Tz. 71
Stand: EL 103 – ET: 09/2021
Nach § 55 Abs 1 Nr 5 AO
- muss eine Kö ihre Mittel grds zeitnah für ihre st-begünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwenden,
- ist Verwendung idS auch Verwendung der Mittel für die Anschaffung oder Herstellung von Vermögensgegenständen, die satzungsmäßigen Zwecken dienen,
- ist eine zeitnahe Mittelverwendung gegeben, wenn die Mittel spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kj oder Wj für die st-begünstigten Zwecke verwendet werden (s AEAO Nr 29 zu § 55 Abs 1 Nr 5).
Durch das JStG 2020 vom 21.12.2020 wurde dem § 55 Abs 1 Nr 5 AO folgender Satz 4 angefügt:
"Satz 1 gilt nicht für Körperschaften mit jährlichen Einnahmen von nicht mehr als 45 000 EUR."
Im Einzelnen gilt Folgendes:
- Die Regelung soll zu einem Bürokratieabbau bei kleineren Kö beitragen, indem Kö mit jährlichen Einnahmen von 45 000 EUR oder weniger nicht den strengen Maßstäben der zeitnahen Mittelverwendung unterliegen. Zur Ermittlung der Bagatellgrenze sind sämtliche Einnahmen aus allen vier Sphären zu erfassen. Maßgebend sind die Bruttoeinkommen.
- UE sind im Wege der teleologischen Reduktion solche Einnahmen auszuklammern, die nach der ges Grundkonzeption zum nicht zeitnah zu verwendenden Vermögen iSd § 62 Abs 3 und 4 AO gehören. Die ges-geberische Intention, kleinere Organisationen vom Nachw der zeitnahen Mittelverwendung zu befreien, liefen ins Leere, wenn eine Organisation einen solchen Nachw führen müsste, obwohl die an sich zeitnah zu verwendenden Einnahmen (vor Rücklagenbildung) die Bagatellgrenze nicht überschreiten. Die Fin-Verw ist dieser Auff in der neuen Nr 30 des AEAO zu § 55 Abs 1 Nr 5 nicht gefolgt (s BMF-Schr v 06.08.2021).
- Da sich die Ausnahme lediglich auf die zeitliche Dimension der Mittelverwendung bezieht, bleiben auch kleinere Organisationen verpflichtet, im Grundsatz sämtliche Mittel für ihre gemeinnützigen Satzungszwecke zu verwenden (§ 55 Abs 1 Nr 1 S 1 AO). Die Ausnahme, Mittel in die freie Rücklage (§ 62 Abs 1 Nr 3 AO) oder in eine Rücklage nach § 62 Abs 1 Nr 1 u. 2 AO einzustellen, gilt für kleinere Organisationen nach wie vor.
- Die Ausnahmeregelung gilt ab dem 29.12.2020 (Art 27 Nr 10 iVm Art 50 Abs 1 JStG 2020). UE erstreckt er sich im Grundsatz sowohl auf sämtliche Mittelzuflüsse ab jenem Tag als auch auf einen rechnerischen Verwendungsrückstand bis zu jenem Tag. In Bezug auf einen Verwendungsrückstand ist im Falle der Einhaltung der Bagatellgrenze deshalb uE die Erteilung einer Verwendungsauflage (§ 63 Abs 4 AO) unzulässig.
- Die Fin-Verw hat mittlerweile auf Bundesebene beschlossen, dass die ges Neuregelung auf alle offenen Fälle anzuwenden ist.
Das Gebot der Selbstlosigkeit beinhaltet, dass eine st-begünstigte Kö- ihre Mittel grds zeitnah für ihre st-begünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwenden muss (§ 55 Abs 1 Nr 5 AO). Eine zeitnahe Verwendung war in der Vergangenheit nur gegeben, wenn die Mittel spätestens in dem auf den Zufluss folgenden Kj oder Wj für die st-begünstigten Zwecke verwendet werden. Verwendung idS ist auch die Verwendung der Mittel für die Anschaffung oder Herstellung von Vermögensgegenständen, die satzungsgemäßen Zwecken dienen (sog nutzungsgebundenes Vermögen).
Durch § 55 Abs 1 Nr 5 S 3 AO idF des Ehrenamtsstärkungsges wurde die Mittelverwendungsfrist auf zwei Kj oder Wj verlängert. Dies gilt für alle Mittel der Kö, die seit 2012 vereinnahmt wurden. Dadurch wurde in den Fällen, in denen eine Rücklagenbildung nicht in Betracht kommt, der Handlungsdruck der gemeinnützigen Organisation, ihre ideellen Mittel zeitnah zur verwenden, deutlich "entschärft".
Zum Gebot der zeitnahen Mittelverwendung iSd § 55 Abs 1 Nr 5 AO, vgl BFH-Urt v 20.03.2017, BStBl II 2017, 1110. Danach genügt es, wenn das konkrete Guthaben (projektbezogenes Bankkto) verwendet wird. Es genügt aber auch, wenn die projektbezogenen Aufwendungen innerhalb der ges Frist von einem anderen Bankkto der gemeinnützigen Kö bezahlt werden.
Hinweis:
Die Fin-Verw folgt dieser Rspr. Der Zweck des Grundsatzes der zeitnahen Mittelverwendung gebietet es, dass bei der Nachprüfung der Mittelverwendung nicht auf die einzelnen Zuwendungen abzustellen ist, sondern auf die Gesamtheit aller zeitnah zu verwendenden Zuwendungen und sonstigen Einnahmen bzw. Vermögenswerten der Kö. Es gilt also die Saldo- bzw. Globalbetrachtung.
Tz. 72
Stand: EL 103 – ET: 09/2021
Übersicht: Zeitnahe Mittelverwendung und zulässige Ausnahmefälle
Tz. 73
Stand: EL 103 – ET: 09/2021
Praxishinweise im Zusammenhang mit der zeitnahen Mittelverwendung: