Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Schutz natürlicher Personen. Verarbeitung personenbezogener Daten. Begriff ‚Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten’
Normenkette
Richtlinie 95/46/EG
Beteiligte
Úrad pro ochranu osobních údaju |
Tenor
Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass der Betrieb eines von einer natürlichen Person an ihrem Einfamilienhaus zum Zweck des Schutzes des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens der Besitzer des Hauses angebrachten Kamerasystems, das Videos von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung wie einer Festplatte aufzeichnet und dabei auch den öffentlichen Raum überwacht, keine Datenverarbeitung darstellt, die im Sinne dieser Bestimmung zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Nejvyšší správní soud (Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 20. März 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 19. April 2013, in dem Verfahren
František Ryneš
gegen
Úřad pro ochranu osobních údajů,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richterin K. Jürimäe, der Richter J. Malenovský und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterin A. Prechal,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2014,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Ryneš, vertreten durch M. Šalomoun, advokát,
- des Úřad pro ochranu osobních údajů, vertreten durch I. Nemec, advokát, und J. Prokeš,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch und G. Kunnert als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, J. Fałdyga und M. Kamejsza als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und C. Vieira Guerra als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Christie als Bevollmächtigten im Beistand von J. Holmes, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Martenczuk, P. Němečková und Z. Malůšková als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Juli 2014
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281, S. 31).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Ryneš und dem Úřad pro ochranu osobních údaju (Amt für den Schutz personenbezogener Daten, im Folgenden: Úřad) wegen dessen Entscheidung, in der er feststellt, Herr Ryneš habe im Zusammenhang mit dem Schutz personenbezogener Daten mehrere Zuwiderhandlungen begangen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 95/46
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 10, 12 und 14 bis 16 der Richtlinie 95/46 heißt es:
„(10) Gegenstand der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die Verarbeitung personenbezogener Daten ist die Gewährleistung der Achtung der Grundrechte und -freiheiten, insbesondere des auch in Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und in den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts anerkannten Rechts auf die Privatsphäre. Die Angleichung dieser Rechtsvorschriften darf deshalb nicht zu einer Verringerung des durch diese Rechtsvorschriften garantierten Schutzes führen, sondern muss im Gegenteil darauf abzielen, in der Gemeinschaft ein hohes Schutzniveau sicherzustellen.
…
(12) … Auszunehmen ist die Datenverarbeitung, die von einer natürlichen Person in Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten – wie zum Beispiel Schriftverkehr oder Führung von Anschriftenverzeichnissen – vorgenommen wird.
…
(14) In Anbetracht der Bedeutung der gegenwärtigen Entwicklung im Zusammenhang mit der Informationsgesellschaft bezüglich Techniken der Erfassung, Übermittlung, Veränderung, Speicherung, Aufbewahrung oder Weitergabe von personenbezogenen Ton- und Bilddaten muss diese Richtlinie auch auf die Verarbeitung dieser Daten Anwendung finden.
(15) Die Verarbeitung solcher Daten wird von dieser Richtlinie nur erfasst, wenn sie automatisiert erfolgt oder wenn die Daten, auf die sich die Verarbeitung bezieht, in Dateie...