rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Beibehaltung der inländischen Wohnung bei Versetzung in das Ausland. Arbeitslohn von Dritter Seite. Ermessensreduzierung auf Null bei Vorliegen der Voraussetzungen des Auslandstätigkeitserlasses (ATE). gerichtliche Überprüfung der Ermessensentscheidung. Beschränkung der Vergünstigungen nach dem ATE auf Arbeitnehmer inländischer Arbeitgeber ist verfassungsgemäß
Leitsatz (redaktionell)
1. Für das Vorliegen eines Wohnsitzes im Inland ist es ohne Bedeutung, ob dieser den Mittelpunkt der Lebensinteressen der betreffenden Person bildet. Auch das Innehaben mehrerer Wohnsitze nebeneinander ist möglich.
2. Behält ein vom Inland ins Ausland versetzter Steuerpflichtiger eine Wohnung im Inland bei, deren Benutzung ihm jederzeit möglich ist und die dergestalt ausgestattet ist, dass sie jederzeit als Bleibe dienen kann, spricht eine (widerlegbare) Vermutung dafür, dass er die Wohnung auch benutzt. Der Nachweis des Gegenteils obliegt dem Steuerpflichtigen.
3. Zuwendungen Dritter sind Arbeitslohn, wenn sie ihrem Grunde nach im weitesten Sinne im Dienstverhältnis oder Arbeitsverhältnis wurzeln und nicht aufgrund eines anderen Rechtsgrundes gewährt werden.
4. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des Auslandstätigkeitserlasses (ATE) kann der Steuerpflichtige auf den Erlass der Billigkeitsmaßnahme vertrauen „Ermessensreduzierung auf Null”).
5. Die FG können die Verwaltungsbehörden nicht zwingen, eine Verwaltungsanweisung auch auf einen Fall anzuwenden, bei dem objektive Zweifel bestehen und bei dem die Behörde ohne Willkür von der Anwendung der Anweisung Abstand nahm; eine erweiternde oder analoge Anwendung des ATE kommt nicht in Betracht.
6. Gegen die Beschränkung der Steuerbegünstigung nach dem ATE auf Arbeitnehmer eines inländischen Arbeitgebers bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Normenkette
EStG § 1 Abs. 1, § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 34c Abs. 5; LStDV §§ 1, 2 Abs. 1; AO §§ 5, 8; GG Art. 3 Abs. 1; FGO § 102
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die steuerliche Einordnung der dem Kläger in 2009 (Streitjahr) von der C. GmbH gezahlten Beträge.
Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und Kapitalvermögen.
Am 20. bzw. 26. März 2007 schloss der Kläger mit der C. GmbH, heute D. GmbH, eine Vereinbarung, in der sich die C. GmbH laut den Ziffern 1.2 sowie 9.1 verpflichtete, dem Kläger als sogenannte Integrierte Fachkraft in Ziffer 2 der Vereinbarung näher bezeichnete Leistungen „als Teil des anerkannten ‚rechnerischen Gesamteinkommens’ zu gewähren”. Hintergrund dieser Vereinbarung war, dass die C. GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Bundesrepublik Deutschland war, zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit (BA) – Zentrastelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) – die Arbeitsgemeinschaft „E.” gegründet hatte, welche das Programm „F.” durchführen sollte. Ziel des Programms war es, einen vorübergehenden Engpass an einheimischen Fachkräften in den für die Entwicklung wichtigen Institutionen in Entwicklungsländern bzw. Ländern Mittel- und Osteuropas mit deutschen Fachkräften bzw. solchen der Europäischen Union (EU) zu überbrücken. Um es den Arbeitgebern in den genannten Ländern zu ermöglichen, geeignete Fachkräfte auf dem deutschen Arbeitsmarkt anzuwerben, leistete die C. GmbH im Rahmen des Programms „F.” Zuschüsse zu den Vergütungs- und Nebenleistungen des lokalen Arbeitgebers, die unmittelbar an die Fachkräfte ausgezahlt wurden.
Zudem schloss der Kläger im Mai 2007 mit der National Assembly (Nationalversammlung) des Königreichs Kambodscha einen Arbeitsvertrag ab, auf den wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Laut Artikel 5 trat der Vertrag am 21. Mai 2007 mit einer Laufzeit von zwei Jahren in Kraft und war vorbehaltlich der schriftlichen Zustimmung Kambodschas, der Klägers sowie der E. verlängerbar.
In der Folgezeit zahlte die C. GmbH dem Kläger für die zweijährige Laufzeit des Arbeitsvertrags monatlich einen Gehaltszuschuss in Höhe von 5.191,33 EUR und Zuschüsse zur Renten-, Pflege und Auslandskrankenversicherung sowie Krankengeld, Reise- und Transportkostenersatz, Kinderbeihilfen, Schulgeld- und Mietzuschüsse. Kambodscha zahlte monatlich 182,89 EUR und keine weiteren Zuschüsse.
Die Kläger reichten die Steuererklärung für das Streitjahr im Oktober 2010 beim Beklagten ein. In der für den Kläger ausgefüllten Anlage N war ein Bruttoarbeitslohn von 8.000 EUR genannt. Zusammen mit der Anlage N legten die Kläger den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung des Klägers vor, aus der der Bruttoarbeitslohn von 8.000 EUR ersichtlich war und die vom Deutschen Bundestag ausgestellt worden war. Für die Zeit vom 21. Mai bis 31. Oktober 2009 wurde eine Bescheinigung der BA eingereicht, wonach der Kläger in den genannten Monaten Arbeitslosengeld bezogen hatte. Darüber hinaus legten die Kläger eine A...