Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Verhinderung der Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung eines Kapitalgesellschafters zur korrespondierenden Berücksichtigung einer bei der Kapitalgesellschaft nachträglich als verdeckte Gewinnausschüttung beurteilten Vergütung. Zulässigkeit eines Antrags auf Beifügung eines Vorläufigkeitsvermerks. Einkommensteuer 2001
Leitsatz (redaktionell)
1. Wenn sich das für die Besteuerung einer Kapitalgesellschaft zuständige FA durch eine Nebenbestimmung i.S. des § 164 AO 1977 die Nachprüfung einer bestimmten Steuerfestsetzung vorbehält und damit den Eintritt der materiellen Bestandskraft dieser Festsetzung verhindert, dann erscheint es als ein Gebot fairen Verfahrens, dass die für die Besteuerung des Anteilseigners zuständige Behörde auf dessen Antrag hin ebenfalls eine die Bestandskraft einschränkende Regelung mindestens hinsichtlich solcher Sachverhalte trifft, deren geänderte steuerliche Würdigung bei Gesellschaft und Gesellschafter gegenläufige steuerliche Folgen hätte.
2. Das FA ist verpflichtet, bei der in seinem pflichtgemäßen Ermessen stehenden Entscheidung über den Antrag auf Erlass eines hinsichtlich der dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Einkünften vorläufigen Einkommensteuerbescheides des Anteilseigners einer Kapitalgesellschaft zu berücksichtigen, möglicherweise eine bisher in voller Höhe als Arbeitslohn versteuerte, nunmehr als verdeckte Gewinnausschüttung zu qualifizierende Vergütung nur unter Berücksichtigung der Steuerbefreiung des § 3 S. 1 Nr. 40 d EStG versteuern zu müssen. Die Vorschriften über die Änderbarkeit von Steuerbescheiden gewährleisten nicht ausreichend, dass die aus einer solchen Aufdeckung resultierende Steuererhöhung bei der Kapitalgesellschaft mit einer Herabsetzung der Einkommensteuer des Gesellschafters korrespondiert.
3. Die Ablehnung der Beifügung eines Vorläufigkeitsvermerks zu einer Steuerfestsetzung ist geeignet, in Bezug auf diese Festsetzung eine Beschwer auszulösen.
Normenkette
AO 1977 § 165 Abs. 1 S. 1, § 5; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2, Nr. 9, § 3 S. 1 Nr. 40d; KStG § 8 Abs. 3 S. 2; AO 1977 § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 363 Abs. 2, §§ 164, 85, 89; FGO § 40 Abs. 2, § 100 Abs. 1 S. 4, § 102
Tenor
1. Auf den Hilfsantrag der Kläger wird festgestellt, dass die mit Bescheid vom 25. Juli 2002 erfolgte und in der Einspruchsentscheidung vom 17. Februar 2003 bestätigte Ablehnung des Antrags rechtswidrig war, den Klägern zur Einkommensteuer 2001 einen Änderungsbescheid zu erteilen und darin im Rahmen der gegenüber dem Bescheid vom 19. März 2002 gegebenen Steuererhöhung die Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung insoweit anzuordnen, als diese auf Einkünften beruht, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen können.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger und das Finanzamt je zur Hälfte.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft, die mit dieser auch in nicht gesellschaftsrechtlich ausgeformten Rechtsbeziehungen stehen, einen Anspruch darauf haben, dass ihre Einkommensteuerfestsetzung – bis zur abschließenden Überprüfung der den gleichen Zeitraum betreffenden Körperschaftsteuerfestsetzung der Gesellschaft – hinsichtlich ihrer Einkünfte, die dem sog. Halbeinkünfteverfahren unterliegen können, vorläufig im Sinne des § 165 der Abgabenordnung (AO) erfolgt.
Die Kläger werden als Eheleute vom beklagten Finanzamt (FA) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Aktionär und Vorstand der Aktiengesellschaft (im Folgenden: AG). In der gemeinschaftlichen Einkommensteuer-Erklärung der Eheleute für 2001 hat er seine Einkünfte aus der Vorstandstätigkeit in Höhe von rd. 376.000 DM als solche aus nichtselbständiger Arbeit angegeben; die von den Klägern erklärten Einnahmen aus Kapitalvermögen lagen unter dem gesetzlichen Freibetrag (§ 20 Abs. 4) des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Rahmen der Einkommensteuer-Veranlagung hat das FA die Einkünfte der Kläger in der erklärten Höhe berücksichtigt. Die Einkommensteuer-Festsetzung 2001 vom 19. März 2002 enthält keinen Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO). Sie ist (nur) hinsichtlich der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen vorläufig i.S.d. § 165 AO erfolgt; ein Antrag, die Steuer auch wegen anderer Punkte vorläufig festzusetzen, war nicht gestellt worden. Der Bescheid vom 19. März 2002 blieb zunächst unangefochten.
Zur Berücksichtigung von Feststellungen einer Lohnsteuer-Außenprüfung bei der AG wurde dieser Bescheid unter dem 19. Juni 2002 geändert und die Einkommensteuerfestsetzung 2001 von zuvor 15.144,47 EUR auf nunmehr 15.350 EUR erhöht.
Unter anderem gegen diesen Änderungsbescheid legten die Kläger Einspruch ein. Zur Erläuterung teilten sie mit, dass dies vorsorglich geschehen sei. In der Sache gehe es ihnen darum, den Eintritt der Bestandskraft zu verhindern, damit gewährleistet sei, dass die vom Kläger für seine Leistungen gegenüber der AG bezogenen Vergütungen bei dieser und bei ihm...