollten die abfallwirtschaftlichen Ziele der Vermeidung und Verwertung von Verpackungen zunächst in Kooperation bestimmt und sodann vorrangig durch die Wirtschaft in Wahrnehmung eigener Verantwortung verwirklicht werden. Dies konnte insbesondere aufgrund von freiwilligen Absprachen oder Selbstbeschränkungsabkommen geschehen (BTDrucks 10/2885, S. 18, 45 f.).
Das Kooperationsprinzip war in § 14 Abs. 2 AbfG so ausgeformt, daß die zur einseitigen Durchsetzung der entsprechenden Ziele in Betracht kommenden Handlungsmittel ausschließlich in der Verantwortung der Bundesregierung als Verordnunggeber und Kooperationspartner liegen und sie dadurch für die beteiligten Kreise aufgrund ihres Kooperationswissens vorhersehbar werden. Der Gesetzgeber verzichtete hier gänzlich auf ordnungsrechtliche Regelungen, um den kooperativen Gestaltungsraum nicht einzuengen. Die Ermächtigungen des § 14 Abs. 2 Satz 3 AbfG in der Hand des Verordnunggebers sollten Kooperationsbereitschaft und Akzeptanz fördern. Das Gesetz sah Wirtschaft und Handel insgesamt als verantwortliche Verursacher, von denen es eigene Konzepte zur Vermeidung und Verwertung von Verpackungsabfällen und deren Realisierung erwartete.
Auch das Ziel des Zusammenwirkens im Rahmen des § 14 AbfG war einer auf die jeweils Beteiligten abgestimmten Ausgestaltung zugänglich. Im Kooperationsverfahren sollten ökonomisch und ökologisch sinnvolle und vertretbare Lösungen gefunden werden, die den jeweiligen Verhältnissen angepaßt sind (vgl. hierzu Sondergutachten des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen vom September 1990 “Abfallwirtschaft”, BTDrucks 11/8493, S. 55 f., 63).
cc) Dieses in § 14 Abs. 2 AbfG geregelte Prinzip wurde insbesondere im Bereich der Verpackungen von Anfang an genutzt. Schon unter Geltung des § 14 AbfG 1972 hatte sich im Jahre 1977 die deutsche Industrie im Rahmen eines freiwilligen Selbstbeschränkungsabkommens verpflichtet, auf die Einführung von Einwegverpackungen aus Kunststoff zu verzichten. Diese Selbstverpflichtung blieb bis Ende des Jahres 1987 wirksam. Die erste auf der Grundlage des § 14 Abs. 2 AbfG 1986 erlassene Verordnung über die Rücknahme und Pfanderhebung von Getränkeverpackungen aus Kunststoffen vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S. 2455) sollte dem Trend, Mehrweg-Glaspfandflaschen durch Einweg-Kunststoffflaschen (insbesondere 1,5 l PET-Einwegflaschen) zu ersetzen, entgegenwirken. Weiterhin wurden Ziele festgelegt, die für Getränkeverpackungen Recyclingquoten und Anteile für Mehrwegverpackungen bestimmen und deren Beachtung in eigenständiger Zusammenarbeit der Verantwortlichen erwarten (Zielfestlegungen der Bundesregierung zur Vermeidung, Verringerung oder Verwertung von Abfällen aus Verpackungen für Getränke vom 26. April 1989, Bundesanzeiger vom 6. Mai 1989, S. 2237; Zielfestlegungen der Bundesregierung zur Vermeidung, Verringerung oder Verwertung von Abfällen von Verkaufsverpackungen aus Kunststoff für Nahrungs- und Genußmittel sowie Konsumgüter vom 17. Januar 1990, Bundesanzeiger vom 30. Januar 1990, S. 513). Diese Zielfestlegungen hatten letztlich jedoch nicht den gewünschten Erfolg, so daß der Verordnunggeber – in thematisch eng begrenztem Ausmaß – ordnungsrechtliche Regelungen getroffen hat.
Die Verpackungsverordnung vom 12. Juni 1991 (BGBl I S. 1234) geht von der Verantwortlichkeit nicht nur der Vertreiber und der Konsumenten, sondern auch der Hersteller von Verpackungen aus. Sie zielt auf ein Netz von Rücknahmeverpflichtungen, durch das die Verursacherkette vom Handel über die Konsumgüterindustrie, den Verpackungshersteller bis zum Lieferanten des Vormaterials rückabgewickelt wird. Sie fordert für diesen Zweck ein Zusammenwirken aller Beteiligten, das “Insellösungen” für einzelne Produkte oder Branchen praktisch ausschließt (vgl. Rummler/Schutt, Verpackungsverordnung, 1991, S. 29). Bereits der Entwurf der Verpackungsverordnung im Juli 1990 veranlaßte die beteiligten Kreise, gemeinsame Lösungsmodelle zu entwickeln. Im Ergebnis wurde ein Konsens über ein duales System gefunden, das vom Verordnunggeber aufgenommen worden ist (vgl. hierzu Rummler/Schutt, a.a.O., S. 30 ff.). Die Verpackungsverordnung ist demnach Ergebnis der kooperativen Beteiligung der betroffenen Kreise; sie fordert zudem ein weitergehendes Zusammenwirken, insbesondere auch unter Einbeziehung der Hersteller von Verpackungen.
