Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuergutschrift, Verbot der Ungleichbehandlung von Inlands- und Auslandsdividenden, Keine Beschränkung der zeitlichen Wirkung der Entscheidung
Leitsatz (amtlich)
Die Art. 56 EG und 58 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer Steuerregelung entgegenstehen, nach der bei einer Ausschüttung von Dividenden durch eine Kapitalgesellschaft ein in einem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner dann in den Genuss einer Steuergutschrift kommt, die nach Maßgabe des für die ausgeschütteten Gewinne geltenden Körperschaftsteuersatzes berechnet wird, wenn die ausschüttende Gesellschaft ihren Sitz im selben Mitgliedstaat hat, nicht aber dann, wenn sie ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat.
Normenkette
EGVtr Art. 56, 58; EStG § 36 Abs. 2; KStG §§ 1-2
Beteiligte
Finanzamt Bonn-Innenstadt |
Verfahrensgang
Tatbestand
„Einkommensteuer ‐ Steuergutschrift für von inländischen Gesellschaften gezahlte Dividenden ‐ Art. 56 EG und 58 EG ‐ Zeitliche Beschränkung der Wirkungen von Urteilen“
In der Rechtssache C-292/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 24. Juni 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Juli 2004, in dem Verfahren
Wienand Meilicke,
Heidi Christa Weyde,
Marina Stöffler
gegen
Finanzamt Bonn-Innenstadt
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts, R. Schintgen und J. Kluŭcka, des Richters J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter M. Ilešič, J. Malenovský, U. Lõhmus und E. Levits (Berichterstatter),
Generalanwalt: A. Tizzano, dann C. Stix-Hackl,
Kanzler: B. Fülöp und K. Sztranc-Slawiczek, Verwaltungsräte,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 2005,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn Meilicke, Frau Weyde und Frau Stöffler, vertreten durch Rechtsanwälte W. Meilicke und R. Portner,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch C. Quassowski, A. Tiemann und R. Stotz als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt K.-T. Stopp,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch T. Ward, Barrister,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Gross und R. Lyal als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge von Generalanwalt Tizzano in der Sitzung vom 10. November 2005,
aufgrund des Beschlusses vom 7. April 2006 zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn Meilicke, Frau Weyde und Frau Stöffler, vertreten durch Rechtsanwälte W. Meilicke und D. E. Rabback,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma, R. Stotz und V. Rietmeyer als Bevollmächtigte,
‐ der tschechischen Regierung, vertreten durch T. Boek als Bevollmächtigten,
‐ der dänischen Regierung, vertreten durch J. Molde als Bevollmächtigten,
‐ der hellenischen Regierung, vertreten durch K. Georgiadi als Bevollmächtigten,
‐ der spanischen Regierung, vertreten durch J. M. Rodríguez Cárcamo als Bevollmächtigten,
‐ der französischen Regierung, vertreten durch J.-C. Gracia als Bevollmächtigten,
‐ der ungarischen Regierung, vertreten durch R. Somssich und A. Müller als Bevollmächtigte,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. de Grave als Bevollmächtigten,
‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch H. Dossi als Bevollmächtigten,
‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch K. Wistrand und A. Falk als Bevollmächtigte,
‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch P. Baker, QC,
‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Gross und R. Lyal als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge von Generalanwältin Stix-Hackl in der Sitzung vom 5. Oktober 2006
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 EG und 58 EG.
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn W. Meilicke sowie Frau H. C. Weyde und Frau M. Stöffler als Erben des am 3. Mai 1997 verstorbenen H. Meilicke einerseits und dem Finanzamt Bonn-Innenstadt (im Folgenden: Finanzamt) andererseits über die Besteuerung von Dividenden, die dem Verstorbenen in den Jahren 1995 bis 1997 von Gesellschaften mit Sitz in Dänemark und in den Niederlanden gezahlt worden waren.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3
Art. 56 Abs. 1 EG im Dritten Teil des EG-Vertrags über die Politiken der Gemeinschaft, Titel III („Die Freizügigkeit, der freie Dienstleistungs- und Kapitalverkehr“), Kapitel 4 („Der Kapital- und Zahlungsverkehr“), bestimmt:
„Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.“
...