Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung eines Fahrtenbuchs bei Kombination von handschriftlich geführtem Fahrtenbuch und nachträglich erstelltem Computerausdruck
Leitsatz (redaktionell)
Wird für ein handschriftlich, zeitnah und geschlossen geführtes Fahrtenbuch nachträglich unter Ergänzung einzelner Angaben ein Computerausdruck gefertigt, ohne dass Manipulationsmöglichkeiten hinsichtlich der gefahrenen Kilometer bzw. maßgebliche Einschränkungen bei der Überprüfbarkeit der Angaben bestehen, ist das Fahrtenbuch geeignet, den privaten Nutzungsanteil eines betrieblichen Fahrzeugs anders als nach der 1 %-Methode zu ermitteln.
Normenkette
EStG 2002 § 8 Abs. 2 S. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 3, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tenor
Der Feststellungsbescheid vom 21. November 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05. Februar 2009 wird dahingehend geändert, dass der geldwerte Vorteil aus der Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs durch den Gesellschafter-Geschäftsführer nicht nach der 1 %-Methode, sondern nach den tatsächlich entstandenen Kosten unter Zugrundelegung des Anteils privater Fahrten ermittelt wird. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Entscheidungsgründe zu errechnen, ferner der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnungen unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Beschluss:
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des für das Streitjahr anzusetzenden Nutzungswertes für ein betriebliches Fahrzeug.
Die Klägerin meldete mit der Lohnsteueranmeldung März 2007 negative Lohnsteuerabzugsbeträge in Höhe von insgesamt EUR 162,12 an. Zur Begründung führte sie aus, dass dies eine Folge einer berichtigten Lohn- und Gehaltsabrechnung für den Gesellschafter-Geschäftsführer … für den Zeitraum Januar 2006 bis Februar 2007 sei. Sie, die Klägerin, habe die private Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs, eines Peugeot 407 mit dem Kennzeichen …, nach der sogenannten 1 %-Methode versteuert, obwohl der Gesellschafter-Geschäftsführer ein Fahrtenbuch geführt habe und der Privatanteil somit nach der individuellen Methode ermittelt werden könne. Die Klägerin legte auf Aufforderung des Beklagten die Fahrtenbücher vor. Sie weisen neben dem jeweiligen Datum zumeist Ortsangaben (z.B. „F – …straße – F”, „F – …straße – F”), gelegentlich auch die Namen von Kunden (z.B. „F – XY – F”, „Firma – Z – F”) oder Angaben zum Zweck der Fahrt (z.B. „F – Tanken – F”) auf, außerdem den Kilometerstand des Fahrzeugs nach Beendigung der Fahrt und die jeweils gefahrenen Tageskilometer aus. Zur Ergänzung legte die Klägerin eine nachträglich per Computer gefertigte Aufstellung vor, aus der sich das Datum, der Standort des Fahrzeuges zu Beginn der Fahrt (in aller Regel „Firma”), der Kilometerstand zu Beginn der Fahrt, der Grund der Fahrt (z.B. „Fr. … Problem Therme”, „Fr. … Problem DE”, „Essen m. Hr. …”), der Fahrer (in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle der Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin), das Ziel der Fahrt und eine Nr., die die Fahrroute bezeichnen soll, ergeben. Die Fahrtrouten sind am Ende der Liste aufgeführt. Die Fahrtziele stimmen mit den in dem Fahrtenbuch ausgewiesenen Ortsangaben überein. Die Angaben, die sich in der Computeraufstellung finden, entnahm der Geschäftsführer der Klägerin seinem handschriftlich geführten Tageskalender.
Der Beklagte erkannte das Fahrtenbuch nicht an, versagte die Zustimmung zu der Lohnsteueranmeldung für März 2007 und setzte die Lohnsteuerabzugsbeträge für die Monate März bis September 2007 mit dem hier angefochtenen Bescheid unter Anwendung der 1 %-Methode fest. Der Einspruch der Klägerin dagegen hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 05. Februar 2009).
Während des Klageverfahrens hat die Klägerin eingeräumt, dass die vom Beklagten bemängelten Fahrten mit den Ortsangaben „Friedhof” und „W.” den privat veranlassten Fahrten zuzuordnen sind (vgl. Klageschrift vom 06. März 2009, S. 4, unter V.).
Die Klägerin beantragt,
den Feststellungsbescheid vom 21. November 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05. Februar 2009 aufzuheben und den geldwerten Vorteil aus der Nutzung des betrieblichen Fahrzeugs durch den Gesellschafter-Geschäftsführer individuell nach den entstandenen Kosten zu ermitteln
sowie
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat in der mündlichen Verhandlung eingeräu...