Tz. 8
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
§ 32a KStG ist eine verfahrensrechtliche Korrekturvorschrift in einem materiellen St-Ges (ebenso wie zB § 10d EStG für den Verlustabzug oder § 35b GewStG für die Änderung eines GewSt-Messbescheids). Die Regelung stellt ein (verfahrensrechtliches) Korrespondenzprinzip hinsichtlich des Ansatzes einer vGA bei der Kö und beim AE her. Sie gewährt einer materiell richtigen St-Festsetzung Vorrang gegenüber dem Vertrauen des Stpfl in die Bestandskraft der bereits erfolgten St-Festsetzung; s Beschl des BFH v 05.06.2015 (GmbHR 2015, 1053). Verfahrensrechtliche Hemmnisse, die einer zutr materiellen Besteuerung von Kö und AE entgegenstehen, sollen beseitigt werden.
Der BFH hat keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung; s Beschl des BFH v 29.08.2012 (BStBl II 2012, 839); im Ergebnis ergibt sich dies auch aus dem Beschl des BVerfG v 18.12.2023, 2 BvL 7/16. Dies gilt auch hinsichtlich der Änderung von ESt-Festsetzungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung zwar bestandskräftig, aber noch nicht festsetzungsverjährt waren. Dazu s auch Pezzer (BFH/PR 2012, 404). Näheres zu verfassungsrechtlichen Problemen im Zusammenhang mit der Rückwirkung bei Einführung der Regelung s Tz 62.
Tz. 9
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
UE ist allerdings fraglich, ob die Korrekturvorschrift in das richtige St-Ges eingefügt wurde. Unproblematisch ist die Regelung im KStG nur dann, wenn AE und Empfänger einer vGA wiederum eine Kö ist. § 32a KStG soll jedoch offensichtlich auch (und gerade) für natürliche Pers und somit für die Änderung von ESt-Bescheiden gelten (so auch die Ges-Begr; s BT-Drs 16/2712, 71). Im EStG ist jedoch keine vergleichbare Norm enthalten. Zwar sind viele Regelungen des EStG über § 8 Abs 1 KStG auch für Kö anwendbar; dies gilt aber nicht umgekehrt. Es sind deshalb zumindest Zweifel angebracht, ob der Vierte Teil des KStG (überschrieben mit "Nicht in das Nennkapital geleistete Einlagen und Entstehung und Veranlagung"), zu dem auch § 32a KStG gehört, auch für natürliche Pers als AE anwendbar ist. UE wäre im EStG zumindest eine Verweisung hilfreich, wenn nicht gar notwendig (ebenso s Dötsch/Pung, DB 2007, 11; s Pohl/Raupach, FR 2007, 216); aA allerdings s Benecke, NWB 2006, 3341/3343; s Frotscher in F/D, KStG, § 32a Rn 18; s Bauschatz in Gosch, 4. Aufl, § 32a Rn 23; s Kroschel, in B/W, KStG, § 32a Rn 13; s Rengers, in B/H, EStG/KStG, § 32a KStG Rn 10; s Heinemann, in R/H/N, 2. Aufl, § 32a KStG Rn 15; s Strnad, GmbHR 2006, 132; s C. Pohl, DStR 2007, 1336; und s Grotherr, RIW 2006, 898). Ob sich die Anwendbarkeit des § 32a Abs 1 KStG auf ESt-Bescheide der AE allein aus dem Sachzusammenhang ergibt (wie die Gegenmeinung argumentiert), erscheint uns zumindest zweifelhaft. Dass das KStG keine Bestimmung enthält, nach der die Regelungen dieses Ges nur auf Kö anwendbar sind, schließt diese Zweifel nicht aus (mit dieser Begr könnte man nämlich auch auf den – natürlich nicht zutreffenden – Gedanken kommen, die St-Befreiungen des § 8b KStG seien auch auf Beteiligungserträge natürlicher Pers anwendbar). Allerdings hat die Platzierung der Regelung im KStG den BFH bisher nicht gestört (s Beschl des BFH v 20.03.2009, DB 2009, 939; s Beschl des BFH v 29.08.2012, BStBl II 2012, 839). Der Wille des Ges-Gebers, dass auch die St-Bescheide natürlicher Pers nach § 32a Abs 1 KStG änderbar sein sollen, ist aber eindeutig; s Rengers (in B/H, § 32a KStG Rn 10) weist darauf hin, dass § 32a KStG in § 3 Nr 40 S 1 Buchst d S 3 EStG schließlich ausdrücklich erwähnt sei und dort nicht zwischen kstpfl und estpfl nahe stehenden Pers unterschieden werde. Dies ist zwar keine Vollverweisung, wie sie uE sinnvoll gewesen wäre, belegt den Willen des Ges-Gebers aber durchaus. Wir gehen deshalb mit der hM nachfolgend davon aus, dass die Regelung des § 32a Abs 1 KStG trotz der "suboptimalen" Regelungsstelle auch für ESt-Bescheide eines Gesellschafters anwendbar ist.
Tz. 10
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Häufig werden in der Praxis neben § 32a KStG auch andere Korrekturvorschriften für die Änderung eines Bescheids auf der jeweils anderen Ebene eingreifen (zB § 164 Abs 2 AO oder § 173 Abs 1 AO). UE sind diese anderen Vorschriften dann vorrangig anwendbar (s R 35b Abs 1 S 3 GewStR 2009 zur vergleichbaren Problematik bei der Anwendung von § 35b GewStG); aA s Kroschel (in B/W, KStG, § 32a Rn 12), der davon ausgeht, dass zwischen den einzelnen Änderungsvorschriften keine Konkurrenz besteht und eine Änderung somit wahlweise auf jede einzelne Vorschrift gestützt werden kann, wenn mehrere Vorschriften eine Änderung ermöglichen. Auch der BFH hat in seinem Urt v 20.10.2014 (GmbHR 2015, 772) die Korrekturvorschrift des § 173 Abs 1 Nr 1 AO vorrangig angewandt. Zumindest tritt § 32a KStG also gleichrangig neben die Korrekturvorschriften der AO (s Heinemann, in R/H/N, 2. Aufl, § 32a KStG Rn 23). Meist wird diese Streitfrage jedoch akademischer Natur sein. Gerade wenn beim Bescheid des AE aber bereits Verjährung eingetreten ist, wird...