Entscheidungsstichwort (Thema)
Immissionsschutzrechtliche Anordnung. nicht genehmigungsbedürftige Anlage. Pflicht zur Abfallbeseitigung. Abfallbesitzer. Abfallerzeuger. revisionsrechtlich bindende Tatsachenfeststellungen. Insolvenzverwalter. Insolvenzforderung. Masseverbindlichkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG begründet nur die Pflicht, die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Beseitigung der beim Betrieb der nicht genehmigungsbedürftigen Anlage entstehenden Abfälle zu schaffen; die Pflicht zur Abfallbeseitigung selbst richtet sich bei diesen Anlagen nach den Bestimmungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes.
Normenkette
BImSchG § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 24; KrW-/AbfG § 3 Abs. 5-6, §§ 5, 11
Verfahrensgang
Tenor
Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 14. August 2003 wird, soweit das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen hat, und hinsichtlich der Kostenentscheidung aufgehoben. Ferner wird der Bescheid des Beklagten vom 6. März 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Hannover vom 6. Mai 2002 und der Erklärung des Beklagten vom 14. August 2003 aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Beseitigung von Abfällen von dem Betriebsgelände der A.… GmbH.
Der Kläger wurde mit Beschluss vom 1. Mai 2001 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen dieser GmbH bestellt, die ein Maschinenbauunternehmen auf einem gepachteten Grundstück in A.… betrieb. Bei einer Besichtigung dieses Betriebes am 29. Mai 2001 stellte der Beklagte fest, dass sich innerhalb und außerhalb der Betriebsräume verschiedene von ihm als Abfall angesehene Stoffe und Behälter befanden. Er forderte den Kläger zur Beseitigung auf. Dieser kündigte zunächst die fachgerechte Entsorgung der nicht betriebsnotwendigen Stoffe an und teilte mit, dass der Betrieb zum 1. August 2001 unter der Firma IN. fortgeführt werde. Am 16. August 2001 zeigte der Kläger gegenüber dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 der Insolvenzordnung – InsO – an. Mit Vertrag vom 10. Oktober 2001 verkaufte die Gemeinschuldnerin, vertreten durch den Kläger, ihr “gesamtes Anlagevermögen” gemäß der dem Vertrag beigefügten Anlage an die I.… GmbH … Dem Beklagten gegenüber erklärte der Kläger nunmehr, dass ihm die Entsorgung der Abfälle nicht obliege, weil sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgelagert worden seien. Eine weitere Ortsbesichtigung des Beklagten ergab, dass die Abfälle größtenteils unverändert auf dem Betriebsgelände lagerten, allerdings einige Stoffe vom Nachfolgebetrieb verwendet wurden. Daraufhin gab der Beklagte dem Kläger gemäß § 24 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Bundesimmissionsschutzgesetzes – BImSchG – unter anderem auf, die in einer Anlage zu dem Bescheid aufgelisteten Abfälle zeitnah einer schadlosen Entsorgung zuzuführen und sie bis dahin durch ordnungsgemäße Lagerung – als Bereitstellung zum Abtransport – vor Vandalismus, Diebstahl, Auslaufen und Verstreuung zu sichern.
Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies die Bezirksregierung im Wesentlichen zurück; sie hob die Anordnung des Beklagten nur insoweit auf, als sie sich auch auf die Stoffe bezog, die im Nachfolgebetrieb verwendet wurden. Sie wies darauf hin, dass die Verhaltensverantwortlichkeit des Klägers nicht dadurch beeinflusst werde, dass ursprünglich die Gemeinschuldnerin Betreiberin der Anlage gewesen sei und möglicherweise alle Abfälle von ihr schon vor Beginn des Insolvenzverfahrens gelagert worden seien; denn mit der Fortführung der Anlage sei nunmehr der Kläger Betreiber und als solcher verpflichtet, die schon vorhandenen Abfälle ordnungsgemäß zu beseitigen. Zwar sei die Anlage inzwischen weiterverkauft worden. Eine Inanspruchnahme der I.… GmbH als Zustandsverantwortliche wäre jedoch nur in Betracht gekommen, sofern diese auch die tatsächliche Gewalt über die Abfälle gehabt hätte. Dies sei bis heute nicht nachgewiesen. Die Auflistung der Vertragsgegenstände enthalte die Abfälle nicht. Dem Vollzug der Anordnung stehe nicht entgegen, dass die Abfälle auf dem Betriebsgelände der I.… GmbH und damit auf einem adressatenfremden Grundstück lagerten. Dies könne durch die Anordnung an die Nachfolgefirma, das Betreten zum Abholen der Abfälle zu dulden, ausgeräumt werden.
