Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Vorsteuerabzug. Aufgabe der ursprünglich geplanten Tätigkeit. Berichtigung des Vorsteuerabzugs. Immobilientätigkeit
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 28, 185, 184, 168, 167
Beteiligte
ITH Comercial Timişoara SRL |
Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Bucureşti |
Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Bucureşti – Administraţia Sector 1 a Finanţelor Publice |
Verfahrensgang
Tribunal Bucuresti (Rumänien) (Beschluss vom 27.09.2019; ABl. EU 2020, Nr. C 54/14) |
Tenor
1. Die Art. 167, 168, 184 und 185 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug für Gegenstände – im vorliegenden Fall für Immobilien – und Dienstleistungen, die im Hinblick auf die Ausführung besteuerter Umsätze erworben wurden, bestehen bleibt, wenn die ursprünglich vorgesehenen Investitionsprojekte aufgrund von Umständen, die vom Willen des Steuerpflichtigen unabhängig sind, aufgegeben wurden, und dass keine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen ist, wenn der Steuerpflichtige noch immer die Absicht hat, diese Gegenstände für eine besteuerte Tätigkeit zu nutzen.
2. Die Richtlinie 2006/112, insbesondere Art. 28, ist dahin auszulegen, dass bei Nichtvorliegen eines Auftragsvertrags ohne Vertretung die Konstruktion des Kommissionärs nicht anwendbar ist, wenn ein Steuerpflichtiger ein Bauwerk entsprechend dem Bedarf und den Anforderungen einer anderen Person errichtet, die dieses Bauwerk mieten soll.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunalul Bucureşti (Landgericht Bukarest, Rumänien) mit Entscheidung vom 27. September 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Oktober 2019, in dem Verfahren
ITH Comercial Timişoara SRL
gegen
Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Bucureşti,
Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Bucureşti – Administraţia Sector 1 a Finanţelor Publice
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Wahl, des Richters F. Biltgen (Berichterstatter) und der Richterin L. S. Rossi,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und A. Rotăreanu als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und A. Armenia als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 28, 167, 168, 184 und 185 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der ITH Comercial Timişoara SRL (im Folgenden: ITH) auf der einen und der Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Bucureşti (Staatliche Steuerverwaltungsagentur – Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Bukarest, Rumänien) sowie der Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Bucureşti – Administraţia Sector 1 a Finanţelor Publice (Staatliche Steuerverwaltungsagentur – Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Bukarest – Amt für öffentliche Finanzen Sektor 1, Rumänien) auf der anderen Seite wegen des Vorsteuerabzugs für Ausgaben im Zusammenhang mit letztlich aufgegebenen Immobilienprojekten.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:
„Als ‚Steuerpflichtiger’ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.
Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit’ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.”
Rz. 4
Art. 28 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Steuerpflichtige, die bei der Erbringung von Dienstleistungen im eigenen Namen, aber für Rechnung Dritter tätig werden, werden behandelt, als ob sie diese Dienstleistungen selbst erhalten und erbracht hätten.”
Rz. 5
Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie hat folgenden Wortlaut:
„Steuertatbestand und Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleis...