Entscheidungsstichwort (Thema)
Fristverlängerung zur Abgabe von Steuererklärungen durch Steuerberater; Durchsetzung der Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung mit Zwangsmitteln
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Frist zur Einreichung einer Steuererklärung kann rückwirkend verlängert werden, insbesondere wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen in der Form von Verspätungszuschlägen bestehen zu lassen.
2. Allgemeine Arbeitsüberlastung eines Steuerberaters durch den Ausfall von Mitarbeitern und durch Fehler der Finanzverwaltung gegenüber anderen Steuerpflichtigen sind durch die allgemeinen Verwaltungsanweisungen der Finanzverwaltung zur Fristverlängerung für steuerberatende Berufe bereits ausreichend berücksichtigt. Die Mehrbelastung durch die Verkomplizierung des Steuerrechts, durch Änderung der Rechtsprechung usw. darf nicht dazu führen, die Frist für die Abgabe der Steuererklärungen immer weiter hinauszuschieben. Hier kann nur Abhilfe durch eigene Maßnahmen der Angehörigen der steuerberatenden Berufe geschaffen werden, wie z.B. durch zusätzliche Einstellungen oder Verzicht auf die Übernahme von Mandanten.
3. Ein Steuerberater, der in der Vergangenheit mehrfach Steuererklärungen verspätet abgegeben hat und sich seit Jahren auf bestehende Personalengpässe beruft, muss gesteigerte Anstrengungen zum Abbau der Rückstände unternehmen.
4. Die Abgabe der Steuererklärung führt nach § 135 AO nur zur Einstellung des Vollzugs hinsichtlich des Zwangsmittels und nicht zur Aufhebung des Zwangsmittels. Daher kann auch nach Abgabe der Steuererklärung die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Zwangsgeld durch den Steuerpflichtigen bestritten und durch das FA verteidigt werden.
Normenkette
AO 1977 § 149 Abs. 2, § 109 Abs. 1, §§ 5, 135, 323 Abs. 1, § 328
Tatbestand
Streitig ist die Fristsetzung zur Abgabe der Steuererklärungen für 1994 sowie die Festsetzung von Zwangsgeldern. Die Klägerin (Klin) ist eine GmbH mit dem Geschäftszweck des Vertriebs von …
Für die Klin wurden die Steuererklärungen für 1992 am 4. April 1995 abgegeben, nachdem die Frist zur Abgabe am 28. Februar 1995 abgelaufen war. Die Steuererklärungen für 1993 wurden am 19. Februar 1996 abgegeben, nachdem die Frist zur Abgabe am 31. Dezember 1995 abgelaufen war.
Die Klin hatte nach den allgemeinen Verwaltungsvorschriften eine Frist zur Abgabe der Steuererklärung für 1994 bis zum 29. Februar 1996. In einer Besprechung zwischen dem Steuerberater, Vertretern des Beklagten (Bekl) und der Oberfinanzdirektion (OFD) … am 6. Juli 1995 wurde im Hinblick auf die angespannte Arbeits- und Personalsituation in der Kanzlei des Steuerberaters vereinbart, dass ohne Einzelantrag eine Frist zur Abgabe der Steuererklärungen für 1994 u.a. für die Klin bis 30. September 1996 gewährt wird. Am 8. August 1996 beantragte der Steuerberater erneut im Rahmen einer Liste von Fällen für die Klin Fristverlängerung bis 31. Oktober 1996, ohne neu eingetretene Umstände anzugeben, die die weitere Fristverlängerung rechtfertigen sollen. Am 17. September 1996 drohte der Bekl ein Zwangsgeld an. Mit Schreiben vom 24. September 1996 lehnte der Bekl den Antrag auf Fristverlängerung ohne Angabe neuer Gründe ab. Mit Schreiben vom 23. Oktober 1996 beantragte der Steuerberater erneut für die „auf beiliegender Liste näher aufgeführten Mandanten zunächst bis 31. Dezember 1996” Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärungen. Den gleichen Fristverlängerungsantrag stellte er nochmals mit Schreiben vom 8. November 1996 ohne Angabe näherer Umstände. Am 11. Dezember 1996 lehnte der Bekl förmlich die Gewährung weiterer Fristverlängerung für die Abgabe der Steuererklärungen der Klin für 1994 ab, weil das Veranlagungsgeschäft für 1994 weitgehend abgeschlossen sei. Die im Jahr 1995 bestehende Personalsituation in der Kanzlei hätte inzwischen durch Gegenmaßnahmen beseitigt werden können. Besondere neu aufgetretene Umstände seien nicht geltend gemacht worden und nicht ersichtlich. Auf dieses Schreiben wird wegen der Einzelheiten verwiesen. Gegen diese Verfügung legte der Steuerberater für die Klin am 10. Januar 1997 mit einem Vordruck Einspruch ein. Am 18. Dezember 1996 drohte der Bekl erneut Zwangsgelder an. Mit Schreiben vom 20. Januar 1997 beantragte der Steuerberater erneut Fristverlängerung bis 31. März 1997 ohne nähere Angaben. Am 20. Februar 1997 setzte der Bekl Zwangsgelder fest (Körperschaftsteuer-KSt-Erklärung DM …; Umsatzsteuer-USt-Erklärung DM … Gewerbesteuer-GewSt-Erklärung DM …, Erklärung nach § 47 Körperschaftsteuergesetz –KStG– DM 1). Dagegen legte der Steuerberater am 22. Februar und 20. März 1997 Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Mit Verfügung vom 6. März 1997 wurde der Antrag auf AdV abgewiesen und eine Einspruchsentscheidung angekündigt. Der Bekl führte aus, auf kein Schreiben des Finanzamts (FA) hin seien konkrete Gründe vorgetragen worden, weshalb gerade diese Steuererklärungen nicht abgegeben worden seien bzw. die Zwangsgeldfestsetzung r...