Dagegen hat der Kläger Klage erhoben. Nachdem der Beklagte seine Anordnung hinsichtlich bestimmter Kleingebinde aufgehoben hat, ist das Verfahren insoweit nach entsprechenden Erledigungserklärungen der Beteiligten eingestellt worden. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die angegriffene Anordnung sei rechtmäßig. Der Betrieb der Gemeinschuldnerin sei eine nicht genehmigungsbedürftige Anlage nach § 22 BImSchG, die der Kläger nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortgeführt habe und die nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG so zu betreiben sei, dass die beim Betrieb der Anlage entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden könnten. Bei den Gegenständen, deren Beseitigung der Beklagte fordere, handele es sich um bei dem Betrieb der Anlage entstandene Abfälle im Sinne des Abfall- und damit auch des Immissionsschutzrechts. Der Kläger sei auch richtiger Adressat der Anordnung. Als Anlagenbetreiber sei der Insolvenzverwalter zur Beseitigung der von der Gemeinschuldnerin abgelagerten Abfälle auch dann verpflichtet, wenn sie in der Zeit vor der Betriebsübernahme angefallen seien. Diese Pflicht gehe, soweit sie durch die Gemeinschuldnerin nicht erfüllt worden sei, mit der uneingeschränkten Betriebsübernahme auf den Kläger über. Die in seiner Person entstandene immissionsschutzrechtliche Verantwortlichkeit erlösche durch eine spätere Weiterveräußerung des Betriebes nur dann, wenn nach dem Inhalt des Vertrages der Erwerber den vorhandenen Abfall mit übernehme. Gehe die Beseitigungspflicht nicht auf den Erwerber über, verbleibe sie beim Insolvenzverwalter, und zwar ungeachtet der zwischenzeitlichen Beendigung seiner Betreiberstellung. Für wirksam herausgelöste oder abgespaltene Teile eines Betriebes erlöschten die bis zur Lösung des betrieblichen Zusammenhangs noch nicht erfüllten immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten mangels eines Adressaten nicht; vielmehr bestünden sie bis zu ihrer Erfüllung beim bisherigen Betreiber fort.
Mit seiner durch das Verwaltungsgericht zugelassenen Sprungrevision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Seinen im Revisionsverfahren erstmals gestellten Hauptantrag, die Nichtigkeit der angegriffenen Anordnung festzustellen, hat er zugunsten des zunächst als Hilfsantrag gestellten Anfechtungsantrages zurückgenommen. Er trägt vor, das Urteil des Verwaltungsgerichts und die angegriffene Anordnung verletzten Bundesrecht, weil er gezwungen werde, für die Abfallbeseitigungspflicht mit der Masse einzustehen, obwohl er nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus insolvenzrechtlicher Sicht Aufwendungen für die Beseitigung von bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf dem Betriebsgrundstück lagernden Abfällen nur noch als Insolvenzforderung gleichmäßig und anteilig befriedigen dürfe. Das Verwaltungsgericht verkenne den abschließenden Charakter des die Masseverbindlichkeiten regelnden § 55 InsO. Das Urteil verletze aber auch § 24 und § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG, weil er als Betreiber der Anlage in Anspruch genommen werde, obwohl er als Insolvenzverwalter den Betrieb weder auf eigene Rechnung, sondern für die Masse, noch in eigener Verantwortung, sondern unter Aufsicht des Insolvenzgerichts sowie nach den Weisungen der Gläubigerversammlung und des Gläubigerausschusses geführt habe.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er erwidert: Die ordnungsrechtliche Pflicht sei nicht von der Gemeinschuldnerin auf den Kläger übergegangen, sondern sei in seiner Person in seiner Eigenschaft als Betreiber neu entstanden. Soweit der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verweise, bestünden Zweifel an der von ihm aufgezeigten Divergenz zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts; denn in dem herangezogenen Urteil des Bundesgerichtshofs gehe es nicht um die Durchsetzung einer ordnungsrechtlichen Pflicht.