Mit diesen auf Kooperation angelegten Inhalten gilt die Verpackungsverordnung trotz Wegfalls der Ermächtigung des § 14 Abs. 2 AbfG 1986 bis heute fort (vgl. dazu BVerfGE 78, 179 ≪198≫); das nunmehr geltende Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz verfolgt dieselbe Konzeption.
b) Die steuerliche Lenkung durch die Verpackungsteuer läuft dem gesetzlichen Kooperationskonzept zuwider.
aa) Die Lenkung ist mit der Offenheit der Handlungsmittel, die das Kooperationskonzept des Abfallgesetzes prägt, grundsätzlich unvereinbar. Sie fördert ein bestimmtes Verhalten – den Verzicht auf die Verwendung von Einweggeschirr oder die stoffliche Verwertung ausgegebenen Einwegmaterials außerhalb der öffentlich-rechtlichen Entsorgung – und wendet sich an einen umgrenzten Adressatenkreis, die Verwender von Einweggeschirr bei der Abgabe von Speisen und Getränken an Ort und Stelle. Mit dieser konkreten, sanktionsbewehrten Verhaltenslenkung widerspricht sie der Entscheidung des Gesetzgebers, die Konkretisierung des Ziels, Verpackungsabfälle zu vermeiden, und die Auswahl der dafür geeigneten Mittel den “beteiligten Kreisen” mit ihrer besonderen Sachkenntnis und -nähe zu überlassen. Einvernehmlich entwickelte Zielfestlegungen sollen die gebotene Verringerung der Gesamtmenge von Verpackungsabfällen im Volumen und zeitlichen Rahmen konkretisieren. Sodann soll der technische und ökonomische Sachverstand der Verantwortlichen genutzt werden, um die Handlungsmittel und die individuellen Mitwirkungshandlungen näher zu bestimmen.
bb) In ähnlicher Weise widerspricht die steuerliche Lenkung der abfallrechtlichen Konzeption der Erfolgsverantwortung der beteiligten Kreise als Kooperationspartner. Sie besteuert das Unterlassen des gewünschten Verhaltens auch dann, wenn durch die Nutzung anderer Alternativen das abfallwirtschaftliche Ziel in gleicher oder besserer Weise gefördert würde und diese Alternativen im konkreten Fall ökonomisch und ökologisch sinnvoller wären. Der Steuertatbestand steht dem abfallrechtlichen Prinzip kooperativer Verantwortung entgegen, weil dieses lediglich den Vermeidungserfolg als Ziel vorgibt, den Weg zu diesem Ziel aber dem sachkundigen Einvernehmen überläßt. Auch wirkt die steuerliche Lenkung nur auf ein individuelles Verhalten ein, kann die Erreichung des abfallwirtschaftlichen Gesamtziels aber nicht sicherstellen, weil der einzelne Steuerschuldner sich durch Abgabenzahlung von der abgabenrechtlichen Zweckbindung lösen darf. Außerdem erfaßt die Lenkungsteuer nur einen kleinen Teil der nach dem Bundesabfallgesetz für das Ziel der Vermeidung von Verpackungsabfällen Verantwortlichen. Die Steuer trifft allein die Letztvertreiber und Konsumenten. Die abfallgesetzlich vorgesehene Kooperation hingegen ist darauf gerichtet, möglichst alle Verantwortlichen innerhalb der Produktions- und Handelskette mit ihren fachlichen, technischen und ökonomischen Handlungsmitteln zu einer gemeinsamen und koordinierten Vermeidung von Verpackungsabfällen in Pflicht zu nehmen. Auch insoweit nimmt die Verpackungsteuer der gesetzlich vorgesehenen Kooperation ihre Offenheit und verschiebt insbesondere den Kooperationsdruck von den Herstellern und Zwischenhändlern zu den Letztvertreibern.
cc) Soweit die steuerliche Verhaltenslenkung zur Vermeidung von Einweggeschirr dem Steuerpflichtigen noch einen gewissen Entscheidungsraum bei Umsetzung des Vermeidungsziels beläßt und insoweit als verhaltensoffene zielorientierte Lenkung wirkt, steht auch diese Zielbestimmung im Widerspruch zur relativen Zielgebundenheit der abfallgesetzlichen Konzeption. § 1a AbfG gibt die abfallwirtschaftlichen Ziele der Vermeidung und Verwertung von Abfällen vor. Sowohl die produktionsbezogenen Vermeidungs- und Verwertungspflichten (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG) als auch die Regelung des Verwertungsvorrangs (§ 3 Abs. 2 Satz 3 AbfG) machen aber deutlich, daß der Gesetzgeber diese Ziele nicht um jeden Preis verwirklichen, sondern unter Berücksichtigung der jeweiligen ökonomischen und ökologischen Auswirkungen gewichten wollte. Um eine sachgerechte Abwägung dieser Belange sicherzustellen, setzt er in besonderer Weise auf die Kooperation mit den Abfallverursachern (vgl. Urteil des Zweiten Senats vom heutigen Tage, 2 BvR 1876/91 u.a.) und weist im Rahmen des § 14 Abs. 2 AbfG dem Verordnunggeber und den beteiligten Kreisen die Aufgabe dieser vergleichenden Risikobewertung zu.
