rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Verlängerung der „Spekulationsfrist” für Grundstücke von zwei auf zehn Jahre
Leitsatz (redaktionell)
Die rückwirkende Verlängerung der „Spekulationsfrist” für Grundstücke von zwei auf zehn Jahre ist insoweit verfassungsgemäß, als der Gesetzgeber Anschaffungsvorgänge in die Neuregelung mit einbezogen hat, die zum Zeitpunkt des in Kraft Tretens der Neuregelung mangels Ablaufs der bis zum 1.1.1999 geltenden alten Spekultionsfrist von zwei Jahren noch nicht „steuerentstrickt” waren.
Normenkette
EStG 1999 § 23 Abs. 1 Nr. 1, § 52 Abs. 39 S. 1; AO § 363 Abs. 2; FGO § 74; GG Art. 103 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Besteuerung von zwei privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der Fassung des sog. „Steuerentlastungsgesetzes” (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) gegen das Rückwirkungsverbot verstößt.
Die Kläger sind Eheleute und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 26. Januar 1998 u.a. die Eigentumswohnungen (ETW) Nr. 2 und Nr. 46 in einem Gebäude in X, (X). Die Anschaffungskosten für die Wohnung Nr. 2 betrugen (umgerechnet) 35.301 EUR, für die Wohnung Nr. 46 (umgerechnet) 39.332 EUR. Diese Wohnungen vermietete er anschließend. Mit Verträgen vom 24. Januar 2004 veräußerte der Kläger die ETW Nr. 46 für 55.000 EUR. Mit Vertrag vom 21. Oktober 2005 veräußerte er die ETW Nr. 2 für 52.000 EUR. Zwischenzeitlich hatte der Gesetzgeber mit dem StEntlG 1999/2000/2002 im März 1999 die Spekulationsfrist bei der Veräußerung von Grundstücken von zuvor zwei auf zehn Jahre verlängert und mit der neu gefassten Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG (jetzt: § 52a Abs. 11 Satz 1 EStG 2009) angeordnet, dass diese Neuregelung auf Veräußerungsgeschäfte anzuwenden ist, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31. Dezember 1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht.
In ihrer beim Finanzamt X (FA X) eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 erklärten die Kläger einen privaten Veräußerungsgewinn aus der Veräußerung der Wohnung Nr. 46 in (unstreitiger) Höhe von 19.177 EUR, den das FA X im Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 20. Mai 2005 erklärungsgemäß berücksichtigte.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger beim FA X Einspruch ein, trugen vor, dass die rückwirkende Verlängerung der Veräußerungsfrist (früher: Spekulationsfrist) von zwei auf zehn Jahre verfassungswidrig sei, und beantragten, das Verfahren zu lassen. Dem Ruhensantrag entsprach das FA X mit Schreiben vom 31. Mai 2005.
In ihrer beim FA X eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2005 erklärten die Kläger einen Gewinn aus der Veräußerung der Wohnung Nr. 2 in Höhe von 20.840 EUR. Gleichzeitig gaben sie an, in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten (des Finanzamts –FA–) verzogen zu sein. Das FA X gab daraufhin die Akten an das FA ab, das im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 19. Oktober 2006 den Veräußerungsgewinn auf –unstreitige– 18.790 EUR reduzierte.
Auch gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit gleicher Begründung wie für das Jahr 2004 Einspruch beim FA ein und beantragten, das Verfahren ruhen zu lassen. Mit Schreiben vom 25. Oktober 2006 teilte das FA den Klägern mit, dass die Einsprüche für die Jahre 2004 und 2005 aus Sicht des FA keine Aussicht auf Erfolg hätten und das Verfahren wegen Einkommensteuer 2004 fälschlich ruhe, weil im Streitfall zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung die frühere Spekulationsfrist von zwei Jahren noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Nachdem die Kläger, vertreten durch den Klägervertreter, nochmals Stellung genommen und erläutert hatten, warum auch in ihrem Fall von einer verfassungsrechtlich unzulässigen Rückwirkung auszugehen sei, wies das FA die Einsprüche durch Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 2007 als unbegründet zurück. Die Besteuerung der –in der Höhe unstreitigen– Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sei nicht verfassungswidrig. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Beschluss vom 16. Dezember 2003 IX R 46/02 (BStBl II 2004, 284, Aktenzeichen des Bundesverfassungsgerichts –BVerfG–: 2 BvL 2/04) dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die Besteuerung privater Grundstücksveräußerungsgewinne mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar ist, als auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte nach dem 31. Dezember 1998, bei denen zu diesem Stichtag die zuvor geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren bereits abgelaufen war, übergangslos der Einkommensteuer unterworfen werden. Dem Beschluss könne allerdings – entgegen der Auffassung der Kläg...