Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Sozialleistungsträgers bei Heimunterbringung des schwerbehinderten Kindes und Erbringung von Eingliederungshilfe auf Erstattung des Kindergeldes von der Familienkasse
Leitsatz (redaktionell)
1. Trägt der Sozialleistungsträger die Kosten der Heimunterbringung des schwerbehinderten, volljährigen und vollstationär untergebrachten Kindes, so kann er einen Kindergeld-Erstattungsanspruch gegen die Familienkasse nur dann auf § 74 Abs.2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 1 S. 4 SGB X stützen, wenn er gegenüber dem Kindergeldberechtigten oder dem Kind selbst einen Aufwendungsersatz tatsächlich geltend gemacht bzw. einen Kostenfestsetzungsbescheid tatsächlich erlassen hat und sich dabei ausdrücklich auf das Kindergeld als Anspruch dem Grunde und der Höhe nach bezogen hat. Die Erhebung eines nicht auf das Kindergeld bezogenen Kostenfestsetzungsbescheids bzw. das Geltendmachen eines nicht kindergeldbezogenen Aufwendungsersatzanspruchs genügen nicht (hier: Aufwendungsersatz durch Auszahlung einer Rente des Kindes an den Sozialleistungsträger).
2. Es besteht in diesem Fall auch kein Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 S. 1 bis 3 SGB X, da diese Vorschrift eine Gleichartigkeit der Leistungen voraussetzt und Kindergeld und Eingliederungshilfe keine gleichartigen Leistungen in diesem Sinne sind.
3. § 90 Abs. 1 BSHG betrifft nach seinem Wortlaut nur Ansprüche des Sozialleistungsträgers gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I ist, und ist damit nicht auf Kindergeld-Erstattungsansprüche gegen die Familienkasse anwendbar.
Normenkette
EStG 2000 § 74 Abs. 2; SGB X § 104 Abs. 1 Sätze 4, 1-3; BSHG § 90; SGB I § 12
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Tatbestand
Das behinderte Kind Yves A…, geb. im April 1971, ist vollstationär in einer Behinderteneinrichtung untergebracht. Die Eltern des Kindes kümmern sich um ihr Kind, indem sie etwa drei Wochenenden im Monat, Feiertage und Ferien mit ihm verbringen und wesentliche Aufwendungen in dieser Zeit für das Kind tragen. Die Kosten der Unterbringung in der Behinderteneinrichtung werden von der Klägerin, der Stadt L… als Sozialleistungsträger, übernommen. Der Sozialleistungsträger hat Aufwendungsersatz geltend gemacht gegenüber dem betreuten Kind, er hat sich die Rente des Kindes abzüglich eines Selbstbehaltes auszahlen lassen. Das Kind Yves A… erhielt eine Rente in Höhe von monatlich etwa DM 466 (Bruttobetrag).
Die Klägerin stellte im Januar 2000, bei der Beklagten am 13. Januar 2000 eingegangen, einen als „Überleitungsanzeige” benannten Antrag auf Leistungsbewilligung. Darin bat sie um Auszahlung des Kindergeldes nach § 74 Abs. 1 Einkommensteuergesetz – EStG –. Zur Begründung führte sie an, dass gemäß § 90 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz – BSHG – der Sozialhilfeträger den Anspruch eines Hilfeempfängers oder seiner Eltern gegen einen anderen, der nicht Leistungsträger im Sinne des § 12 SGB I ist, bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf sich überleiten könne. Im Weiteren wird auf den Antrag Bezug genommen.
Die Beklagte wertete den Antrag der Klägerin als Antrag auf Abzweigung des Kindergeldes nach § 74 Abs. 1 EStG und lehnte mit Bescheid vom 5. Februar 2001 den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung führte sie an, dass die Eltern des Kindes ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht in Form von Betreuungs- und Sachleistungen nachkämen. Der hiergegen erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Beklagte hat die Zahlung von Kindergeld an die Kindesmutter, die Beigeladene, bis zum Abschluss des Verfahrens zurückgestellt.
Die Klägerin hat Klage erhoben. Sie betont ausdrücklich, dass sie einen Abzweigungsantrag nicht gestellt habe. Sie habe gemäß § 90 BSHG einen Anspruch auf Kindergeld aus übergegangenem Recht, jedenfalls habe sie einen Anspruch auf Erstattung des Kindergeldes. Es handele sich hier um einen Forderungsübergang, der durch schriftliche Anzeige bewirkt werde. Ihren Anspruch habe sie mit Verwaltungsakt geltend gemacht. Dieser sei nicht angegriffen worden – weder von der Beklagten noch von der Beigeladenen – und mithin bestandskräftig. Zumindest aber sei sie, die Klägerin, nach § 74 Abs. 2 EStG n. F. in Verbindung mit § 104 Abs. 1 Zehntes Sozialgesetzbuch – SGB X – erstattungsberechtigt. Die Voraussetzungen hierfür seien erfüllt, da das Kind zu einem monatlichen Kostenbeitrag aus seiner Rente herangezogen werde. Sie begrenze ihren Anspruch auf den Zeitraum bis Dezember 2001, da aufgrund einer Gesetzesänderung ab dem 1. Januar 2002 gemäß § 91 Abs. 2 BSHG Eltern von behinderten oder pflegebedürftigen volljährigen Kindern bei deren vollstationärer Betreuungsbedürftigkeit in Höhe von EUR 26 monatlich zum Unterhalt heranzuziehen seien. Dieser Unterhaltsbeitrag s...