Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verwirkung der Rückforderung von Kindergeld bei Weiterzahlung des Kindergeldes trotz Mitteilung der Umstände, die zum Wegfall des Kindergeldes führen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Beratungsgespräch bei der Agentur für Arbeit reicht als Nachweis dafür, dass das Kind als Arbeitsuchender gemeldet war, nicht aus.
2. Die Verwirkung eines Rückforderungsanspruchs auf zu Unrecht gewährten Kindergeldes setzt besondere Umstände voraus, die die Geltendmachung als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen.
3. Die Weiterzahlung des Kindergeldes trotz Mitteilung der Umstände, die zum Wegfall des Kindergeldes führen, reicht zur Schaffung eines Vertrauenstatbestandes nicht aus.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 S. 2
Nachgehend
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 4.466 Euro.
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Kind bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchende gemeldet war.
Die Klägerin hat eine am 9. Mai 1986 geborene Tochter. Die Tochter besitzt den Hauptschulabschluss. Sie ist seit ihrer Schulzeit arbeitslos.
Die Tochter hatte sich deshalb am 12. Juli 2004 beim Arbeitsamt als arbeitsuchend gemeldet. Die Beklagte gewährte hierauf der Klägerin für die Tochter Kindergeld. Mit ihrem Schreiben ebenfalls vom 12. Juli 2004 wies sie die Klägerin auch darauf hin, dass das Vermittlungsgesuch alle drei Monate erneuert werden müsse, wenn das Kind weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosenhilfe beziehe.
Mit ihrem Schreiben vom 9. Mai 2007 hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für die Zahlungszeiträume ab November 2004 wieder auf. Zur Begründung führte sie aus, die Tochter sei nicht als arbeitsuchend gemeldet. Der Einspruch blieb erfolglos.
Hiergegen wendet sich die Klage. Die Klägerin trägt vor, ihre Tochter sei beim Arbeitsamt als arbeitsuchend gemeldet gewesen. Auch habe die Tochter ein Schreiben der Agentur für Arbeit vom 27. September 2004 – und damit mehr als drei Monate nach der ersten Meldung als arbeitsuchend – erhalten, mit dem sie „für das (von ihr) gewünschte Beratungsgespräch” auf den 15. Oktober 2004 eingeladen worden sei. Deshalb habe sie angenommen, weitere Meldungen seien nicht erforderlich. Außerdem führt die Klägerin aus, der Rückforderung stehe der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Die Beklagte habe den Rückforderungsanspruch verwirkt. Das Schweigen der Beklagten sei dahingehend zu verstehen gewesen, dass der Kindergeldanspruch für die Tochter nach wie vor gegeben sei.
Die Kläger beantragt,
den Bescheid vom 9. Mai 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 4. Oktober 2007 ersatzlos aufzuheben, soweit die Beklagte mit dem Bescheid vom 9. Mai 2007
die Festsetzung des Kindergelds für die Zahlungszeiträume von November 2004 bis März 2007 aufgehoben hat.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist unbegründet.
Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hebt das Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt nur dann auf, soweit dieser rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Der im Streitfall angefochtene Bescheid vom 9. Mai 2007 und die Einspruchsentscheidung vom 4. Oktober 2007 sind allerdings nicht als rechtswidrig zu beanstanden:
a) Im Streitfall hat die Klägerin weder nachgewiesen noch in der erforderlichen Weise wenigstens glaubhaft gemacht, dass sie für die streitigen Zahlungszeiträume einen Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter hat.
Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 63 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird ein Kind berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist. Die Klägerin hat hierfür aber weder die erforderlichen Tatsachen vorgetragen (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs [BFH] vom 19. Juni 2008, III R 66/05, BFH/NV 2008, 1740) noch die entsprechenden Nachweise vorgelegt. Das Beratungsgespräch im Oktober 2004 reicht als Nachweis dafür, dass die Tochter auch in den streitigen Zahlungszeiträumen als Arbeitsuchende gemeldet war, offensichtlich nicht aus.
b) Die Beklagte war im Streitfall auch nach Treu und Glauben nicht daran gehindert, die Kindergeldfestsetzung aufzuheben.
Insbesondere hat die Beklagte ihren Anspruch auf Rückforderung des zu Unrecht gewährten Kindergelds nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rückforderungsanspruchs wegen zu Unrecht gezahlten Kindergeldes setzt besondere Umstände voraus, die die Geltendmachung des Anspruchs als illoyale Rechtsausübung erscheinen lassen. Die Weiterzahlung des Kindergeldes trotz Mitteilung der Umstände, die zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führen, allein reicht zur Schaffung eines Vertrauenstatbestandes nicht aus (BFH-Beschluss vom 26. November 2007, III B 121/06, BFH...