Der Vertreter des Bundesinteresses teilt mit, dass es innerhalb der Bundesregierung keine einheitliche Auffassung zur ordnungsrechtlichen Behandlung von Altlasten in der Insolvenz gebe. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sehe in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts den Insolvenzverwalter als Betreiber im Sinne der §§ 22 und 24 BImSchG an, wenn er den Betrieb der Anlage fortführe. Er sei deshalb zur Beseitigung der von der Gemeinschuldnerin abgelagerten Abfälle auch dann verpflichtet, wenn sie in der Zeit vor der Betriebsübernahme angefallen seien. Demgegenüber lehne sich das Bundesministerium der Justiz an die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an. Danach sei eine Freistellung des Ordnungsrechts von den insolvenzrechtlichen Bindungen und damit eine Sonderstellung des Ordnungsrechts nicht anzuerkennen. Zwar seien ordnungsrechtliche Verpflichtungen der Masse nicht ohne weiteres mit zivilrechtlichen Ansprüchen gleichzusetzen. Gleichwohl handele es sich um Vermögensansprüche, die keine höchstpersönlichen Pflichten begründeten und deshalb in das System der §§ 38 bis 50 InsO einzufügen seien. Für die Einordnung der Ansprüche sei demnach darauf abzustellen, ob der Eintritt der Gefahrenlage bereits vor Insolvenzeröffnung abgeschlossen gewesen sei oder sich erst nach Verfahrenseröffnung realisiert habe.
Der Berichterstatter hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten gemäß § 87 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 und § 141 VwGO erörtert und darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die Veräußerung der Anlage Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Anordnung bestünden. Der Beklagte hat daraufhin vorgetragen, dass seines Wissens nicht die gesamte Anlage, sondern diese mit Ausnahme der Beizanlage veräußert worden sei. Dies hat der Kläger in Abrede gestellt.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II.
Im Umfang der Klagerücknahme ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 VwGO einzustellen.
Die Revision ist begründet. Das angegriffene Urteil verletzt Bundesrecht; denn der Kläger durfte auf der Grundlage der durch das Verwaltungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen weder nach den Vorschriften des Bundesimmissionsschutzgesetzes noch nach denen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes – KrW-/AbfG – für die Beseitigung der Abfälle und für deren Sicherung in Anspruch genommen werden. Das Urteil des Verwaltungsgerichts und die angefochtenen Bescheide müssen daher aufgehoben werden.
- Der Beklagte hat seine Anordnung, soweit er vom Kläger die Beseitigung der in Rede stehenden Abfälle verlangt, zu Unrecht auf § 24 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG gestützt. Zwar ermächtigt § 24 BImSchG die zuständige Behörde, im Einzelfall die erforderlichen Anordnungen zur Durchführung des § 22 BImSchG und damit zur Durchsetzung der dem Betreiber einer nicht genehmigungsbedürftigen Anlage obliegenden Pflichten zu treffen. Die Abfallbeseitigungspflicht, der der Kläger nach dem Willen des Beklagten nachkommen soll, ergibt sich jedoch nicht aus der in der Anordnung herangezogenen Bestimmung des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG. Nach dieser Vorschrift sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die beim Betrieb der Anlage entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können. Geregelt wird demnach keine Pflicht zur Beseitigung der beim Betrieb der Anlage entstehenden Abfälle; gefordert wird vielmehr lediglich, die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Beseitigung der Abfälle zu schaffen. Die Pflicht zur Abfallbeseitigung selbst richtet sich nach den Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (vgl. Jarass, BImSchG, 5. Aufl., § 22, Rn. 46; Hansmann in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. I, § 22 BImSchG, Rn. 28; Roßnagel in: GK-BImSchG, § 22, Rn. 156), deren Anwendung nach § 22 Abs. 2 BImSchG unberührt bleibt.
