Joachim Patt, Fabian Bernhagen
Tz. 1
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
§ 22 UmwStG gehört zum Sechsten Teil des UmwStG, der die Einbringung von Unternehmensteilen in eine Kap-Ges oder Gen und den Anteilstausch regelt und komplettiert das System der Besteuerung der Sacheinlagetatbestände gem §§ 20 und 21 UmwStG. Gegenstand der Rechtsnorm ist die Besteuerung der AE mit den aus der Einbringung von Unternehmensteilen (§ 20 UmwStG) oder aus dem Anteilstausch (§ 21 UmwStG) erworbenen (neuen) Anteilen an Kap-Ges/Gen verbunden mit einer rückwirkenden stlichen Neubeurteilung des Einbringungsvorgangs innerhalb eines Zeitkorridors von sieben Jahren ab dem Einbringungsstichtag. Damit ist § 22 UmwStG eine Kernvorschrift des Sechsten Teils des UmwStG in der Novellierung der Einbringungsvorschriften durch das SEStEG (die über entspr Verweise auch bei der Einbringung in eine Pers-Ges, s § 24 Abs 5 UmwStG, und den Formwechsel einer Pers-Ges zur Anwendung kommt, s Tz 3). § 22 UmwStG ist in erster Linie eine typisierte und objektive Missbrauchsverhinderungsvorschrift (s Tz 1d) und alleine schon deswegen mit hoher Bedeutung in der Umstrukturierungspraxis. Im Grunde genommen löst § 22 UmwStG die Funktion der Vorgängerregelung des § 21 UmwStG aF ab (s Tz 3). Allerdings kommt es hier zu einem grundlegenden Konzeptwechsel bezüglich der Besteuerung der stillen Reserven der Anteile bzw des Sacheinlagegegenstands.
Im bisherigen UmwSt-Recht normierte § 21 UmwStG aF ein System der sog einbringungsgeborenen Anteile. Dies sind aus einer Einbringung zum Bw oder Zwischenwert erworbene Anteile, die unabhängig von der Beteiligungshöhe, der Beteiligungsrechte, der Zugehörigkeit zum BV oder PV und der Behaltedauer die Funktion eines Besteuerungsrepräsentanten für die stillen Reserven des Einbringungsgegenstands zuz späterer Wertveränderungen auf der Ebene des Einbringenden (= AE) oder dessen Rechtsnachfolger nach den besonderen Regelungen des § 21 UmwStG aF dienen. Die einbringungsgeborenen Anteile nehmen insoweit eine Sonderstellung im ErtragSt-Recht ein. Diese Sonderstellung zeigte sich in einer Reihe von Spezialvorschriften für die Behandlung von einbringungsgeborenen Anteilen beim Systemwechsel bei der KSt (St-Freistellung für Anteils-VG) und der Einführung des sog Halbeink-Verfahrens bei der ESt (zB s §§ 3 Nr 40 S 3 und 4 EStG aF, § 8b Abs 4 KStG aF).
§ 22 UmwStG idF ab SEStEG verfolgt auf der Ebene des Einbringenden nunmehr eine andere Besteuerungssystematik. Im Grunde genommen werden die aus einer Einbringung erworbenen Anteile (nunmehr im Ges schlicht als "erhaltene Anteile" bezeichnet) nach den allg Grundsätzen der Besteuerung – wie auch bei den übrigen Anteilen an Kap-Ges und Geschäftsanteilen an Gen – hinsichtlich ihrer stillen Reserven behandelt. Nur in dem Zeitraum innerhalb von sieben Jahren ("Sperrfrist") nach dem Einbringungszeitpunkt bestimmt § 22 UmwStG eine besondere Besteuerung der erhaltenen Anteile, wenn die Einbringung nicht zur Vollaufdeckung der stillen Reserven geführt hat und innerhalb der Sperrfrist die Anteile veräußert werden oder bestimmte (vergleichbare) Ersatztatbestände verwirklicht werden. Die "schädliche" Anteilsveräußerung (oder das gleichgestellte Ereignis) löst eine rückwirkende Besteuerung eines Einbringungsgewinns aus, dh der Ges-Geber sieht bei Veräußerungen innerhalb der (typisierten) Sperrfrist eine unwiderlegbare sachliche Beziehung zum Einbringungsvorgang, die mit dem Verlauf der Sperrfrist geringer wird, was auch eine (ebenfalls typisierte) Minderung der Höhe des nachträglichen Einbringungsgewinns zur Folge hat. Der nachträgliche Einbringungsgewinn führt folgerichtig zu zusätzlichen AK für die aus der Sacheinlage erhaltenen Anteile und wird entspr bei der Ermittlung des einzig nach allg Grundsätzen zu beurteilenden Anteilsveräußerungsgewinns berücksichtigt (zahlenmäßige Bsp für dieses Grundkonzept s UmwSt-Erl 2011 Rn E 20.05 und E 20.08).
Tz. 1a
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
Hauptziel der Regelung von § 22 UmwStG ist die Verhinderung von als unsachgem angesehenen St-Gestaltungen unter Ausnutzung st-neutraler Einbringungen innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren (Sperrfrist) ab der Umstellung auf das Halbeink-Verfahren/St-Freistellung bei der KSt nach § 8b Abs 2 KStG.
Es handelt sich bei § 22 Abs 1 UmwStG um den Sachverhalt, bei dem statt einer ungemildert oder partiell stpfl Veräußerung der Sacheinlagegegenstände iSd § 20 Abs 1, § 21 Abs 1 UmwStG nach einer st-neutralen/st-begünstigten Einbringung innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren eine st-günstigere Veräußerung (sog Statusverbesserung) der erhaltenen Anteile an der Übernehmerin erfolgt. Im Fall der Einbringung von betrieblichen Sachgesamtheiten zum Bw oder Zwischenwert (§§ 20 Abs 1, 25 UmwStG) kommt es im Fall der sperrfristschädlichen Anteilsveräußerung gem § 22 Abs 1 UmwStG zur Rückgängigmachung der st-neutralen/-begünstigten Einbringung "zulasten" der (nur) partiell stpfl Aufdeckung der stillen Reserven der erhaltenen Anteile an Kap-Ges....