Thomas Stimpel, Ewald Dötsch
Tz. 77
Stand: EL 107 – ET: 09/2022
Auch wenn nach der hier vertretenen Auff die Entstrickungsregelungen des UmwStG (insbes § 3 Abs 1 und § 11 Abs 1) für die Mehrzahl der Fälle Leervorschriften sind, gilt das nicht ausnahmslos. In einigen Sonderfällen führt die grenzüberschreitende Verschmelzung selbst zur St-Entstrickung, und zwar nach Verw-Auff rückbezogen zum stlichen Übertragungsstichtag (s Tz 78).
Hier ist insbes der Fall zu nennen, dass bei einer Hinausverschmelzung die übertragende Kö eine ausl BetrSt in einem Nicht-Freistellungs-Staat unterhält. Hier kommt es am stlichen Übertragungsstichtag zur St-Entstrickung hinsichtlich des ausl BetrSt-BV, weil D dafür ab diesem Tag sein Besteuerungsrecht verliert (s Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451, 453). Wegen der in § 11 Abs 3 iVm § 3 Abs 3 UmwStG geregelten Ermäßigung der KSt auf den Übertragungsgewinn durch Anrechnung einer fiktiven ausl St im Fall einer Hinausverschmelzung bei Vorhandensein einer in einem anderen EU-Staat belegenen BetrSt, für die D nicht auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat und das jeweilige DBA nicht die Freistellungsmethode vorsieht, s Tz 123ff.
Eine St-Entstrickung zum stlichen Übertragungsstichtag findet bei einer grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung zudem in dem in § 4 Abs 4 S 2 UmwStG geregelten Fall ebenfalls hinsichtlich der stillen Reserven in einer ausl DBA-Freistellungs-BetrSt statt (dazu s § 4 UmwStG Tz 57ff).
Ein weiterer Fall, in dem bei einer grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung der Umwandlungsvorgang selbst zu einer geänderten Zuordnung der WG und damit zur St-Entstrickung führt, ist anzunehmen, wenn eine inl Kap-Ges einer EU-/EWR-ausl Kap-Ges bzw einer Kap-Ges in einem Drittstaat mit DBA-Anrechnung produktive WG zur dauernden Nutzung überlassen hat und sie nachfolgend auf diese ausl Kap-Ges verschmilzt (dazu s Beinert/Benecke, FR 2010, 1009, 1012, die auch die Auswirkung der geänderten Entstrickungs-Rspr auf diesen Fall erörtern).
Auch in dem Fall einer grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung, bei der in D keine BetrSt zurückbleibt, so insbes bei der grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung einer Holdinggesellschaft, führt uE die Verschmelzung selbst zur rechtlichen St-Entstrickung. S hierzu auch Schaumburger/Stoßel, FR 2020, 1123 (1124).
Ebenso verlangt die Fin-Verw in dem Fall der Abwärtsverschmelzung einer inl MG auf eine inl TG bei Vorhandensein eines ausl AE der MG die St-Entstrickung hinsichtlich der TG-Beteiligung im Zeitpunkt der Umwandlung (s Tz 90ff).
Tz. 78
Stand: EL 107 – ET: 09/2022
Für die in Tz 77 genannten Sonderfälle, in denen der Umwandlungsvorgang als solcher zur (rechtlichen) St-Entstrickung führt, stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt es zur St-Entstrickung kommt. Als denkbare Zeitpunkte kommen der gem § 2 Abs 1 UmwStG rückbezogene stliche Übertragungsstichtag sowie ein der Verschmelzung nachgelagerter Zeitpunkt der Verbringung von WG ins Ausl in Betracht. Offenbar ist der Ges-Geber davon ausgegangen, dass die St-Entstrickung als Bestandteil der Einkommensermittlung von der in § 2 Abs 1 UmwStG geregelten stlichen Rückwirkung miterfasst wird, dh nach insoweit zutr Verw-Auff (UmwStE 2011 Rn 02.15) kommt es rückbezogen auf den stlichen Übertragungsstichtag zur St-Entstrickung. S auch Rödder, in R/H/vL, 3. Aufl, § 11 UmwStG Rn 265.
Tz. 79
Stand: EL 107 – ET: 09/2022
Eine Stundungslösung vergleichbar der in § 6 Abs 5 AStG bzw in § 36 Abs 5 EStG geregelten ist im UmwStG für grenzüberschreitende Entstrickungsvorgänge mangels Administrierbarkeit nicht vorgesehen (s Begr des Reg-Entw des SEStEG, BT-Drs 16/2710, 26). Auch liegen die Voraussetzungen für die Bildung eines AP nach § 4g EStG nicht vor.
In der zum niederländischen Recht ergangenen EuGH-Entsch in der Rs "National Grid Indus" (s Urt des EuGH v 29.11.2011 – C-371/10, FR 2012, 25; dazu s auch Riedel, Ubg 2013, 30) bejaht der EuGH das Recht der Staaten zur Festsetzung einer Entstrickungsst, sieht jedoch in der sofortigen Fälligstellung der St einen Verstoß gegen EU-Recht. Wegen der Frage, ob dieses EuGH-Urt Auswirkungen auf die Entstrickungsregelungen des UmwStG hat, s § 3 UmwStG Tz 37. Wegen der Erörterung, ob die Sofortbesteuerung mit EU-Recht vereinbar ist, s auch Rödder (in R/H/vL, 3. Aufl, § 11 UmwStG Rn 284ff); s Kußmaul/Richter/Heyd (IStR 2010, 73); s Dürrschmidt (StuW 2010, 137); s Rautenstrauch/Seitz (Ubg 2012, 14); und s Schaumburger/Stoßel, FR 2020, 1123, 1129).
Betroffen von der Thematik sind nur grenzüberschreitende Verschmelzungen, bei denen es ausnahmsweise (s Tz 77) zu einer "rechtlichen Entstrickung" kommt. Bei einer der Verschmelzung zeitlich nachgelagerten tats Entstrickung greifen die oa Stundungsregeln sowie § 4g EStG.
In dem Urt v 23.01.2013 (IStR 2014, 106; Rs DMC) hatte der EuGH über eine dt Entstrickungsregelung mit der Wahlmöglichkeit einer über fünf Jahre gestreckten Besteuerung der stillen Reserven im Zusammenhang mit § 20 UmwStG 1995 zu urteilen. Er hat diese Regelung als verhältnismäßige Alt zur Sofortbesteuerung ...