Die steuerliche Lenkung läuft diesem Kooperationsziel zuwider, da sie generell auf Vermeidung hinwirkt, ohne zu unterscheiden, ob im konkreten Fall die Einführung von Ein- oder Mehrwegsystemen ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist oder sonstigen erheblichen Belangen, z.B. der Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung oder Hygiene, widerspricht. Gleiches gilt für die undifferenzierte Lenkung zur stofflichen Verwertung.
dd) Diese Gegenläufigkeit zur bundesrechtlichen Konzeption ist auch nach Erlaß der Verpackungsverordnung bestehen geblieben.
Die Verwirklichung des in dieser Verordnung vorgegebenen Modells wird von einer Verpackungsteuer durchkreuzt, die den Lenkungsdruck ausschließlich auf die Endverkäufer und Verbraucher ausrichtet und die Endverkäufer in individuelle Lösungen drängt. Sowohl die damit verbundene Entlastung der Hersteller und Zwischenvertreiber als auch die individuelle Ausrichtung sind geeignet, das von der Verpackungsverordnung gewollte Zusammenwirken aller Verantwortlichen zu beeinträchtigen.
Die Lenkung durch die Verpackungsteuer ist auf die Steuerung des individuellen Verhaltens des Steuerpflichtigen gerichtet. Sie gibt Anlaß, die Erfüllung der kollektiven Verpflichtungen aus der Verpackungsverordnung zugunsten steuerbefreiender Individuallösungen zu vernachlässigen. Die Lenkung zur Rücknahme selbst ausgegebener Verpackungen erwartet ein anderes Verhalten als die Rücknahmepflicht nach § 6 Abs. 1 VerpackVO, wonach der Vertreiber gebrauchte Verpackungen auch dann zurücknehmen muß, wenn er sie nicht selbst ausgegeben hat, sondern entsprechende Waren in seinem Sortiment führt und nach Art, Form und Größe entsprechende Verpackungen vertreibt. Noch deutlicher zeigt sich der Widerspruch, wenn der Verordnunggeber dem Vertreiber eine gleichwertige Alternative zwischen einer individuellen Rücknahme und der Beteiligung an einem kollektiven System eröffnet. Zwar wird die Nutzung des Dualen Systems Deutschland im Rahmen des Befreiungstatbestandes des § 3 der Verpackungsteuersatzung der Stadt Kassel in Höhe der von diesem System erreichten Quote der stofflichen Verwertung berücksichtigt. Da der einzelne Vertreiber auf diese Weise aber keine vollständige Steuerbefreiung erreichen kann, stellt auch die steuerrechtlich vorgesehene individuelle Rücknahme der selbst ausgegebenen Verpackungen das kollektive Konzept des Verordnunggebers in Frage.
IV.
1.a) Die Verfassungswidrigkeit der Satzung führt zu deren Nichtigkeit (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). Eine bloße Unvereinbarkeitserklärung scheidet nach der Art der festgestellten Verfassungsverstöße aus. Die angegriffene Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs ist aufzuheben, weil sie auf der verfassungswidrigen Satzung beruht.
b) Mit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erledigt sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung der Beschwerdeführerinnen zu 1.
2.a) Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen für die Verfassungsbeschwerden beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
b) Über die Kosten des erledigten Antrags auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ist gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden (vgl. BVerfGE 89, 91 ≪97≫). Diese Entscheidung fällt zum Nachteil der Beschwerdeführerinnen zu 1. aus. Sie hätten vorläufigen Rechtsschutz im Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 8 (seit 1. Januar 1997: Abs. 6) VwGO beantragen können. Zudem hatten sie die Möglichkeit, Anträge an die Behörde auf Aussetzung der Vollziehung der Verpackungsteuerbescheide nach § 80 Abs. 4 VwGO, auf Stundung nach § 4 Abs. 1 Nr. 5a) HessKAG (i.d.F. des Art. 3 AO-Anpassungsgesetz vom 21. Dezember 1976 ≪GVBl I S. 532≫) i.V.m. § 222 AO 1977 oder auf Erlaß nach § 4 Abs. 1 Nr. 5a) HessKAG i.V.m. § 227 AO 1977 zu stellen.
Da es bei diesen Rechtsbehelfen ebenso wie für eine Entscheidung nach § 32 BVerfGG im wesentlichen nicht auf die – durch den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts damals vorgezeichneten – Erfolgsaussichten in der Hauptsache, sondern auf eine Folgenabwägung angekommen wäre, war ihre vorherige Ausschöpfung nicht von vornherein aussichtslos und unzumutbar.
D.
Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
Unterschriften
Limbach, Graßhof, Kruis, Kirchhof, Winter, Sommer, Jentsch, Hassemer
Fundstellen