Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitlicher Lebenssachverhalt i. S. v. § 174 Abs. 4 AO bei Erwerb eines Gesamterbbaurechts an zwei Nachbargrundstücken von zwei Grundstückseigentümern
Leitsatz (redaktionell)
Wurde an zwei im Eigentum unterschiedlicher Eigentümer stehenden und zur einheitlichen Bebauung bestimmten Nachbargrundstücken A und B ein Gesamterbbaurecht zugunsten der Klägerin bestellt, wurden die Erwerbsvorgänge gegenüber der Klägerin in getrennten Bescheiden der Grunderwerbsteuer unterworfen und wurde in dem Klageverfahren gegen den Grunderwerbsteuerbescheid für das Grundstück A rechtskräftig festgestellt, dass nicht nur wie vom Finanzamt angenommen ein das Grundstück A betreffendes, sondern auch ein das Grundstück B betreffendes einheitliches Vertragswerk vorlag und deswegen anders als vom Finanzamt angenommen die wegen des einheitlichen Vertragswerks zu besteuernden Baukosten nicht ausschließlich dem Erwerbsvorgang „Grundstück A”, sondern anteilig auch dem Erwerbsvorgang „Grundstück B” zuzuordnen sind, so liegt ein einheitlicher Lebenssachverhalt vor, der das Finanzamt gegenüber der Klägerin nach § 174 Abs. 4 AO zu einer Änderung des bestandskräftigen Grunderwerbsteuerbescheids für den „Erwerbsvorgang B” (und ggf. zur nachträglichen und zusätzlichen Besteuerung der anteiligen Baukosten infolge eines einheitlichen Vertragswerks) berechtigt.
Normenkette
AO § 174 Abs. 4 Sätze 1, 4, Abs. 3 S. 1; GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 8-9
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
In der notariellen Verhandlung vom 23. Februar 1994 (UR-Nr.: … des Notars …) bestellten die A und B an dem Grundstück G.1. (3.657 m²) – Eigentümer: B – und an dem angrenzenden Grundstück G.2. (ca. 4.015 m²) – Eigentümer: A – zugunsten der Klägerin ein Gesamterbbaurecht. Der Anteil der A an der Gesamtfläche von 7.672 m² betrug 52 %, der des B 48 %, wie aus der tatsächlichen Verständigung der Beteiligten am 27. November 2003 vor dem Finanzgericht – FG – Berlin in dem Verfahren 1 K 1318/01 folgt.
Der Zweck der Bestellung des Erbbaurechtsvertrages bestand gemäß § 2 darin, ein Gebäude entsprechend dem Entwurf des Architekten M. zu errichten. Nach § 3 der Vereinbarung war die Klägerin als Erbbauberechtigte verpflichtet, das Bauwerk zu errichten. In einer weiteren Vereinbarung vom 18./23.02.1994 wurde u. a. die Verpflichtung der Klägerin geregelt, das bebaute Erbbaurecht der C, einer Organtochter der D – AG und der E – AG, im Rahmen eines Leasingvertrages zur Nutzung zu überlassen. Die C hatte wiederum selbst mit der A am 18./23. Februar 1994 einen Leasingvertrag geschlossen, wonach die A als Erbbaurechtsgeber und Grundstückseigentümer das bebaute Grundstück nutzen sollte. Der A wurde gegenüber der Klägerin im Rahmen des Erbbaurechtsvertrages auch ein Ankaufsrecht eingeräumt für voraussichtlich den 31. Dezember 2016 bzw. spätestens den 31. Dezember 2026.
Der Beklagte setzte zunächst mit zwei Bescheiden vom 5. Juli 1994, bezogen auf zwei Erwerbsvorgänge wegen der beiden beteiligten Grundstückseigentümer auf der Veräußererseite, gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer fest, wobei er lediglich jeweils den kapitalisierten Erbbauzins als Bemessungsgrundlage ansetzte. Bezogen auf den Erwerbsvorgang der Klägerin mit der A ergab sich eine Grunderwerbsteuer von 676.926,00 DM und hinsichtlich des Erwerbsvorganges mit dem B eine Grunderwerbsteuer von 616.567,00 DM.
Nur gegen den hinsichtlich des Erwerbsvorganges der Klägerin mit der A ergangenen Bescheid erhob die Klägerin Einspruch mit der Begründung, dass der Erbbauzins lediglich aufschiebend bedingt vereinbart worden sei und deshalb noch keine Grunderwerbsteuer angefallen sein könne.
Ende des Jahres 1995 erhielt der Beklagte aufgrund einer bei der Klägerin in X durchgeführten Betriebsprüfung über eine Kontrollmitteilung des Finanzamtes Y vom 7. Dezember 1995 Kenntnis von einem Generalübernehmervertrag, der am 20. Oktober/7. November 1994 zwischen der Klägerin und der A als Generalübernehmer schriftlich vereinbart worden war. Die Generalübernehmer-Vertragssumme betrug netto 191 Mio. DM. Hinzu kamen nach dem Bericht des Finanzamtes X vom 18. November 1996 noch weitere Aufwendungen hinzu (s. S. 2 der Einspruchsentscheidung vom 21. September 2005), so dass sich ein Gesamtbetrag von 230.217.774,00 DM ergab.
Auf dieser Grundlage setzte das Finanzamt durch Änderungsbescheid vom 29. Dezember 1998 die Grunderwerbsteuer hinsichtlich des von der A zugunsten der Klägerin bestellten Erbbaurechts – Vorgang II – auf 4.604.355,00 DM fest. Zugleich berücksichtigte es abweichend von der ursprünglichen Festsetzung nicht mehr den gesamten kapitalisierten Erbbauzins, sondern nur noch den Kapitalwert für das Nutzungsentgelt vom 1. März 1994 bis zum 30. September 1997, d. h. einen Betrag von nunmehr 6.016.074,00 DM.
Der nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung – AO – geänderte Bescheid wurde Gegenstand des E...