Entscheidungsstichwort (Thema)
Bei grobem Verschulden des Steuerpflichtigen keine Änderung der (bestandkräftigen) Einkommensteuerfestsetzung aufgrund tatsächlicher Verständigung in Bezug auf die Umsatzsteuer
Leitsatz (redaktionell)
1. Sind Einkünfte aus bestimmten Einkunftsarten von der Finanzbehörde im Wege der Schätzung festgesetzt worden, so stellen die nachträglich bekannt gewordenen Einkünfte Tatsachen i. S. d. § 173 AO dar.
2. Korrigiert das Finanzamt die Schätzung der Umsatzsteuer nach unten und trifft den Steuerpflichtigen ein grobes Verschulden am Bekanntwerden der Schätzungsgrundlagen zu einem Zeitpunkt, an dem der Einkommensteuerbescheid bereits ergangen war, ist eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 AO aufgrund des groben Verschuldens des Steuerpflichtigen ausgeschlossen.
3. Die Saldierung der Einkommensteuerschuld ist bei einer Herabsetzung der Umsatzsteuerschuld mangels eines unmittelbaren oder mittelbaren Sachzusammenhangs ausgeschlossen.
4. Steuerbescheide und Entscheidungen über eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen sind zwei selbstständige mit unterschiedlichen Rechtsbehelfen anfechtbare Verwaltungsakte.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2, §§ 88, 150, 140, 148, 163
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2000 aufgrund einer einvernehmlichen Beilegung des Rechtsstreits in der Finanzstreitsache 14 K 218/06 geändert werden kann.
Die Kläger sind Eheleute, die von dem Beklagten (dem Finanzamt – FA) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Gegen den nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid vom 31. März 2006, mit dem das FA die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Ehefrau von 48.040 DM auf 148.040 DM zugeschätzt hatte, hatten die Kläger durch Schreiben Ihres Prozessbevollmächtigten vom 28. April 2006 (Rechtsbehelfsakte Blatt 36) Einspruch erhoben, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 14. September 2006 als unbegründet zurückgewiesen hatte (Rechtsbehelfsakte Blatt 42-46). Hiergegen erhoben die Kläger keine Klage.
Am 7. September 2007 fand in der Finanzstreitsache 14 K 218/06 der Klägerin gegen das Finanzamt X wegen Umsatzsteuer 2000 und 2001 vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg eine mündliche Verhandlung statt, in der ausweislich der Sitzungsniederschrift (Rechtsbehelfsakte Blatt 3 – 8) der Vertreter des FA erklärte, das FA werde die Lieferungen und Leistungen für das Jahr 2000 um brutto 40.000 DM reduzieren. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärte sich hiermit einverstanden. Hierauf erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Umsatzsteuer 2000 übereinstimmend für erledigt.
Mit Schreiben vom 19. Oktober 2007 bat der Prozessbevollmächtigte der Kläger das FA unter Hinweis auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung im Verfahren 14 K 218/06 um Prüfung, ob im Hinblick auf diese Vereinbarung auch der Einkommensteuerbescheid 2000 abgeändert werden könne. Eine entsprechende Abänderung werde hiermit beantragt.
Mit Bescheid vom 24. Oktober 2007 (Rechtsbehelfsakte Blatt 10) lehnte das FA den Antrag ab. Eine Änderung nach § 172 Abgabenordnung (AO) scheide aus und andere Änderungsvorschriften seien offensichtlich nicht einschlägig. Die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr sei in Bestandskraft erwachsen.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 26. November 2007 (Rechtsbehelfsakte Blatt 11) erhoben die Kläger Einspruch, den sie jedoch nicht begründeten.
Mit Einspruchsentscheidung vom 21. Januar 2008 (Rechtsbehelfsakte Blatt 14 – 16) wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung habe keine Fehler erkennen lassen.
Mit der am Montag, dem 25. Februar 2008, erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Nach dem Setzen von Ausschlussfristen gemäß §§ 65 Abs. 2 Satz 2 und 79 b Abs. 1 und 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Verfügung vom 21. Juli 2008 (Gerichtsakte Seite 29), die dem Prozessbevollmächtigen des Kläger am 23. Juli 2008 zugestellt wurde, ließen die Kläger mit Schreiben vom Montag, dem 25. August 2008 (Gerichtsakte Seite 33 – 35), zur Begründung ihrer Klage vortragen, dass die Klägerin im Verfahren 14 K 218/06 einen Vergleich mit dem FA geschlossen habe, dessen Formulierung – Reduzierung der Lieferungen und Leistungen für das Jahr 2000 um 40.000 DM – umfassend gelte und nicht auf die Umsatzsteuer beschränkt sei und deshalb auch für die Einkommensteuer gelte. Bei diesem Umstand handele es sich um eine neue Tatsache im Sinne des § 173 Abs. 1 Ziff. 2 AO. Ungeachtet dessen seien nach Erlass des Einkommensteuerbescheids vom 31. März 2006 neue Beweismittel aufgetreten, die die erheblich geringeren Einnahmen im Jahr 2000 belegen würden. Am 31. August 2007 habe ihr Prozessbevollmächtigter von der Bank vollständige Kontoauszüge vorgelegt bekommen, die ...