Entscheidungsstichwort (Thema)
Auf das Pflichtteilsrecht beschränkter Erbverzicht als freigebige Zuwendung; mittelbare Grundstücksschenkung im Zusammenhang mit Pflichtteilsverzicht; schenkungsteuerliche Berücksichtigung von früheren Zuwendungen innerhalb von 10 Jahren; schenkungsteuerliche Inanspruchnahme der Schenker und nicht des Beschenkten nicht ermessensfehlerhaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Abfindung für einen auf das Pflichtteilsrecht beschränkten Erbverzicht erfolgt unentgeltlich und stellt eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs.1 Nr.1 ErbStG 1974 des künftigen Erblassers an den Abfindungsempfänger (Pflichtteilsberechtigten) dar (hier: Pflichtteilsverzicht des Klägers zugunsten des als Alleinerben eingesetzten Bruders).
2. Soll der Pflichtteilsberechtigte u.a. nach dem "Pflichtteilsverzichtsvertrag" zum künftigen Erwerb oder der Errichtung eines Hauses / einer Eigentumswohnung unter weiteren Voraussetzungen schenkweise eine Einmalzahlung erhalten, so ist nach den im Schenkungsteuerrecht entwickelten Kriterien zu bestimmen, ob beim späteren Erwerb der Immobilie die Geldmittel oder -bei Annahme einer mittelbaren Grundstücksschenkung- das Grundstück (mit seinem Steuerwert) Zuwendungsobjekt ist.
3. Es liegt eine mittelbare Grundstücksschenkung vor, wenn die aus dem Pflichtteilsverzichtsvertrag gesamtschuldnerisch verpflichteten Eltern ihre Geldschenkung zum Erwerb der Immobilie durch Überweisung des Kaufpreises auf ein Notaranderkonto und durch Hingabe eines Bankschecks vollzogen haben, und wenn der auf seinen Pflichteil verzichtende Sohn also nicht über die geschenkten Geldmittel frei verfügen konnte, sondern erst über die damit erworbene Immobilie.
4. Bei der Zusammenrechnung mehrerer innerhalb von 10 Jahren anfallender Vermögensvorteile nach § 14 ErbStG mit dem letzten Erwerb sind die früheren Erwerbe mit denen ihnen damals zukommenden richtigen Beträgen anzusetzen und nicht mit den falschen Werten, die den vorausgegangenen (ggf. bestandskräftigen) Steuerfestsetzungen für diese Erwerbe zugrunde gelegt worden waren.
5. Muss bei einem gegen Abfindung erfolgenden Pflichtteilsverzicht eines Sohns gegenüber seinen Eltern der als Alleinerbe vorgesehene Bruder die anfallende Schenkungsteuer übernehmen, kann auch die Übernahme der Schenkungsteuer als eigene Schenkung der Eltern an den auf seinen Pflichtteil verzichtenden Sohn zu behandeln sein. In diesem Fall ist es nicht ermessenfehlerhaft, wenn das FA die Schenkungsteuerbescheide an die Eltern gerichtet hat.
Normenkette
ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 516 Abs. 1; ErbStG 1974 § 10 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 12 Abs. 3, § 7 Abs. 1 Nr. 5, § 14; BGB § 2346; ErbStG 1974 § 20; AO 1977 § 44
Tatbestand
Die Kläger (Kl) sind Eheleute. Der Kl wurde am ... geboren, die Klägerin (Klin) am ... Die Eheleute haben zwei Abkömmlinge: die am ... ... und am ... geborenen Söhne: ... (im folgenden: der Beigeladene) und ... Der erkennende Senat hat mit Beschluß vom 9. Dezember 1998 9 K 218/95 den Sohn der Kl, ... wegen Einkommensteuer 1994–1996 und Schenkungsteuer zum vorliegenden Verfahren notwendig beigeladen. Der Beschluß wurde den Beteiligten mittels Empfangsbekenntnis am 14. Dezember 1998 bekanntgegeben. Gegen den Beschluß hat der Beigeladene Beschwerde eingelegt. Der Beigeladene ist seit dem ...verheiratet (Zeile 8 der Einkommensteuererklärung 1993). Er hat keine Abkömmlinge.
Am 19. Februar 1981 schlossen die Kl einen notariell beurkundeten Erbvertrag ab. Jeder der Ehegatten setzte und zwar unabhängig davon, ob er der zuerst Versterbende oder der Überlebende ist, oder ob sie beide gleichzeitig sterben, die Söhne, den Beigeladenen und ... als Erben zur Hälfte ein (a.a.O. III.). Wegen weiterer Einzelheiten des Erbvertrags wird auf die bei den FG-Akten befindliche Fotokopie Bezug genommen (Bl. 133–147 der FG-Akten). Der Erbvertrag wurde zu Beginn des Termins zur Erörterung des Sach- und Streitstandes (§ 79 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-) und zur Beweisaufnahme (§ 79 Abs. 3 FGO) am 19. Juni 1998 dem Berichterstatter des erkennenden Senats übergeben. Bei seiner anschließenden Vernehmung erklärte der Zeuge ... er sei zum Alleinerben nach seinen Eltern eingesetzt worden (Hinweis auf die Niederschrift über den Beweisaufnahmetermin vom 19. Juni 1998, Bl. 151–154 der FG-Akten). Dies entspricht den Vereinbarungen im zwischen den Kl abgeschlossenen Erbvertrag vom 29. April 1991 (a.a.O. III.1. und IV.1. Bl. 253 f, der FG-Akten).
Am 18. April 1991 waren die Kl und ihre Söhne bei dem Notar ... vom Notariat ... erschienen und baten den nachfolgend teilweise wiedergegebenen Pflichtteilsverzichtsvertrag notariell zu beurkunden. Dem kam der Notar nach:
Pflichtteilsverzichtsvertrag
I.
...
verzichtet
auf sein Pflichtteilsrecht nach seinen Eltern
...
Dieser Verzicht erstreckt Abkömmlinge.
II.
Die Eheleute ... und ...
auf das Pflichtteilsrecht nach Ihrem Sohn verzichten unter der Bedingung, daß bis zum Tode des jeweiligen Elternteils der Pflichtteilsverzicht I noch besteht.
...