Soweit die Anordnung des Beklagten auf die Beseitigung der in Rede stehenden Abfälle gerichtet ist, findet sie jedoch ebenso wenig eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage in den Vorschriften des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes. Der Kläger ist weder Besitzer noch Erzeuger der Abfälle, so dass ihn die Grundpflichten nach § 5 und § 11 KrW-/AbfG nicht treffen.
a) Abfallbesitzer ist nach § 3 Abs. 6 KrW-/AbfG jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat. Mit dieser Definition knüpft der Gesetzgeber an die ständige Rechtsprechung des Senats an, nach der für den Abfallbesitz ein “Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft” kennzeichnend ist (zuletzt Urteil vom 8. Mai 2003 – BVerwG 7 C 15.02 – Buchholz 451.221 § 3 KrW-/AbfG Nr. 5 m.w.N.). Ein Besitzbegründungswille ist nicht erforderlich. Die Sachherrschaft an einem Grundstück vermittelt die tatsächliche Gewalt über die dort lagernden Gegenstände, sofern das Grundstück nicht aufgrund von Betretungsrechten allgemein zugänglich ist.
Bei Anwendung dieser Grundsätze scheide ein Abfallbesitz des Klägers aus. Er war spätestens Abfallbesitzer geworden, nachdem er den Betrieb der nicht genehmigungsbedürftigen Anlage von der Gemeinschuldnerin übernommen und die Produktion fortgeführt und sich damit entschieden hatte, die Anlage für die Masse zu nutzen (vgl. auch BGHZ 150, 305 ≪311≫). Aufgegeben hat er diese tatsächliche Sachherrschaft aber mit der Veräußerung des Anlagevermögens der Gemeinschuldnerin und der Übernahme des Betriebs durch die Erwerberin. Zwar hat der Beklagte im Revisionsverfahren erstmals bestritten, dass die Anlage vollständig von der Erwerberin übernommen worden sei, und geltend gemacht, die Beizanlage – in der ein Teil der in der Anordnung aufgeführten Abfälle gelagert werden – sei nicht Gegenstand des Übernahmegeschäfts gewesen. Dieses Vorbringen steht jedoch im Widerspruch zu den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, an die der Senat gebunden ist, weil der Beklagte insoweit keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht hat (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) und im Rahmen einer Sprungrevision auch nicht hätte vorbringen können (§ 134 Abs. 4 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die Gemeinschuldnerin ausweislich des Vertrages vom 10. Oktober 2001 “ihr gesamtes Anlagevermögen gemäß Anlage” verkauft habe. Dies kann nur so verstanden werden, dass alle Gegenstände, die dazu bestimmt waren, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen (vgl. § 247 Abs. 2 HGB) im Wege des “asset deal” einen neuen Eigentümer bekommen sollten und damit auch die Anlage insgesamt den Betreiber wechseln sollte. Dass dies in der Folgezeit auch so geschehen ist, wird durch die weiteren Feststellungen des Gerichts untermauert, wenn es auf die Verwendung eines Teils vermeintlicher Abfälle im Nachfolgebetrieb eingeht und sich vor allem ausdrücklich die Begründung des Widerspruchsbescheides zur Androhung der Ersatzvornahme zu Eigen macht; denn damit macht es sich auch die Erwägung der Bezirksregierung Hannover zu Eigen, dass “die Lagerung der Abfälle auf dem Betriebsgrundstück der I.… GmbH, d.h. auf einem adressatenfremden Grundstück”, kein Vollstreckungshindernis sei, weil der Nachfolgefirma aufgegeben werden könne, das Betreten des Grundstücks zum Abholen der Abfälle zu dulden. All dies verdeutlicht hinreichend, dass die tatsächliche Sachherrschaft an den Abfällen nach Feststellungen der Vorinstanz auf den neuen Betreiber der Anlage übergegangen war.
