Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge. Diskriminierungsverbot. Begriff ‚Beschäftigungsbedingungen’. Vergleichbarkeit der Situationen. Rechtfertigung. Begriff ‚sachliche Gründe’. Entschädigung bei der Beendigung eines unbefristeten Arbeitsvertrags aus sachlichem Grund. Geringere Entschädigung bei Auslaufen eines befristeten Arbeitsvertrags in Form eines Ersetzungsvertrags
Normenkette
Richtlinie 1999/70/EG
Beteiligte
Angel Manuel Moreira Gómez |
Tenor
Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung vom 18. März 1999 über befristete Arbeitsverträge, die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach die den Arbeitnehmern, die aufgrund befristeter Arbeitsverträge wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Ersetzungsvertrag eingestellt wurden, um die durch einen in Altersteilzeit gehenden Arbeitnehmer frei gewordene Arbeitszeit abzudecken, am Ende des Zeitraums, für den diese Verträge geschlossen wurden, zustehende Entschädigung geringer ist als die Entschädigung, die Dauerbeschäftigte erhalten, wenn ihr Arbeitsvertrag aus einem sachlichen Grund beendet wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de Galicia (Oberster Gerichtshof von Galicien, Spanien) mit Entscheidung vom 7. November 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 14. November 2016, in dem Verfahren
Grupo Norte Facility SA
gegen
Angel Manuel Moreira Gómez
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten A. Tizzano, der Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, J. L. da Cruz Vilaça, A. Rosas und C. G. Fernlund, der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter), M. Safjan und D. Šváby, der Richterinnen M. Berger und A. Prechal sowie der Richter E. Jarašiūnas und E. Regan,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. November 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Grupo Norte Facility SA, vertreten durch A. I. López Fernández und E. Orusco Almazán, abogados,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Gavela Llopis als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 20. Dezember 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 4 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung vom 18. März 1999 über befristete Arbeitsverträge (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43) enthalten ist, sowie die Auslegung von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Grupo Norte Facility SA (im Folgenden: Grupo Norte) und Herrn Angel Manuel Moreira Gómez über das Auslaufen des zwischen ihm und diesem Unternehmen bestehenden Arbeitsvertrags in Form eines Ersetzungsvertrags.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Der 14. Erwägungsgrund der Richtlinie 1999/70 lautet:
„Die Unterzeichnerparteien wollten eine Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge schließen, welche die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge und Beschäftigungsverhältnisse niederlegt. Sie haben ihren Willen bekundet, durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse zu verbessern und einen Rahmen zu schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder Beschäftigungsverhältnisse verhindert.”
Rz. 4
Nach Art. 1 der Richtlinie 1999/70 soll mit ihr „die zwischen den allgemeinen branchenübergreifenden Organisationen (EGB, UNICE und CEEP) geschlossene Rahmenvereinbarung … durchgeführt werden”.
Rz. 5
Der zweite Absatz der Präambel der Rahmenvereinbarung lautet:
„Die Unterzeichnerparteien dieser Vereinbarung erkennen an, dass unbefristete Verträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern darstellen und weiter darstellen werden. Sie erkennen auch an, dass befristete Beschäftigungsverträge unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern entsprechen.”
Rz. 6
Im dritten Absatz der Präambel heißt es:
„Die [Rahmenvereinbarung] legt die allgemeinen Grundsätze und Mindestvorschriften für befristete Arbeitsverträge in der Erkenntnis nieder, dass bei ihrer genauen Anwendung die besonderen Gegebenheiten der jeweiligen nationalen, sektoralen und...