Entscheidungsstichwort (Thema)
Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist durch den Beginn einer Betriebsprüfung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Ablauf der Festsetzungsfrist wird nicht schon mit Bekanntgabe der Prüfungsanordnung gehemmt, sondern erst dann, wenn der Prüfer vor Ort konkrete Handlungen zur Ermittlung des Steuerfalls aufnimmt.
2. Der Beginn der Betriebsprüfung kann zwar darin liegen, dass sich der Prüfer beim Steuerpflichtigen oder beim steuerlichen Vertreter einfindet, um einzelne den Betrieb betreffende Fragen zu besprechen. Die Prüfung ist aber erst begonnen, wenn der Prüfer in die sachliche Prüfung in einem Umfang eingetreten ist, der im Verhältnis zur Gesamtheit der zu prüfenden Sachverhalte von Gewicht ist. Die Aufnahme der Prüfung muss geeignet sein, verwertbare Ergebnisse zu erzielen, an die bei der Fortsetzung der Prüfung angeknüpft werden kann. Dafür sind äußere Anzeichen das Verlangen nach der Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren und anderen Unterlagen.
3. Die Wiederaufnahme einer Betriebsprüfung, die unmittelbar nach Beginn für mehr als 6 Monate aus von der Finanzverwaltung zu vertretenden Gründen unterbrochen war, gilt als Beginn einer erneuten Betriebsprüfung.
4. Fehlen im Rahmen einer Betriebsprüfung Unterlagen, liegt es nahe, diese unter Fristsetzung aktenkundig anzufordern, und nach Ablauf der Frist ggf. anzumahnen bzw. die Prüfung ohne diese Unterlagen weiter zu führen.
Normenkette
AO 1977 § 171 Abs. 4 Sätze 1-2
Nachgehend
Gründe
Der Kläger betrieb von April 1990 bis 31.12.1991 in L.… einen Baubetrieb als Einzelunternehmer. Das Unternehmen wurde nachfolgend in der Rechtsform einer GmbH fortgeführt. Die Steuererklärung für 1990 ging beim Beklagten am 29.09.1992 ein. Die Festsetzung erfolgte mit Bescheid vom 22.04.1993 erklärungsgemäß unter Vorbehalt der Nachprüfung. Der Beklagte ordnete am 19.11.1996 die Durchführung einer Betriebsprüfung in den Räumen der steuerlichen Vertreterin für die Jahre 1990 bis 1991 mit Prüfungsbeginn 17.12.1996 an. Auf Blatt 20 der Handakte der Betriebsprüferin befinden sich u.a. im wesentlichen die Vermerke: „Beginn der Betriebsprüfung am 17.12.1996, am heutigen Tage konnten keine Kostenbelege vorgelegt werden; („Herr A… sucht noch”). Weitergeführt wurde die BP am 26.08.1997”. Im Ergebnis der Prüfung wurden bei der Festsetzung der Steuerrate 1990 im Bescheid vom 10.06.1998 noch Produktionsfondssteuer und Lohnsummensteuer für das 1. Halbjahr 1990 berücksichtigt. Der Bescheid wurde aufgrund eines Verlustrücktrages aus 1991 mit Bescheid vom 28.02.1999 geändert.
Der Kläger macht neben der Verjährung der Produktionsfonds- und Lohnsummensteuer, da diese im 1. Halbjahr 1990 entstanden seien und hierfür die Abgabenordnung der DDR anzuwenden sei, im wesentlichen geltend, bei dem „Prüfungsbeginn” habe es sich lediglich um einen Formalbesuch gehandelt. Die Prüferin habe geäußert, dass die eigentliche Prüfung erst im Jahr 1997 stattfinden könne. Die Kostenbelege hätten am 17.12.1996 vorgelegen. Die Prüfung sei im August 1997 mit den Unterlagen durchgeführt worden, die bereits im Dezember 1996 vorgelegen hätten.
Als Zeuge wurde ein Mitarbeiter des Steuerbüros vernommen. Wegen des Ergebnisses der Zeugenvernehmung wird auf das Sitzungsprotokoll der mündlichen Verhandlung am 07.02.2001 verwiesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 25.02.1999 dahingehend zu ändern, dass die Produktionsfonds- und Lohnsummensteuer bei der Berechnung der Steuerrate 1990 nicht berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte macht geltend:
Es sei keine Verjährung zum 31.12.1996 eingetreten. Die Prüfung sei am 17.12.1996 begonnen, aber aus Gründen, die der Kläger zu vertreten habe, unterbrochen worden. Der Kläger habe die zu Beginn der Prüfung erbetenen Kostenbelege nicht vorlegen können. Am gleichen Tag sei mit der Betriebsprüfung der A… & Partner GbR und der A… & Partner GmbH begonnen worden. Aus den Wochenberichten der Prüferin vom 1. Halbjahr 1997 sei ersichtlich, dass sich diese mit der Prüfung weiter beschäftigt habe.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid über die Steuerrate 1990 vom 10.06.1998 in der Fassung vom 25.02.1999 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 28.04.1999 sind rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Für die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis für 1990 ist mit Ablauf des 31.12.1996 Festsetzungsverjährung eingetreten. Die am 17.12.1996 begonnene Betriebsprüfung hatte keine Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsverjährung zu Folge, da sie jedenfalls nicht aus Gründen, die der Kläger zu vertreten hatte länger als 6 Monate unterbrochen war.
Nach Art 97a § 2 Nr. 5 Einführungsgesetz zur Abgabenordnung – EGAO 1977 – gelten die Vorschriften der Abgabenordnung – AO – über die Festsetzungsverjährung für die Festsetzung von Steuern, die nach dem Wirksamwerden des Beitritts entstehen. Die Produktionsfonds- und die Lohnsummens...