Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntgabe von Steuerbescheiden für eine in Liquidation befindliche, im Handelsregister bereits gelöschte polnische Gesellschaft an ihren im polnischen Handelsregister eingetragenen Liquidator bei behaupteter Amtsniederlegung des Liquidators. wiederholende Verfügung oder erneuter Verwaltungsakt
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass auch eine ausländische Kapitalgesellschaft nach ihrer Löschung im Handelsregister und ihrer Abwicklung solange als fortbestehend anzusehen ist, wie sie steuerliche Pflichten zu erfüllen hat oder gegen sie ergangene Steuerbescheide angreift.
2. Verwaltungsakte können auch in Liquidation befindlichen juristischen Personen bekannt gegeben werden. Bekanntgabeadressat ist in diesem Fall der Liquidator. Ist der Liquidator einer bereits gelöschten polnischen Gesellschaft im polnischen Handelsregister nach wie vor als Liquidator eingetragen, so darf ihm das FA für die Gesellschaft bestimmte Bescheide auch dann weiter bekanntgeben, wenn in einem früheren Schreiben seines Bevollmächtigten zwar einleitend vom „vormaligen Liquidator der zwischenzeitlich gelöschten Firma …” die Rede ist, im selben Schreiben jedoch auch weiterhin auf den Liquidator – ohne einen Hinweis auf eine Amtsniederlegung – Bezug genommen wird, und wenn das FA somit keine gesicherte Kenntnis von einer Amtsniederlegung des Liquidators hat.
3. Die Finanzbehörde ist nur dann infolge einer Ermessensreduktion auf null verpflichtet, einen Verwaltungsakt an den Bevollmächtigten des Steuerpflichtigen und nicht an diesen selbst bekannt zu geben, wenn für den Steuerpflichtigen als denjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist, ein Bevollmächtigter eindeutig und unmissverständlich gerade auch als Empfangsbevollmächtigter bestellt worden ist und sich dies unmittelbar aus der diesbezüglichen Erklärung des Steuerpflichtigen ergibt.
4. Kein erneuter Verwaltungsakt, sondern eine wiederholende Verfügung liegt vor, wenn die Behörde eine bereits getroffene Regelung ohne erneuten Regelungswillen lediglich wiederholt und der fehlende Regelungswille für den Empfänger hinreichend deutlich wird (vgl. Sächsisches FG, Urteil v. 29.8.2016, 6 K 318/16 KG).
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, §§ 57, 102; AO § 122 Abs. 1 S. 3, Abs. 5 S. 2, § 5; VwZG § 3 Abs. 1 S. 1
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin ist eine in Polen ansässige Sp.Z.o.o. i.L. Ihr Liquidator war Herr B….
Am 3. Januar 2014 richteten die Bevollmächtigten der Antragstellerin ein Schreiben an das Finanzamt (FA) C…. In dem Schreiben heißt es „… unter anwaltlicher Versicherung der Bevollmächtigung, bei Bedarf schriftlich vorlegend, zeige ich Ihnen die Wahrnahme der rechtlichen Interessen des vormaligen Liquidators der zwischenzeitlich gelöschten Firma A… Sp.Z.o.o. an bzw. dieser Firma … Ich bitte Schriftverkehr betreffend der Besteuerung der bereits gelöschten Firma zu meinen Händen ggf. zu übermitteln.”.
Am 10. Januar 2014 wandte sich das FA C… mit einem Schreiben an die Bevollmächtigten der Antragstellerin und bat um Vorlage der Bevollmächtigung. Es sei unklar, ob die Bevollmächtigten als Beistand des Liquidators oder des vormaligen Geschäftsführers D… aufträten.
Der Antragsgegner erließ am 16. Januar 2014 die hier angegriffenen Bescheide. Er adressierte die Bescheide an den Liquidator der Antragstellerin unter seiner E… Adresse. Ausweislich einer Postzustellungsurkunde wurden die Bescheide am 17. Januar 2014 in den zur Wohnung/zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten eingelegt.
Am 27. März 2014 meldeten sich die Bevollmächtigten der Antragstellerin bei dem FA C… und mahnten eine Antwort auf ihr Schreiben vom 3. Januar 2014 an.
Am 31. März 2014 wandten sich die Bevollmächtigten der Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner gegen die am 16. Januar 2014 erlassenen Bescheide. Sie nahmen Bezug auf eine am 31. Dezember 2013 ausgestellte Vollmacht, die auch eine Empfangs- und Zustellvollmacht enthalte. Die Bevollmächtigten trugen vor, sie hätten dem FA C… mit Schreiben vom 3. Januar 2014 ihre Bevollmächtigung angezeigt und erklärt, dass sie zustellbevollmächtigt seien. Dem Schreiben vom 31. März 2014 war die beglaubigte Abschrift einer Vollmacht „in der Angelegenheit A… Spz.oo.o ./. FA C…, Stadt F…, FA F…” mit Datum vom 31. Dezember 2013 beigefügt.
Das FA C… (Steuerfahndung) teilte dem Antragsgegner mit Schreiben vom 3. April 2014 mit, dass dem Schreiben der Antragstellerin vom 3. Januar 2014 eine Empfangs- und Zustellvollmacht nicht beigefügt gewesen sei. Mit dem Schreiben vom 3. April 2014 übermittelte das FA dem Antragsgegner einen Ausdruck einer Online-Abfrage des polnischen Handelsregisters vom selben Tage, der B… als Liquidator der Antragstellerin auswies.
Am 29. April 2014 übersandte der Antragsgegner den Bevollmächtigten der Antragstellerin die Bescheide erneut. Mit Schreiben vom 8. Mai 2014 wandten sich die Bevollmächtigten auc...