Die Einwände, die der Beklagte gegen dieses Verständnis der Ausführungen des Verwaltungsgerichts erhebt, sind nicht stichhaltig. Zwar trifft es zu, dass das angegriffene Urteil sich mit der Frage der immissionsschutzrechtlichen Grundpflichten für herausgelöste oder abgespaltene Betriebsteile befasst. Dies geschieht jedoch nicht etwa deswegen, weil es das Verwaltungsgericht für möglich gehalten hat, dass Teile der Anlage, wie etwa die Beizanlage, nicht den Besitzer gewechselt hätten. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts beziehen sich vielmehr ausschließlich auf die Abfälle als solche. Das Verwaltungsgericht scheint dem Missverständnis zu unterliegen, allein die Herausnahme dieser nach wie vor im Betrieb lagernden Abfälle aus dem Veräußerungsgeschäft könne nach der Rechtsprechung des Senats dazu führen, dass die Verantwortlichkeit für diese Stoffe bei dem bisherigen Betreiber verbleibe. Diese Rechtsauffassung geht daran vorbei, dass mit der Betriebsübernahme auch die tatsächliche Sachherrschaft über die nach wie vor im Betrieb lagernden Abfälle wechselt, und zwar unabhängig davon, ob sie Bestandteil des Übernahmegeschäfts waren oder nicht. Anders verhält es sich nur dann – und dies war Gegenstand der Ausführungen des Senats in seinem Urteil vom 22. Oktober 1998 – BVerwG 7 C 38.97 – (BVerwGE 107, 299 ≪302 f.≫) –, wenn die Abfälle in einem Teil der Anlage lagern, der von der Betriebsübernahme ausgeschlossen ist.
b) Der Kläger ist auch nicht Erzeuger der betroffenen Abfälle. Abfallerzeuger ist nach § 3 Abs. 5 KrW-/AbfG jede natürliche oder juristische Person, durch deren Tätigkeit Abfälle angefallen sind, oder jede Person, die Vorbehandlungen, Mischungen oder sonstige Behandlungen vorgenommen hat, die eine Veränderung der Natur oder der Zusammensetzung dieser Abfälle bewirken. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht; denn die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass die Abfälle aus der Zeit vor der Übernahme des Betriebs durch den Kläger stammen. Abfallerzeugerin ist somit die Gemeinschuldnerin. Der Kläger kann insoweit auch nicht als deren Rechtsnachfolger für die Beseitigung in Anspruch genommen werden. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine Rechtsnachfolge in eine Verhaltensverantwortlichkeit wie die des Abfallerzeugers überhaupt möglich ist. Denn selbst wenn man das annähme, würde es sich bei dieser Verantwortlichkeit um eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandene Verbindlichkeit der Gemeinschuldnerin und damit um eine Insolvenzforderung im Sinne des § 38 der Insolvenzordnung – InsO – handeln, auf die eine Beseitigungsanordnung gegenüber dem Kläger nicht gestützt werden kann.
Schließlich ist die angegriffene Verfügung auch rechtswidrig, soweit neben der Beseitigung der Abfälle deren Sicherung angeordnet wird. Zwar dürfte die in diesem Rahmen aufgegebene ordnungsgemäße Lagerung im Sinne einer Bereitstellung zum Abtransport noch vom Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG erfasst sein; insoweit scheitert die Inanspruchnahme des Klägers aber an dem zwischenzeitlichen Wechsel der Betreiberstellung.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Zwar hat der Kläger seinen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit der angegriffenen Verfügung zurückgenommen und wäre insoweit nach § 155 Abs. 2 VwGO kostenpflichtig. Da das mit dem Nichtigkeitsfeststellungsantrag verfolgte Interesse sich aber im Wesentlichen mit seinem weiterverfolgten Anfechtungsbegehren deckt, ist er nur zu einem geringen Teil unterlegen, so dass es angemessen ist, dem Beklagten gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO die Kosten insgesamt aufzuerlegen.
Unterschriften
Kley, Herbert, Krauß, Dr. von Heimburg, Neumann
Fundstellen
Haufe-Index 1212983 |
EWiR 2004, 1025 |
ZIP 2004, 1766 |
ZfIR 2004, 795 |
DÖV 2004, 1045 |
DZWir 2005, 22 |
GewArch 2004, 499 |
ZInsO 2004, 917 |
ZUR 2005, 91 |
AbfallR 2004, 243 |
BayVBl. 2005, 282 |
DVBl. 2004, 1556 |
GV/RP 2005, 598 |
ZfW 2005, 87 |
ZfW 2006, 11 |
EurUP 2004, 218 |
FuBW 2005, 701 |
FuHe 2005, 604 |