Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub. Versetzung in den Ruhestand auf Antrag des Betroffenen. Arbeitnehmer, der seinen bezahlten Jahresurlaub vor Ende seines Arbeitsverhältnisses nicht verbraucht hat. Nationale Regelung, die eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub ausschließt. Krankheitsurlaub. Beamte
Normenkette
Richtlinie 2003/88/EG Art. 7
Beteiligte
Magistratsdirektion der Stadt Wien – Personalstelle Wiener Stadtwerke |
Tenor
Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist wie folgt auszulegen:
- Er steht nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, nach denen ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis infolge seines Antrags auf Versetzung in den Ruhestand beendet wurde und der nicht in der Lage war, seinen bezahlten Jahresurlaub vor dem Ende dieses Arbeitsverhältnisses zu verbrauchen, keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub hat.
- Ein Arbeitnehmer hat beim Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub, den er nicht genommen hat, weil er aus Krankheitsgründen seine Aufgaben nicht wahrgenommen hat.
- Ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis beendet wurde und der nach einer mit seinem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung während eines bestimmten Zeitraums vor seiner Versetzung in den Ruhestand weiterhin sein Entgelt bezog, aber verpflichtet war, nicht an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen, hat keinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den während dieses Zeitraums nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub, es sei denn, dass er den Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte.
- Es ist zum einen Sache der Mitgliedstaaten, zu entscheiden, ob sie Arbeitnehmern neben dem in Art. 7 der Richtlinie 2003/88 vorgesehenen Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen weitere Ansprüche auf bezahlten Urlaub gewähren. In diesem Fall können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass ein Arbeitnehmer, der vor der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses aus Krankheitsgründen seinen zusätzlichen bezahlten Jahresurlaub nicht in vollem Umfang verbrauchen konnte, Anspruch auf eine diesem zusätzlichen Zeitraum entsprechende finanzielle Vergütung hat. Zum anderen ist es Sache der Mitgliedstaaten, die Bedingungen für die Gewährung festzulegen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgericht Wien (Österreich) mit Entscheidung vom 22. Juni 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Juli 2015, in dem Verfahren
Hans Maschek
gegen
Magistratsdirektion der Stadt Wien – Personalstelle Wiener Stadtwerke
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen (Berichterstatter) sowie der Richter A. Borg Barthet und E. Levits,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Kellerbauer und M. van Beek als Bevollmächtigte,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. 2003, L 299, S. 9).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Hans Maschek und der Magistratsdirektion der Stadt Wien – Personalstelle Wiener Stadtwerke, seiner Dienstgeberin, über die finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub (Urlaubsersatzleistung), den er vor Ende seines Arbeitsverhältnisses nicht genommen hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2003/88
Rz. 3
Art. 7 „Jahresurlaub”) der Richtlinie 2003/88 lautet:
„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.
(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden.”
Österreichisches Recht
Rz. 4
Die Richtlinie 2003/88 wurde speziell für die Beamten der Stadt Wien durch § 41a des Gesetzes über das Besoldungsrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien – Besoldungsordnung 1994 (im Folgenden: BO) umgesetzt; dieser sieht in der im Jahr 2014 geänderten Fassung Folgendes vor:
„(1) Dem Beamten gebührt anlässlich des Ausscheidens aus dem Dienststand o...