Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugsteuer. Einstufung eines schweren Geländewagens als PKW oder LKW
Leitsatz (redaktionell)
1. Es bestehen erhebliche Zweifel, ob ein schwerer Geländewagen entgegen gemeinschaftsrechtlicher Begriffsbestimmungen des Verkehrsrechts als PKW einzustufen und die Kraftfahrzeugsteuer nach Hubraum und Emission statt nach Gewicht zu bemessen ist.
2. Die im Kraftfahrzeugsteuergesetz verwendeten Begriffe des Verkehrsrechts richten sich gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 KraftStG nach den jeweiligen geltenden verkehrsrechtlichen – im Streitfall europarechtlichen – Vorschriften. Nach Aufhebung der nationalen verkehrsrechtlichen Bestimmung des § 23 Abs. 6a StVZO a.F. ist danach für die Abgrenzung zwischen PKW und LKW die Richtlinie 70/156/EWG des Rates vom 6. Februar 1970 über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger heranzuziehen.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3; KraftStG § 2 Abs. 2 S. 1, § 8 Nrn. 1-2, § 12 Abs. 2 Nr. 1; StVZO § 23 Abs. 6a; Richtlinie 70/156/EWG
Nachgehend
Tenor
1. Die Vollziehung des Bescheids über Kraftfahrzeugsteuer vom 6. Februar 2006 betreffend das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … wird ohne Sicherheitsleistung aufgehoben, soweit die festgesetzte Kraftfahrzeugsteuer eine jährliche Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von EUR 172 übersteigt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
3. Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist in der Hauptsache die Kraftfahrzeugsteuerfestsetzung für das Kraftfahrzeug des Antragstellers (Ast) mit amtlichen Kennzeichen ….
Der Ast ist seit 11. März 2003 Halter des Kraftfahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen …. Es handelt um ein Fahrzeug mit einer technisch zulässigen Gesamtmasse (P) von 2.810 kg – bisher zulässiges Gesamtgewicht –, einer Masse in fahrbereitem Zustand (M) von 2.056 kg – bisher Leergewicht – und verfügt über vier Sitzplätze neben dem Fahrersitz (N), also insgesamt über fünf Sitzplätze.
Das vorgenannte Kraftfahrzeug wurde zunächst als Lastkraftwagen (LKW) nach Gewicht besteuert. Die Kraftfahrzeugsteuer wurde daher mit Bescheid vom 26. März 2003 auf jährlich EUR 172 festgesetzt. Mit Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer vom 6. Februar 2006 wurden die Besteuerungsgrundlagen für dieses Fahrzeug infolge der Aufhebung des § 23 Abs. 6a Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) zum 1. Mai 2005 geändert. Die Kraftfahrzeugsteuer wurde in diesem Bescheid nunmehr auf jährlich EUR 401 festgesetzt und das Kraftfahrzeug als Personenkraftwagen (PKW) besteuert. Der Ast legte gegen diesen Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer vom 6. Februar 2006 mit Schreiben vom 22. Februar 2006 Einspruch ein. Über den Einspruch wurde bisher noch nicht entschieden. Darüber hinaus beantragte der Ast, die Vollziehung des Bescheids über Kraftfahrzeugsteuer auszusetzen. Diesen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung lehnte der Antragsgegner (Ag) mit Schreiben vom 27. Februar 2006 als unbegründet ab. Mit Schriftsatz vom 28. Februar 2006 beantragte der Ast beim Finanzgericht, die Vollziehung des Bescheids über Kraftfahrzeugsteuer vom 6. Februar 2006 auszusetzen, soweit die Steuer höher ist als in der Zeit vor Änderung der Besteuerungsgrundlagen. Mit Schreiben vom 13. März 2006 beantragte der Ast auch die verwirkten Säumniszuschläge aufzuheben.
Der Ast ist der Ansicht, dass der angefochtene Kraftfahrzeugsteuerbescheid rechtswidrig sei. Die Einstufung seines Fahrzeugs als PKW ab dem 1. Mai 2005 sei unzutreffend. Das Fahrzeug sei ein anderes Fahrzeug i. S. v. § 8 Nr. 2 Kraftfahrzeugsteuergesetz (KraftStG). Der Wegfall des § 23 Abs. 6a StVZO ändere hieran nichts. Es handele sich um ein Mehrzweckfahrzeug der Kategorie AF gemäß der EU-Richtlinie 70/156/. Das Fahrzeug sei aufgrund seiner technischen Beschaffenheit dazu geeignet, sowohl Personen und ihr Gepäck als auch Güter zu transportieren. Das Fahrzeug habe einen einzigen Innenraum, keine Trennwand und keine festen Einbauten.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Aufhebung der Vollziehung des Bescheids über Kraftfahrzeugsteuer unter der Steuernummer vom 6. Februar 2006 anzuordnen, soweit die Steuer höher ist als in der Zeit vor der Änderung der Besteuerungsgrundlagen.
Die Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Der Ag ist der Auffassung, dass das vorgenannte Kraftfahrzeug bis zum 30. April 2005 als anderes Fahrzeug der Gewichtsbesteuerung unterworfen gewesen und ab dem 1. Mai 2005 – nach dem Wegfall des § 23 Abs. 6a StVZO – als PKW nach Hubraum zu besteuern sei.
Auf den Inhalt der Schriftsätze des Ast vom 28. Februar 2006 und 13. März 2006 sowie auf den Schriftsatz des Ag vom 29. März 2006 wird verwiesen. Des Weiteren wird verwiesen auf den Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer vom 26. März 2003 (Blatt 1 Kraftfahrzeugsteuerakte), den Bescheid über Kraftfahrzeugsteuer vom 6. Februar 2006 (Blatt 3 Kraftfahrzeugsteuerakte) und die Mitteilung über die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung vom 27. Februar 2006 (Blatt 9 Kraftfahr...