Entscheidungsstichwort (Thema)
Besteuerung der Wertzuwächse aus einem Tausch von Gesellschaftsanteilen, Wegzugsbesteuerung, Portugal
Leitsatz (amtlich)
Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 21, 45 und 49 AEUV sowie den Art. 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 verstoßen, dass sie Art. 10 Abs. 9 Buchst. a des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Singulares (Einkommensteuergesetz) erlassen und beibehalten hat, nach dem bei einem Steuerpflichtigen, der seinen Wohnsitz im portugiesischen Hoheitsgebiet aufgibt, für die Zwecke der Besteuerung in dem Jahr, in dem der Wohnsitz im portugiesischen Hoheitsgebiet aufgegeben wurde, zu den Wertzuwächsen der Betrag hinzuzurechnen ist, der nach Art. 10 Abs. 8 dieses Gesetzes beim Tausch von Gesellschaftsanteilen nicht besteuert wurde.Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 AEUV und Art. 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verstoßen, dass sie Art. 38 Abs. 1 Buchst. a dieses Gesetzes erlassen und beibehalten hat, der den nach dieser Bestimmung vorgesehenen Aufschub bei der Besteuerung natürlichen Personen vorbehält, die das gesamte für eine persönlich ausgeübte unternehmerische oder Erwerbstätigkeit verwendete Vermögen an eine Gesellschaft übertragen, die ihren satzungsmäßigen Sitz und ihre tatsächliche Geschäftsleitung im portugiesischen Hoheitsgebiet hat.Die Portugiesische Republik trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission.Die Bundesrepublik Deutschland trägt ihre eigenen Kosten.
Normenkette
AEUV Art. 21, 45, 49; EWR-Abkommen Art. 28, 31
Beteiligte
Tatbestand
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Art. 21, 45 und 49 AEUV ‐ Art. 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ‐ Freizügigkeit ‐ Freizügigkeit der Arbeitnehmer ‐ Niederlassungsfreiheit ‐ Besteuerung der Wertzuwächse aus einem Tausch von Gesellschaftsanteilen bei natürlichen Personen ‐ Besteuerung der Wertzuwächse aus der Übertragung des gesamten für unternehmerische oder Erwerbstätigkeit verwendeten Vermögens bei natürlichen Personen ‐ Wegzugsbesteuerung bei Einzelpersonen ‐ Sofortige Einziehung der Steuer ‐ Ungleichbehandlung zwischen natürlichen Personen, die Gesellschaftsanteile tauschen und ihren Wohnsitz im Inland beibehalten, und denen, die einen solchen Tausch vornehmen und ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums verlegen ‐ Ungleichbehandlung zwischen natürlichen Personen, die das gesamte für eine persönlich ausgeübte unternehmerische oder Erwerbstätigkeit verwendete Vermögen an eine Gesellschaft mit Sitz und tatsächlicher Geschäftsleitung im portugiesischen Hoheitsgebiet übertragen, und denen, die eine solche Übertragung an eine Gesellschaft mit Sitz oder tatsächlicher Geschäftsleitung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums vornehmen ‐ Verhältnismäßigkeit“
In der Rechtssache C-503/14
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 11. November 2014,
Europäische Kommission, vertreten durch G. Braga da Cruz und W. Roels als Bevollmächtigte,
Klägerin,
gegen
Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Rebelo und J. Martins da Silva als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Bundesrepublik Deutschland,vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
Streithelferin,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter E. Levits und C. Vajda (Berichterstatter), der Richterin K. Jürimäe sowie des Richters C. Lycourgos,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2016,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Mai 2016
folgendes
Urteil
Rz. 1
Mit der vorliegenden Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 21, 45 und 49 AEUV sowie den Art. 28 und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3, im Folgenden: EWR-Abkommen) verstoßen hat, dass sie die Bestimmungen der Art. 10 und 38 des Código do Imposto sobre o Rendimento das Pessoas Singulares (Einkommensteuergesetz, im Folgenden: CIRS) erlassen und beibehalten hat, nach denen ein Steuerpflichtiger, der Gesellschaftsanteile tauscht und seinen Wohnsitz in einen anderen Staat als die Portugiesische Republik verlegt oder der Aktiva und Passiva aus einer persönlich ausgeübten Tätigkeit im Tausch gegen Gesellschaftsanteile eines gebietsfremden Unternehmens überträgt, im ersten Fall ‐ in Bezug auf die fraglichen Transaktionen ‐ sämtliche nicht verrechneten Einkünfte in die Bemessungsgrundlage des letzte...